Montag, April 09, 2012

Pferdefuß

Seit einigen Wochen schaue ich die Liga zu Hause mit einem Beamer. Das große Bild hat die Perspektive auf das Spiel noch einmal ein wenig verändert. Die Fernsehübertragung ist ein bisschen näher an das Live-Ereignis herangerückt, weil ich wie im Stadion auch den Blick stärker schweifen lassen kann. Ich kann also etwas den Defensivblock der Hertha im Auge behalten, wenn gerade ein Angriff läuft.

Am Samstag war es einmal so, dass drei Herthaner offensiv unterwegs waren - sie näherten sich dem Strafraum, umgeben von sechs, sieben, acht Gladbachern. Dahinter war das Spielfeld gähnend leer, jeden Moment mussten doch jetzt ein, zwei, drei weitere Berliner ins Bild kommen, um die Chancen des Angriffs zu erhöhen. Doch es kam niemand, der Bildausschnitt blieb leer, erst als sich die Richtung des Spiels wieder gewendet hatte, kamen Ottl und Niemeyer und die restlichen zurück ins Bild.

Dieses Detail war für mich das bezeichnendste aus dem torlosen Remis bei Borussia Mönchengladbach. Der Punkt beim Tabellenvierten wurde allgemein als Erfolg gewertet, da ist auch etwas dran, unübersehbar war aber auch, dass die Mannschaft von Lucien Favre am Samstag eminent schlagbar war. Zumal nach dem frühen Ausscheiden von Marco Reus, dem Lell einen Pferdekuss verpasst hatte.

Die Spielanlage von Hertha wirkte wie eine Reaktion auf die Aussagen von Markus Babbel Ende letzter Woche, dass er Hertha sicher gerettet hätte - soll heißen, vor dem Abstieg bewahrt. Das ist natürlich eine sinnlose Aussage, weil sie nicht zu überprüfen ist. Aber sie lässt sich auf die ihr innewohnende Vernunft hin befragen. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle: Kontinuität und Tendenz. In der Regel ist es sinnvoll, ein bewährtes Modell fortzuführen - und das Modell Babbel bei Hertha hat sich mit 20 Punkten in der Hinrunde im wesentlichen bewährt. Kontinuität wäre also wünschenswert gewesen.

Allerdings gab es auch eine unübersehbare Tendenz: die letzten sechs Spiele im Herbst blieben sieglos, das Spiel wurde immer trostloser, die Mannschaft ließ Kompaktheit und Willensstärke vermissen, mit dem Tiefpunkt des Schalke-Spiels. Man kann also mindestens sagen, dass Hertha unter Babbel stagnierte. Das ist der Pferdefuß seiner Behauptung.

Gegen Mönchengladbach am Samstag war das wieder weitgehend alte Schule aus dem Herbst. Mit einer Ausnahme: Bastians erhielt gegenüber Neumann den Vorzug in der Innenverteidigung, das war die einzige Neuerung. Ben-Hatira scheint in der Mannschaft anzukommen, insgesamt verweist die Kennzahl von 124 gelaufenen Kilometern auf eine generelle Steigerung der Einsatzbereitschaft. Schon morgen geht es gegen Freiburg, da muss nun ein Sieg her - "by hook or by crook". Mir will scheinen, dass der kontroverse Patrick Ebert vielleicht die bessere Lösung sein könnte für den rechten Flügel. Aber das sind nur Details.

Es wird darauf ankommen, den leeren Raum hinter den Spitzen zu besetzen. Es wird darauf ankommen, auch offensiv als Mannschaft aufzutreten. Diesbezüglich hat Babbel nichts hinterlassen, wenn Hertha den Abstieg also noch abwendet, dann hat das Team sich das selber zuzuschreiben. Oder doch dem Cheftrainer mit der unendlichen Erfahrung? Er spricht in Interviews weiterhin vorwiegend über sich selbst.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

In meinen Augen ist das ein bekanntes Phänomen, dass bei Ottl/Niemeyer-Spielen die Offensive viel zu wenig unterstützt wird. Wenn man im Stadion sitzt und damit ständig die komplette Formation vor Augen hat, dann ist das immer wieder erschreckend. Dieses leichte unbeteiligte Traben in Richtung Mittellinie. Da gibt es dann viel zu häufig einen großen Haufen passiver "Spielbeobachter", die bei schnellen Vorstößen gar keine Notwendigkeit zum Nachrücken sehen. Oder sollte das gar eine Vorgabe von oben sein?