Samstag, Juli 31, 2010

Bullenpleite

Der Vorbereitungsspielplan der Hertha ist wohl mit einem gewissen Bedacht zusammengestellt worden: kein großer Name darunter, damit auch niemand in der falschen Annahme in die Saison gehen würde, die zweite Liga wäre eine Art Exkurs; stattdessen viel regionale Ambition (Lübeck, Erfurt, Leipzig), gegen die sich die neue Hertha denn auch tatsächlich schwer tat.

Die Ergebnisse der abgelaufenen Woche lassen bei den Boulevardzeitungen schon die ersten Anwandlungen von Unmut vernehmlich werden: 1:2 bei RB Leipzig, 1:2 auch in Erfurt, und ein mühsames 3:1 in Lübeck. Die Resultate muss man nicht überbewerten, denn noch sind zwei Wochen Zeit, um die Stammformation auf die richtige Einstellung und die richtige Spritzigkeit zu bringen.

Interessanter scheint mir da schon der Umstand zu sein, dass nach den Formationen dieser Woche die designierte erste Elf weniger eindeutig feststeht denn je. Erstens gerät nun doch allmählich in den Bereich des Möglichen, dass der Transfermarkt in diesem Sommer die aufgerufenen zehn Millionen für Ramos nicht hergibt, er könnte also tatsächlich bleiben (die Wahrscheinlichkeit halte ich aber nach wie vor für gering). Er scheint, wenn, dann für den linken Flügel gedacht zu sein, da sich Beichler rechts anscheinend gut eingeführt hat.

Positiv aufgefallen ist einigen Fans in dieser Woche auch Domovchyiski, was mich freut, ohne dass ich das überbewerten will - ich wäre nur sehr dafür, dass er überhaupt eine faire Chance bekommt, was ohnehin schwierig ist, denn auch er flottiert durch die Hertha-Offensive und spielte in Leipzig anscheinend sogar hängende Spitze & Spielmacher, also den Raffael.

Über Ronny haben sich die Tabloiden diese Woche auch hergemacht, mit der üblichen Ausgewogenheit (man hielt ihm ohne nähere Kenntnis seines Speiseplans einen melancholischen Mehrverzehr des brasilianischen Nationalgerichts Bohnen mit Fleisch vor, dessen kalorischer Gehalt schon in Tagen von Marcelinho immer wieder Thema war; andererseits sehen ihn manche Journalisten schon in der Selecao 2014) - wo er eines Tages genau spielen soll (Leftback oder doch Winger), werden wir vor Ende August wohl nicht wissen.

Pal Dardai, der gute Kontakte zu den Medien hat und deswegen schon einmal als Kapitän designiert wurde, war in den Pre-Season-Matches noch wenig zu sehen, es zwickt ihn vielleicht doch alles schon ein wenig mehr, als es seiner tatsächlichen Funktion zuträglich ist (seine symbolische weiß auch ich zu schätzen).

Friend hat endlich ein Tor geschossen, er wäre sowieso für die Startelf gesetzt gewesen, schließlich ist er der Königstransfer von BP im Sommer 2010 bisher.

Vergangenen Dienstag war eine Jugendelf von Manchester City in Berlin, davon wusste ich rechtzeitig leider nichts, ich hätte aber ohnehin keine Zeit gehabt. Die Mannschaft von René Tretschok verlor mit 1:2, hielt sich dabei den wenigen Berichten nach sehr gut. Zwei Wochen noch bis zum DFB-Pokal, aus einer anstrengenden Woche für die Profis verbuche ich einmal ganz genügsam: Domo bringt sich ein, ansonsten ist alles sehr offen.

Mittwoch, Juli 21, 2010

Flügelzucht

Die schwere Knieverletzung von Patrick Ebert (viel Glück für das Comeback!) stellt Hertha schon früh vor eine knifflige Denksportaufgabe. Denn der Ersatzmann steht mit dem eben erst verpflichteten Daniel Beichler (21) von Sturm Graz zwar schon bereit, es wird sich aber erst weisen müssen, wie der Österreicher mit den neuen Verhältnissen zurecht kommt. Auf dem linken Flügel sind die Unwägbarkeiten sogar noch größer, denn dort wird wohl vorerst einmal Ronny spielen, der eigentlich ein Außendecker ist, und von dessen Spielverständnis wir noch wenig wissen. (Bei all dem gehe ich immer davon aus, dass Ramos und Kacar verkauft werden.)

Die Einkaufspolitik von BP ist von einer verständlichen Ambivalenz geprägt: Sie sind sich nicht ganz sicher, ob die Hertha mit dem technischen Ansatz, mit dem sie letzten Endes den Abstiegskampf nicht hingekriegt hat, in der zweiten Liga einen Auftrag hat. Deswegen haben sie mit Friend einen Stürmer gekauft, der ein anderes Signal gibt, das auf Durchsetzung gegen härteren Widerstand deutet - wie das Spiel aber bis zu Friend aussehen soll, wie es also bis an den Elferpunkt gelangen soll, das ist noch kaum abzusehen, denn die weiteren Neuverpflichtungen fügen sich bisher nur in Ansätzen in ein Bild. Gelernte "Wingers" sind auf jeden Fall schon Mangelware.

Viel wird von der Besetzung des defensiven Mittelfelds abhängen, wo nicht wenige Hertha-Fans Kobiashvili neben Lustenberger erwarten statt Dardai oder (bitte nicht!) Standby-Profi Neuendorf. Ronny würde dadurch nach hinten rücken, und es würde links ein Platz frei für entweder Rukavytsya oder vielleicht sogar Domovchyiski.

Der Kader ist im Moment ein großes Mobile, so richtig fix scheinen mir nur folgende Positionen zu sein: Aerts, Hubnik, Mijatovic, Lell, Lustenberger, Raffael, Friend. Eine zentrale Achse, zu der Beichler hinzukommt und eine linke Außenbahn, von der wir noch wenig wissen. Da ist eine Menge Polyvalenz im Kader, die erst auf die zweite Liga scharf gestellt werden muss.

Heute abend spielt Sturm Graz eine Sommer-Exhibition gegen den FC Arsenal. Beichler hätte da wohl noch gegen Kieran Gibbs seine Tricks und Flanken probieren können, eine Gelegenheit, die ihm entgehen wird, weil er einen Schritt gemacht hat: in Berlin in der zweiten Liga die Grundlagen für eine moderne Erstligamannschaft zu legen.

Montag, Juli 19, 2010

Erholung

Im Rahmen meines persönlichen Höhentrainingslagers bin ich gestern zum Pießling Ursprung gegangen, ein Klassiker seit Kindheitstagen, der nach massiven Regenfällen auch ordentlich Wasser führte. Der Nachmittag war der Lektüre von Doderers "Die Strudlhofstiege" gewidmet, am frühen Abend fand ich dann einen polnischen Stream, der störungsfrei das U19-EM-Match zwischen Österreich und England zeigte.

Es endete 3:2 für die Three Lions, wobei Team Austria gegen Ende noch mächtig auf den Ausgleich drängte. Marco Djuricin spielte 70 Minuten, er war ein wenig glücklos im Dribbling, war aber an einigen guten Angriffen beteiligt, er spielt variabel, kommt über außen und geht ins Zentrum. Österreich hat insgesamt eine Weile gebraucht, bis sie ein Kombinationsspiel fanden, das ist oft so bei jungen Mannschaften mit einem Topstar in der Zentrale: David Alaba vom FCB.

Hertha ist derweil aus dem bayerischen Trainingslager nach Berlin zurückgereist, heute hat die Mannschaft einen Tag frei, nur Pechvogel Patrick Ebert muss zur Untersuchung, er hat sich am Knie verletzt. Manager Preetz hat dem Eurosport eine kleine Zwischenbilanz in die Videokamera gesprochen, seinen Ausführungen ist momentan nicht viel hinzuzufügen, außer dass er die sehr gute Arbeit unterschätzt, die beim FC Everton geleistet wird. David Moyes ist sicher einer der besten Trainer in der Premier League.

Dort beginnt diese Woche das intensivere Training, der FC Arsenal hat am Wochenende mit dem traditionellen Eröffnungsspiel der Vorbereitungsphase beim FC Barnet begonnen, und bei dem 4:0 auch die Neuerwerbungen Kosczielny (Innenverteidigung) und Chamakh (Angriff) vorgestellt, aber auch junge Aspiranten wie Frimpong, über den ich hier schon einmal geschrieben hatte. Es riecht auf jeden Fall schon wieder stark nach Clubfußball, in der guten Luft der Hoamat fügt das eine nicht unwesentliche Note hinzu.

Samstag, Juli 17, 2010

Felix Austria

Österreich nimmt im internationalen Fußball eine Randlage ein. Im Sommer ändert sich das auch nicht, allerdings beginnt die Liga hier so früh, dass sich daraus ein doppelter Effekt ergibt: während auf den Plätzen rund um meinen Heimat- und Ferienort alle möglichen europäischen Topclubs von Schalke bis Arsenal trainieren, hat die österreichische Liga schon begonnen (und die Topklubs spielen an der europäischen Peripherie Qualifikation für die Uefa-Bewerbe). Zum Ligastart morgen zum Beispiel Rapid gegen Innsbruck, die Mannschaft aus Tirol hat mir in ganz jungen Jahren sehr gefallen, eines meiner ersten Idole war Roland Hattenberger, und dann war da ja noch Kurt Jara, der als Trainer gerade nicht mehr so hoch im Kurs steht.

Außerdem beginnt morgen die U19-EM, an der auch Hertha prominent beteiligt ist: Denn der österreichische Stürmer Marco Djuricin (Bild) steht in Berlin unter Vertrag, ich habe ihn allerdings noch nicht live gesehen. Morgen steigt er im Spiel Österreich gegen England ins Turnier ein, ich werde berichten (irgendein Stream wird sich wohl finden).

Zu meinem Aufenthalt in der Hoamat passt, dass Hertha wohl dieser Tage die Verpflichtung von Daniel Beichler von Sturm Graz bekannt geben wird - das ist eine Personalie, die mir von Fans der Grazer Mannschaft als plausibel bewertet wird (während Veli Kavlak von Rapid, eine Hertha-Hoffnung von vor drei Jahren, weiterhin auf ein Auslandsangebot wartet).

Mit Beichler, Lasogga und den eigenen Nachwuchskräften (Nico Schulz und Sebastian Neumann bekommen schon gut Presse) hat die Transferpolitik des Sommers eine gute Balance zwischen Pragmatismus und Perspektive, den Stürmer Rukavytsya werden wir dazwischen ansiedeln und einfach mal schauen, was er bringt (ich hoffe ja immer noch auf Domovchyiski).

Ich nenne jetzt einfach einmal eine mögliche Startelf, mit leicht progressiver Note: Aerts. Kobiashvili. Hubnik. Mijatovic. Lell. Lustenberger. Janker. Beichler. Ebert. Raffael. Domovchyiski. Mit Kacar und Ramos "plane" ich nicht mehr, Janker erscheint mir im defensiven Mittelfeld produktiver als Dardai (ohnehin hat man diese Position meines Erachtens nicht genug bedacht), Domo ziehe ich Friend bis auf den Beweis des Gegenteils vor, Patrick will ich unbedingt sehen, und Beichler auch, zu dem Ronny eine Alternative sein könnte. Ein interessanter, nicht in jeder Hinsicht ausgewogener Kader mit enorm vielen Unwägbarkeiten.

Montag, Juli 12, 2010

Weltmeister

Iker Casillas, zweifellos einer der Helden der spanischen Mannschaft, die gestern die Niederlande mit 1:0 nach Verlängerung besiegt hat, nach dem Spiel beim Interview mit seiner Freundin - ein toller Moment der Freimütigkeit. Und dann noch was von neulich, die Königin in der Kabine von Espagna, alle applaudieren, nur Carles Puyol hat sich Zeit gelassen.

Sonntag, Juli 11, 2010

Minnedienst

Für das WM-Finale habe ich keinen wirklichen Favoriten. Zwar habe ich vor dem Turnier Spanien als Wunschweltmeister angegeben, aber da konnte ich natürlich nicht ahnen, dass sie gegen die Niederlande spielen würden, für die ich nicht nur wegen van Persie eine Menge übrig habe. Interessant wird sicher werden, wie Oranje sich auf den spanischen Ballbesitz einstellt - die langen Pässe von Sneijder sind auf jeden Fall ein interessantes Mittel bei schnellen Außenspielern wie Robben und Kujt und bei van Persie im Zentrum.

Eine Formulierung aus der "Gazzetta dello Sport" hat übrigens sehr schön den entropischen Punkt des spanischen Spiels benannt: Sie arbeiten an einem "Kamasutra der Chancen" ("Kamasutra delle occasioni di Gol"), also einem Katalog aller möglichen Stellungen, aus denen heraus man prinzipiell ein Tor erzielen könnte - wäre man nicht Tantriker und damit der Ejakulation abhold. Das ist ein Wortspiel, das auf Klischees aufbaut, brillant ist es trotzdem.

Deutschland hat im kleinen Finale gegen Uruguay gezeigt, wie ein offenes Spiel ausgehen kann, bei dem beide Team die taktischen Sicherheiten über Bord werfen - es gab zahlreiche Chancen auf beiden Seiten, am Ende erzielte mein Lieblingsspieler Sami Khedira das 3:2. Das Spiel im Platz 3 zeigt häufig den Fußball, den die Fans gern sehen wollen - weniger gehemmt, vom Druck befreit, ein bisschen pfeifdrauf, wie die Flanke von Jerome Boateng auf Jansen. Schneller Sex im Vergleich mit der hohen Minne der Spanier.

Genug der einschlägigen Metaphern, in ein paar Stunden haben wir einen neuen Weltmeister, und dann ein paar Wochen die schmale Kost der Transfernachrichten im schweren Brei der Transfergerüchte.

Donnerstag, Juli 08, 2010

Rote Furie

Vor sechs Jahren habe ich Vicente del Bosque einmal fast angesprochen. Er stand im Innenraum des Olympiastadions, als Trainer von Besiktas Istanbul, die zur Saisoneröffnung der Hertha eingeladen worden waren. Man konnte damals ganz nach vorn, es waren nicht viele Zuschauer da, und ich wollte eigentlich nicht viel mehr sagen als: "Gute Arbeit." (Man hatte ihn damals gerade aus unverständlichen Gründen bei Real Madrid entlassen.)

Gestern hat das von del Bosqie betreute Spanien durch gute Arbeit Deutschland mit 1:0 besiegt. Die einschlägige Analyse wertet den Erfolg als verdient, und sie hatte auch eine Art Pointe, denn del Bosque reagierte auf das Fehlen von Thomas Müller bei Deutschland, indem er einen sogar noch besseren Thomas Müller brachte, nämlich Pedro vom FC Barcelona.

Deutschland muss sich nicht grämen, es hatte gestern nur acht Wochen Spielkultur gegen mehrere Jahre Spielkultur aufzubieten. Schweinsteiger und Khedira und Müller können immer noch die Iniesta und Xavi und Xabi Alonso von 2014 werden, wenngleich in Spanien ja auch gute Leute nachkommen, und Laurent Blanc zum Beispiel die Grande Nation aus dem Dreck holen wird.

Die Niederlage im Semifinale der WM macht nun erst so richtig deutlich, wie wichtig der Finaleinzug des FCB in der CL war: der wertet nämlich den ganzen Standort Deutschland auf, die Liga hat einen ganz anderen Stellenwert und muss nicht den großen Ausverkauf befürchten, der nach den Leistungen von J-Lös Jungs zu erwarten wäre. Schweinsteiger kann ohne weiteres bei van Gaal bleiben, denn es gibt nur wenige Orte in Europa, an denen er mehr lernen kann.

Mourinho interessiert sich angeblich für Khedira, den würde ich aber lieber bei Arsenal sehen, wo Cesc Fabregas vielleicht ja doch noch ein Jährchen bleiben könnte. Denn der FC Barcelona kann gerade die Spielergehälter nicht zahlen, und Spaniens starke Leistung hat gestern gezeigt, dass die von mir neulich schon für möglich gehaltene nahende Ablösung Xavis als Zentralfigur noch keineswegs ansteht.

Fabregas blieb bis zum Ende auf der Bank, er wird nun vermutlich denken, dass er sich beim FC Barcelona besser für die "Furia Roja" empfehlen kann, ich glaube aber, dass er auch dort nicht Stammspieler wäre, und das wäre nun wirklich eine groteske Verschwendung von Ressourcen.

Wo ist die Hertha in all dem? Sie hat auf eine erschütternde Weise gar nichts mit der Professionalität des Fußballs zu tun, der gestern zu sehen war. 13 von 23 Profis kamen mit schlechten Fitnesswerten aus dem Urlaub. Die zweite Liga fängt also mit einer letztklassigen Einstellung vieler Spieler an. Sie haben sich das Spiel gestern wahrscheinlich gar nicht angesehen, und wenn, dann haben sie es wahrscheinlich nicht verstanden.

Mittwoch, Juli 07, 2010

Religionskritik

Berauschend war es nicht, wie die Niederlande sich im ersten WM-Halbfinale mit 3:2 gegen Uruguay durchgesetzt haben, aber es hat gereicht. Ein paar gute spielerische Ansätze gegen ein Team, das toll gearbeitet hat, das mir aber dann doch ein wenig zu stark auf den glücklichen Moment baut.

Die Weltmeisterschaft hat mit diesem Ergebnis auch ihre religiöse Phase hinter sich gebracht, denn nun sind nur noch drei Teams im Rennen, die ich als solide säkularisiert einschätze, während Uruguay ja doch recht unangenehm die Rhetorik von der "Hand Gottes" und von einer großen WM im Zeichen der Jungfrau Maria strapaziert hat.

Die brasilianischen Evangelikalen sind auch nicht mehr dabei, den Titel werden drei Organisationen untereinander ausmachen, die Inspiration nicht als göttliche Eingebung betrachten (obwohl auch im deutschen Team noch gebetet wird), sondern als etwas, das die gute Arbeit krönt. Das deutsche Team hat die Hilfe von oben durch eine Willensrhetorik ersetzt, die unter anderen Umständen auch auf die Nerven gehen könnte, die hier aber Sinn macht: Man wuss schon etwas wollen, um etwas zu erreichen. (Arsène Wenger spricht immer von "desire", das klingt natürlich viel besser als der philosophisch ein wenig vorbelastete Wille.)

Was Spanien will, werden wir heute abend sehen, wenn Vicente del Bosque zeigen wird, ob er sein Sorgenkind Torres vielleicht doch auf die Bank setzt (und Fabregas oder Llorente bringt?). Der brasilianische Altstar Tostao hat am Montag in der SZ einen klugen Satz über Brasiliens aktuellen Stil gesagt: "Die Art, wie Dunga nach Siegen trachtet, lässt nichts zurück, wenn er verliert." Das gilt bei dieser WM in gleicher Weise und bei aller Sympathie für deren Methodik dann eben doch auch für Uruguay, Paraguay, Neuseeland..., es galt nicht für Ghana (von denen große Hoffnungen für die Zukunft und beeindruckende Einzelleistungen zum Beispiel von Kevin-Prince Boateng zurückbleiben), und es gilt sicher nicht für Deutschland oder Spanien.

Montag, Juli 05, 2010

Trainingsstart

Zwei Welten: Während in Südafrika sich J-Lös Begabtenstipendiaten auf das Halbfinale gegen Spanien vorbereiten, müssen die Hertha-Profis sich heute am Olympiagelände einfinden, um sich auf eine Saison in der zweiten deutschen Liga vorzubereiten.

Ramos soll auch dabei sein, wie es mit ihm weitergeht, wird sich weisen. Die kompromisslose Rhetorik seines Beraters hat aber sicher Wirkung gezeigt, und ganz ehrlich: für acht Millionen würde ich ihn auf jeden Fall ziehen lassen, denn es gibt doch Grund zum Zweifel, dass Hertha ihm im kommenden Durchlauf ein adäquates Spielsystem anbieten könnte.

BP haben derweil noch einmal nachgelegt, sie haben Andre Mijatovic von Arminia Bielefeld verpflichtet, ein Innenverteidiger, auf den mich Jan "Django" Distelmeyer schon vor Jahren hingewiesen hat und von dem auch Valdano nicht nichts hält. Ein plausibler Zweitligatransfer, plausibler wohl, als den schwer einschätzbaren Bengtsson gegen dessen Willen auf diese Position zu besetzen.

Überraschend ist der Einkauf von Pierre-Michel Lasogga, von dem die Auskenner in den Hertha-Foren viel halten, und dessen Verpflichtung auch ein Signal ist: Seht her, auch in der zweiten Liga arbeiten wir mit Perspektivspielern, und können solchen auch eine solche glaubhaft vermitteln.

Lasogga könnte das generationelle Bindeglied zu Leuten wie Djuricin oder Kargbo werden, die hoffentlich nicht den Weg der Schorchs und Dejagahs gehen, sondern in Berlin zu Stars und dann in der Welt zu Superstars werden. Wie Kevin-Prince Boateng, der den bisher härtesten Weg hatte und dem die Hertha vielleicht in fünf Jahren auch noch einmal eine Perspektive geben könnte - dazu müssten sich BP und Co. aber ordentlich anstrengen. Die erste Schwitzübungen dazu werden heute stattfinden.

Sonntag, Juli 04, 2010

Friedrich der Große

Gestern sah es für einen Moment so aus, als wäre bei dieser WM selbst ein Finale Paraguay-Uruguay denkbar. Denn nach dem 4:0 von Deutschland gegen Argentinien sind die Favoriten nunmehr zwar klar sichtbar, dabei erwies sich aber auch, dass die Mannschaft von J-Lö am Ende eher gegen einen Außenseiter in Schwierigkeiten geraten könnte als gegen einen "Großen".

Argentinien war gestern sicher nicht groß, die taktische Analyse muss so vernichtend ausfallen, wie es das Ergebnis war, das allerdings auch vom Spielverlauf sehr begünstigt wurde.

Dass sich Spanien gegen Paraguay sehr schwer getan hat, könnte sich nun als Lektion zur rechten Zeit erweisen, die dazu führt, dass Deutschland im Halbfinale vielleicht zum ersten Mal auf einen Gegner trifft, der sich auch konzeptuell auf Augenhöhe erweist. Und personell sowieso: Sergio Ramos ist nicht Otamendi, und Xabi Alonso und Sergio dürften das deutsche Universalmittelfeld, das von Neuer bis Özil reicht, vor eine etwas größere Herausforderung stellen als der einsame Mascherano.

Die Luxuspointe des Spiels nicht nur für mich war sicher das Tor von Arne Friedrich, den der ZDF-Chefkommentator schon davor als "Friedrich den Großen" und als Spieler "ohne Fehl und Tadel" bezeichnet hatte. Er verkörpert am augenscheinlichsten, was am System Löw ganz offensichtlich funktioniert: es macht die Spieler individuell besser, weil die Gruppe funktioniert, und das Training instruktiv ist. Mehr braucht es ja gar nicht.

Das war bei Hertha unter Favre anfangs auch so, und es hat einen Hauch von Hybris, dass ausgerechnet Favre zum Ende der vorletzten Saison seinen eigenen Kapitän demontieren musste - erst jetzt erholt sich Friedrich von dieser Beleidigung, und ich wiederhole mich, dass seine Entscheidung, nach Wolfsburg zu gehen, kleingeistig wirken muss angesichts der Möglichkeiten, die sich ihm vielleicht in einer Woche aufgetan hätten. Aber das ist eben auch Arne Friedrich, er reitet selbst eine große Welle so kontrolliert wie möglich.

Samstag, Juli 03, 2010

Schwarze Sterne

Gestern gab es das erste wirklich große Drama bei dieser Fußball-WM, ein absoluter Klassiker, den ich gern auf Festplatte hätte: Ghana gegen Uruguay, 3:5 nach Elfmeterschießen, und dann ließ ausgerechnet Suarez sich von seinen Kollegen feiern, wie auf dem Bild zu sehen ist. Suarez, der in der 120. Minute einen Ball mit der Hand auf der Linie abgewehrt hat, woraufhin Asamoah Gyan zu einem Elfmeter antrat, den er über das Tor schoss.

Zwei Aspekte dieser Geschichte interessieren mich besonders (sie wird ja sicher in allen Medien noch in alle Einzelteile zerlegt werden): Gab es in der Entstehungsgeschichte der beiden Großchancen in der letzten Minute der Verlängerung einmal eine passive Abseitsstellung von Steven Appiah (Nummer 10), der danach noch eingriff, mit einem Wort, wäre das Tor vielleicht sogar irregulär gewesen?

Zweitens: Was geht in einem Mann wie John Mensah vor, der zum dritten Elfmeter für Ghana antrat, dabei fast vollständig auf einen Anlauf verzichtete, und entsprechend schwach schoss? Ich kann natürlich den Druck nicht nachvollziehen, unter dem die Spieler in diesem Moment stehen, aber ist das nicht elementare Erfahrung, dass es fast aus dem Stand sehr leicht schief gehen kann? Schweinsteiger, der seine Penalties auch gern so schießt, wird mich vielleicht vom Gegenteil überzeugen.

Vor dem Viertelfinale und nach den Achtelfinals hatte ich auf ein Endspiel zwischen Argentinien und Ghana getippt, jetzt wird es am Ende doch Deutschland gegen Niederlande? Alles ist möglich, das Turnier ist jetzt lebendig, und von Suarez werden wir wohl noch eine Menge sehen, nur in Südafrika nicht mehr, denn eine Sperre von zwei Spielen sollte sich von selbst verstehen für seine grobe, sicher aber auch unwillkürliche Unsportlichkeit. Nur so frech feiern hätte er sich nicht lassen müssen.

Arne Friedrich hat derweil ein Signal an die deutsche Nationalmannschaft gegeben, das diese zum Glück nicht entziffern wird: Er hat jetzt schon beim VfL Wolfsburg unterschrieben, und zeigt damit, dass er nicht vorhat, in Südafrika noch berühmter zu werden, als er es in den ersten vier Spielen geworden ist. Zu dieser Selbstbescheidung hat sicher auch die Hertha beigetragen, die kein Interesse hatte, ihm auch nur einen Monat lang sein Erstligagehalt zu bezahlen. So können nun alle irgendwie zufrieden sein, der große Wurf ist es allerdings für niemanden geworden. Wenn das mal bloß kein Omen fürs Spiel gegen Argentinien ist.