Donnerstag, November 29, 2007

Understudy

Als ich noch als Ankleider im Theater an der Wien tätig war, vor geraumer Zeit also, war mir der Begriff "Zweitbesetzung" sehr vertraut: Jede Rolle in einem wöchtlichen sechs- bis achtmal heruntergespielten Musical wie "Freudiana" oder "Elisabeth" hat eine Zweitbesetzung, nicht immer war diese der Herausforderung gewachsen, wenn es so weit war (es gibt auch eine großartige "Seinfeld"-Folge zum Thema). Arsène Wenger hat am Dienstag beim CL-Auswärtsspiel gegen Sevilla eine Mannschaft auf das Feld geschickt, die zum größeren Teil aus "Understudys" bestand: Traore statt Clichy, Denilson statt Flamini, Bendtner statt Adebayor, Hoyte statt Sagna, Eduardo statt van Persie, vor allem aber Senderos statt Gallas. Diese Personalie erwies sich als entscheidend, denn der Schweizer Nationalverteidiger bleibt ein Sicherheitsrisiko. Sevilla gewann mit 3:1, Lehmann wird sich gefreut haben, auch wenn Almunia keine Schuld trifft. Arsenal hat das erste Mal in dieser Spielzeit verloren, und geht nun in eine schwere Woche mit Auswärtsspielen bei Aston Villa, Newcastle und Middlesbrough. Gestern galt dann meine Aufmerksamkeit zuerst Liverpool, später Bremen - die Champion's League ist ihr Geld wert, zumal Werder ja auch mit einer Mannschaft gespielt hat, in der viele "Understudys" von einer Qualität waren, die bei Hertha schon Siebzehnjahresverträge hätten.

Mittwoch, November 28, 2007

Anerkennungskultur

Bei der Mitgliederversammlung am Montag war ich nicht, da lag mir das Karlsruhe-Spiel noch im Magen, und ich sah auch keine Möglichkeit, dass sich dort etwas Wichtiges ergeben würde. Aus dem Ältestenrat kam dann aber doch ein Statement, das ich unterschreibe: Manager Hoeneß macht zu viel. Geld und Sport, das stemmt kein Mann allein, und wenn er es tun will, dann leidet mindestens ein Bereich. Bei Hertha (bei Hoeneß) ist es auf jeden Fall der sportliche. Seine Ein- und Verkaufspolitik ist, über die Jahre und mit der Ausnahme Marko Pantelic, fragwürdig. Er hat die zentralen Probleme des Teams (defensives Mittelfeld) nie erkannt, er hat alle zwei Jahre seine Prämissen geändert, und er spricht beim Scouting immer noch zuerst von "Spielern, die uns angeboten werden" und nicht von "Spielern, die wir schon lange im Auge haben". Er sollte also einen Sportdirektor bestellen, das wäre die natürlichste Sache der Welt und würde seinem Nimbus als großer Macher nichts nehmen. Wird und will er aber nicht. Der Präsident des Aufsichtsrats, Gegenbauer, sprach in dem Zusammenhang von einer "mangelnden Anerkennungskultur" in Berlin. Lächerlich. Die ganze Führungsebene der Hertha ist eine einzige Anerkennungskultur, männerfreundschaftlich abgesichert nach außen und gegen (auch konstruktive) Kritik. Dass sich das im Kader und in den Leistungen über die Jahre widerspiegelt, ist kein Wunder. 2010 will Hoeneß die Mannschaft auf einem CL-Platz übergeben - wie das gehen soll, wo doch die anderen Vereine nicht schlafen und zum größeren Teil kompetenter geführt werden, ist mir ein Rätsel, das ich nicht durch Anerkennungskultur lösen will.

Freitag, November 23, 2007

Fanfreundschaft

Wäre die Hertha lernfähig (wofür es wenig Indizien gibt), dann müsste sie dieses Spiel ganz genau studieren: 1:2 beim Karlsruher SC, nach einer Pausenführung von 1:0. Der Sieg für die Heimmannschaft war in jeder Hinsicht verdient und erspielt, und zwar in einer Weise, die ziemlich genau dem entsprechen dürfte, was Lucien Favre sich unter einem "jouer juste" vorstellt. Kombinationssicher aus der Verteidigung heraus, laufbereit und immer wieder über die Flügel, so hat Karlsruhe auch dann die Ruhe nicht vollständig verloren, als Pantelic einmal zeigte, was wirksam sein könnte - er lief in einen riskanten Querpass, nahm den Ball mit, ein Weltklassehaken und ein Schuss aus 20 und ein paar Metern, das war gegen den Spielverlauf, und genau so hätte die Hertha das heute auch gewinnen können. Sie hätte dazu die Balleroberung in der Hälfte von Karlsruhe noch ein wenig leidenschaftlicher betreiben müssen, und sie hätte die gut zehn Minuten vor der Pause, als der Gegner ein wenig irritiert war, nicht verschleppen sollen. Hat sie aber getan, danach wurde sie Opfer des eigenen Phlegmas. In der Entstehungsgeschichte des Ausgleichs kann man deutlich erkennen, wie zum Beispiel Dardai in der Rückwärtsbewegung ein paar Schritte mit zu Boden gerichtetem Kopf dahintrabt, ein Spieler, der geistig gar nicht da ist, und dann auch nicht, als der wieder einmal völlig apathische Chahed eine flache Flanke von seiner Seite zulässt, die Hajnal annimmt, den in dieser Szene wieder einmal "schlendrierenden" Simunic verlädt, und einsendet. Beim Siegestreffer sah Malik Fathi alt aus, der Freis laufen ließ. Favre hatte halb mutig, halb konservativ aufgestellt, mit Lustenberger in der Spielmacherolle, und Dardai neben Simunic zentral defensiv im Mittelfeld. Pisczek rechts und Ebert links auf den Flügeln, allerdings nicht wirklich mit Zug nach außen und an die Grundlinie, auch deswegen, weil Chahed und Fathi von hinten die Variationsmöglichkeiten nicht schaffen und die Räume nicht offenlaufen. Man könnte das ganze Spiel heute auch deswegen zu einem Lehrspiel machen, weil die Körpersprache so viel verrät: die locker gespielten Pässe, die wirken wie im Training und auch tatsächlich in einem Spiel dieser Kategorie fehl am Platz sind - daran erkennt man, dass sich die Hertha immer noch nicht begreift, und gegen eine taktisch gute, willensstarke Mannschaft, die vom Standing her eigentlich "unter" ihr steht, findet sie selbst keine Mittel. Die Fans feiern jetzt noch Party, aus historischen Gründen, die sich meiner Kenntnis entziehen, gibt es eine Fanfreundschaft mit Karlsruhe. Ich war erst einmal in dieser Stadt, wegen eines Interviews mit Peter Sloterdijk, der mir in Jogginghose morgens die Tür öffnete. Es ging damals um ein Buch über Blasen. Der Hertha möchte ich zurufen: Get real, ihr Memmen! Und ich möchte zumindest Chahed und Dardai nicht mehr sehen, auch Okoronkwo nicht in der Form von heute, und für die rechte Offensivposition braucht es auch noch einen Mann. Und Favre könnte sich allmählich auf ein erkennbares Konzept konzentrieren - er redet fast nur von Taktik, verändert sie dabei dauernd, und lässt die Mentalität der Mannschaft, als wäre Coach Götz noch da. Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.

Karlsruhe

Josip Simunic hat es gut gemeint mit England am Mittwochabend im Wembley Stadium. Er wollte die 2:0-Führung von Kroatien zur Pause nicht einfach ungefährdet nach Hause bringen, deswegen hat er Jermaine Defoe im Strafraum am Jersey gefasst und einen Elfmeter verursacht. Es hat letztendlich nichts ausgemacht, Kroatien hat 3:2 gewonnen und England wird nicht dabei sein im nächsten Jahr bei der Alpen-Europameisterschaft. David Pleat, einer der besten Fussball-Analytiker in England, beschrieb die Spielweise von Simunic als "ambling", soviel wie: "gemächlich", wobei auch noch ein wenig "Schlendrian" in diesem Wort steckt. Bei Kroatien ist Simunic eine feste Größe, auch bei der Hertha wird er vor dem heutigen Auswärtsspiel gegen Karlsruhe dringend erwartet. Offen ist noch, wer neben ihm im defensiven Mittelfeld antritt: Dardai oder Lustenberger (die Brasilianer kommen zu spät von ihren Länderspielen zurück). Pantelic kommt aus Serbien via Stuttgart - in diesen zehn Tagen, in denen zahlreiche Profis bei den Nationalteams waren, sah der Kader der Hertha wieder einmal ganz dünn aus. Ronald Reng hat neulich in einem guten Text beschrieben, was die nationalen Abstellungsphasen bei den Clubs so bewirken: de facto ist während der Saison kaum Zeit, im Team zu trainieren. Bei Barca waren teilweise nur vier Leute da. Heute also ein Auswärtsspiel bei einem Aufsteiger, der in der Tabelle vor der Hertha liegt - ein Spiel, für das keine seriöse Prognose möglich ist. Von der Papierform her müsste ein torloses Remis der wahrscheinlichste Tipp sein - vielleicht geht es aber auch so: Simunic auf Pantelic, Tor! Serbokroatisch, postnational, Clubfußball!

Samstag, November 17, 2007

Spielpraxis

Jens Lehmann ist in einer schwierigen Situation. Die Fragen, die ihm gestellt werden, kann er auf dem Platz nicht beantworten, weil er bei Arsenal nicht mehr die Nummer eins ist. Stattdessen beantwortet er anscheinend jeden Anruf eines deutschen Journalisten, und langsam wird daraus eine Chronik der Peinlichkeiten: Mit Gelegenheitsjobs bei Arsenal und regelmäßigen Einsätzen beim Nationalteam will er bis nächsten Sommer auf 20 Spiele kommen, das sollte reichen für ausreichend Spielpraxis, um bei der EURO 2008 deutscher Keeper zu sein. Jede neue Aussage (Hoffenheim!) nimmt ihm mehr von seinem Nimbus, am meisten hat er aber natürlich selber mit seinen beiden Fehlern zu Beginn der Premier-League-Saison beigetragen. Die Sache ist doch so: Lehmann ist ein exzellenter Torwart mit Schwächen in der Strafraumbeherrschung (da will er manchmal zu viel). Sein Rivale Almunia lässt bisher nicht erkennen, ob er selber ein exzellenter Torwart ist (wofür eine Menge spricht), der aber mental nicht immer auf der Höhe ist (worauf in diesem Jahr bisher nichts hindeutet). Almunia ist offensichtlich gereift in den letzten zwei Jahren, er ist großartig beim Herauslaufen (gegen ManU war er einmal zu schnell aus dem Tor), kühl bei Rückpässen, und souverän in der Luft. Hauptproblem von Lehmann ist, dass Arsenal heuer so wenige Chancen zulässt, dass bisher kaum einmal entscheidende Aktionen des Tormanns notwendig waren. Über Weihnachten wird die Saison in England erst so richtig ernst, im Frühjahr kommt die Champion's League in die Gänge - hätte er einfach geschwiegen, wäre er spätestens gegen Chelsea im Dezember wieder die Nummer eins bei Arsenal gewesen, da bin ich mir sicher. In seinem verletzten Stolz aber interveniert er dauernd über deutsche Medien bei seinem Coach - das ist so lächerlich, dass der Ausgang der Sache ungewiss geworden ist.

Freitag, November 16, 2007

Studium

Gestern habe ich noch geschrieben, dass Malik Fathi auf Bachelor studiert, eine Stunde später las ich, dass Cesc Fabregas nachmittags um 15 Uhr "Mathematik-Stunden" hat, weil er einen Studienabschluss in "Business" machen will - die besseren Fußballer drängen an die Uni, Bologna hin oder her. Im Spiel gegen Reading am Montag, einem ungefährdeten 3:1-Auswärtssieg von Arsenal, hat sich Fabregas übrigens mit breitem Grinsen eine gelbe Karte geholt, gegen Wigan in einer Woche wird er fehlen. Dafür hat Flamini, für mich einer der Spieler dieser Saison bisher, den ich im August noch nicht ganz im Ernst der Hertha zur Verpflichtung empfohlen habe, weil er bei Arsenal keine Chance mehr zu haben schien, Flamini also hat das Führungstor schießen können, weil Arsenal es mustergültig versteht, das Spiel immer wieder an die Flügel zu verlagern, sodass der defensive Mittelfeldspieler (der Simunic, wenn man das vergleichen möchte) sich häufig am Elfmeterpunkt bereitmachen kann. Nick Hornby, dessen Buch "Fever Pitch" in Wien gerade gratis 100.000mal unter die Menschen gebracht wird, sagt heute in einem Interview mit dem "Standard", dass er zwar immer noch zu Arsenal geht, aber nicht mehr ganz so mit dem Herzen dabei ist: Die Mannschaft feiert keine "häßlichen Siege" mehr, wie damals, als er mit ihr zusammenwuchs. Stattdessen geht er ins Emirates Stadium wie "ins Kino" - so sehe ich das auch, wenngleich nicht live. Großes Kino, mit Adebayor als "Super Fly" und Almunia als "Tormann am Rande des Nervenzusammenbruchs", mit Clichy aus "Beau Travail" und Wenger aus "Tagebuch eines Landpfarrers".

Donnerstag, November 15, 2007

Klapsmühle

Eine Woche, in der die meisten Herthaner bei ihren Nationalteams sind, ist für die Boulevardmedien eine schwierige Sache. Sie schreiben dann über den Hinterbliebenen Pal Dardai, der sich wundert, warum er seinen Stammplatz verloren hat ("ich sehe niemanden, der auf meiner Position viel besser ist als ich" - ich auch nicht, das ist ja das Problem), oder sie enthüllen, dass Malik Fathi sich an der Humboldt-Universität eingeschrieben hat, um einen Mono-Bachelor (so heißt das heute) in Sportwissenschaft zu machen. Den heißesten Fall hat aber die "Bild" entdeckt: die Seele von Josip Simunic. Nach seinen häufigen roten Karten hat der Kroate einen Mentaltrainer konsultiert, offensichtlich auf dringendes Anraten des Vereins. In Kroatien wurde er dazu befragt, die Antwort fiel kategorisch aus: "Weder bin ich nervös, noch bin ich wütend, und am wenigsten bin ich verrückt." Da ist es wieder, das alte Vorurteil, dass ein Mann sein Innenleben mit sich selbst auszumachen hat, vor allem ein Mann, der sein Geld mit einem Mannschaftssport verdient. Dabei ist Simunic ein klassischer Fall (ich wage eine Ferndiagnose): kulturell hin- und hergerissen zwischen Selbstbild und Realität, zwischen dem Macho-Haufen in der Nationalmannschaft und dem Testosteron-Vakuum in Berlin, zwischen Gehaltszettel und Leistungsdaten, zwischen coolen Aktionen und unbedachten Reaktionen, hat er einfach eine Menge zu verarbeiten. Diese Erfahrungen passen in keine Slot-Machine. Die Medien bilden eine Kulisse, die den Widerstand des Sportlers verstärkt: "Ich bin doch nicht verrückt." Dieter Hoeneß bildet eine Kulisse, die den Widerstand des Sportlers auch verstärkt. Herausfinden kann er nur durch gute Erfahrungen - idealerweise im defensiven Mittelfeld, wo er auch offensive Möglichkeiten hat, mit seinem Problem umzugehen. Wo er lernen kann, umzuschalten (das Spiel) in einer Kultur, in der alle ständig versuchen, "den Schalter umzulegen".

Sonntag, November 11, 2007

Rasenheizung

Die drei Punkte, die Hertha gestern bei widrigsten Bedingungen gegen Hannover 96 holte, können an Bedeutung kaum überschätzt werden. Schließlich hat sich die Mannschaft dabei gegen das Wetter, gegen einen der unangenehmsten Gegner und gegen die Regeln durchgesetzt, denn das späte Tor durch Lima war knapp abseits - egal, es zählte. Irgendwann in der zweiten Halbzeit, als es uns schon nicht mehr auf den Sitzen hielt, weil wir uns - pardon - nicht den Arsch abfrieren wollten, sagte ich zu Volker: "Das mögen wir - ein Geduldspiel, das am Ende der Zufall entscheiden wird." Dass es zufällig die Hertha war, die das Tor schaffte, hatte allerdings eine gewisse Logik: denn in die Vorgeschichte waren zwei Spieler involviert, die gestern zu den Gewinnern zählten, der dynamische Malik Fathi, der von seinem neuen Partner Patrick Ebert auf links zu profitieren scheint, und Josip Simunic, der sich mit seiner neuen Rolle im Verteilermittelfeld immer besser zu arrangieren scheint. Simunic schob Fathi den Ball in den Fuss für die flache Flanke, die Lima nur deswegen aus irregulärer Position übernahm, weil er noch einen Gegenspieler umrunden musste - wenige Minuten vorher war ein analoges Tor nach Flanke von rechts noch aberkannt worden. Die Rasenheizung im Olympiastadion war verspätet eingeschaltet worden, deswegen kam es überhaupt zu diesem Schneeregenspiel. Wie der Kader jetzt aussieht, hat Hertha wohl noch bis Winter einen Linksdrall: die konzentrierte Innenverteidigung mit von Bergen und Friedrich, davor Simunic, dazu Fathi und Ebert, das funktioniert wesentlich besser als rechts Mineiro, Chahed und Pisczcek (so gestern die Konstellation). Das 1:0 gegen Hannover 96 ist jetzt schon reine Statistik, mir sitzt es aber noch in den Knochen. Und Simunic spielte mit den kurzen Ärmeln!

Freitag, November 09, 2007

Provinz

Es sah eher nach Strafkolonie als nach Spaziergang aus, was Arsenal am Mittwoch gegen Slavia Prag erlebte: ein Match bei einem Wetter, bei dem man keinen Hund vor das Haus schicken würde. Es endete mit einem 0:0, das den Pragern nach der 0:7-Schlappe im Hinspiel die Würde zurückgab und Arsenal den einen Punkt, den sie noch brauchten für die sichere Qualifikation. Liverpool übertraf mit dem 8:0 gegen Besiktas das Schützenfest von London noch um ein Tor, der englische Kommentator zeigte sich zufrieden, dass die Mannschaft von Rafael Benitez endlich "rhythm and impetus" gefunden zu haben scheint. Ob das späte 2:2 von Bolton in der Allianz-Arena gegen Bayern München gestern im Uefa-Cup verdient war oder nicht, muss ich nicht entscheiden - es ist jedoch, zusammen mit den zwei späten Toren von Everton in Nürnberg, ein Indiz dafür, dass die Teams aus der Premier League im internationalen Bewerb auf Erfahrungen aus dem nationalen Betrieb zurückgreifen können, während die Erfahrungen der Bundesliga im internationalen Betrieb in die Irre führen. Deutsche Clubs erleben sich im Europacup als provinziell (in der Allianz-Arena war's jedenfalls der Rasen), während englische Clubs in internationalen Spielen ein wenig Atem holen können von den Strapazen der Liga.

Montag, November 05, 2007

Comeback Kids

In England spricht man von einem Comeback, wenn eine Mannschaft zurückliegt und dann doch noch zumindest die Niederlage abwehrt. Am Samstag ist Arsenal gegen Manchester United im eigenen Stadion zweimal zurückgekommen, das 2:2 hat gereicht, um an der Tabellenspitze zu bleiben. Dem Spiel war ein ziemlicher Hype vorausgegangen, Arsène Wenger hatte sich ein wenig im Ton vergriffen und ein "Kunstwerk" angekündigt. Es war dann eher eine Lehrstunde in taktischer Intensität, während derer ManU zeigte, dass die Mannschaft gefährlicher denn je ist: Gegen Ronaldo, Rooney und Tevez kann man nicht so ausschwärmen, wie Arsenal das gern tut; auf der anderen Seite hatte Adebayor einen schweren Stand, weil nicht so häufig wie sonst der Kombinationswirbel entstand, den Arsenal so gut kann. Van Persie hat ein wenig gefehlt, Bendtner ist wohl noch zu jung für ein Spiel dieser Sorte, und Eduardo gilt als noch in "adaptation time" befindlich. Walcott soll langfristig auch Mittelstürmer werden, dafür war am Samstag auch nicht die Zeit, das vorwegzunehmen. Im Sturm experimentiert Arsenal weiter, während ManU schon wieder ein fertiges Team hat. Der Ausgleich durch Gallas in letzter Minute, vom Linienrichter scharf gesehen und sofort gegeben, obwohl der Ball nur einen Sekundenbruchteil hinter der Linie war, kam ein wenig glücklich zustande - aber ist das nicht auch ein wenig die Signatur dieser Arsenal-Saison, die mit einem in letzter Minute sichergestellten Sieg nach Rückstand gegen Fulham begann? Nun haben sie mit Liverpool und ManU die ersten beiden massiven Blöcke ungeschlagen überstanden. Wobei Gallas dieses Mal die Führungsrolle bei den "Comeback Kids" übernahm. Das Spiel bei Slavia Prag am Mittwoch wird Arsenal wie eine Belohnung empfinden.

Sonntag, November 04, 2007

Nordbank-Arena

Eigentlich wollte ich gestern nach Hamburg fahren, um mit eigenen Augen das Stadion des HSV und das Auftreten der Hertha zu sehen. Ich habe mich dann kurzfristig dagegen entschieden, und so kam es, dass ich die Fernsehübertragung aus einer ganz besonderen Perspektive in Angriff nahm - denn davor lief ja schon Arsenal gegen Manchester United (dazu mehr in einem eigenen Eintrag), und es war unmöglich, die beiden Spiele nicht zu vergleichen. Als ich zur Bundesliga umschaltete, stand es schon 1:0 für den HSV, eine Chaosproduktion, wie ich später herausfand. Dann stand die Hertha fünfzehn Minuten lang am Abgrund, wurde aber nicht hinuntergestoßen: der schöne Pfostenschuss von Jerome Boateng war deutlichster Ausdruck des Glücks, das die Berliner an diesem Tag hatten. In der zweiten Halbzeit kamen sie zurück, Ebert traf zum Ausgleich, dann setzte die Hertha nicht nach, stattdessen legte sie eines ihrer zahlreichen geistigen Päuschen ein und erlaubte Reinhardt den Siegtreffer für den HSV per Kopf. Was lernen wir daraus? Erstens sind neunzig Minuten zu lang für dieses Team, das Konzentration und Leidenschaft immer nur für kurze Phasen aufbringt, und danach wieder nicht weiß, was es tun soll. Das kleine Minidrama zwischen Ebert und Boateng, zwischen dem Berliner Talent, das gerade seinen Vertrag verlängert hat, und dem abtrünnigen Berliner Talent, das in Hamburg rechts defensiv Stammspieler ist (war?), ging mit 1:0 an Hertha. Das Spiel drumherum, mit Simunic und Mineiro im defensiven Mittelfeld, mit Grahn in der "Spielmacherrolle" und Gilberto auf verschiedenen Positionen, mit Pantelic als einsamer Spitze und später Piszczek als Flügelspieler, ging mit 2:0 an den HSV. Grotesk geradezu der zweite Treffer: Van der Vaart ist auf rechts ganz allein, niemand geht ihn an, dafür stehen vier Spieler perfekt aufgefädelt unter der Flugbahn der Flanke, im Fünfmeterraum ballen sich dafür die Hamburger Massen um Arne Friedrich. Das nannte man früher Raumdeckung. Ich hatte gestern ein Spezialauge auf Jo Simunic, weil mich interessiert, ob er in dieser neuen Rolle vor der Abwehr ein wenig aufblüht. Körpersprachlich war nicht viel zu sehen, er stand auch oft eher herum, als dass er für die erste Bewegung im Spiel gesorgt hätte. Er spielte aber auch einige schöne verteilende Pässe, und hat zweifellos das Talent sowohl für den präzisen kleinen wie für den öffnenden Pass. Er sollte sich anschauen, wie Flamini bei Arsenal das gestern über neunzig Minuten gemacht hat - ständig in Bewegung, ständig signalisierend, dass er den Ball nehmen kann, ständig mit einem intelligenten Pass im Kopf schon bereit, ihn zu spielen. Dazu die Tacklings und Interventionen. Flaminis Spielauffassung sollte man Simunic beibringen - er hätte dann nicht nur mehr Spass an der Sache, er könnte endlich auch sein Talent "abrufen". Grahn erwies sich gestern einmal mehr als zu langsam (geistig und läuferisch) für eine hervorgehobene Rolle. Patrick Ebert deutete an, dass von ihm noch viel kommen kann. Den entscheidenden Unterschied sehe ich aber in der Einstellung: Hertha ist und bleibt eine lethargische Truppe mit interessanten Ansätzen, niemand ist willens, über 90 Minuten volle Konzentration zu gehen, und das taktische Konzept von Favre scheitert an technischen und taktischen Mängeln: für das schnelle Spiel in die Spitze braucht es erstens eine Spitze (Pantelic war gestern selbst nicht gut, Okoronkwo disqualifiziert sich schon wieder mit bemerkenswerter Konsequenz), und zweitens eine kompetente Ballannahme, also Technik. All das wurde zu Beginn der Saison trainiert und von den Profis so ausprobiert, als hätten sie gerade zum zweiten Mal das Einmaleins gelernt. Inzwischen sind die Lernerfolge verpufft, und alle spielen wieder so, wie sie das immer getan haben. Konsequenzen? Pantelic braucht einen Partner, mangels Kandidaten muss das wohl bis zum Winter noch Okoronkwo sein. Ede sollte auf links eine Chance bekommen, Gilberto und Simunic zentral, Ebert rechts. Viererkette hinten wie gehabt, Chahed allerdings zu Weihnachten raus, Malik Fathi kann sich noch steigern, und von Bergen und Friedrich werden sich finden.

Donnerstag, November 01, 2007

Besetzung

Nach dem Ausscheiden im DFB-Pokal gegen den Regionalligisten aus Wuppertal hat Manager Hoeneß einerseits Josip Simunic als Blitzableiter genommen (weil der Kroate wieder einmal ausgeschlossen worden war), andererseits die interessante Formulierung gebraucht, dass die Hertha "nicht optimal besetzt" ist. Das Fehlen von Pantelic ließ ihn darauf aufmerksam werden, dass in dem Kader, den er mehr oder weniger in alleiniger Letztverantwortung kompiliert hat, nicht viele gute Spieler sind. Machen wir doch einfach den leicht abgewandelten Kicker-Test, gehen wir die Spieler durch und ordnen wir sie ein: Drobny (Tor, Ligadurchschnitt). Chahed (Außenverteidiger, unterer Ligadurchschnitt), Friedrich (Kapitän, Innenverteidiger, oberer Ligadurchschnitt), Fathi (Außenverteidiger, Ligadurchschnitt), Simunic (zentrale Defensive, Ligadurchschnitt), Dardai (Mittelfeld defensiv, indiskutabel), Mineiro (Mittelfeld defensiv, unterer Ligadurchschnitt), Ebert (Mittelfeld offensiv, oberer Liagdurchschnitt mit Potential), Gilberto (Mittelfeld, oberer Ligadurchschnitt), Grahn (Offensivallrounder, Ligadurchschnitt), Pantelic (Angreifer, internationale Klasse), Okoronkwo (Angreifer, Ligadurchschnitt mit hoher Begabung), Lima (Angreifer, bedeutungslos). Und so weiter. Es gibt in dieser Mannschaft nur einen außergewöhnlichen Spieler, der war in Wuppertal nicht auf dem Feld, sondern saß brav neben dem Manager unter der Haube. Die Krankheiten der Hertha sind dem Manager seit Jahren nicht aufgefallen, ich schlage deswegen vor, dass er einen Sportdirektor engagiert, der sich besser auf die Zusammenstellung eines Kaders in Hinblick auf eine funktionsfähige Mannschaft versteht. Oder er holt sich einmal das DFB-Auge Siegenthaler und lässt sich von ihm sein Team erklären. Ich bin aus Wien zurück, und werde am Samstag, wie es aussieht, nach Hamburg fahren, um einmal zu sehen, wie das Team auswärts auftritt - das Spiel gegen den HSV sollte ihr entgegenkommen, der alten Dame Hertha, die dem Spielverständnis ihres Managers so unerfreulich ähnlich sieht, wenn sie nicht gerade ein wenig von Favres neuem Geist atmet.