Den Sonntag, von dem wir jetzt sehr genau wissen, wie Michael Preetz ihn verbracht hat, habe auch ich verbracht. Ich habe um 10.04 über Festnetz ein Telefongespräch nach Österreich geführt, exakt 39 Minuten davor war ich auf der Geschäftsstelle in meinem Arbeitszimmer eingetroffen. Dort hielt ich eine kleine Teambesprechung mit mir selbst ab, und widmete mich nach besagtem Telefonat bis 12.30 der Grundlagenarbeit (Lektüre). Um 13.15 verließ ich die Geschäftsstelle und begab mich mit öffentlichen Berliner Verkehrsmitteln nach Moabit, um dort im Poststadion die Fußballbegegnung Berliner AK 07 gegen Hertha BSC II in der Regionalliga Nord zu beobachten. Die Eintrittskarte für die Tribüne kostete 10 Euro, welche ich bereitwillig bezahlte. Während des Spiels führte ich keine Gespräche, niemand sprach auf meine Mailbox, sodass ich anschließend auch niemand zurückrief.
Ein spezielles Interesse galt möglichen Aufschlüssen über die Verfassung verschiedener Nachwuchsherthaner, in erster Linie wollte ich Marco Djuricin sehen, der auch in der Startelf stand. An seiner Seite spielte Tunay Torun, der zur Zeit gegenüber Änis Ben-Hatira ins Hintertreffen geraten ist und deswegen in der unteren Liga "Spielpraxis sammeln" muss, wie das so schön heißt. Er erzielte das einzige Tor für Hertha an diesem Tag, als er gegen Ende der ersten Halbzeit auf ein Missverständnis des BAK 07-Torwarts mit einem seiner Vorderleute spekulierte und abstauben konnte.
In der zweiten Halbzeit glich die Heimmannschaft durch einen direkt verwandelten Freistoß aus. Burchert hatte keine Chance, im übrigen war der Keeper einer der besseren Herthaner. Insgesamt machte die Mannschaft von Karsten Heine an diesem Sonntag nicht den besten Eindruck. Von einer modernen Spielanlage war wenig zu sehen, und es war ausgerechnet Djuricin, der dies am deutlichsten verkörperte. Er spielte einen Angreifer älteren Stils, Marke Anton Polster, mit beträchtlichem Beschleunigungsvermögen im letzten Drittel, aber wenig Beteiligung am Spiel insgesamt. Man könnte auch sagen: er spielte die meisten Zeit aufreizend faul, seine Körpersprache war auch eher "unverstandenes Genie" als "aufstrebender Angreifer". Aber das kann täuschen, es war ja nur ein Spiel, vielleicht spielt er sonst anders.
Für mich war der Besuch im Poststadion aber trotzdem lohnend. Die Anlage wird gerade umgebaut, so war es gut, das Gelände noch einmal in seinem langjährigen, ein wenig verwilderten Zustand zu sehen. Den Rest des Tages verbrachte ich mit anderen Dingen, auf Hertha kam ich nur abends beim Sportplatz noch einmal kurz zurück, doch dort war wenig zu erfahren. Die Mannschaft tut gut daran, sich zu konzentrieren, und beim FC Köln konnte man am selben Tag gut sehen, wie man eine vergleichbare Situation nicht moderieren sollte. Umso wichtiger ist es, sich unter Druck nicht einzubunkern.
Das Interview, das Michael Preetz mit sich selbst geführt hat, ist prinzipiell nicht verkehrt (in England schreiben die Zeitungen auch dauernd nur die Clubkanäle ab). Zur Zeit aber, da die Zuständigkeiten so unklar sind (wer stellt eigentlich die Mannschaft auf? was wird trainiert?), erweckt die Politik der "Nicht-Öffentlichkeit" den Eindruck, hier baue ein schwerst in die Defensive geratener Manager eine Mauer um seine bröckelnde Alleinherrschaft. Vor diesem Hintergrund ist es gut, zu erfahren, dass er um 18.25 eine Reporterin von der Zeitung mit den vier Buchstaben anrief, dabei aber nur eine Mailbox erreichte. Ob er später am Abend noch einen weiteren Anruf tätigte, um bei einem am selben Tag freigestellten Trainer vorzufühlen, was er ab dem Sommer so vorhat, werden wir nie erfahren. Ist auch ohne Belang, zuerst muss diese Saison mit König Otto zu Ende gebracht werden.
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