Sonntag, Juni 29, 2008

Finale

Wenn heute Abend Deutschland das EM-Finale spielt, sind meine Sympathien klar verteilt. Ich möchte, dass Spanien gewinnt, nicht nur wegen Cesc Fabregas, sondern wegen der zwei Siege über Russland, wegen des späten Tors von Villa gegen Schweden, wegen der Kaltblütigkeit im Spiel und vor allem im Elfmeterschießen gegen Italien, und wegen einer generellen Vorliebe für fließenden Fußball, den Deutschland bei diesem Turnier ja doch nur insgesamt vielleicht 45 Minuten zustandegebracht hat (20 gegen Polen, 20 gegen Portugal und drei Angriffe gegen die Türkei). Mit dem Turnier endet auch eine seltsame Phase des Nomadisierens - selten habe ich so viele Spiele an so unterschiedlichen Orten gesehen. Im La Raclette in der Lausitzer Straße hat sich so etwas wie ein Basislager ergeben, eigentlich eine Bobo-Hütte, aber mit Stil und Fankultur. Heute aber in den Prenzlauer Berg, wo A. sich schon mehrmals mit ihren Rufen für Lukas Podolski bemerkbar gemacht hat. Sie wird heute aber auch für Fabregas schreien, den sie umso mehr liebt, seit sie weiß, dass seine Leibspeise das Piri-Piri-Hendl ist, ein Gericht ursprünglich aus Mocambique. Woher wir das wissen? Aus den Clips von Arsenal TV, mit denen ich mir die lange Sommerpause vertreibe. Venceremos, Espana!

Donnerstag, Juni 26, 2008

Training

Deutschland ist im Finale der EM - nach einem echten Turnierspiel, nach dem ich mich wieder auf den richtigen Fußball freue: eine ganze Saison, 34 oder 38 Spiele, mit den ganzen Parallelkonkurrenzen etc. Für Hertha hat die Saison heute schon begonnen, beim ersten Training war ich vor Ort. Diskret wurde ein weiterer Innenverteidiger gekauft, der Brasilianer Rodnei (22), der zuletzt bei Jagiellonia Bialystok tätig war. Er fiel mir beim Trainingsspielchen noch nicht besonders auf, abgesehen davon, dass er der größte Spieler ist, solange Josip Simunic noch nicht da ist. Ausgesprochen vielversprechend sahen die ersten Ballkontakte von Kaká aus, dem neuen Innenverteidiger, der von Académica Coimbra kam - allerdings sind bei einem Lockerungsmatch auf kleinem Platz auch andere Freiheiten vorhanden, als im Olympiastadion gegen Luca Toni. Pantelic lief gleich mit dem zweiten Coach Gämperle vorneweg, er gibt sich selbst beim Training gern staatstragend, wirkte aber schon am ersten Tag wach und genuin torhungrig. Ein Nachwuchs-Herthaner machte sich auch ein wenig bemerkbar: Bilal Cubukcu ist schon 21 Jahre alt, er gehört der Generation Ebert + Boateng I an, und könnte nun verspätet noch aus dem Schatten treten. Was soll's, das ist momentan alles noch Kaffeesud, war aber toll, die Jungs wieder spielen zu sehen.

Montag, Juni 23, 2008

Ausdauer

Russland oder Spanien, in diesem Semifinale wird mein EM-Favorit ermittelt. Fabregas hat gestern den letzten Elfmeter gegen Italien souverän verwandelt, er kam zur Hälfte der 120 Minuten für Xavi. Besonders viel konnte er auch nicht zu dem immer stärker abflachenden Match beitragen. In einem Kommentar für die "Süddeutsche Zeitung" schreibt Thomas Kistner nun heute recht unverhohlen, dass Russland in irgendeiner Form gedopt wird. Er stellt in den Raum, dass Teams, die von Guus Hiddink betreut werden, bei den letzten Turnieren immer auffällig gute Fitness an den Tag legten: Südkorea 2002, Australien 2006. Kistner wird nicht konkret, aber schon die Überschrift des Texts ("Schalter umlegen") lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. In den englischen Zeitungen, die ich wegen der Transfergerüchte jeden Tag lese, findet sich keine Andeutung eines Verdachts. Bin gespannt, ob das ein Schuss ins Blaue war, oder ob die Provokation aufgegriffen wird.

Sonntag, Juni 22, 2008

Fütterung

Die EM ist für mich auch eine Parallelaktion zu dem eigentlichen Sommertheater: das Riesenballett des Transfermarkts. Russlands Sieg über die Niederlande (3:1 nach Verlängerung) habe ich mir gestern mit großem Interesse angesehen, dabei aber bemerkt, dass ich Arshavin oder Pavlyuchenko immer schon im Geist bei Arsenal sehe - was wiederum dort den Abgang von Adebayor zur Bedingung hätte, wofür ich gar nicht bin. Was den russischen Fußball anlangt, habe ich erst heuer im Uefacup-Finale so richtig Witterung aufgenommen - was Zenit St. Petersburg damals bot, deutete schon auf die (trügerische?) Leichtigkeit hin, mit der viele russische Spieler agieren. Sie sind schnell, athletisch, technisch versiert, und anscheinend recht uneitel. Noch gehen wir wie selbstverständlich davon aus, dass die russische Liga aus "feeder clubs" besteht, dass also deren Spieler letztendlich Futter für die westlichen Ligen sind. Das könnte sich aber bald ändern, zumal es insgesamt nur noch drei Clubs in Europa zu geben scheint, die gar nicht "füttern", sondern nur "fressen" (und gelegentlich ausscheiden): FC Barcelona, Real Madrid, AC Mailand.

Freitag, Juni 20, 2008

Schubser

Manchmal bedarf es eines diskreten Fouls, um ein Match auf Kurs zu halten. Michael Ballack hat Ferreira eindeutig gestoßen, bevor er in der 61. Minute des EM-Viertelfinales gegen Portugal das 3:1 per Kopf erzielte. Ein "Schubser", das war hinterher die Sprachregelung. Der "Guardian" fand eine andere Formulierung: "hilarious filth". Ich hatte Sympathien für Portugal, muss aber anerkennen, dass Deutschland stark war. Der Führungstreffer durch Schweinsteiger, nach Podolskis Lauf über die linke Seite und der scharfen, flachen Hereingabe, war fast eine Cover-Version des Exempel-Konters der Niederländer gegen Frankreich (Van Nistelrooy legt ab, Robben läuft, van Persie sendet ein). Aus der Perspektive der Hertha ist natürlich auch das Auftreten von Arne Friedrich von Interesse, wobei mit jeder guten Leistung die Sache komplizierter wird: Er zeigt sich jetzt schon deutlich präsenter, als in einer ganzen Saison bei der Hertha. Er zeigt sich, auch für andere Clubs. Cristiano Ronaldo konnte gestern nur vor der Pause zwei, drei Mal hinter Friedrich gelangen und es direkt mit Mertesacker aufnehmen - der Anschlusstreffer war die Folge. Die gelbe Karte, die Friedrich in Halbzeit zwei kassierte, könnte ihn aber noch schmerzen: im Halbfinale muss er aufpassen, sonst schaut er sich das Endspiel von der Bank aus an.

Mittwoch, Juni 18, 2008

Sandsäcke

Mit einem 0:2 ist Frankreich gestern gegen Italien ausgeschieden, in einem Match, das von Pech und Peinlichkeiten gezeichnet war. Pech war die frühe Verletzung von Ribery. Peinlich war die Konfusion, mit der Raymond Domenech sein Amt des Nationaltrainers versah. Es ist doch immer wieder erstaunlich (und institutionentheoretisch sicher längst in allen Einzelheiten beschrieben worden), wie es kommt, dass so häufig Männer auf Posten landen, von denen sie offensichtlich überfordert sind. Domenech hatte schon bei der Zusammenstellung des Kaders seltsame Inkonsequenzen erkennen lassen, er hatte sich um Status mehr gekümmert als um Leistung (weil er selber ein Statusproblem hat), er hatte dann die ersten beiden Gruppenspiele als Experimente benötigt, um eine "erste Elf" zu finden, von der dann aber gestern immer noch keine Spur zu sehen war. Bald nach dem Ausscheiden von Ribery verschuldete der in der Innenverteidigung herumirrende Abidal einen Elfmeter an Toni, für den er auch noch die rote Karte sah (finde ich eine doppelte Sanktion, sollten die Behörden dringend neu regeln). Danach war das Spiel entschieden, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte. Domenech nahm Nasri, der gerade erst für Ribery gekommen war, wieder vom Platz, hielt stur an der Doppelsechs mit Makelele und Toulalan fest, gab das Mittelfeld preis und ließ Henry, Benzema und Govou fern der defensiven "Sandsäcke" (Paul Doyle im "Guardian") herumirren. Das 0:2 hatte eine Note des Grotesken, als Henry in der Mauer einen Freistoß von de Rossi zart antippte und unhaltbar ins Netz lenkte. Nun gilt es, Jürgen Klopp zu widerlegen, der gleich nach dem Spiel sagte: Spanien gegen Italien im Viertelfinale, und die Spanier wissen noch gar nicht, dass sie schon ausgeschieden sind.

Dienstag, Juni 17, 2008

Korkmazter

Vielleicht wird aus Ümit Korkmaz einmal ein echter Korkmazter ("Hey, corkmaster, master of the cork, he knows which wine goes with fish or pork", singen sie in "Frasier" an zentraler Stelle), ein Austro-Robben, ein Flügelflitzer mit mehr Torgefahr, als er sie gestern für Österreich gegen Deutschland verbreiten konnte. Arne Friedrich hatte einen konzentrierten, souveränen Abend auf der rechten Position in der Viererkette, an dem schwachen Spiel allgemein konnten aber weder Korkmaz (geht für vier Millionen zu Eintracht Frankfurt) noch Friedrich (wird mit dem VfB Stuttgart für einen ablösefreien Wechsel 2009 in Verbindung gebracht) viel ändern. Österreich ist vor dem Tor ungefährlich, Deutschland kam selten vor das Tor. Es bedurfte einer Torheit von Andreas Ivanschitz, der Lahm an gefährlicher Stelle foulte und Ballack einen Freistoß-Strich in die Kreuzecke erlaubte, um die Entscheidung herbeizuführen. Hinterher gab Coach Löw sich im Interview mit der ARD so selbstgewiss, dass erst recht deutlich wurde, wie sehr er in seinem Selbstverständnis immer noch erschüttert sein muss. Fußball ist planbar, braucht aber eben auch Intuition, Freiheit und Freude - die hedonistisch angehauchten Kontrollfreaks, die derzeit die deutsche Nationalmannschaft betreuen, finden in ihrem Team gerade die Inspiration nicht, für die in ihrem eigenen Rationalisierungsprogramm von vornherein wenig Platz war. Philipp Lahm allein entzieht sich gelegentlich der Kontrolle, sein Lauf war Österreich zu schräg. Das reichte.

Sonntag, Juni 15, 2008

Hoffenheim

Die U17 von Hertha BSC hat heute bei TSG 1899 Hoffenheim mit 3:1 gewonnen, nach dem 1:6 im Hinspiel hat das zwar nicht mehr für den Einzug ins Finale um die Meisterschaft gereicht, als Signal kann man das aber immerhin werten. Die Ehre ist wieder hergestellt. Im Hertha-Forum war nach dem Heimspiel einiger Ärger über die Nachwuchsarbeit von Hoffenheim zu lesen, weil dort schon junge Spieler von weither zusammengekauft würden (also aus dem südwestlichen Raum, von Frankfurt bis Kaiserslautern), während die Hertha sich auf Brandenburg und Meckpomm beschränke. Das kann ich im Detail nicht einschätzen, im kommenden Jahr wird es aber von Interesse sein, diesem Jahrgang genauer zuzusehen. In England ist das alles ein wenig anders, dort hat Arsenal gerade fünf Millionen Pfund für den 17jähigen Waliser Aaron Ramsey von Cardiff City gezahlt. MeanU und Everton hatten auch mitgeboten, Arsenal flog den Teenager per Privatjet zu Arsène Wenger nach Basel, ein langes, persönliches Gespräch soll den Ausschlag gegeben haben. Hoffenheim hatte kein Angebot abgegeben. Kirche bleibt im Dorf.

Samstag, Juni 14, 2008

Sagnull

Sieht ganz so aus, als würde Arne Friedrich am Montag im "Endspiel" der Deutschen gegen Österreich wieder in die Mannschaft rutschen. Grund dafür ist meiner Ansicht nach auch, dass Nationalcoach Löw das Spiel gegen Kroatien falsch "gelesen" hat. Die Einwechslung von Odonkor war ein Witz. Löw hätte Klose zur Pause aus dem Spiel nehmen sollen, Podolski nach vorn ziehen und Hitzlsperger vor Jansen für die Stabilität plus zusätzliche offensive Spielräume für Ballack. Dann hätte sich das Gefüge gefestigt, bin ich mir ganz sicher, und es hätte nicht des Radikalumbaus bedurft, den Deutschland jetzt vor sich hat. So sehe ich das als einer von Millionen Nationaltrainern. Noch lieber würde ich mich bei Frankreich einmischen, dort steht ein konfuser Trainer einer Gerontokratie gegenüber: Sagnol haben wir schon auf "Sagnull" umgetauft, so unbedarft ist seine Leistung, zudem grenzt der Starrsinn, mit der Domenech an zwei defensiven Sechsern festhält (vor allem dem schwer erträglichen Makelele), an Blindheit vor dem Feind. Die Niederlande spielen die tödlichsten Konter dieses Turniers, Robben und van Persie haben gestern gezeigt, wie man laufen muss, wenn Sagnol und Makelele die Gegner sind. Frankreich kann es immer noch ins Viertelfinale schaffen, und Domenech kann die Mannschaft noch umbauen - immerhin hat er Abidal ("Abidull") schon durch Evra ersetzt, was sich als sinnvoll erwies. Seine weiteren Einwechslungen (Anelka für Govou, Gormis für Malouda) erwiesen sich aber als nutzlos. Italien habe ich gestern nicht gesehen, da gab es gleichzeitig eine Vorführung des neuen "Hulk"-Films, der mir gut gefiel. Spanien ist heute natürlich Pflicht, dann sind die 18-Uhr-Spiele auch schon absolviert, und die EM wird zu einer Feierabendveranstaltung.

Mittwoch, Juni 11, 2008

Streichsbier

In Kreuzberg 36 haben wir heute einen richtigen Autokorso, die türkischen Mitbürger freuen sich, weil die armen Schweizer in der letzten Minute den K.O. hinnehmen mussten. Das Spiel habe ich im La Raclette gesehen, wir haben den Geburtstag eines Freundes gefeiert, aus Basel habe ich vor allem mitbekommen, dass es arg geregnet hat. Davor war ich aber noch im Amateurstadion, um der U17 von Hertha beim Hinspiel im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft der entsprechenden Jugendklasse zuzusehen. Gegner war der TSG 1899 Hoffenheim, von dem es heißt, dass dort eine exzellente Jugendarbeit gemacht wird. Kann ich nun aus eigener Anschauung nur bestätigen. Die jungen Stars der Hertha gingen mit 1:6 vollkommen chancenlos unter. Das Spiel wird für die Verantwortlichen schwierig zu analysieren sein, denn wie beschreibt man eine Unterlegenheit, deren Ursachen so sehr in den Details (Ballsicherheit, Körperbeherrschung, Zweikampfstärke, Kompaktheit) liegt? Bei Hoffenheim haben sie mit Bernhard Peters einen der Klinsmann-Experten unter Vertrag, er koordiniert die Jugendarbeit, offensichtlich mit gutem Erfolg. Ein gewisser Pascal Groß, Jahrgang 1991, schoss heute vier Tore, überzeugte aber vor allem als die wesentlich effektivere Version des designierten Hertha-Starlets Lennart Hartmann. Der spielte heute im Zentrum eines 4-2-3-1-Systems, das vor allem an den Flügeln krankte: Pogrygala und Ujazdowski waren defensiv schwach und offensiv isoliert, die langen Verlegenheitsbälle auf Abu Bakarr Kargbo kamen nicht an. Vermutlich war die Mannschaft zu optimistisch, denn die Mittelfeldachse stand viel zu weit vorn und war von den sechs Defensiven ziemlich abgeschnitten - in diesem Raum operierte Hoffenheim nach Belieben, zur Pause stand es schon 0:3, das drehen Spieler mit 17 Jahren nicht mehr. Die Hertha hat eine gute Nachwuchsarbeit, offensichtlich hat man anderswo aber sogar eine ausgezeichnete Nachwuchsarbeit. Hoffentlich "lesen" die Zuständigen diese Niederlage auch richtig. Der Trainer der U17 von Hoffenheim heißt übrigens Guido Streichsbier, er wird mit der Mannschaft in die U19 wechseln.

Orkanje

Christian Eichler hat heute in der FAZ das Spiel der Niederlande als "neorealistisch" bezeichnet - er verwendet diesen Begriff im landläufigen und nicht im filmhistorischen Sinn, wobei der landläufige Sinn sich aus der Abgrenzung von einer "unrealistischen" (romantischen, unproduktiven) Spielweise ergibt, die aufzugeben zu einer Kulturleistung wird. Neorealismus also eher im Sinne von Freuds Realitätsprinzip: einsehen, was Sache ist; nicht mehr neurotisch verlieren, sondern pragmatisch gewinnen; Doppelsechs statt Gruppensex. Die EM ruft natürlich auch die Neologisten auf den Plan. Der Schweizer "Blick" hat einen ersten Volltreffer gelandet: "Orkanje". Was sich sonst noch so tut: Die "Sun" bringt Thorsten Frings mit Arsenal in Verbindung, Hleb ist von den Gerüchten um seine Zukunft schon ein wenig genervt, Fabregas will David Villa zu Arsenal locken, und Cristiano Ronaldo wurde mit Mitarbeitern von Real Madrid fotografiert. Die Berliner Tabloids haben über den Berliner Nationalspieler nicht viel zu berichten, deswegen arbeiten sie auch sprachschöpferisch und loben "Arne Friedlich" dafür, dass er kein Flugzeug entführen lässt, um einen Stammplatz für sich zu erpressen.

Dienstag, Juni 10, 2008

Zunullrunde

Die erste Runde der EM ist gespielt, die meisten Matches habe ich gesehen, wenngleich unter sehr unterschiedlichen Umständen (das 3:0 der Niederlande über Italien gestern im La Raclette in Kreuzberg, am Samstag bei Simon im Wohnzimmer, am Sonntag beim Italiener an der Hasenheide und heute nur das erste Match im Hinterzimmer der Roten Harfe). Russland hat gegen Spanien war 1:4 verloren, aber immerhin ein Gegentor geschossen - in allen übrigen Fällen hat sich die siegreiche Mannschaft zu null durchgesetzt, nur Frankreich blieb gegen Rumänien selbst torlos. Man wird nun Deutschland, Niederlande, Spanien und Portugal favorisieren - ich hänge, schon wegen Cesc Fabregas, an den Spaniern. Russland hat es Spanien heute leicht gemacht, die Mannschaft von Guus Hiddink spielte mit der gleichen Anlage (ballsicheres, flinkes Kombinieren), minus echten Zug zum Tor. Es war ein elegantes, passreiches und zweikampfarmes Spiel, recht unüblich und gerade deswegen toll anzusehen. Iniestas Pass auf David Villa zum 2:0 ist das Paradebeispiel für wunderbare Intuition, gebaut auf einen ganz konkreten Laufweg. In der Schönheit des spanischen Spiels liegt die Gefahr der Brotlosigkeit gegen eine robuste Mannschaft schon offen da - aber es scheint bei dieser EM keine Betonbrigaden zu geben. Auch wenn David Villa heute drei Tore geschossen hat, war es doch Torres, von dem im besten Sinne eine Gefahr ausging, die auf das ganze Turnier ausstrahlen könnte. Torres gegen Metzelder? Möchte man dem designierten deutschen Bundespräsidenten des Jahres 2034 nicht wünschen.

Montag, Juni 09, 2008

Klingeltöne

Die Trattoria Masaniello an der Hasenheide in Neukölln ist stolz darauf, schon einmal Fabio Capello zu Gast gehabt zu haben. Gestern waren es ein Häuflein deutscher Patrioten und zwei versprengte Österreicher, die den angenehmen Garten bevölkerten, als Österreich gegen Kroatien ein frühes Gegentor nicht mehr auszugleichen vermochte und Deutschland später gegen Polen einen schwungvollen Start hinlegte, dann ein wenig einbrach, schließlich aber durch eine Defensivblödheit von Golanski noch zum 2:0 kam, beide Male durch Podolski. Völliges Unverständnis fand ich mit meiner Zustimmung zu der Einwechslung von Lukas Piszczek - "un ragazzo Berlino"! Er hätte aber, wie ich die Stimmung im Land einschätze, gar nicht mehr zur Hertha zurückzukommen gebraucht, wenn er gestern getroffen hätte - gegen Deutschland. Ohnehin erwies er sich als eher ungefährlich. Auf dem Heimweg, es war ein perfekter Abend in Berlin, ließen sich noch zwei Gören auf dem Hermannplatz mit "Deutschland!" und "Polen raus!" vernehmen, auf der Skalitzer Straße begegnete mir ein Fahrradkorso - Klingeln statt Hupen. Die EM hat begonnen, heute greifen erste Favoriten von mir ein: La France und die Niederlande.

Sonntag, Juni 08, 2008

Schlagerspiel

Vor dem Auftakt zur EM habe ich gestern noch einen Ausflug ins Amateurstadion gemacht. Die U17 der Hertha spielte gegen den Vfl Osnabrück, letztes Spiel der Saison, bei einem hohen Sieg konnten die Jungs noch in die Playoffs um die deutsche Meisterschaft einziehen. Spiele dieser Art sind auch immer eine interessante kulturelle Erfahrung. Mir war zum Beispiel nicht bekannt, dass sich um die deutsche Nationalmannschaft inzwischen soviel Liedgut im Schlagerstil angesammelt hat. Der bekannte Schmachtfetzen (österreichisch: "L'amour-Hatscher") "Es gibt Millionen von Sternen (...) aber dich gibt's nur einmal für mich" wurde doch tatsächlich umgedichtet zu "Es gibt Millionen Vereine, aber dich gibt's nur einmal für mich: Deutschland". Solche Dinge wüsste ich nicht, wenn ich nicht Scout ohne Auftrag wäre und mich so zu Spielen der Jugend einfinden würde. Gestern wollte ich Lennart Hartmann sehen, einen der Nachwuchsspieler, die Coach Favre zu den Profis befördert hat. Er spielte auch eine wesentliche Rolle beim 5:1-Sieg, der letztlich dafür sorgte, dass die U17 am kommenden Mittwoch um 18 Uhr wieder im Amateurstadion gegen die Jungs des TSG Hoffenheim spielen kann. Da treffen dann also zwei Vereine aufeinander, die sich auf ihre Ausbildungsarbeit etwas zu Gute halten. Die Mannschaft von Thomas Krücken erscheint mir tatsächlich sehr gut ausgebildet. Sie spielt ein 4-3-3 mit einem jungen, kräftigen Mittelstürmer Abu Bakarr Kargbo, den ich auf dieser Seite schon einmal mit Emile Heskey verglichen habe. Seine Familie stammt aus Sierra Leone. Hinter ihm führte Lennart Hartmann Regie, ein ziemlich klassischer Zehner, überall auf dem Feld aktiv, unprätentiös, guter Laufstil, ein Tor aus einem Weitschuss ist mir entgangen, weil ich zu spät kam. Am Mittwoch werde ich voraussichtlich meiner generellen Präferenz für den Clubfußball willfahren und mir Hertha BSC U17 ansehen, während gleichzeitig Tschechien gegen Portugal spielt. Think globally, watch locally.

Donnerstag, Juni 05, 2008

Große Schritte

Ich kann mich irren, aber mir kommt vor, dass das internationale sogenannte Transferkarrussell noch nie so wild geeiert hat wie in diesem Frühsommer. Verträge, auch langfristige, scheinen ohne Bedeutung zu sein. Cristiano Ronaldo wird von Barca und Real Madrid umworben, desgleichen Hleb. Chelsea sucht einen Trainer, und fragt sich frustriert durch die Serie A. Arsenal möchte mit Samir Nasri endlich abschließen, wird aber hingehalten. Valencia möchte David Villa auf den Markt werfen, die halbe Premier League bietet mit. Manchester City wirft Sven-Göran Eriksson hinaus, holt Mark Hughes von den Blackburn Rovers und bietet sich als Seniorenresidenz für Ronaldinho an. Mourinho wird Trainer bei Inter, und soll an Essien, Drogba und Carvalho interessiert sein. Manager Hoeneß wird von einem tunesischen Präsidenten hingehalten, der seinen Stürmer Chermiti nicht herausrücken will. Eine Menge von diesen Informationen sind sicher Beschäftigungstherapie für Journalisten, und für Fans, die so das Sommerloch besser überstehen. Hier die Fälle, die mich interessieren: Bleibt Kevin-Prince Boateng bei Tottenham? Kauft Hertha hoffentlich noch eine starke Kraft für die rechte Seite? Wird Hleb der neue Deco, oder holen sie ihn als Ergänzungsspieler für den häufig verletzten Messi? Was wird aus Christopher Schorch? Und ist an der Sache mit Blerim Dzemaili was dran? Er soll der neue Mineiro werden. Wo geht Mineiro hin? Wird Ümit Korkmaz von Rapid Wien sich bei Eintracht Frankfurt durchsetzen?

Dienstag, Juni 03, 2008

Kleine Schritte

Valdano weist zu Recht auf das Interview mit Coach Favre im "Kicker" hin. Es ist ein gutes Beispiel diplomatischer Arbeit, denn einerseits stellt er sich schon einmal in die Verantwortung, die er im nächsten Jahr viel stärker zu spüren bekommen wird, andererseits spielt er den Ball vorsorglich in die Hälfte von Manager Hoeneß. Favre sagt: "Ich bin keiner, der davonläuft", er weiß aber, dass er bei Ausbleiben einer sichtbar verbesserten Spielkultur und der daraus resultierenden Siege irgendwann "davongelaufen" wird. Was danach mit der Hertha geschehen würde, ist schwer auszumachen - nachdem die Hertha über Jahre hinweg recht erratisch alle möglichen Wege nach oben ausprobiert hat, ist dies derjenige, der über Innovation und sportliche Kompetenz führen soll. Wenn das nix wird, dann kann man schon einmal mit Friedhelm Funkel sprechen, denn dann ist die Hertha kein Fall mehr für Ambitionen, sondern für sportliche Konsolidierungsexperten. Noch will ich mir aber den Sommer nicht durch Pessimismus verderben lassen.