Ansonsten bekamen wir internationalen Fußball ausschließlich über die Europacupspiele mit, aber daran erinnere ich mich nicht sehr gut, damals waren die Nationalteams eindeutig wichtiger. Schweden, gegen das Österreich damals ein Entscheidungsspiel um die WM-Teilnahme 1974 spielte (im verschneiten Gelsenkirchen), hatte eindeutig auch die besseren Namen: Ralf Edström und Ronnie Hellström gefielen mir besonders. Und weil ich schon einmal dabei bin, schreibe ich hier auch die Elf auf, die damals der österreichische Teamtrainer Leopold Stastny (großartige Figur, wo ich gerade an ihn denke) aufgestellt hatte: Rettensteiner (Koncilia); Eigenstiller, Schmidradner, Horvath, Kriess; Hattenberger, Hof, Hasil; Kreuz, Krankl, Jara. (Kurt Jara, immer Nummer 11, immer das Leiberl heraushängen lassend, war damals auch ein Idol.)
Dass ich mich in England bald eher in Richtung des Liverpool FC orientierte, war wohl klassischer Kinderopportunismus, hatte aber auch mit der Magie der Namen zu tun. Ray Kennedy allein fand ich so großartig, dass ich vermutlich jede Mannschaft toll gefunden hätte, zu der er ging (dass er von Arsenal gekommen war, ignorierte ich hingegen, da fand ich damals Tottenham und West Ham auf jeden Fall noch interessanter). In all diesen Jahren bestand Fußball für uns de facto aus Nationalspielen und ein paar Europacupspielen pro Jahr, und aus der österreichischen Liga.
Den ersten Eindruck von der Premier League bekam ich in den späten 90er Jahren in Wien, wo ein burgenländischer Ex-Profi namens Othmar Baijlicz ein Rock- und Trinklokal namens Chelsea aufgemacht hatte, in dem es auch Fußball aus England zu sehen gab. Das war damals ein absolutes Novum, und mit Hilfe des Internets lässt sich rekonstruieren, dass ich am 14. März 1998 mit meinem Freund Hermann die Begegnung zwischen Tottenham Hotspur und Liverpool gesehen habe. Es wurde ein denkwürdiges 3:3, bei dem Jürgen Klinsmann ein Tor für Spurs erzielte, Steve McManaman traf zweimal für Liverpool, bei denen Jamie Carragher damals schon dabei war! An diesem Tag wurde ich ein Fan, nicht von einer Mannschaft, sondern des englischen Fußballs insgesamt. Das Match war unglaublich intensiv, schnell, spannend - es war einfach eine andere Dimension.
Clubmäßig war ich damals nicht mehr so richtig festgelegt, beziehungsweise: da war ich noch auf der Suche (1999 hielt ich sogar zu Manchester United, das hatte aber hauptsächlich mit Paul Scholes zu tun). Und weil wir danach trotzdem nur sporadisch im Chelsea vorbeischauten, fand ich eigentlich erst in Berlin so richtig zu Arsenal. Mit den ersten Besuchen im Olympiastadion bekam die Passion für Fußball eine neue Qualität, aber auch damals bekam ich wenig englischen Fußball zu sehen. Es müssen die beiden Spiele zwischen Bayern und Arsenal in der Saison 2000/2001 gewesen, als der FCB schließlich die CL gewann, die mich zum ersten Mal konkreter neugierig auf die Gunners machten. In Highbury gab es damals ein 2:2, das ich ziemlich romantisch rezipierte - geniale Kunst gegen schnöden Pragmatismus (Bayern traf zweimal aus Freistößen).
Jedenfalls begann ich damals auf Arsenal zu achten. Henry war schon da, Kanu war noch da, Vieira war ehrfurchtgebietend, dazu kamen die Erinnerungen an die WM 1998, bei der ich eigentlich vom ersten Spiel an auf Frankreich verfallen war (das 3:0 gegen Südafrika war ja das Spiel, in dem Henry "entdeckt" wurde), und nun fand ich in England eine Art Expositur der Bleus - all das spielte zusammen. Und dann traf es sich hervorragend, dass ich ausgerechnet in der Saison ein Premiere-Abo abschloss, in der Arsenal ohne Niederlage die Premier League gewann. Ich war damals völlig überwältigt von der Menge an internationalem Fußball, die man auf Premiere sehen konnte - und mit dem Schauen kommt natürlich die Leidenschaft.
Seither habe ich wenige Spiele von Arsenal versäumt, zumal es ja auch schon seit Jahren den Arsenal Player gibt. Seither hat Arsenal aber auch fast nichts mehr gewonnen (in terms of "silverware", also Teller und Pokale), und wenn heute QPR ins Emirates kommen, dann wird es wieder den ewigen englischen Kampf geben: Ein kleines Team, das alles daran setzt, eines aus den "Top Four" (in diesem Jahr ja eher "Top Six" oder "Top Three", je nach Perspektive) zu ärgern. Und Arsenal ist die Mannschaft, die sich am leichtesten ärgern lässt. Damit muss ich jetzt leben, denn dass ich ein "Gooner" bin, daran wird sich nichts mehr ändern.