Bevor morgen die Erstligasaison für Hertha losgeht, muss ich noch einen Exkurs zum Arsenal FC machen. Dort ist die Lage nämlich ein wenig prekär, nicht nur meiner Einschätzung nach. Prekär auf hohem Niveau zwar, aber doch so, dass viele
Beobachter sich fragen, ob heuer nicht der große Abstieg des englischen Traditionsclubs aus den Top 4 ansteht.
Gerade wurde ausgelost, dass Arsenal in der CL-Qualifikation gegen Udinese Calcio spielen muss, kein ganz leichter Gegner, wenigstens aber kein ewiglanger Flug wie nach Kasan, das auch im Topf war. Im Kalender ergibt das für das Team von Arséne Wenger einen harten Auftakt: Innerhalb von zwei Wochen gibt es fünf Spiele, zuerst Newcastle auswärt, dann Udinese und Liverpool daheim, dann Udinese auswärts, und dann schon in Runde 3 der EPL den Besuch im Old Trafford. Make or break, kann man da sagen. Und das alles mit einem Kader, von dem noch nicht klar ist, wie er in zwei Wochen aussehen wird.
Erstens zieht sich die Sache mit Fabregas endlos hin, was allem Augenschein nach doch damit zu tun hat, dass Wenger wie ein verschmähter Liebhaber die Trennung in die Länge zieht. Zweitens will er Nasri angeblich noch ein Jahr behalten, um ihn dann 2012 ablösefrei ziehen zu lassen - das ist, wenn man das Gesicht anschaut, das der Hoffnungsträger von 2010 derzeit macht, keine gute Idee. Man sollte die 20 Millionen nehmen, die Manchester City zahlen will.
Bleibt die Frage, wo denn noch Bedarf besteht bei Arsenal. Übereinstimmend sprechen alle von einem, vielleicht zwei Innenverteidigern, doch genau so wichtig ist vielleicht, das Defensivkonzept insgesamt zu überdenken. Arsenal ist extrem verwundbar durch kluge Läufe, weil die Viererkette gern sehr hoch steht und im Zweifelsfall immer auf Abseits spielt, anstatt lieber einen Sicherheitsschritt auf den gefährlichen Gegner und dessen Einholbarkeit hin zu machen. In allen Testspielen erwies sich die Defensivformation als äußerst löchrig. Das mag auch daran liegen, dass bei dem Überangebot an begabten Spielern bei Arsenal doch so etwas wie eine integrierte Spielanlage "gegen den Ball" fehlt - mich würden brennend die Laufkilometer von Arsenal in 2010/2011 interessieren, ich bin sicher (und bin dabei keineswegs ein Verfechter der bedingungslos heraushängenden Zunge), dass das ein relativ durchschnittlicher Wert ist.
Nun konkret zum Personal. Denkbar wäre folgende erste Elf (Stand heute, ohne extrapolierte Neuzugänge, doch Fabregas und Nasri sind schon herausgerechnet), plus Understudies: Szczesny (Fabianski). Sagna (Jenkinson) - Koscielny (Djourou) - Vermaelen (fehlt) - Gibbs (Traore). Song (Frimpong). Ramsey (Abou Diaby) - Wilshere (Rosicky). Gervinho (Arshavin) - van Persie (Chamakh) - Walcott (fehlt). Eindeutig braucht es einen zweiten Abwehrchef, der so wie Vermaelen auch Autorität mitbringt, die dem ansatzweise exzellenten Koscielny fehlt.
Ebenso wichtig aber ist ein Mann für die Position neben bzw. leicht vor Song (auf den Frimpong gut Druck macht zum Glück). Derzeit ist das am ehesten Ramsey, der jedoch noch mehr Einfluss auf das Spiel nehmen muss - auf seine Entwicklung bin ich extrem gespannt, er gefällt mir sogar teilweise besser als Fabregas. Abou Diaby als sein Ersatz ist hingegen schon ein zu großes Risiko, hier bräuchte es also einen interessanten Spieler, vielleicht jemand wie Charlie Adam, den der FC Liverpool geholt hat, in einer Transaktion, die von Beobachtern jetzt schon als die vielleicht intelligenteste dieses englischen Sommers
bezeichnet wird.
Arsenal bräuchte zwei universale, defensiv starke, offensiv wirkungsvolle zentrale "box-to-box"-Mittelfeldspieler, die noch dazu bereit wären, eher von der Bank zu kommen und eventuell auch alles dafür zu geben, nur den Carling Cup zu holen (die "six trophyless years" machen Arsenal schon ziemlich zu schaffen). Gesprochen wird hingegen eher von typischen Feingeistern wie Juan Mata vom FC Valencia.
Ein Wort noch zu Cesc Fabregas, mit dem ich derzeit fast ein wenig Mitleid habe. Er sitzt in London fest, muss eine Verletzung vorschützen, und dabei zusehen, wie der FC Barcelona nicht so richtig mit dem Geld für ihn herausrücken will. Zudem kann ihm nicht entgangen sein, dass mittlerweile mit dem drei Jahre jüngeren Thiago Alcántara ein Spieler aufgetaucht ist, der mit gleichem Recht direkt auf die Xavi-Nachfolge aspirieren wird. Gar nicht so leicht, die Situation eines Weltstars, für den eigentlich nur noch ein, zwei Clubs ein Frage kommen.
Hertha zählt da nicht dazu, aber das kann ja noch werden. Im Idealfall beginnt morgen der lange Weg zu einem sportlichen Status, der endlich den Standortbedingungen gerecht wird, ohne dabei die eigene Zukunft verkaufen zu müssen.