Mittwoch, September 30, 2009

Liebeskummer

Es ist fast ein wenig so wie nach dem Ende einer Beziehung (der zweitwichtigsten im Leben?): Der Trainer ist weg, und ich kann mir vorerst einmal gar nicht vorstellen, wer an seine Stelle treten soll. Ich weiß, die Entscheidung war ohne Alternative, da ging nichts mehr, und Lucien Favre hatte zu seiner Entlassung vor allem dadurch beigetragen, dass er seinerseits (potentiell) wichtige Spieler beschädigt hat: Friedrich, Pantelic, Domovchyiski, anscheinend auch Cicero.

Er wurde als leidenschaftlicher Pädagoge geliebt, der Okoronkwo (those were the days!) persönlich den Beckenschwung beim Abschluss beibrachte, konkret war er aber wohl auch ein schlechter Menschenkenner und sicher kein guter Motivator. Sein Verhalten bei Auswechslungen war immer wieder sehr bezeichnend, da konnte man gut erkennen, wie weit er mit seinen Ansprüchen dem Berliner Alltag eigentlich entfremdet war. Jetzt sind wir wieder dort, wo wir vor zwei Jahren waren, umgeben von Namen und Kandidaten, die nichts anderes verheißen als graues Dahinsumpern: Meyer, Augenthaler, Funkel, Becker, Buchwald.

Mirko Slomka gilt in Berlin als unvermittelbar, weil er S04 trainiert hat und wegen einer alten Geschichte mit TeBe. In den Foren rufen die Fans nach Identifikationsfiguren: Niko Kovac wird genannt, ich muss mich wohl darauf einstellen, dass die Hertha jetzt einen sogenannten ehrlichen Arbeiter beruft und danach jahrzehntelang die Typen ihrer besten Jahre ab- und durcharbeiten muss - Dick van Burik, Niko Kovac, Andreas Neuendorf, Pal Dardai werden wohl alle einmal Trainer oder Sportdirektoren werden. Ein Horror. Nun gut, Dardai traue ich eigentlich in seiner zweiten Karriere mehr zu als in der ersten.

Aber vielleicht hat Michael Preetz ja eine gute, originelle Idee - es wäre auch seiner eigenen Sache dienlich.

Montag, September 28, 2009

14 Spiele

Die Sache ist durch. Lucien Favre ist nicht mehr Cheftrainer bei Hertha BSC. Am Ende war es wohl tatsächlich Überforderung, in fast jeder Hinsicht: sprachlich, menschlich, sachlich. Jeder Trainer ist daran zu messen, wie er mit Situationen umgehen kann, die seinem eigenen Temperament zuwiderlaufen.

Die Hertha ist seit einigen Wochen in einer Situation, in der es um andere Dinge zuerst geht als um Taktik. Darauf hatte Favre keine Antwort, und zwar auch in jenem anderen unumgänglichen Sinn: Er konnte sich der Öffentlichkeit nicht mehr als kompetent vermitteln. Das muss ein wesentlicher Grund für seine Entlassung gewesen sein.

14 Spiele hat sein Fall nur gedauert, es begann im vorletzten Spiel der letzten Saison mit einem Akt des Hochmuts, als er den Kapitän gegen Schalke 04 auf der Bank ließ. Die Einkäufe für diese Saison hat er - unter desaströsen finanziellen Vorgaben - wesentlich mitverantwortet, immer deutlich erweist sich dabei, dass dieser Kader nur unter optimalen Bedingungen (Drobny, Friedrich, von Bergen, Cicero, Kacar, Raffael, Ebert dürfen sich nicht verletzen) eine konkurrenzfähige Mannschaft (und vielleicht bis zum Dezember keine brauchbare Viererkette mehr) hergibt.

Karsten Heine wird die Mannschaft in Lissabon betreuen, vielleicht sitzt schon am Sonntag gegen den HSV der Nachfolger auf der Bank. Dann bin ich gespannt, wen er aufstellt. Ich erinnere mich noch an die Anspannung vor zwei Jahren, als Hertha einen Trainer suchte, und ich werde nicht vergessen, wie einverstanden ich mit der Entscheidung für Favre war.

Die Fortschritte in den beiden Jahren waren sichtbar, nun wurde er ein Opfer extrem schwieriger Verhältnisse, einiger Fehlentscheidungen und letztendlich doch einer gewissen Blauäugigkeit. Merci pour votre effort, Monsieur Favre!

Hochrechungen

Das 1:5 der Hertha am Sonntagabend in Hoffenheim habe ich nicht vollständig, aber in allen wesentlichen Teilen gesehen - dass wir zwischendurch zu den politischen Hochrechnungen geschaltet haben, fiel mir umso leichter, als das Fußballspiel nach wenigen Minuten entschieden schien. Es hatte mehr als nur einen Hauch des Schicksalhaften, wie Ibisevic nach 44 Sekunden schon das 1:0 für Hoffenheim machte. Zugleich war es ein Schulbeispiel für einen Hertha-Gegentreffer in dieser Saison: Ein Fehlpass in der Vorwärtsbewegung lässt die zwei, drei mehr oder weniger beteiligten Herthaner stutzen; Hoffenheim wirft ein, zieht mit der linken Mannschaftshälfte nach vorn, die Flanke zwischen die Innenverteidiger wird nicht verhindert, Bengtsson und Friedrich suchen nach ihrer Zuständigkeit, Ibisevic trifft die Kopfballvorlage perfekt, und der neu verpflichtete Berliner Torwart Ochs fliegt, streckt aber die Hände nicht aus.

Das nennt man Verkettung von Umständen oder kollektives Versagen, auf Seiten des Gegners spricht man von Spielfreude und perfektem Offensivfußball. Deprimierender waren noch die Gegentore drei und vier, die sich in geradezu epischem Tempo entwickelten und zahllose Möglichkeiten boten, zu intervenieren; das zweite (nach einem Eckball) und das fünfte (nach einem Foul von Stein im Strafraum) fielen aus Standards.

Dass die Hertha zwischendurch auch andeutete, dass sie sich vielleicht in dieses Spiel hätte hineinarbeiten können, dass Raffael das Engagement eines Führungsspielers an den Tag legte, war gegenstandslos angesichts der Tatsache, dass defensiv der Offenbarungseid geleistet wurde und dass Coach Favre zur Pause gar nicht erst versuchte, mit Kacar (für den wieder einmal überforderten Dardai) mehr Druck und Geschlossenheit zu erzeugen. Der einzige Hoffnungsträger wurde in Reserve gehalten für eine äußerst ungewisse Zukunft, die aber zugleich ganz konkret ist: Sporting Lissabon am Donnerstag, der HSV am kommenden Sonntag im Olympiastadion.

Das eigentliche Schlüsselspiel wird jedoch erst am 17. Oktober stattfinden, wenn Hertha in Nürnberg auf einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf trifft. Ein kleiner Vorteil des gestrigen Desasters könnte darin liegen, dass Arne Friedrich wohl definitiv ein Auftritt mit der Nationalelf auf dem russischen Kunstrasen erspart bleiben wird - der Hertha-Kapitän sollte die Länderspielpause unbeschadet überstehen und insgesamt Motivation aus der Tatsache ziehen, dass Jerome Boateng in Hamburg eine sehr gute Saison spielt und Friedrich gut möglich noch ganz aus dem Kader für Südafrika 2010 kippen könnte.

Diese Nebenaspekte wie auch die Tatsache, dass Hoffenheim das Spiel über die Seite mit ihrem als disponibel erachteten Exspieler Janker gewann, verleihen dem Schicksalhaften, das im Moment über Hertha hereinbricht, eine zynische Note. Aber sie hat sich selbst exponiert, hat mit dem lauf- und denkfaulen Auftritt gegen Hannover eine Marke für die Saison gesetzt, und taumelt jetzt dem Abgrund entgegen.

Ob ein Trainerwechsel hilft? Ich warte heute einmal ab, was aus der Hanns-Braun-Straße verlautet. Coach Favre hat sich jedenfalls mit seinem neuerlich absolut hilflos wirkenden Auftritt vor der Kamera keinen Gefallen getan. Wenn er sich schon stellt, dann muss er auch eine Idee von Kompetenz vermitteln, muss er andeuten, wie er diese Defensive für Petric, Trochowski und Elia zu rüsten gedenkt. Die Naivität der Mannschaft verdoppelt der Trainer im Umgang mit den Medien. Wie das hochzurechnen ist, müsste auch Michael Preetz einzuschätzen wissen.

Freitag, September 25, 2009

Höflichkeitsform

Früher habe ich noch gelegentlich etwas in ein volles Stadion hineingerufen. "Didi, tua was" ("Dietmar, mach etwas") war eine meiner Parolen, wenn Dietmar Kühbauer vor der Nordtribüne des Hanappistadions auftauchte und der SK Rapid Wien gerade ein wenig am Stottern war. Manchmal rief ich auch "Horsti, tua was", aber der angesprochene Horst Steiger kam über die Ansätze eines großen Talents nie hinaus und starb jung bei einem Verkehrsunfall.

Nie wäre es mir eingefallen, meine Aufforderungen in der Höflichkeitsform vorzutragen. "Herr Kühbauer, strengen Sie sich an", oder, wie man in Wien wohl sogar eher sagen würde: "Herr Kühbauer, strengen Sie sich Ihnen an" - das hätte blöd geklungen. Im Fußball sind die Menschen per du, alles andere ist ein Interview vor laufender Kamera oder eine spezielle Situation.

Von Coach Favre wissen wir, dass er seine Spieler siezt. Die auf Kampagnen spezialisierte Zeitung, für die Philipp Lahm Werbung macht, hat neulich sogar ein Zitat aus der Kabine überliefert: "Herr Ebert, wenn Sie nicht verteidigen, muss ich Sie rausnehmen." Diese Drohung klingt deswegen glaubwürdig, weil Lucien Favre sie in München wahr gemacht hat - er hat Ebert aus dem Spiel genommen, was sich als richtig erwies und doch irgendwie auch den Falschen traf, denn Patrick, wie ich ihn hier vom vertrauten Fuß des langjährigen Ebert-Fans aus nenne, bemüht sich ja doch immer recht inständig, wenn auch nach hinten nicht immer recht glücklich.

Wie Favre mit der Mannschaft spricht, ist nicht ohne Belang gerade in einer Phase wie jetzt, wo er nicht viel Zeit hat, um an der Taktik zu arbeiten oder Grundsätzliches zu üben. Er hat nur zwei Möglichkeiten: aus der Schar der verunsicherten Spieler die herauszusuchen, von denen am meisten zu erwarten ist, und zweitens die Spieler irgendwie dazu zu bewegen, dass sie jene Veränderung ihrer Einstellung an sich vornehmen, für die es im Fußball nur Verlegenheitsformeln gibt ("den Schalter umlegen", "den Knoten platzen lassen", "die Leistung abrufen" - von wo eigentlich?).

Er muss, wie man wiederum in Österreich sagt, eine Ansprache finden. Er muss sich verständlich machen, und zwar nicht nur intellektuell. Vieles deutet darauf hin, dass das nicht seine Stärke ist, und die Unstimmigkeiten mit Hoffnungsträgern (Ebert, Domovchyiski, Raffael, ...) haben vermutlich in diesem klassischen Hochmut des Theoretikers ihren Ursprung. Favre muss jetzt so konkret wie möglich werden. Er sollte der Hertha das "du" anbieten - oder aufdrängen.

Donnerstag, September 24, 2009

Vertrauensvorschuss

Hertha ist gestern wieder einmal früh aus dem DFB-Pokal ausgeschieden: 1:4 im Elfmeterschießen beim TSV 1860 München. Fast eine Stunde lang sah alles danach aus, dass die desolate Lage sich noch verfestigen würde, zuerst patzte Burchert schon in der 10. Minute bei einem Corner (Folge: ein Eigentor von Bengtsson), kurz nach der Pause zeigte der junge Schwede, dass er bei Reaktionsschnelligkeit und Zweikampfverhalten eine Menge zulegen wird müssen, um auf Dauer eine Option für die Viererkette zu werden. Es stand also 0:2, allerdings waren zu diesem Zeitpunkt auch schon Pisczek (für Ebert) und Kacar (für Cicero) auf dem Platz, und als dann noch Domovchyiski (für Raffael) kam, nahm eine Mannschaft das Spiel an, die deutlich konkurrenzfähiger ist als die Hertha der vergangenen Wochen. Plötzlich wirkte sogar Nicu aggressiv, Pejcinovic ging in die Offensive, Janker suchte die Position für Flanken.

Das alles, weil Kacar die Räume schuf und Pisczek ein Flügelspiel initiierte. Innerhalb von vier Minuten schafften Ramos und Domovchyiski den Gleichstand, danach und in der Verlängerung gab es noch eine Reihe sehr guter Gelegenheiten, aber wie es eben so ist: Den letzten Punch fand die Hertha dann doch nicht mehr an diesem Abend.

Und für das Elfmeterschießen zeichnete sich die Erzählung schon während des Spiels ab, weil nämlich Gabor Kiraly, als Keeper der Hertha noch in guter Erinnerung, gestern aber eben auf der Gegenseite sich mächtig zwischen den Posten aufpflanzte. Burchert gegen Kiraly, Jungspund gegen Fahrensmann, so sah die Konstellation für das Elfmeterschießen aus, in dem sehr schnell klar wurde, wohin die Reise für die Hertha ging: zurück nach Berlin, aber eben nicht "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin". Kacar schoss schwach, vielleicht auch deswegen, weil Kiraly seinen Schuss in provozierender Intellektuellengeste, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, erwartete. Janker wollte alles besonders richtig machen und jagte den Ball über das Tor. Das war nicht mehr aufzuholen.

Die Spieler müssen sehr enttäuscht gewesen sein, denn in der Berliner Fankurve war danach ein einsamer Arne Friedrich zu sehen, der auführlich und im Detail mit einzelnen Fans zu diskutieren schien. (Interessante Szene auch nach dem Ausgleich: Der Kapitän rannte zur Bank, zu Preetz und Favre, um etwas zu besprechen, das ihm sehr wichtig schien - was wohl?)

Ich nehme aber eindeutig das Positive von dem gestrigen Abend mit - es gibt vielleicht doch noch eine Mannschaft in diesem Kader. Ich hoffe stark, dass der Coach die Lektionen von gestern beherzigt. Das betrifft erstens die Viererkette: Sie sollte jetzt einmal eine Weile in dieser Konstellation (Pejcinovic-Bengtsson-Friedrich-Janker) spielen, die Alternativen sind ohnehin gering, und fehleranfällig ist sie in jeder Zusammenstellung.

Zweitens hat Ramos gestern auch durch sein Defensivverhalten angedeutet, dass er eine Verstärkung sein kann, allerdings nur dann, wenn neben ihm mit Domovchyiski ein weiterer torgefährlicher Mann spielt. Ich würde also Raffael eine Pause gönnen, bis sein Arm wieder voll belastbar ist, und vorläufig einmal dem Bulgaren und dem Kolumbianer einen Vertrauensvorschuss einräumen. Wichniarek wird zum Standby-Profi. Dazu Nicu oder Ebert und Pisczek auf den Flügeln, und Dardai (wohl oder übel) sowie Kacar in der Zentrale. Cicero soll sich regenerieren, man muss mit ihm über Spielbeschleunigung sprechen und auch über Robustheit.

Das alles macht noch keine Spitzenmannschaft, könnte aber zumindest die Ligareife wiederherstellen, alles Weitere muss sich von Spiel zu Spiel weisen. Der HSV (nächster Gast im Olmpiastadion) hat gestern in Osnabrück auch ein Elfmeterschießen verloren, Leverkusen hat in Kaiserslautern verloren, es sind also auch Spitzenmannschaften der Bundesliga gegen unterklassige Teams ausgeschieden.

Dienstag, September 22, 2009

Willensschulung

Beim VfB Stuttgart, der in einer vergleichsweise beneidenswerten Krise steckt, gab es am Sonntag Zweikampftraining und Willensschulung. Bei Hertha gab es am Montag einfache Übungen mit dem Ball. Diese beiden Meldungen, die ich hier einfach einmal beim Journalistenwort nehmen will, sagen viel über die momentane Situation aus. Nach dem Spiel gegen Freiburg wirkt die Mannschaft sogar zu schwach für "Willensschulung". Dabei ist es das, was sie zuerst bräuchte, denn an der Einstellung hat es schon im ersten Spiel gegen Hannover gemangelt.

Es lohnt aber, die Lähmung im Hertha-Spiel ein wenig herzuleiten. Die guten Leistungen der vergangenen Saison beruhten allesamt auf intensiver, zuerst einmal vor allem defensiver Arbeit. Das gab der Hertha den Charakter eines Konterteams auch gegen Mannschaften, gegen die sie eigentlich das Spiel hätte machen sollen. Heuer erwarteten viele Beobachter, auch ich, so etwas wie den nächsten Schritt - stärkere Spielkontrolle, mehr Gestaltung, Entwicklung des Flügelspiels. Das alles auf Grundlage der schon erarbeiteten Tugenden, die allerdings schon im Spiel gegen Karlsruhe letzte Saison aufgegeben wurden und vielen Spielern (Nicu!) noch während der Saison verloren gegangen waren.

Der Abgang der drei Schlüsselspieler Simunic, Voronin und Pantelic konnte verkraftbar wirken bei einem Team, das zumindest die Hausaufgaben beherrschte und selbst Spieler wie Stein oder Rodnei integrierbar erscheinen ließ. Das Match gegen Hannover wies dann schon die Richtung: Hertha suchte vergeblich das Spiel, vergass die Grundlagen, und blieb dazwischen hängen. Dort hängt sie jetzt, schon fast zum Zerreißen gespannt.

Mich würde zum Beispiel brennend interessieren, wo das Team in einer Tabelle der Laufleistungen steht. Ich nehme an, dass nicht nur bei CL-Matches die Kilometer gemessen werden, die einzelne Spieler zurücklegen. Wie kommt ein Ballack auf bis zu 13, 14 Kilometer pro Spiel? Doch nicht dadurch, dass er ständig mit hängender Zunge über den Platz hetzt, sondern dadurch, dass er sich in jeder Sekunde intelligent zum Raum verhält.

Wer allerdings vorgestern gegen Freiburg mitansehen musste, wie lasch Cicero oder Pejcinovic einem verlorenen Ball nachsetzten oder wie wenig sie sich zumindest wieder in eine relevante Position zu bringen versuchten, der wird wissen, dass es bei der Hertha inzwischen nicht mehr um Intelligenz geht. Es geht darum, ein Minimum an Team-Kohäsion zu finden mit Spielern, die pfeifdrauf wirken. Wie das gehen soll? Vermutlich nicht mit einfachen Übungen mit dem Ball.

Montag, September 21, 2009

Krisenmanagement

Michael Preetz hat sich gestern zum ersten Mal in großem Stil als Krisenmanager bewährt. Er hat an einem katastrophalen Abend alles richtig gemacht. Nach dem 0:4 gegen Freiburg hielt er die Spieler davon ab, einfach in die Kabine zu verschwinden; er schickte die Mannschaft in die Ostkurve, wo die Fans standen, die zu den besten der Liga zählen (seit ich ein paar Mal auswärts dabei war, kann ich das ein wenig einschätzen).

Preetz hat sich dann selbst allen wesentlichen Medien gestellt, der fassungslose Trainer Favre hat das auch versucht, wäre aber besser gleich in der Kabine verschwunden. Preetz hat mit seinen souveränen Auftritten die Zeit gewonnen, die er und Hertha brauchen nach einem Spiel, das eigentlich den sofortigen Rücktritt des Trainers nahegelegt hatte.

Der Manager musste allerdings auch in eigener Sache auf Zeit spielen, denn er hat zu dem absoluten Tiefpunkt wesentlich beigetragen. Der Berliner Kader gibt zum momentanen Zeitpunkt keine funktionsfähige Mannschaft mehr her, die Probleme sind zum Teil altbekannt (beide Außenpositionen in der Viererkette), zum Teil allmählich klar geworden (der gravierende Kompetenzverlust von Arne Friedrich), zum Teil schon Erbmaterial (wie kann man auf Dardai als Führungsspieler setzen?), zum Teil Pech (Kacar, Drobny verletzt).

Zum Teil beruhen sie auch auf Fehlern des nun schon extrem beschädigten Trainers Favre, der einen Vertrauensvorschuss nur dort zu geben bereit ist, wo er fehlinvestiert scheint (Nicu), während der einen Stürmer wie Domovchyiski selbst demontiert hat. Das Fünfjahrestief, wie ich den gestrigen Abend mit Blick auf die Zeitspanne, die dieses Blog existiert, nennen möchte, hat eine strukturelle und eine mentale Komponente.

Die strukturelle betrifft den Kader, von dem sich erweist, dass er allenfalls für die schönen Tage konzipiert ist, kritischen Situationen aber nicht standhalten kann. Der Transfer von Wichniarek erschien mir damals plausibel, vor allem deswegen allerdings, weil ich auf Domovchyiski und Chermiti gespannt war - den einen mag der Trainer anscheinend nicht, der andere wurde abgegeben. Pejcinovic, gekauft als Aushilfe für die Innenverteidigung, eingesetzt als rechter wie linker Außenverteidiger, gestern schlechtester Mann in einer furchtbaren Mannschaft, tut alles, um sich als Fehleinkauf zu erweisen. Bengtsson harmoniert mit Friedrich absolut nicht und zeigte beim 0:3 auch ein deprimierendes Zweikampfverhalten.

Ramos kann ich bisher nicht einschätzen, Cesar leitete das 0:4 ein und deutete nicht an, dass er zum Umschwung beitragen kann. Dazu kommen bewährte Imkompetenz (Stein, Dardai), grundlegende Form- und Einstellungskrise (Cicero), einsames Wurschteln (Ebert, Raffael, Pisczek), monotones Alibispiel (Nicu), und schon ist der FC Freiburg de facto ohne Gegner.

Die mentale Komponente ist das Ergebnis eigenen Verhaltens. Hertha hat von ersten Saisonspiel an nicht hinreichend für den Erfolg gearbeitet, jetzt stimmt gar nichts mehr. Kurzfristig wird es darum gehen, ob Coach Favre das Blatt noch einmal wenden kann (mein Tip: nein), mittelfristig habe ich gestern, als das Match schon belanglos war, darüber nachzudenken begonnen, was für eine Ironie für die Hauptstadt das wäre, wenn in einem Jahr der Westclub in die zweite Liga ginge und Union aus Köpenick den Aufstieg schaffen würde. Nicht auszudenken? Nach dem gestrigen Spiel ist nichts mehr undenkbar.

Sonntag, September 20, 2009

Schlusslicht

Vor dem Heimspiel gegen Freiburg ist die Hertha auf den letzten Tabellenplatz gefallen. Die Lage ist schwierig, bisher konnte keiner der neuen Spieler entscheidende Qualitäten zeigen, stattdessen zeigen relativ bewährte Kräfte wie Cicero deutliche Schwächen. Keine der bisher vier Niederlagen in der Liga war so, dass sie unausweichlich war - es war jedesmal ein Resultat aus mangelnder Konsequenz und kollektiven Fehlern. Das deutet darauf hin, dass das Verhältnis zwischen Spiel mit und Spiel ohne Ball nicht stimmt. Der Trainer beharrt auch weiterhin darauf, dass das Team seine Probleme vor allem spielerisch lösen soll.

Dem steht der einfache Satz entgegen, mit dem der Mainzer Trainer Tuchel seine Nachwuchshoffnung Grimaldi gegen die Hertha ins Spiel schickte: "Mach Druck!" Die Hertha lässt sich in diesen Wochen zu leicht unter Druck setzen, weil sie selbst keinen Druck entwickelt. Druck auf den Gegner entsteht, wenn man ihm kaum Platz zum Spielen lässt. Hertha aber sucht ständig selbst nach Platz zum Spielen, und vergisst, die Gegner unter Druck zu setzen. Also gerät sie selbst unter Druck, gegen Gladbach eigentlich die ganze Zeit, gegen Bröndby im Auswärtsspiel, sogar dahim gegen eine Mannschaft wie Ventspils. Der Trainer, von dem die B.Z. schon behauptet, dass er die Stars mit seinem Training langweilt, braucht eine ganzheitliche Antwort.

Die Hertha kann sich nicht aus der Krise spielen, sie muss als Team eine Professionalität finden, die das Spiel erst ermöglicht. Inzwischen kommt der Druck sogar aus den eigenen Reihen. Das "Loch im Kopf", von dem Maximilian Nicu mit gewiss unabsichtlicher Drastik sprach, bezieht sich genau darauf - dass mit dem Druck das Selbstbewusstsein schwindet. Echte Sportler gewinnen aus dem Druck erst die eigentliche Motivation. Es wird sehr davon abhängen, ob der Trainer heute in seinem Kader elf Profis findet (und drei zum Einwechseln). Sonst kann es sein, dass er bald das Ventil wird, das den Überdruck ableitet.

Montag, September 14, 2009

Toronto

Ich bin noch bis Donnerstag in Toronto, wohin das Hertha TV nicht sendet (obwohl es sich um ein Internetangebot handelt, ist es auf deutsche Teilnehmer beschraenkt), wo ich nur die ratlosen Zitate von Pal Dardai ("wir muessen so ein Spiel auch einmal zu Ende schaukeln" scheint mir nicht in die richtige Richtung zu weisen) und Maximilian Nicu ("wir Spieler sind zu brav") nachlesen kann, und wo ich die Einlassungen eines Reporters von der Zeitung, fuer die Philipp Lahm Werbung macht, ueber mich ergehen lasse - ein Robert Matiebel orakelt, das aktuelle Bundesliga-Panini-Heft zur Hertha koennte auf laengere Zeit das letzte gewesen sein. Was hilft in einer so bloeden Klemme? Der Trainer wird es wissen: Zum Glueck kann er diese Woche trainieren lassen, und das Spiel gegen Ventspils am Donnerstag koennte auch helfen, bis Sonntag die richtige Mischung zu finden. Godspeed, Hertha!

Samstag, September 12, 2009

Fruehstuecksfernsehen

Bitteres Fruehstueck fuer mich an diesem praechtigen Spaetsommermorgen in Toronto. Von Herthas 1:2 in Mainz wurde ich nur durch Textnachrichten in Kenntnis gesetzt, das 2:4 von Arsenal habe ich in einer lokalen Bar live im Fernsehen gesehen.

Zum Spielverlauf in Mainz kann ich aus der Ferne nur so eine Vermutung anstellen - immerhin ist Hertha dieses Mal einem Tor in der ersten Halbzeit schon recht nahegekommen (Nicu 47.), auf Dauer wird sie nichts erreichen, wenn es ihr nicht gelingt, frueher mehr Initiative zu bekommen und dann nachsetzen zu koennen. Eine Interview-Aussage von Cicero hat mich diese Woche stutzig gemacht - er sprach von Muedigkeit des ganzen Teams, deutete an, dass nach der anstrengenden Balleroberung keine Kraft mehr fuer das offensive Spiel da ist.

Darauf wird zu achten sein, wenn die Saison naechsten Sonntag schon frueh ein richtungweisendes Heimspiel (gegen Freiburg) bringt. Die beiden spaeten Gegentore heute machen mich jedenfalls argwoehnisch und verstaerken den leisen Verdacht, dass konditionelle Probleme da sind.

Arsenal wurde heute von Manchester City auch letztlich ausgepowert, das Duell zwischen Clichy und Diaby sowie Bellamy und Richards auf der linken Arsenal-Seite erwies sich als spielentscheidend - die schiere Intensitaet des Engagements der beiden City-Spieler war zuviel selbst fuer das starke Team aus London, das auf ein noch viel staerkeres Heimteam traf.

Das Spiel war lange Zeit offen, ein einziger ungenauer Pass von Rosicky reichte schliesslich, um es kippen zu lassen - danach lief alles fuer City, die damit sicher als serioese Kandidaten fuer die Spitzengruppe in England gelten muessen und mit ManU, Chelsea, Liverpool, Tottenham, Arsenal und vielleicht sogar Aston Villa eine sehr spannende Saison in der Premier League garantieren sollten.

Dienstag, September 08, 2009

American Football

Das einzige Fussballspiel, das ich in den letzten Tagen gesehen habe, war das WM-Qualifikationsspiel zwischen den USA und El Salvador in Salt Lake City. Es lief am Samstagabend hier im Fernsehen, wir wollten eigentlich US Open sehen, nach einem langen Touristentag in der amerikanischen Hauptstadt.

Inzwischen sind wir in Philadelphia angekommen, morgen fahren wir zurueck nach Toronto, wo sich die Bedingungen fuer die Verfolgung zumindest der englischen Ligaspiele deutlich verbessern werden - an der Queen Street habe ich schon eine Bar entdeckt, in der ich neulich das unglaubliche Eigentor von Abou Diaby bei Arsenals Niederlage gegen Manchester United zur Kenntnis nehmen musste.

Von Hertha lese ich alle zwei Tage die Medienberichte, Arne Friedrichs Leistung im Laenderspiel gegen Suedafrika entzieht sich meiner Beurteilung, mit einem Wort: Marxelinho ist unterwegs in einer fremden Kultur, in der Fussball mit Helm gespielt wird und die Wuchtel ein Ei ist, wo das Tor keine Querlatte hat und Profis unter hundert Kilo keine Chance haben.

Dienstag, September 01, 2009

Aufholjagd

Es faellt mir nicht leicht, Fan eines Clubs zu sein, der einen Spieler wie Florian Kringe verpflichtet - bei Borussia Dortmund in Ungnade gefallen, dort nach meinem in diesem Fall allerdings auch bescheidenen Wissen doch immer symptomatisch gewesen fuer das unausgeglichene Larifari des BVB in den letzten Jahren. Aber wir werden es ja alle sehen, so auch in drei Europa-League-Heimspielen gegen Mannschaften wie Ventspil oder Heerenveen, kaum auszudenken, wie leer die Schuessel dann sein wird, wenn nicht wieder in den Jahnsportpark ausgewichen wird.

Die Heimniederlage gegen Werder Bremen habe ich nicht gesehen, weder live (weil gerade auf dem Weg von Toronto nach New York) noch im Netz (weil auf den Gaestecomputer im Sugar Hill Inn angewiesen). Die Berliner Tabloids blasen zur Aufholjagd, nach dieser Transferperiode muss man einsehen, dass es eine von ganz unten sein muss: Seit Kacar hat kein neu verpflichteter Spieler wirklich nachhaltig Wirkung auf die Mannschaft gezeigt.

Die Bilanz dieses Sommers ist bei aller gebotenen Vorsicht ein wenig ernuechternd. Wichniarek koennte tatsaechlich an den psychischen Anforderungen scheitern, Janker passt sich dem Niveau der Konkurrenten Stein und Pejcinovic an, Pejcinociv spielt auf einer nicht bevorzugten Position und versucht sich an das Ligaspiel zu gewoehnen, Bengtsson hat keine Position (es sei denn, man wuerde von Bergen wieder auf die Bank schicken), Kringe eigentlich auch noch nicht (es sei denn, er spielt gegen Dardai), Ramos kann genauso gut ein Lima wie ein Pizzaro werden, und Cesar muss auch erst zeigen, ob er besser ist als Lucio.

Immerhin aber gibt es jetzt wieder Optionen im Kader, wenn es auch nicht die Optionen sind, aus denen sich eine Spitzenmannschaft zusammensetzt. Oder doch? In zwei Wochen beginnt die Saison noch einmal von vorn, dann alerdings schon mit einigem Rueckstand.