Man konnte das sehr gut an den Blicken von Bär-Michel Lasogga sehen, der jederzeit bereit ist, vorne einen ballführenden Gegner anzulaufen - er ist aber klug genug, zu wissen, dass das mehr Sinn macht, wenn seine Nebenleute entsprechend die Räume eng machen. Dies aber unterblieb in der Regel, sodass Hertha kein nennenswertes Pressing spielte - die Raumverengung wenigstens im eigenen Drittel, eine der Qualitäten der frühen Saisonspiele, ging ja schon unter Babbel verloren.
Das Fehlen von Raffael, der defensiv ja beträchtlich an Reife gewonnen hat, macht sich leider doch viel stärker bemerkbar, als es den Verantwortlichen lieb sein kann. Gegen Hamburg spielte nominell Torun auf seiner Positon, de facto rochierte die Mannschaft aber ständig zwischen einem 4-2-3-1 und einem 4-2-2, mal war Ebert in der Mitte, mal Ramos neben Lasogga vorn - und mit diesem sinnlosen ständigen Hin und Her waren die Vorderleute so bschäftigt, dass sich nie so etwas wie Zusammenspiel mit den Außendeckern entwickeln konnte.
Dieses wäre vor allem auch defensiv wichtig gewesen, denn Diekmeier und Aogo spielten relativ stark, und Kobiashvili war zwischen Ramos und Mijatovic (nach früher Verletzung von Janker) nicht gerade souverän. Beide Hamburger Tore fielen über seine Seite, wobei dem zweiten schon eine Flanke von der anderen Seite vorausging - auch Lell und Ebert arbeiteten weder defensiv noch offensiv gut zusammen.
Ich würde also mit einer einfachen Maßnahme beginnen: Die Rochaden sind sinnlos, die Spieler sollen lieber einmal daran arbeiten, 90 Minuten spezifische Aufgaben zu lösen. Das heißt nicht, dass ich das Spiel in ein Korsett legen würde, aber das ständige Positionstauschen beansprucht die Spieler ja an sich.
Als Detail könnte man noch ergänzen, dass die gelegentlichen Ausflüge von Lasogga auf den Flügel andeuteten, dass ingesamt mittelfristig ein 4-4-2 die interessantere Variante werden könnte. Lustenberger und Raffael als Doppelsechsachtzehn, außen Ebert und Schulz, vorne Lasogga und Ramos. Das würde bedeuten, Ottl und Niemeyer zugleich aus dem Spiel zu nehmen - ich finde, es spricht viel dafür.
Bei Ottl ist die Sache für mich eindeutig: Er hatte seine Möglichkeiten, er kann der Mannschaft so nicht helfen, seine Kompetenz ist ein ähnlicher Mythos wie seinerzeit der bei Niko Kovac, der bei Hertha auch quälend lange eine wichtige Position unzeitgemäß bespielt hat. Das wiederholt sich jetzt. Man müsste sich nur einmal ansehen, bei wievielen Gegentoren Ottl eigentlich nahe dran ist, ohne Anstalten, einzugreifen (gegen HSV: Gegentor eins), um zu bemerken, dass seine Laufleistung in großen Teilen Alibi ist. Und wer ein ganz konkretes Beispiel braucht, sehe sich den Rückwärtssprint in der 61. Minute an (ich musste das Spiel im Clubkanal nachholen, weil ich am Samstag unabkömmlich war) - das ist Altherrenfußball mit 26!
Ein zweiter Aspekt, der trainiert werden sollte, ist das Umschalten bei Ballgewinn durch Kraft. Das "Ausschwärmen" konnte Hertha auch schon einmal viel besser (einen Gruß an Chinedu Ede, der den für mich immer noch allerbesten HBSC-Konter einleitete, den Gilberto abschloss - das war am 17. November 2006 auswärts gegen den BVB).
Eine Woche hat Skibbe jetzt Zeit, um für das Heimspiel gegen Hannover eine kompaktere Elf zu finden. Wegen der Ausfälle von Janker (Jochbeinbruch), Mijatovic und Lell (fünfte gelbe Karte) wird die Defensive notgedrungen experimentell werden - umso mehr ist es notwendig, an der Gesamtorganisation zu arbeiten. Hertha steht zwei Punkte vor dem Relegationsplatz, aber nur drei Punkte hinter Platz acht. Der Kader gibt mehr her, als die Mannschaft derzeit spielt - davon bin ich uneingeschränkt überzeugt. Es liegt also am Trainer, daraus etwas zu machen.