Dienstag, November 30, 2010

El Clasico

Zu den mäßig guten Witzen in einem demnächst erscheinenden Film über einen Touristen in Venedig gehört, dass besagter Amerikaner in Italien ständig Spanisch spricht, weil ihm der Unterschied nicht geläufig ist. Mit einem freundlichen "Gracias" macht man sich eine südeuropäische Kontinentalausbuchtung weiter östlich nicht beliebt.

Gestern hat es sich aber dank Valdano so ergeben, dass wir uns den spanischen "Clasico" zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid in einer neapolitanischen Kneipe angeschaut haben, die zum großen Ereignis rammelvoll war. Wir waren zu viert, wobei die Sympathien quer verteilt waren, Christian P. berief sich auf alte Zuneigung zu Real, meinte aber ganz offensichtlich stark das deutsche Nationalteam, das dort in Teilen aufläuft. Valdano hielt zu Barca und zu Özil und Khedira, was auch nicht so einfach war.

Ich hielt zu Guardiola und Barca und war restlos begeistert davon, dass uns die Katalanen, die beim deutschen Bezahlsender für Fußball ja nicht im Angebeot sind, so nachdrücklich auf den neuesten Stand brachten. Das Spiel verlief unerwartet, denn allgemein hatte man doch mit einer starken Abwürg- und Konterdynamik von Madrid rechnen müssen.

Dazu kam es aber nicht, denn ein Pressing war gar nicht möglich, so flink und klug und immer einen Gran weniger erwartbar als normal wählten die Spieler von Guardiola zwischen ihren Optionen (Pass, Dribbling, 360-Grad-Wirbel, Verdünnisieren mit oder ohne Ball) aus, dass der Widerstand sehr schnell geschlagen war.

Barcelona bewies nebenbei, dass das ganze Gerede von One-Touch-Fußball, das eine Weile en vogue war, ein Blödsinn ist: Xavi, Busquets, Iniesta, Messi halten den Ball so lange wie notwendig, und sie spielen ihn so schnell ab, wie es die Laufwege der Mitspieler ergeben; sehr häufig stoppen sie den Ball, schirmen ihn ab, gehen ein wenig, und spielen dann aber den Pass, der nicht den naheliegenden Mann erreicht, sondern einen, der sich daraus ergibt, dass hinter diesem ein Kollege einen interessanteren Lauf gestartet hat.

Dieses Gewimmel war gestern auf "Himmel Italien HD" (Sky Italia) ein Hochgenuss, der durch leidenschaftliche Chöre "Mourinho scemo imbecile va te ne a casa" nur gesteigert wurde. Ich mag Mourinho nicht ungern, aber er ist nun einmal ein solcher Luftballon, dass es gelegentlich Spaß macht, wenn ihm die Luft ausgelassen wird.

Heute ist Mitgliederversammlung von Hertha BSC, da schaffe ich es nicht hin, und morgen wollte ich eigentlich nach Posen fahren, wo Juventus Turin in der Europa League antritt - aber das wird wohl auch nicht klappen, immer noch ein wenig zu viel zu tun.

Sonntag, November 28, 2010

Zufriedenheit

Zwei Tage vor der Mitgliederversammlung müssen die Verantwortlichen die erste ein wenig ernüchternde Zwischenbilanz in diesem Herbst ziehen. Das Heimspiel gegen MSV Duisburg ging gestern 0:2 verloren, dazu kommen zwei Aussagen aus der Dialog-Veranstaltung vom Donnerstag, die es in sich haben.

Geschäftsführer Schiller räumte dort einen Schuldenstand von 37,34 Millionen mit 30.6.2010 ein (das sind fast die wenige Tage davor noch dementierten 38 Millionen), aufhorchen muss aber vor allem ein Satz lassen: In der zweiten Liga ist mit einem Mannschaftsetat wie heuer an Schuldentilgung "nicht einmal theoretisch" zu denken (ich beziehe mich auf den wie immer verdienstvollen Ticker von der Veranstaltung).

Nun gerät aber die aktuelle (teure) Mannschaft in Liga zwee zunehmend an ihre Grenzen. Coach Babbel macht dies an zu großer "Zufriedenheit" und fehlender "Gier" fest, er beschränkt sich also auf Einstellungsaspekte, auf die Struktur der Mannschaft mag er nicht eingehen.

Gegen den MSV kam Domovchiyski für Perdedaj zurück in das Team, Rukavytsya blieb rechts offensiv im Dienst, Lasogga bekam das Vertrauen im Sturmzentrum. Gegen Bochum hatte neulich noch ein intensives Pressing zu einer deutlichen, letzlich produktiven Überlegenheit geführt. Gegen Duisburg beschränkte Hertha sich auf fadenscheiniges Aufbauspiel mit vielen Versuchen, die dichte Deckung des Gegners kleinteilig zu überwinden.

Ich predige hier keineswegs den langen Ball, das Problem scheint mir nach wie vor auf den Außenlinien zu liegen, die keinen Druck ausüben, sodass sich das Geschehen immer wieder zentriert. Ramos ist als Flügelspieler verschenkt, wenn er keinen Platz hat (also fast immer), Rukavytsya kommt über zwei, drei gute Ansätze pro Spiel nicht hinaus und hat inzwischen auch bei Standardsituationen an Gefahr eingebüßt. Der Routinier Kobiashvili ist eine der größten Enttäuschungen dieser Hinrunde, sein indifferentes Spiel mag nur wohlwollenden Beobachtern als Effizienz erscheinen.

Die beiden Gegentore werfen auch ein Licht auf die offensiven Defizite: Sie kamen nicht zuletzt dadurch zustande, dass alle Herthaner sich auf den Ball konzentrierten, und niemand einen Versuch unternahm, positionelle Möglichkeiten (auch des Gegners) zu antizipieren.

Das erste Tor ging auf einen Klassepass in die Lücke zwischen Hubnik und Neumann zurück, der Abpraller von der Latte hätte aber vielleicht entschärft werden können, wenn man beim entgeisterten Hinterherlaufen zumindest noch die Gegner im Augenwinkel behalten hätte. Ich weiß, das ist viel verlangt, wir sind in Liga zwee.

Beim zweiten Gegentor musste Djuricin persönliches Lehrgeld bezahlen, er allein hätte vielleicht den mitlaufenden Baljak noch erwischen können, doch er sah das nicht als seine Aufgabe, und bei Sebastian Neumann wurden in dieser Szene doch Schnelligkeitsdefizite deutlich.

Für die letzten drei Spiele täte der Mannschaft ein kleiner Umbau vermutlich gut. Ich plädiere sehr für Lustenberger neben Niemeyer, und fände auch eine grundsätzliche Modifikation des Angriffs überlegendswert - warum in der Allarena nicht einmal mit Ramos in der Zentrale beginnen, Ronny auf links, Djuricin oder Schulz auf rechts, Raffael zentral.

Der Kolumbianer hat sich im Jahr des Grauens mehrfach als kluger Läufer in die Lücken erwiesen, man müsste allerdings insgesamt daraus hoffen, dass die Linienrichter endlich einmal ihre Regeln lernen - in dubio pro attacante, das haben sie gestern auch wieder zweimal anders entschieden. Ob Hertha andernfalls gewonnen hätte? Auch dass hätte nichts daran geändert, dass es kein gutes Spiel war.

Donnerstag, November 25, 2010

Antikicker

Am Sonntagabend saß Christian Lell im RBB-Studio, geschminkt wie ein Held aus einem Sandalenfilm, und sprach zur aktuellen Lage von Hertha BSC. Er ist ja momentan Kapitän, weil Mijatovic verletzt ist. Es gab da aber auch noch eine andere Sache zu besprechen außer der Niederlage in Osnabrück, eine Sache, die noch keine 24 Stunden zurücklag, und die sich in München zugetragen hatte.

Eine Auseinandersetzung in der Diskothek P1, in der es anscheinend mehrere VIP-Zonen gibt, in die nicht immer jeder Promi mit seiner ganzen Entourage zu jedem Zeitpunkt ohne Weiteres hineinkommt. Dass Lell, wie es heißt, als "Antikicker" bezeichnet wurde, ist eine Äußerung, die sich so nicht gehört, auch wenn das in München sicher viele so sehen werden. Dass man die Mutter seiner Tochter und seine Tochter beleidigt hat, ist nicht hinzunehmen, allerdings steht stark in Zweifel, dass die Übeltäter satisfaktionsfähig sind, wie man das früher genannt hat - also Ehrenmänner.

Was immer Lell genau getan hat, der Club hat wenig Möglichkeiten, ihn jetzt groß abzustrafen - rechts hinten gibt es nicht einmal eine eigentliche Zweitbesetzung. Man wird also die Wahrheitsfrage suspendieren (und sich sicher nicht auf die farbenfrohe Postille verlassen, zu der Lell anscheinend besonders gute Beziehungen unterhält, indem er ihr dauernd Interviews gibt), und den Mann intern ins Gebet nehmen.

Es gibt wichtigere Themen zur Zeit. Heute findet die "Aussprache" der Club-Führung mit den Fans statt (ich bin verhindert), am Samstag kommt der MSV Duisburg ins Olympiastadion, und wenn die Sache ganz dumm läuft, denn fällt Hertha auf den Relegationsplatz zurück. Die "Bayern" der zweeten Liga müssen jetzt zeigen, dass sie Profis sind.

Samstag, November 20, 2010

Platzbelegung

Zu Osnabrück habe ich aus der Kindheit eine besondere Beziehung. Unsere Eltern vermieteten damals im Sommer immer ein sogenanntes Fremdenzimmer, in das dann Familie Tomcik aus Osnabrück einzog. Sie kamen mit dem Auto, brachten eine Menge Geschenke, und erschienen uns in jeder Hinsicht als Vertreter des Wirtschaftswunders, auch wenn ich diesen Begriff damals natürlich noch nicht kannte.

Tomciks hatten einen Hund (Asta), der Vater war Jäger, und in unserer Familie ist die Anekdote berühmt, dass er eines Tages vom Balkon unseres Hauses aus einen Rehbock schoss, der gar nicht zum Abschuss freigegeben war. Unser Vater musste danach seinen ganzen, durch das von ihm betriebene Versicherungsgeschäft im Tal nicht geringen Einfluss aufbieten, um die Sache beizulegen.

Es hat sich nie ergeben, dass ich meinerseits nach Osnabrück gekommen wäre, mit den Tomciks gibt es keinen Kontakt mehr. Das Auswärtspiel von Hertha habe ich gestern nur im Fernsehen gesehen. Es ging 0:2 verloren, insgesamt war es ein verdienter Sieg für Osnabrück, wenngleich der zweite Treffer aus einer Abseitsposition heraus vorbereitet wurde.

Ramos kam nach seiner Sperre in die Mannschaft zurück, "Prinz Lasagne" Lasogga war neuerlich zentraler Stürmer (und machte seine Sache nicht schlecht), Perdedaj erhielt den Vorzug gegenüber Domovchyiski, der seinen Verzicht auf ein Länderspiel mit Bulgarien nicht belohnt bekommen hat: er hat wenig gespielt diese Woche, und Loddar Matthäus hat ihm nun auch noch bedeutet, dass er unter seine Ägide nicht mehr zum Zug kommen soll (ich gehe einmal davon aus, dass Domo das überstehen wird, die paar Monate).

Nach einigen fruchtlosen Versuchen von Hertha, mit Kombinationsspiel zum Torerfolg zu kommen, verfiel der Kommentator des Bezahlsenders auf einen Begriff, den er Ralf Rangnick zuschrieb: Die "Platzbelegung" stimmte nicht bei der Mannschaft von Coach Babbel. Symptom dafür ist Rukavytsya, der bevorzugt nach innen zieht, und selten eine Flanke zusammenbringt. Dem Spiel von Hertha fehlt "width", wie die Engländer mit einem anspruchsvoll auszusprechenden Begriff sagen: Breite.

Ramos flankt auch ungern, gerät aber immerhin manchmal an das Empfängerende der einen Flanke, die Lell im Durchschnitt pro Spiel gelingt. Herthas Kombinationen sind mit ein wenig Einsatz durchaus zu unterbinden, weil sie oft ein wenig überhastet gespielt werden, man sieht der Mannschaft an, dass sie nicht regelmäßig genug gefordert wird.

Nun hat sie das zweite Auswärtsspiel en suite verloren, und macht allmählich Erfahrungen mit den Mühen der Ebene in Liga zwee. Noch gibt es keinen wirklichen Grund zur Beunruhigung, aber von einer Handschrift, von einem System Babbel/Widmayer kann man auch nicht so richtig sprechen - das ist im Grunde noch immer ein Restfavrismus, auf dem das Spiel von Hertha beruht, schon damals gab es dieselben Einseitigkeiten (zu wenig Flanken, zu wenig Einbindung der Außenverteidiger, zu wenig Willensleistung).

Osnabrück hat das erste Tor ganz klassisch nach einer Flanke erzielt, die Lell nicht verhinderte, und die Diabang unbehindert verwerten konnte. So macht man sich das Leben in der Provinz schwer. Ob wohl jemand von den Tomciks in der Osnatel-Arena war?

Freitag, November 19, 2010

Inhaberschuldverschreibung

Ich habe heute die aktuelle Hertha-Anleihe gezeichnet, nicht eigentlich aus finanziellen Gründen (ein Portfolio von mir existiert genau genommen gar nicht), sondern eher aus Neugierde. Ich wollte einfach sehen, wie sie das gemacht haben. Da ist dem Management nämlich schon wieder ein kleines Spin-Kunstwerk gelungen diese Woche, zwischen dem Heimspiel gegen Bochum und dem Auswärtsspiel gegen Osnabrück heute abend wurde die wohl schwierigste Klippe dieses Herbsts umschifft.

Ein großer Nebelwerfer muss dabei auch eine Rolle gespielt haben, denn die Berliner Tabloiden haben sich seltsamerweise gar nicht näher dafür interessiert, was hier genau geschehen ist. Ich versuche es so zu entschlüsseln, wie es sich einem finanziellen Laien, der auf Medienberichte angewiesen ist, darstellt.

Die Hertha muss in diesem Spätherbst eine alte Anleihe über sechs Millionen, die sie seinerzeit über die Berliner Volksbank ausgegegeben hatte, zurückzahlen. Sie gibt in diesem Spätherbst eine neue Anleihe über sechs Millionen aus, die sie dieses Mal weitgehend selbst vermarktet (ich habe meine, terminus technicus, Inhaberschuldverschreibung einfach online gezeichnet).

Die sechs Millionen, die man einzunehmen hofft, werden angeblich so verwendet: 4,2 gehen in die Tilgung von Krediten, der Rest dient der Stärkung der Liquidität. Die "Durchfinanzierung" (das Wort wird Ingo Schiller noch um die Ohren fliegen) der laufenden Saison ist offiziell von dieser Anleihe nicht betroffen.

Nun fragt sich natürlich der Laie: Wenn Hertha mit Geld aus der neuen Anleihe alte Kredite tilgt, mit welchem Geld zahlt sie dann wohl die alte Anleihe zurück? Vermutlich mit dem Geld, mit dem sie sonst die Kredite tilgen würde. Hier werden also Bilanzposten hin und her gerechnet, das Faktum aber bleibt bestehen, dass Hertha das Geld, das sie vor sechs Jahren durch eine Anleihe erhalten hat, in der Zwischenzeit nicht wieder hereingearbeitet hat, sondern dass sie diese Schuld refinanzieren muss.

Sie verhält sich also im Grunden so wie viele öffentliche Körperschaften, die ihre Schulden einfach vor sich her tragen: Deutschland zahlt seine Schulden ja auch nicht in dem Sinne zurück, sondern bezahlt alte Anleihen mit neuen Anleihen, und ein großer Teil der Steuergelder geht in den Zinsdienst, die Gesamtschuld wird irgendwann abstrakt. Bei einem Fußballclub geht das aber so auf Dauer nicht. Die Gesamtschuld wird irgendwann erdrückend.

Hertha verweist auf die attraktiven Zinsen von fünf Prozent, die es für die aktuelle Anleihe gibt - das ist tatsächlich deutlich höher, als was man auf einem normalen Tagesgeldkonto bekommt, muss aber eben auch von Hertha bezahlt, und damit erwirtschaftet werden. 300.000 Euro pro Jahr sind für einen solventen Erstligisten nicht so viel, für einen hochverschuldeten Zweitligisten kann das aber eine ganze Menge Geld sein.

Und niemand kann ausschließen, dass Hertha im kommenden Jahr das zweitere sein wird, alle aber können ausschließen, dass Hertha im kommenden Jahr das erstere sein wird - wenn schon Erstligist, dann kein problemlos solventer, sondern ein klammer (und, ich fürchte, wiederum abstiegsgefährdeter). Ich sage nicht, dass es zu dieser Refinanzierung eine Alternative gegeben hätte, angesichts der vergangenen sechs Jahre und der Wette, zu der sich Manager Preetz und die Verantwortlichen entschlossen haben: Nämlich alles auf die Karte dieser einen ("durchfinanzierten"!) Saison zu setzen, an deren Ende die Schulden höher sein werden als am Ende der Abstiegssaison, das Spielerkapital aber deutlich reduziert sein wird. Wenn das nicht gutgeht, dann habe ich vielleicht gerade einen dreistelligen Betrag vergeudet.

Dienstag, November 16, 2010

Sturmlauf

Friedhelm Funkels Rückkehr nach Berlin hat Hertha BSC gestern mit großer Höflichkeit garniert, als Hauptgericht gab es aber dann doch zwei Tore von Pierre-Michel Lasogga, eine sehr engagierte Mannschaftsleistung und damit die Verteidigung der Tabellenführung durch den Wasserkopf der Liga zwee.

In Österreich heißt es gelegentlich von Wien, es hänge wie ein überdimensioniertes Haupt an einem winzigen Land. Und so ähnlich verhält es mit der Hertha in dieser Saison - sie ist für diese Liga eigentlich zu groß. Das betrifft auch den Schuldenstand, der durch eine neue Anleihe in die Höhe getrieben wird - dazu aber ein ander Mal mehr.

Während Funkel noch einmal die Rückrunde 2010 schönredete, und Manager Preetz ihm dabei für meinen Geschmack ein wenig zu eilfertig beipflichtete, gaben die Fans trocken ihre Einschätzung des Zusammenhangs zu wissen: "Ohne Funkel wär'n wir gar nicht hier". Das hat viel für sich, aber Schwamm drüber. Ohne Funkel säße jetzt wohl auch nicht Markus Babbel in Berlin auf der Bank, der ein guter Motivator zu sein scheint, wenn auch augenscheinlich nicht im gleichen Maß ein Fußballlehrer.

Er bot gestern den 18 Jahre alten Pierre-Michel Lasogga statt Friend im Sturmzentrum auf, der von Leverkusen gekommene Junge ist eine markante Erscheinung mit einer Menge "Sehnsucht" (Arsène Wenger). Hinter Lasogga ging die Stammformation mit Ausnahme von Ramos (für ihn: Ronny) und Mijatovic (für ihn: Neumann) und Aerts (für ihn: Sejna) zu Werke. Selten habe ich Hertha einen so leidenschaftlichen Fußball spielen sehen, selbst der häufig lethargische Domovchiyski war sehr präsent, und so entwickelte sich nach einer frühen Riesenchance von Bochum ein Spiel auf ein Tor, von dem man allenfalls sagen müsste, dass es in Richtung Abschluss immer unstrukturierter wurde.

Es bedurfte deswegen eines Torwartfehlers bei Bochum, damit Lasogga einen Eckball von Raffael verwerten konnte - typisch unorthodox, halb vom Tor abgewandt, beinahe mit dem Hinterkopf, so jedenfalls sah es im Fernsehen aus. In der zweiten Halbzeit kam Funkels Elf ein wenig auf, dann stellte aber Rukavytsya mit einem Weitschuss Bochums Keeper Luthe vor große Probleme, und wie Lasogga diesen weit nach außen weggefausteten Ball verwertete - das hatte Klasse, und gab der Sehnsucht eine pfitschipfeilgerade Richtung ins Tor.

Am Ende stand mit Schulz, Djuricin, Perdedaj, Neumann und Lasogga eine halbe Jugendmannschaft auf dem Platz und zugleich an der Tabellenspitze von Liga zwee. Und in der ganzen guten Laune gilt es die Rückkehr einer alten Melodie zu vermelden: "Hey, was für'n Lauf, die Hertha steigt wieder auf". Zur Erinnerung: Als die Fans damit rauskamen, vor bald zwei Jahren und mit einem anderen Text in einer anderen Liga, stand Hertha am Ende auf Platz 4.

Samstag, November 13, 2010

Außenbahner

Das 2:0 des BVB gegen den HSV am gestrigen Abend bei grimmigem Wetter war auch für Hertha-Fans von großem Interesse. Aus mehreren Gründen. Erstens standen drei Spieler auf dem Platz, die noch im Vorjahr in Berlin aktiv waren - ihre sehr unterschiedlichen Erfahrungen zeugen von den verschlungenen Wegen, die der Fußball nimmt.

Gojko Kacar stand beim HSV endlich einmal in der Startelf, musste aber schon nach einer halben Stunde mit einer Verletzung vom Platz, deren Ursache in der Zeitlupe furchtbar aussah. Jaroslav Drobny hatte bei den zwei Gegentoren keine Chance und konnte sich zwischendurch einmal bei einem Kopfball auszeichnen - aber der HSV war insgesamt zu chancenlos, als dass er aus diesem Spiel irgendetwas Positives hätte mitnehmen können, sieht man einmal von der Tatsache ab, dass er spielte.

Der Glückliche war Lukasz Piszczek, der unter Jürgen Klopp auch rechts hinten spielt, der dann aber nach der Pause einmal offensiv durchging, seine Ablage zurück an den Elferpunkt brachte das Führungstor durch Kagawa mit sich. Der Pole wirkt gut integriert, was kein Wunder ist, denn der BVB wirkt insgesamt wie eine sehr gut ausbalancierte Mannschaft.

Und die Hertha könnte sich, zweitens, das System durchaus genauer anschauen: Denn anders als Babbel spielt Klopp nominell mit einer doppelten Sechs (Sahin und Bender), was konkret aber bedeutet, dass die Außenbahnen wichtiger und dynamischer sind, und dass generell im Offensivspiel eine große Flexibilität herrscht. Am Spiel der Hertha in Paderborn fiel ja auch auf, dass es ein richtiges Flügelspiel nicht gibt, weil der Übergang zwischen Spieleröffnung und dem "letzten Drittel" nur mäßig funktioniert.

Babbel hat in Paderborn umgestellt, dort aber aus defensiven Gründen. Ich finde, es ist höchst an der Zeit, das 4-1-4-1 zu verabschieden und - perspektivisch mit Lustenberger neben Niemeyer - ein zusammenhängenderes System zu wählen, aus dem heraus sich dann mehr ergibt.

Das zweite Tor des BVB gestern, an dem Piszczek nicht beteiligt war, war grandios aufgrund der Vielfalt an Qualitäten, die dabei zu sehen waren - ein gewonnener Kopfball im Mittelfeld, ein genial verzögerter vertikaler Pass von Kagawa in den Lauf von Götze, der schon fast am Fünfereck ist, als er querlegt (genau genommen war das, glaube ich, ein missglückter Lupfer, der eigentlich ein versuchter Torabschluss war), und dann dieser schon beinahe arrogante, dabei aber ganz und gar professionelle sanfte Ableger von Großkreutz mit dem Außenrist auf Barrios, der in der Mitte nur noch einschieben musste.

Das war ein Spielzug, wie Arsenal ihn lange Zeit patentiert hatte, heute aber nur noch selten zusammenbringt. Lukasz Piszczek hat bei der Hertha immer schon angedeutet, dass er in einer guten Mannschaft wachsen kann - jetzt ist er in der momentan besten deutschen gelandet. Ich bin gespannt, wie weit er noch kommt.

Sonntag, November 07, 2010

Accatone

Heute nachmittag hätte ich ohnehin nicht so recht gewusst, was tun: Hertha und Arsenal spielten fast zur selben Zeit, wie es sich fügte, verloren auch beide 0:1, in Paderborn beim FC die einen, im Emirates Stadium gegen den FC Newcastle die anderen. Der Durchmarsch durch Liga zwee hat damit den ersten Stolperer, hoffentlich entwickelt sich daraus nicht ein "Verreiber", wie wir in Österreich sagen, also ein kapitaler Schaden.

Arsenal spielt in England zwar halbwegs oben mit, ist aber schon die ganze Saison hindurch menschlich, allzu menschlich, das heißt: sie zeigen viele Schwächen und spielen nahezu ohne Nimbus. Heute hat Lukasz Fabianski, der fehleranfällige polnische Torhüter, der gerade ein paar fehlerlose Spiele hinter sich hatte, einen Fehler gemacht, und das war es dann auch schon.

Ich habe beide Spiele nicht gesehen, weil wir an diesem Wochenende in Paris sind; wir waren um die entsprechende Zeit im Kino Accatone und haben "Chouga" von Darezhan Omirbajew gesehen, eine kasachische Adpation von "Anna Karenina". Großartiger Film, woran auch nichts ändert, dass wir eine Beta-Projektion sahen, bei der das Rot und das Grün gelegentlich auseinanderrutschten, sodass man im entstellten Bild irgendwann die französischen Untertitel nicht mehr lesen konnte und ich den Faden verlor.

Da hatte ich aber eben schon gesehen, dass es sich um eine konsequente Fortsetzung der Arbeit dieses zentralasiatischen Meisters handelt.

Mit Hertha werde ich mich in Berlin wieder beschäftigen, wohin wir am Dienstag zurückkehren, womit sich dann auch dieses unstete Jahr in eine ruhigere Zielgerade bewegen sollte, die es mir erlaubt, endlich wieder einmal ausgiebig Fußball zu schauen. Das fehlt mir nämlich, und nur ein Film wie "Chouga" vermag das einigermaßen aufzuwiegen.