Sonntag, September 25, 2005
Englische Woche
Heute war Ludger da, dem ich am Mittwoch meine Dauerkarte geborgt hatte. Das 3:2 gegen Duisburg habe ich also nicht live gesehen, und damit eine tolle Fussballnacht verpasst. Ich war stattdessen in der Volksbühne, wegen eines brasilianischen Theaterstücks Krieg im Sertao, bei dem wir ganz in der Ecke hinter der steinalten Doyenne des Teatro Oficina saßen, immer einen Blick auf die SMS von Volker, während die Schauspieler aus Sao Paolo die geologische Entstehung von Lateinamerika darstellten. Warum war das wichtiger? Brasilien interessiert mich aus vielen Gründen, des Kinos und der Politik wegen, und auch wegen Futebol natürlich. Zur zweiten Halbzeit gegen Duisburg waren wir dann schon wieder daheim, so habe ich zumindest im Fernsehen die Energieleistung und das Glück der Mannschaft gesehen, die durch Nando belohnt wurde, aber auch durch die Pirouette von Samba, der die Verteidiger bei diesem Corner in der letzten Minute durcheinander brachte. Heute war ich anfangs argwöhnisch, als der Coach mit Dardai und Kovac antreten ließ. Ich hatte aber andererseits das Gefühl, dass zum Beispiel Fathi, der gegen Duisburg ein wenig Offensivgeist entwickelt hat, davon profitieren könnte. So war es dann auch, er schoß einmal toll auf das Tor, und er zog die Aufmerksamkeit beim Corner auf sich, den Madlung dann mit dem rechten Fuß verwerten konnte. Das Konzept mit der massiveren Deckung ist heute relativ ungefährdet aufgegangen, das Team hat durchaus Initiative gezeigt, der 1:0-Sieg bei Köln war verdient. Marcelinho arbeitet sich langsam wieder in seinen Beruf hinein, und Hertha BSC hat so gespielt, wie es sich für eine englische Woche geziemt: No Nonsense.
Sonntag, September 18, 2005
Ampelkarte
Der Wahlabend begann mit einer Ampelkarte für Gilberto, und so ging er dann auch weiter. Unser Brasilianer hatte nach eineinhalb guten Spielen den Kamm schon wieder so geschwollen, daß er für einen dreißigjährigen Referee keinen Respekt hatte, und so stand nach dreißig Minuten im Spiel auf Schalke eine links empfindlich geschwächte Hertha auf dem Platz. Wayne Rooney hat es während der Woche in der Champion's League vorgemacht, die Hertha macht es zumindest so schon einmal den ganz großen Clubs nach. Gelb für Foul, Rot für Applaus, Seife für die Dusche. Gleich darauf kam die Hochrechnung, und mir fiel wieder ein, warum Angela Merkel den Sieg noch verspielt hat: wegen der Wahlempfehlung durch Peter Neururer und Winnie Schäfer. Mit diesen Experten im Prominenzteam kann es nicht einmal zu einer Schwampelkoalition reichen, geschweige denn zu einer Durchregierung. Von der zweiten Halbzeit auf Schalke habe ich nicht allzu viel gesehen, nur ein grobes Foul von Simunic, der zum Glück seiner Verwarnung keinen Applaus gespendet hat, einige gute Vorstöße und eine Heldentat von Fiedler. Es ist eine Plage mit dieser Mannschaft, die einfach kein Gefühl für Professionalität findet. Gilberto hat heute zwei Punkte auf dem Gewissen, das läßt sich nach den ersten zwanzig Minuten zumindest behaupten. Weil wir auf Schröder gewartet haben (und durch seinen Auftritt, der ihm in der ARD einen Vergleich mit einem Elefanten, der sich im Unterholz wälzt, eintrug, reichlich entschädigt wurden), sah ich auch nur noch in Ausschnitten, daß Marcelinho heute einen Teil seiner Verantwortung wieder übernommen hat. Coach Götz hatte konservativ aufgestellt, also Pantelic nominell alleine vorne. Nach zwanzig Minuten gab es dann aber einen Angriff, bei dem die Hertha mit schleichender Plötzlichkeit so massiv vorne war, daß die Beweglichkeit des Schwarms aus dem Vorjahr kurz wieder ersichtlich war. Nur Schalke läßt uns so spielen. Da wäre mehr drin gewesen. Das wird sich auch Angela Merkel denken, die um den Schluß nicht herumkommen kann, daß das Patt in Deutschland auch an ihr selbst liegen muß. Das Match auf Schalke war ein zähes Ringen um minimale Ausbeute. Insofern war es ein passendes Vorspiel für die Ergebnisse der Richtungswahl, die keine Richtung weist.
Samstag, September 17, 2005
Big in Mainz
Wie groß ist eigentlich Jürgen Klopp? Als er heute neben Trappatoni stand und neben dem blonden Romanisten von Premiere, da sah das ein wenig aus wie eine Einstellung aus einem Tim-Burton-Film. Big Fischzug gab es aber für den schwer überschätzten Signore mit den teuren Anzügen. Nach dem Führungstreffer für Stuttgart konnte man Trappatoni kurz jubeln sehen, die Freude ging aber sofort in ein hämisches Grinsen beim Blick auf die Uhr über. Mainz glich sogar noch einmal aus, mußte dann aber doch noch einen Treffer hinnehmen und steht jetzt mit sehr leeren Händen da. Klopp sagte im Interview dann einen guten Satz: "Wir wollen uns für das belohnen, was wir investieren." Das ist zwar Finanzsprache, aber romantisches Konzept. Ich liebe Mannschaften, die viel investieren, aber ich verehre Mannschaften, die klug investieren. Die Hertha hat in Nikosia zum Beispiel ganz wenig investiert, und dabei doch herausgefunden, daß Ellery Cairo vermutlich kein Leistungsträger werden wird, daß Okoronkwo an seiner Technik arbeiten muß, daß Neuendorf ein guter Mann für unwichtige Spiele ist, daß Gilberto in unwichtige Spiele weniger investiert, daß Kovac auch gegen schwache Gegner konfus nach vorne spielt, daß Malik Fathi kein Flankengott mehr wird und daß Marcelinho mehr als nur eine Formkrise hat. Aus diesem Wissen sollte man doch eine praktikable Aufstellung für das Spiel gegen Schalke am Tag der Wahl gewinnen können. Als Minimalrendite eines Betriebsausflugs in die Zonengrenze des Fußballs. Ich würde auf Schalke mit zwei Stürmern kommen, mit Pantelic und Wichniarek. Aber ich bin ja nur Coachinho, und Coach Götz wird am Ende Vorsicht walten lassen. Wenn er Pech hat, muß die Mannschaft dann umso mehr investieren.
Sonntag, September 11, 2005
Zuwanderungsgesetz
Vor dem Olympiastadion wurden heute blaue Rasseln verteilt, die schon vor dem Spiel gegen den Vfl Wolfsburg eine nervenaufreibende Geräuschkulisser erzeugten. Wenn morgen 40.000 Leute mit Tinnitus und hohem Blutdruck aufwachen, wäre ich nicht überrascht. Als Oberösterreicher kenne ich aber auch den heimlichen Sinn der Übung. In meiner Heimat sind die Rasseln aus Holz, sie heißen "Ratschen", und kommen vor Ostern, in der sogenannten Fastenzeit zum Einsatz. Kinder ziehen mit den Ratschen herum und versuchen, die Menschen in eine bußfertige Stimmung zu versetzen. Außerdem hoffen sie auf ein paar Cents. Gute Werke sind bei den Katholiken die beste Buße, und Hertha hat heute mit guten Werken das Spiel gegen die Bayern vergessen lassen. Coach Götz hatte halbmutig aufgestellt, mit Okoronkwo neben Pantelic, und Ellery Cairo auf der rechten Seite. Links waren Fathi und Gilberto wieder da. Die erste Halbzeit brachte noch nicht viel, das Spiel hätte mit ein wenig Pech auch 0:0 ausgehen können. Mit dem Glück, das aus der Arbeit kommt, fielen dann aber doch drei Tore für unsere Seite, und Pantelic konnte beim 2:0 auch gleich bestätigen, was ohnehin ersichtlich war: Er vektoriert das Spiel der Hertha, er schafft viel Probleme in der gegnerischen Verteidigung, er ist schnell, und als Nando diesen schönen Paß auf die rechte Seite spielte, den Pantelic gleich wieder nach innen, aber eben auch zum Strafraum mitnahm, konnte man für zwei, drei Sekunden weit in die Zukunft sehen - diese Mannschaft kann wachsen, dieser Angriff hat plötzlich wieder ein Gesicht. Das muß morgen auch die Story der Journalisten sein, wenn sie nicht auf der alten Melodie spielen wollen, daß Hertha heute erstmals ohne Bastürk gewonnen hat. Das Spiel gegen die Bayern, soviel muß ich der Gerechtigkeit halber noch anfügen, kam heuer zu früh. Mit einem gesunden und ausgeruhten Gilberto und der eingespielten Viererkette sah die Sache schon anders aus. Die alten Schwächen von hinten heraus sind keineswegs überwunden, und Marcelinho spielte heute wieder phasenweise sehr unglücklich. Coach Götz hat den Sieg aber verdient, weil er von Beginn an Okoronkwo brachte (neue Hertha) und nicht Neuendorf (alte Hertha). Als in der späten Phase noch Wichniarek für Pantelic kam, hatte Götz alle vier Angreifer einmal präsentiert. Sieht nicht schlecht aus. Pantelic könnte unser Klasnic werden, oder unser Berbatow. Wir werden sehen. Beim Verlassen das Stadions drückte mir dann noch ein Mädchen einen Sticker der CDU in die Hand: Darauf wurde ein Sieg über Schalke am kommenden Sonntag mit einem Sieg über Schröder assoziiert. Wir werden auch das sehen. Die Hertha hat heute jedenfalls ihr eigenes Zuwanderungsgesetz gebrochen: Nicht jeder neu verpflichtete Angreifer bekommt in Berlin sofort Ladehemmung.
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