Dienstag, Dezember 30, 2008

Zahnfleisch

Selbst "Spex", das Magazin für Popukultur, kommt in seinem Jahresrückblick um Fußball nicht herum. Was Klaus Theweleit dabei allerdings als Generaldiagnose ausgibt, ist eine seltsam unverhohlen patriotische Entschuldigung für den Misserfolg der deutschen Mannschaft bei der Europameisterschaft.

Klar, Fitness hat eine Rolle gespielt, das war auch bei anderen Mannschaften deutlich zu sehen. Aber die anstrengenden Spielkalender sind für die führenden Nationalteams weitgehend gleich, weil sie ihre Spieler bei Clubs ähnlichen Beschäftigungsniveaus ausleihen. Der moderne Fußball, den Deutschland nach Meinung von Klaus Theweleit beim "spektakulären 3:2 gegen Portugal" gezeigt hat, war meiner Erinnerung nach schon in diesem Spiel ein Teilzeitphänomen.

Portugal wurde keineswegs über 90 Minuten "nach allen Regeln der Kunst neutralisiert", im Gegenteil stand es nach zwei Dritteln weitgehend Spitz auf Knopf, und wenn Ballacks "Schubser" vor dem 3:1 als die Unsportlichkeit und Regelwidrigkeit geahndet worden wäre, um die es sich handelte, dann wäre durchaus auch möglich gewesen, dass Deutschland noch in diesem Match in Schwierigkeiten gekommen wäre.

Das Finale ging dann auch nicht nur wegen Entkräftung verloren, sondern weil Spanien dank deutlich besserer Technik und Taktik ein bisschen weniger auf Kraft angewiesen war. Ich stimme zu, ein Spieler muss heute in einer Saison mit 50 bis 60 Pflichtspielen ständig an die Grenzen gehen - "auf dem Zahnfleisch" habe ich Torres, Xavi, Iniesta & Co. aber selbst im Finale nicht gesehen.

Sonntag, Dezember 28, 2008

Kaugummi

Im "Ballesterer", einem lesenswerten österreichischen Fußballmagazin, bin ich - man hat viel Zeit im Heimaturlaub! - gerade auf eine an sich vernachlässigbare Anekdote über Ralf Rangnick gestoßen, die aber doch sehr schön zeigt, wohin der Trainer von Hoffenheim seine Überlegenheitsgefühle, die er sich ja nur mühsam verkneifen kann, so tut.

Er lässt sie das Volk spüren, indem er nach der Partie Deutschland gegen England vor wenigen Wochen im Berliner Olympiastadion "an einem Fan (»Sammle Eintrittskarten«) vorbeiläuft, seine Bitte nach dem Ticket schmunzelnd ignoriert, das Ticket um seinen Kaugummi wickelt und es dem Sammler vor die Füße schmeißt. Nicht gerade die feine englische Art, aber bezeichnend für einen Angestellten eines New-Economy-Milliardärs."

Anstößig daran ist das Detail mit dem Kaugummi, das unvermuteten Zynismus erkennen lässt - du möchtest etwas, was ich nicht mehr brauche, hier hast du es, aber in einem Zustand, in dem du nichts damit anfangen kannst. Von bedeutenderen Persönlichkeiten als Rangnick wäre allerdings wahrscheinlich selbst ein benutzter Kaugummi von Interesse.

Die Kolumne im "Ballesterer", in der diese Beobachtung samt der sicherlich anfechtbaren Interpretation erschien, heißt "Groundhopping". Ich habe in diesem Jahr damit begonnen, auch über die Plätze zu hüpfen. Ich war in Wolfsburg, in Rostock, in München, in Bremen und im Sommer im Wiener Gerhard-Hanappi-Stadion - die Eintrittskarten habe ich alle aufgehoben. Warum? Keine Ahnung.

Samstag, Dezember 27, 2008

Villa Park

Verdient dieser Mann noch das uneingeschränkte Vertrauen der Fans und Fußballromantiker in aller Welt? Arsène Wenger hat auch nach dem 2:2 seines FC Arsenal bei Aston Villa am Boxing Day wieder beim Schiedsrichter nach Gründen für die zwei verlorenen Punkte gesucht. In der 91. Minute mussten die Gunners den Ausgleich durch Zat Knight hinnehmen, nachdem sie kurz nach der Pause schon mit zwei Toren geführt hatten.

Das Remis drückt aber nur unzureichend aus, wie unglaublich unterlegen Arsenal gestern war, auswärts gegen den direkten Konkurrenten um einen Platz in den Top 4 der Premier League. Es war ein außergewöhnliches Match, wie es in England aber ganz normal ist. Aston Villa ist unter Martin O'Neill zu einer echten Macht geworden, junge Spieler wie Ashley Young oder Gabriel Agbonlahor sind "role models" für professionelle Einstellung, Technik und die von Wenger so oft beschworene "Sehnsucht" ("desire"). Vor allem ein junger Mann bei Arsenal bewies dies gestern auch auf deren Seite: Denilson erkämpfte sich kurz vor der Pause in interessanter Position den Ball und machte gleich selbst das Tor. In der zweiten Halbzeit schloss Abou Diaby einen von ihm selbst mit sehenswerter technischer Einzelleistung initiierten Konter zum 2:0 ab.

Aber wieder einmal konnte Arsenal eine Führung nicht über die Zeit bringen. Gallas verursachte einen Elfmeter, den Gareth Barry (im vergangenen Sommer Wunschspieler sowohl von Liverpool wie Arsenal) verwandelte, und in der Nachspielzeit fiel doch noch der Ausgleich. Eine weitere bittere Stunde in einer für Arsenal vermaledeiten Saison. Immerhin war gestern auch zu erkennen, wo die Lösung liegen könnte. Mit Nasri und Eboué kam ein Ansatz von Flügelspiel zurück, Denilson und Abou Diaby sowie Sagna und der 18jährige Ramsey steigerten sich mit der Aufgabe, während der von einer Malaria noch bebeutelte Touré nicht hätte spielen dürfen, so schwer tat er sich. Arsenal sind heuer keine Macht mehr, und Wenger macht die Sache nicht besser, wenn er die Ursache ständig in Äußerlichkeiten sucht.

In England mehren sich Stimmen wie die des sehr kompetenten Kevin McCarra, die seine Ära zu Ende gehen sehen. Arsenal hat seit 2004 nichts mehr von Belang gewonnen, der Neuaufbau, der im Vorjahr so vielversprechend verlaufen war, blieb zum Saisonende hin auch wegen gravierender Coaching-Fehler ein enttäuschtes Versprechen. Morgen spielt Arsenal daheim gegen Portsmouth, numerisch ist das der Beginn der Rückrunde. Das neue Jahr kann nur besser werden.

Donnerstag, Dezember 25, 2008

Labbadia

Die "taz" hat ihre Weihnachtsausgabe dem Thema Zukunft gewidmet, darin findet sich auch ein Interview von Daniel Theweleit mit Bruno Labbadia. Der Trainer von Bayer 04 Leverkusen schafft es in diesem Gespräch, weitgehend den Tonfall eines typischen deutschen Fußballübungsleiters beizubehalten, und doch eine sehr nuancierte Überlegung zu Eigenständigkeit und Durchsetzungkraft versus Gruppenintegration und Kollektivarbeit vorzubringen. Er spricht die ganze Zeit vom Fußball und von der Gesellschaft, und äußert dabei sehr vernünftige Sachen zur Pädagogik.
In unserem Haushalt, in dem all things food eine große Rolle spielen, wurde vor allem ein Detail sehr positiv aufgenommen: "In Leverkusen sitzen wir beim Abendessen jetzt länger zusammen als die üblichen 15 oder 20 Minuten, das gehört für mich zur Persönlichkeitsentwicklung. Ich möchte den jungen Spielern beibringen, dass Essen ein Genuss und nicht nur schnelle Nahrungsaufnahme ist." Genuss und Eigenverantwortung hängen zusammen, das passt gut zum Fressfest Weihnachten. Der deutsche Italiener Bruno Labbadia zeigt in diesem Gespräch, warum seine Mannschaft als Modell gilt, vergleichbar mit Hoffenheim. Die Hertha hat sich in diesem Herbst ebenfalls als Modell erwiesen, unter den Bedingungen knapper Ressourcen läuft es auch hier auf eine funktionierende Balance zwischen Individuen und Team hinaus. In Labbadias Worten: "Es hilt einer Gemeinschaft immer, wenn eine gewisse Nähe zwischen den Besten und den Schwächeren gewahrt wird."

Mittwoch, Dezember 24, 2008

Talisman

Vermischte Nachrichten zu Weihnachten. In Kreuzberg regnet es. Wir sind in Berlin geblieben, das halten wir traditionell so, auch wenn inzwischen die prinzipielle Unmöglichkeit eines Winters ein wenig an mir zehrt. Der Schnee fehlt mir. Andererseits wusste ich als kleiner Junge noch nichts vom Boxing Day Football in England. Am Freitag muss Arsenal zu Aston Villa. Mit dem Wissen, dass Fabregas - der "Talisman" des Teams, wie die englischen Zeitungen gern schreiben - für den größten Rest der Saison wegen einer Knieverletzung, die er sich gegen Liverpool am Sonntag zugezogen hat, ausfallen wird. Denen bleibt wirklich nichts erspart.
Von der TSG 1899 Hoffenheim erfahren wir, dass ein großer Teil der Mannschaft im Pulk über die Feiertage nach New York reisen wird, die "einzige Hauptstadt Europas", wie Michael Krüger in der aktuellen "Zeit" sagt. Ein Mannschaftsabend on Broadway, davon kann man in einer langen Rückrunde zehren.
Die Hertha kann sich über die neue Kicker-Rangliste der Innenverteidiger freuen. Josip Simunic rangiert dort an erster Stelle und neben dem Kölner Geromel (ein ehemaliger Wunschspieler von Coach Favre!) in der internationalen Klasse. Das ist verdient, wenn auch insofern ein wenig glücklich, als die Referees den neuen Simunic auch schon bemerkt haben und ihm deswegen in kritischen Momenten etwas nachsehen, wofür sie ihn früher vom Platz gestellt hätten. Simunic stand in dieser Hinrunde einmal vor einer gelb-roten und einmal vor einer möglichen roten Karte, beide blieben ihm erspart, und so führt nicht nur die Hertha schon wieder die Fairplay-Wertung an, sondern Simunic wird endlich dem herausragenden Talent, das er immer schon hatte, gerecht. Er war mein Talisman im Jahr 2008, seit ich ihn gleich zu Beginn in einem engen Flugzeug traf und seiner Freundin meinen Platz überließ. Die anspornenden Worte, die ich damals nur im Geist äußerte, haben gewirkt. Vor allem aber die Arbeit von Coach Favre. Frohes Fest.

Montag, Dezember 22, 2008

Gladiator

Das Spitzenspiel der Premier League zwischen Arsenal und Liverpool gestern Abend bekam von den Kommentatoren ein selten gebrauchtes Adjektiv verpasst: "gladiatoral" zeigten sich die Spieler der beiden englischen Topteams. Es war ein intensives, nicht hochklassiges Spiel, das schon zur Pause den späteren Endstand von 1:1 zu Buche stehen hatte, danach aber noch jede Menge Gesprächsstoff bot.
Wie schon in den meisten Matches davor musste das Mittelfeld als der Mannschaftsteil erscheinen, in dem Arsenal die entscheidenden Nachteile hatte: Denilson und Song (neben Fabregas und Nasri) gegen die Wucht und Arbeitswut von Gerrard, Xabi Alonso, Mascherano, Kuyt und Riera - das konnte nur mit viel Glück gutgehen. Dann fehlte zu Beginn aber schon einmal Mascherano, an seiner Stelle spielte Lucas Leiva, der sich mit zahllosen taktischen Fouls einführte. Liverpool tat nur das Nötigste, Arsenal suchte langsam einen Weg in das Spiel. Der Führungstreffer zählte zum Spektakulärsten, was ich im Fußball jemals gesehen habe. Nasri schlug einen 60-Meter-Ball auf van Persie, der es schaffte, den Ball neben Carragher nicht nur anzunehmen, sondern ihn sich mit einer Körperdrehung so herzurichten, dass er so weit nach rechts driftete, dass der Verteidiger selbst mit einer akrobatischen Grätsche nicht mehr hinkam. Van Persie aber brachte trotz extremer Außendrift eine irre Wumme hinter den Ball.
Der Ausgleich kurz vor der Pause war eine Variation dieses Themas, weniger virtuos, dafür ein Schulbeispiel für Torhunger. Xabi Alonso schlug von der eigenen Cornerfahne einen spekulativen langen Ball in einen Lauf, den Robbie Keane am schnellsten als seinen erkannte, schneller jedenfalls als Johan Djourou, der einen Sekundenbruchteil nachdachte, ob Abseits eine Option wäre. Es war gleiche Höhe, der junge Schweizer holte Keane nicht mehr ein, der eine in Österreich sogenannte Granate an Almunia vorbei beförderte. Es war eines jener Tore, für die ich Keane immer geliebt habe, der schon bei Tottenham durch großartige Explosivität auffiel. Und es war eines jener Tore, die Rafael Benitez, der gestern krank war und als Tele-Coach mit dem Mobiltelefon arbeitete, latent geringschätzt - sonst würde er Keane nicht so schnöde behandeln.
Kurz vor der Pause verletzte sich Fabregas schwer am Knie (die Diagnose steht noch aus und macht jetzt schon Bange). Sein Ersatz Abou Diaby wird wohl nie der große Spieler werden, den ich in ihm so lange unbeirrt sehen wollte. So ging dieser Schlager auf dem Stand der ersten Halbzeit auch zu Ende, nachdem Adebayor eine kontroverse rote Karte bekommen hatte und Liverpool daraufhin drei schwache Offensivkräfte einwechselte. Ob Arsenal in dieser Saison (und auch danach) jemals noch zu alter Form zurückfindet, ist mehr denn ungewiss. Liverpool hat heuer gute Chancen auf die Meisterschaft, Zuneigung vermag ich für dieses Team und vor allem seinen Trainer und dessen Manöver allerdings nicht zu entwickeln. Am "Boxing Day" kommenden Freitag geht es weiter. Arsenal wird dann immer noch die Wunden von gestern lecken. Keine guten Voraussetzungen bei einem Auswärtsspiel gegen Aston Villa.

Sonntag, Dezember 21, 2008

Kapitän

Arne Friedrich hat seinen Vertrag bei Hertha BSC verlängert. Der Kapitän bleibt also an Bord, er lässt es nicht auf einen schwierigen Frühling ankommen, auf einen Poker, der nur ihm, nicht aber dem Projekt hätte dienen können. Das verdient Respekt, zumal er immer wieder betont, dass es ihm in Berlin gefällt, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Und er hat sogar seine Forderungen zurückgeschraubt, was nicht heißt, dass er nicht fürstlich dotiert sein wird in den kommenden Jahren.
Um die Sache ein wenig in den Kontext zu rücken, lohnt ein Rückblick auf den Transferjahrgang 2002, als Friedrich kam. Außerdem wurden damals eingekauft: Luizao, Nené, Karwan, Oliver Schröder, Mladenov, Konstantinidis, Benjamin Köhler und Nando Rafael. Man sieht da sehr gut, wie gering die Trefferquote bei Spielerkäufen im Grunde ist: von neun Leuten hat nur einer das internationale Niveau erreicht, und wenn man zudem noch den Vergleich mit den deutschen Talenten einbezieht, die in jenen Jahren nach Berlin geholt wurden (Sebastian Deisler, Denis Lapaczinski), dann sieht die Sache auch nicht besser aus.
Arne Friedrich hat eine ordentliche Karriere, er ist noch jung genug, um mit der Hertha etwas zu erreichen. Ich erinnere mich aber auch noch an einen ganz anderen, dynamischeren, gefährlichen Arne Friedrich, einen offensiv relevanten Verteidiger, der im Lauf dieser Karriere irgendwo auf der Strecke geblieben ist. Wir können aber davon ausgehen, dass er nicht mehr hier wäre, wenn er sich auf diesem Niveau weiterentwickelt hätte. Weil er aber ein wenig stagniert hat, kann er nun eine Hertha anführen, die sich insgesamt weiterentwickelt. Gut so.

Mittwoch, Dezember 17, 2008

Faust

So sieht das aus, wenn mehrere Hände an einem Strang ziehen und dabei eine Faust bilden: Die Mächtigen bei der Hertha sind einander wieder gut, niemand fragt mehr, wer eigentlich die Dienstreise genehmigt hat, die Dieter Hoeneß letzte Woche nach Brasilien unternommen hat. Ich glaube die Antwort zu wissen: der Manager genehmigt seine Dienstreisen selbst, er kann ja nicht jedes Mal eigens das Präsidium oder gar den Aufsichtsrat einberufen. Was er nun, da der Verein von einer Verpflichtung von Junior Cesar Abstand genommen hat, in Brasilien genau gemacht hat, wird niemand mehr im Detail recherchieren wollen. Es bleibt der Eindruck einer gewissen Eigeninitiative vor allem in Hinsicht auf die Abstimmung mit dem Trainer, von dem es offensichtlich kein dringendes Mandat für diesen Trip gab. Ich hätte den Transfer auch deswegen nicht ganz verstanden, weil ich Stein noch für lernfähig halte und vor allem viel von Radjabali-Fardi halte, den ich nicht in der Versenkung verschwinden sehen möchte, bevor er sich richtig ausprobieren konnte. Bei der momentanen, nicht gerade auf Hochgeschwindigkeit ausgerichteten Spielanlage der Hertha könnten die Außendecker Stein und Chahed ihre Aufgabe auf jeden Fall bis zum Sommer versehen, vielleicht geht ihnen ja sogar noch "der Knopf auf", wie man in Österreich sagt, wo man Knoten ungern platzen sieht und Fäuste meistens in der Tasche ballt.

Dienstag, Dezember 16, 2008

Sprosse

Falko Götz wird wieder arbeiten. Der ehemalige Trainer der Hertha hat bei Holstein Kiel in Liga 4 unterschrieben, ein etwas überraschender Move, der allerdings unweigerlich sofort das Stichwort "System Hoffenheim" provoziert (etwa in diesem leicht kuriosen Video). Bei der Pressekonferenz sagt Götz, dass er sich nicht als Feuerwehrmann sieht, sondern als langfristigen Entwickler, als Mann für die Strukturen. Er soll Holstein Kiel in die 2. Liga führen, von einem Durchmarsch nach ganz oben ist nicht die Rede. Götz nimmt damit die Kieler Sprosse auf seiner Karriereleiter. Andreas Thom wird als Cotrainer mit ihm in den Norden gehen. Die Hertha hatte mit Holstein Kiel übrigens in einem historischen Moment zu tun. 1930, als der deutsche Meister noch in einem Endspiel ermittelt wurde, standen diese beiden Vereine in selbigem. Und Hertha gewann. Vorkriegstradition ist mir im Fußball eher egal, trotzdem habe ich das hiermit vermeldet. Immerhin kann Hertha BSC Berlin damit nicht nie deutscher Meister werden.

Montag, Dezember 15, 2008

Krebsgang

Das ist sicher auch schon lange nicht mehr vorgekommen, dass alle vier englischen Topteams in einer Runde über ein Unentschieden nicht hinausgekommen sind. Tabellenführer Liverpool gegen Hull, Verfolger Chelsea gegen die famose West Ham United, MeanU gegen Tottenham und der momentan eigentlich nur unter Vorbehalt mitgezählte FC Arsenal bei Middlesbrough - niemand konnte sich einen Vorteil verschaffen, während der Abstiegskampf ebenfalls dicht bleibt. Zwischen Platz 8 und 18 liegen fünf Punkte, nur die Rovers aus Blackburn und West Bromwich Albion sind abgehängt. Aston Villa hat sich zwischen MeanU und Arsenal auf Platz 4 gespielt, bestätigt damit die Ambitionen schon der letzten Saison. Möglich wird das auch, weil Arsenal weiterhin in einem beklagenswerten Zustand ist. Großartige Spieler wie Clichy oder van Persie agieren verzagt und hektisch, wieder einmal ging das Gegentor auf eine "deflection" zurück, einen Abpraller, den die unsicheren Passversuche der Gunners regelmäßig provozieren. Gegen eine deutsch-österreichische Innenverteidigung (Huth-Pogatetz) konnte sich nur Adebayor bei einem Kopfball nach Corner von Fabregas durchsetzen. Das Problem ist mental sowohl wie strukturell. Arsène Wenger hat für das Mittelfeld nicht nachgekauft, nun klafft dort eine riesige Lücke, in die keines der nachrückenden Talente richtig stoßen will: Denilson muss auf rechts spielen, weil Walcott verletzt ist und Eboué ein Schatten seiner selbst. Abou Diaby muss auf links spielen, weil Nasri und Rosicky verletzt sind. Bleibt Alexandre Song für die Position, die Flamini verwaist hat - ein junger Mann ohne Autorität auf dem Platz, neben dem Fabregas nicht zu seiner Rolle findet. Arsenal lebt von einem Talentmythos, der langsam verblasst. Keiner der Jungen, auch nicht Bendtner, kommt bisher über Andeutungen hinaus. So wankt das Team durch eine Saison, die von richtungweisender Bedeutung für Arsène Wengers Politik ist - er muss das Gefühl haben, dass sich alles gegen ihn verschworen hat, ich habe aber auch das Gefühl, dass er sich gegen Unwägbarkeiten nicht gewappnet hat. Am kommenden Wochenende kommt Liverpool ins Emirates Stadium - ein Unentschieden wäre dann für Arsenal schon viel zu wenig.

Sonntag, Dezember 14, 2008

Stockerl

Eine bessere Antwort hätte die Mannschaft gestern nicht geben können nach dem müden Auftritt auf Schalke und dem konfusen Außenauftritt des Clubs in der vergangenen Woche. Sie hat gestern den KSC mit einer konzentrierten Leistung 4:0 besiegt - ich musste arbeiten und habe damit ausgerechnet die Weihnachtsfeier der Mannschaft mit den Fans versäumt, das Spiel inzwischen aber im Stream nachgeholt. Die Hertha hat diese beste Rückrunde ihrer Geschichte auf eine ihr angemessene Weise gespielt - nicht spektakulär, sondern mit einem extrem guten Wissen um ihre Möglichkeiten. So konnte sie gestern selbst den KSC, der in der Vorwoche noch Werder kaum ins Spiel kommen ließ, weitgehend neutralisieren. Die Mannschaft hat eine seltsame Elastizität, die in schlechten Phasen dazu führt, dass das Spiel fast einschläft, die aber in guten Momenten genau die richtig dosierte Spannkraft ergibt, die zu einer famosen Chancenverwertung führt. Am Montag wird der "Kicker" die entsprechende Liste veröffentlichen, ich bin mir fast sicher, das die Hertha nach den vier Toren von gestern den besten Koeffizienten haben wird. Nicu, Domovchyiski, Lustenberger und Raffael erzielten gestern die Tore. Das macht noch einmal mehr als deutlich, wie sehr es Coach Favre in dieser Spielzeit gelungen ist, nicht nur eine Mannschaft, sondern einen Kader zu formen. Die Einwechselspieler konnten sich immer nicht nur als Ersatzkräfte fühlen, sondern als Teil des Teams. Dabei hat es zu Beginn der Saison noch ganz anders ausgesehen, als Simunic keinen Stammplatz zu haben schien, Friedrich rechts außen antreten musste und Dardai weit von der Mannschaft weg war. Die drei konservativen Entscheidungen, diese Spieler zentral zu setzen, haben wesentlich zu dem Lauf der Hertha beigetragen (auch wenn ich Dardai immer noch für eine Notlösung halte). Marc Stein hat gestern die letzte halbe Stunde auf rechts gespielt, auch das ein integratives Signal an einen Spieler, der die Transfergerüchte von letzter Woche besonders reserviert gelesen haben muss. Nicu, ein diskreter und eleganter Spieler, der ebenfalls zu den Gewinnern dieser Halbsaison zählt, hat gestern den frühen Führungstreffer geschossen - der Rest war Arbeit, und am Ende einige Christbaumkerzen. Eine Woche ohne Spiel hat der Mannschaft sichtlich gut getan, jetzt hat sie noch einmal vier Tage, um sich für Olympiakos Piräus am Donnerstag zu regenerieren. In der Liga überwintert die Hertha auf dem Stockerl: Platz 3, nur einen Punkt hinter dem FC Bayern. Tordifferenz: +7. Respekt.

Freitag, Dezember 12, 2008

Brasilien

Wenn die Hertha morgen gegen den KSC so professionell agiert, wie die Clubführung in dieser Woche, dann wird es einen unumstrittenen Auswärtssieg für die befreundeten Badener geben. Es ist natürlich eine Menge den Medien zuzuschreiben, was da so passiert ist, und es ist nicht einfach damit getan, aus der Ferne Schuldzuweisungen zu tätigen. Ich kann hier nur rekonstruieren, was sich einem Mediennutzer wie mir erschließt. Erstens muss Manager Hoeneß auf seiner Brasilienreise den Namen Junior Cesar ins Spiel gebracht haben. Die Stories waren so konkret, dass sie nicht einfach erfunden sein konnten, auch die Quellen (der Kicker) waren seriös. Zweitens haben Leute im Präsidium auf die engen Medienkontakte des Managers allergisch reagiert, und sind - abgestimmt? - via "Bild" an die Öffentlichkeit gegangen. Das ist, auch wenn Hoeneß den ersten Blödsinn zu verantworten hat, indiskutabel, zumal, wenn schon aus der Vorwoche alle Beobachter nur nach Signalen für einen Machtkampf bei Hertha Ausschau halten. Drittens musste dann der Trainer sich zu der Sache äußern, und hat mit der ihm eigenen Arglosigkeit eben gesagt, was Sache ist: dass Junior Cesar, Kandidat für die Außenbahn rechts hinten, keineswegs kurz vor einer Unterschrift stehen kann, immerhin hat er den Spieler noch nicht selbst bewusst live beobachtet. Damit sind alle Fraktionen im Club schön auseinanderdividiert, nur Michael Preetz hat es wieder einmal geschafft, sich im Hintergrund zu halten. Das alles ist ein schöner Vorschein darauf, wie es der Hertha einmal gehen könnte, wenn sie wirklich ein Groß- und nicht mehr nur ein hauptstädtischer Provinzclub ist. Das sind Verhältnisse wie auf Schalke.

Donnerstag, Dezember 11, 2008

Gruppenzweiter

Mit einer wahrhaft unterirdischen Leistung hat der FC Arsenal es gestern noch geschafft, durch ein 0:2 beim FC Porto den Gruppensieg in der CL zu verspielen. Damit muss mein englischer Lieblingsklub in der nächsten Runde mit einem von diesen fünf Gegnern rechnen: Pananthinaikos Athen, AS Rom, FC Barcelona, Juventus Turin und FC Bayern München. Da weiß ich natürlich, wen ich nicht will. Der gewohnt arrogante José Mourinho, dessen Inter Mailand auch Gruppenzweiter wurde, hat das so kommentiert, wie man es von ihm erwartet: "Das ist dann eben Pech für einen Gruppenersten." Für das fragile Arsenal aber wird das in jedem Fall eine schwere Aufgabe. Was ich nicht ganz verstehe, ist die Logik, dass es unbedingt vorzuziehen ist, zuerst auswärts und dann daheim zu spielen. Schon oft habe ich gesehen, dass Mannschaften auswärts irgendwie nicht in die Gänge gekommen sind und dann daheim unter den Druck gerieten, dass nun jedes Tor des Gegners doppelt zählt. Simpel gesagt: nur auswärts kann man ein Auswärtstor schießen, und nicht selten ist dies im gewöhnlich offener geführten zweiten Spiel leichter möglich. Zudem hat Arsène Wenger neulich angeregt, im Rückspiel nur bis zur 90. Minute die Auswärtstorregel anzuwenden, denn die Verlängerung ist ja genau genommen dann schon nicht mehr Rückspiel, sondern Entscheidungsspiel, und da sollten - nachdem sich die beiden Teams über 180 Minuten neutralisiert hatten - wieder gleiche Bedingungen herrschen. Sieht man einmal vom Publikum ab. Arithmetik, Logik und Kalkül hin und her, die Hertha hat es geschafft, sich noch in der Gruppenphase des Uefacups ein Entscheidungsspiel einzuhandeln - heute in einer Woche in Athen.

Dienstag, Dezember 09, 2008

Leftback

Von Manager Hoeneß ist zu lesen, dass er in Brasilien nach neuen Spielern sucht. Für die Position links hinten ist Junior Cesar im Gespräch, von dem es heißt, dass er läuft "wie ein Besessener". Das würde der Mannschaft sicher gut tun, wenn er gleichzeitig verteidigt wie ein Vernünftiger und gefährliche Flanken schlägt. Von der Statur her müssen wir uns auf einen "Samba-Lahm" einstellen (ich antizipiere schon einmal ein künftiges Wirtspiel der B.Z). Es stimmt, dass Marc Stein diese Position im Moment nicht so interpretiert, wie das wünschenswert wäre. Es mangelt ihm an Dynamik nach vorn, obwohl er zuletzt zumindest angedeutet hat, dass er die Richtung kennt. Es ist ja auch die vielleicht schwierigste Aufgabe im modernen Fußball, nirgends kann man sich so blöd verrennen oder aber auch so großartig das Spiel beschleunigen wie auf der Außenbahn. Wenn ich Sofian Chahed manchmal beim Zurücktraben oder bei der Suche nach seinem Zuständigkeitsbereich zusehe, dann würde ich am liebsten gleich noch einen rechten Außenverteidiger mitbestellen. Aber das ist anscheinend auch schon mitbedacht, Stein kann auf die andere Seite gehen. Und was ist mit Radjabali-Fardi? Er wird dann Druck auf Junior Cesar ausüben, und dabei hoffentlich die guten Ansätze, die er heuer schon gezeigt hat, bestätigen können. Die Hertha, eine ewige Baustelle.

Sonntag, Dezember 07, 2008

Bumerang

Auf Schalke hat die Hertha gestern eine Kopie ihrer Heimniederlage vom Mittwoch gegen Galatasaray abgeliefert. Neuerlich ging ein Spiel 0:1 verloren, nur war die Elf gestern noch deutlich chancenloser. Zwei Matches sind noch zu bestreiten in dieser lange Zeit so erfolgreichen Halbsaison, beide werden sehr schwer werden, denn der KSC hat gestern gegen Bremen gezeigt, dass Einsatz und Flügelspiel auch höher gehandelte Gegner in Schwierigkeiten bringen können; und Piräus ist im Uefacup-Heimspiel sicher deutlich zu favorisieren. Warum geht bei der Hertha inzwischen fast nichts mehr im Spiel nach vorn? Erschöpfung müsste ein Faktor sein, wir alle erinnern uns, wie lange es her ist, dass die Saison im Jahn-Stadion mit dem Spiel gegen Nistru Otaci so vergnüglich begann. Cicero, Nicu und Voronin hatten vor wenigen Tagen noch Grippe, sie waren gestern kaum präsent. Schwerer wog, dass zwischen Raffael und Voronin im Sturm null Verständnis zustandekam. Der Brasilianer konnte im Angriff gestern keinen einzigen Ball annehmen und behaupten, er vor allem hat die wenigen aussichtsreichen Spielsituationen vergeben und wesentlich dazu beigetragen, dass der Ball häufig wie ein "Bumerang" (Favre) zurückkam. Wieder einmal war Kacar der einzige, der versucht hat, etwas zu bewegen - schon bald aber waren es hauptsächlich verbissene Zweikämpfe, in denen er sich verausgabte. Wegen Chaheds Verletzung war Kaka in die Innenverteidigung und Friedrich auf rechts gerückt, der Portugiese strahlt Unsicherheit aus, während der Kapitän in einer Sitation immerhin gut nach vorn kam, dann aber eine untaugliche Flanke schlug. Damit fügt sich das Spiel in die generelle Diagnose dieser Hinrunde. Coach Favre hat die Hertha konsolidiert, nun wachsen aber die Zweifel, ob der nächste Schritt, den Hoffenheim, Leverkusen und auch die Bayern schon getan haben, gelingen kann: ein schnelles, intelligentes Offensivspiel zu organisieren. Die Aussichten sind gut, das Hertha in den Top 5 überwintern kann, sie wird aber schon in dieser Woche gut zu tun haben, diese Position im neuen Jahr zu bestätigen.

Donnerstag, Dezember 04, 2008

Grease

Die Hertha war gestern zu schwach, um gegen Galatasary Istanbul etwas auszurichten. Das Uefacup-Spiel, auf das sich alle gefreut hatten, ging mit 0:1 verloren. Auf den Rängen herrschte gute Stimmung, neuerlich war aber die konkrete Zuschauerzahl enttäuschend: 62000. Das bedeutet, dass kaum 20000 Herthaner da waren. Die Ostkurve gab ihr Bestes, hatte aber wenig zu bestellen. Warum es im Spiel nicht geklappt hat, ist natürlich schwer zu sagen. Die Probleme begannen weit vorne, wo Pantelic und der von einer Grippe geschwächte Voronin nicht harmonierten (bei der einzigen Gelegenheit, bei der Pantelic egoistisch hätte sein sollen, spielte er einen Querpass). Die Flügel waren wirkungslos, weil Patrick Ebert - anders, als ich dachte - noch keineswegs die Form für die erste Mannschaft hat, und Raffael, der mit ihm rochierte, nicht ins Spiel fand. Chahed war defensiv wie offensiv nicht gut orientiert, verletzte sich zudem noch vor der Pause und musste dann Steve von Bergen Platz machen, dem das Pech treu blieb: er verschuldete den Elfmeter, den Baros in der 69. Minute verwertete. Auch die zentralen Akteure waren schwach, Kacar probierte zwar viel, verlor aber auch eine Menge Bälle, und Dardai hatte gegen die technisch versierten Gegner häufig das Nachsehen. Eigentlich war nur Drobny gestern in der Form, die für dieses Spiel notwendig gewesen wäre. Hertha hat einen tollen Herbst hinter sich, hoffentlich bricht sie jetzt nicht noch ein. Gestern hätte sie viel mehr laufen müssen, die Energie dafür konnte oder wollte sie nicht finden. Das ernüchternde Spiel lässt dabei durchaus eine Kontinuität erkennen: Gegen Köln mag in so einer Situation eine Standardsituation zu einem glücklichen Sieg reichen, gegen einen internationalen Gegner selbst mäßigen Formats genügt das nicht. Die vielen tollen Konter, die Hertha in dieser Halbsaison vergeigt hat, zeugen davon, dass sie schnelles Spiel nicht gut kann und irgendwie auch nicht mag. Daran wird zu arbeiten sein, denn das ist der nächste Schritt nach dem Erwerb der Kompaktheit, der jetzt schon zu verzeichnen ist. Ich glaube nicht, dass man dafür schon wieder in größerem Stil investieren sollte, wie Manager Hoeneß das anscheinend möchte (der natürlich mehr an seine Lebensplanung als an die Evolution der Hertha denkt). Ich glaube, dass man die Aufgabe lösen sollte, die das Spiel der Mannschaft stellt: das Flügelspiel muss von den Außenverteidigern her neu konzipiert werden (Stein immerhin ließ gestern Ansätze erkennen), dazu braucht es einen viel besseren "holding midfielder", als Dardai das ist. In der zweiten Halbzeit entdeckten die Fans von Galatasaray eine großartig ironische Parole: Sie sangen "Auf Wiedersehen", entboten den deutschen Fans damit einen deutschen Gruß, der sie quasi aus dem eigenen Stadion schickte. Zu Überfremdungsängsten besteht dabei kein Anlass, nach dem Spiel fuhren alle gemeinsam mit der BVG nach Hause, und ich hatte immer noch Olivia Newton-John im Ohr, einen Hit aus meiner Kindheit aus dem Musical "Grease", der in der Halbzeit lief: "You are the One that I Want". Die Hymne der Scouting-Abteilung?

Mittwoch, Dezember 03, 2008

Völkerverständigung

Sehr wichtiges Match für die Hertha heute Abend im Olympiastadion: Gegen Galatasaray Istanbul geht es nicht nur um drei dringend erforderliche Punkte für den Verbleib im Bewerb über Weihnachten hinaus, sondern um ein erstes Statement an die Liga, dass der dritte Platz auch einer gereiften und nicht nur auf Catenaccio beruhenden Spielanlage zu verdanken ist. Denn er Erfolg der Hertha in diesem Herbst wird durchweg als ertrotzt und nicht als erspielt gesehen - neben der offensiven TSG Hoffenheim wirkt Hertha tatsächlich wie eine Mannschaft, bei der erst einmal die Eins stehen muss (mehr als bei anderen Teams auch die Null), vorne müssen dann zwei Tore reichen für drei Punkte. Alles recht ökonomisch also, begeistert von der Hertha ist in Deutschland noch niemand, und wenn man das Köln-Spiel von letztem Freitag gelassen betrachtet, dann gibt es auch noch wenig Grund. Den sollte die Hertha heute liefern, mit einer couragierten Leistung gegen Galatasaray. Dazu könnte vielleicht Patrick Ebert beitragen, auf dessen Rückkehr in die Mannschaft, zu Lasten von Dardai, ich hoffe. Das Mittelfeld würde dann so aussehen: Nicu-Cicero-Kacar-Ebert. Sehr offensiv, ich weiß. Manager Hoeneß hat dem Spiel gleich noch (s)eine eigene besondere Bedeutung gegeben und von "Völkerverständigung" gesprochen - vermutlich deswegen, weil er mit den Völkern von Neukölln und Moabit selten zu tun hat. Er rudert gerade rhetorisch zurück in ein Amt, aus dem er sich mit Datum 2010 schon eindeutig öffentlich verabschiedet hatte. Damit stiftet er Unfrieden, um nicht zu sagen: Völkerunverständnis. Manager Hoeneß hat die bis vor zwei Jahren ja eher traurige Gesamtbilanz seines Wirkens bei Hertha auf eine Karte gesetzt: Lucien Favre. Diese Entscheidung kann er sich auf die Fahne heften, jetzt möchte er aber auch beim Triumphzug, den er schon abzusehen meint, vorneweg marschieren. Favres ganzes Wirken steht für eine Abkehr von der "great man theory", nur der Manager will sich als großen Mann davon ausnehmen. Ich spreche ein wenig im Affekt, muss es aber einfach so sagen: Dieter Hoeneß, schaffen Sie Raum!

Samstag, November 29, 2008

Sterne

Ich glaube ja nicht an das Horoskop, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Hertha heuer auch gute Sterne hat. Gestern hat sie ein Match gewonnen, in dem sie vor eigenem Publikum langsam einzuschlafen drohte. Soll heißen, die neuen Grundlagen (intelligentes Pressing) funktionierten auch gegen den FC Köln über 90 Minuten sehr gut, nur der Drang zum Tor war abflauend. Es war irgendwie ein typisches Freitagspiel. Man freut sich drauf, ist dann aber doch noch mit manchen Gedanken anderswo (bei der liegengebliebenen Arbeit, ...). Hertha begann tastend, Köln war kompakt, aber völlig harmlos. Gelegentlich blitzte die Brillanz von Raffael, Voronin, Nicu und Kacar auf, aber es fügte sich nie zu einer richtigen Offensive. Über die Flügel geht die Hertha nur, wenn das Spiel schnell ist, gestern aber war das Tempo durchweg gemächlich. So blieb es ein Mittelfeldspiel mit Schleichwegen, aus dem Raffael mit einer Balleroberung das erste Tor einleitete - er startete einen seiner unverwechselbaren Läufe, um dann einen seiner unverwechselbaren Pässe zu spielen (die eher wie ein Put beim Golf funktionieren), den Voronin auf Kacar weiterleitete, der aus elf Metern souverän verwandelte. Kacar war auch für mich der Mann des Spiels, wie er in die freien Räume geht, ist famos und lässt tatsächlich Vergleiche mit Fabregas (in einer anderen Liga natürlich) zu. Kurz vor der Pause fiel nach einer Flanke von links, die nicht unterbunden wurde, der Ausgleich durch einen sehenswerten Kopfballtreffer von Novakovic. Und in der zweiten Hälfte erlahmte das Spiel. Die Ostkurve begann irgendwann Marko Pantelic zu feiern, der auf der Bank saß und in der 70. Minute für Cicero kam, der damit zum ersten Mal in dieser Saison ein Ligaspiel nicht vollständig absolvierte. Dieser Wechsel war aber nicht der entscheidende, erst als Ebert - für meine Begriffe sehr spät - für die letzten 10 Minuten kam, ging noch einmal ein Ruck durch die Mannschaft, und Pantelic schaffte mit einem enorm anspruchsvoll verwandelten Corner von Ebert noch die Entscheidung. Das 2:1 gegen Köln zeigte, dass Hertha zwar heute auf Position 2 steht, dass sie vom Mittelfeld aber nicht so viel trennt. Sie wird sich gegen Schalke 04 vermutlich wieder leichter tun. Ebert ist für meine Begriffe schon wieder sehr nahe an der ersten Mannschaft. Was noch auffiel: Zwar kamen nur 40000 Zuschauer, es war aber zumindest zu Beginn eine höhere Begeisterungsfähigkeit im Stadion, aber auch ein neues Anspruchsdenken. In unserem bürgerliche Sektor waren viele Fans zu sehen, die verwöhnt werden wollen und das Spiel nur von den Höhepunkten her sehen. Ich kann mich täuschen, aber da kann man schon ausnehmen, welche Leute zum Stammpublikum stoßen werden, wenn sich die Entwicklung der Hertha weiter noch oben bestätigt: hedonistische Fans. Da hat diese Dosis Alltag, die der ein wenig schnöde Sieg gegen Köln gestern brachte, sicher nicht geschadet.

Freitag, November 28, 2008

Edmar

Der brasilianische Mittelfeldspieler Edmar de Lacerda Aparecida hat gestern die Ausgangsposition für die Hertha in der Uefacup-Gruppenphase deutlich komplizierter gemacht. Er schoss in der 81. Minute den Siegestreffer für Metalist Charkow bei Galatasaray Istanbul. Dieser unerwartete Auswärtssieg wertet zwar einerseits das torlose Remis der Berliner in der Ukraine sportlich auf, die Tabelle der Gruppe B ist dadurch aber viel ausgeglichener, als es der Hertha lieb sein kann. Sie braucht jetzt aus den Spielen gegen Galatasaray (nächste Woche daheim) und Olmypiakos Piräus (kurz vor Weihnachten in Griechenland) mindestens vier Punkte. Piräus hat gestern Benfica mit 5:1 entsorgt, das wird also ein ganz schwerer Gang. Bleibt nur ein Sieg nächste Woche, um sich nicht von einem Weihnachtswunder abhängig zu machen. Ich habe aber ohnehin keine Lust auf ein würdeloses Weiterkommen wie beim letzten Mal, als nach vier Spielen ein halbes Eigentor und drei torlose Unentschieden zu Buche standen. Das war, nur zur Erinnerung, eine Hertha mit Marcelinho, Bastürk, Gilberto, Kevin-Prince Boateng und der "Identifikationsfigur" Andreas Neuendorf. Heute aber geht es erst noch gegen den FC Köln, in der Meisterschaft, die wir ebenso holen werden wie den Uefacup und den Pokal. So singt es zumindest die Ostkurve, und die hat immer das letzte Wort.

Donnerstag, November 27, 2008

Sonderweg

Am Dienstagabend war ich in Berchtesgaden im Hotel Vier Jahreszeiten. Eine Premiere-Sportbar haben wir dort nicht gefunden, einen Internet-Anschluss gab es auch nicht, sodass ich von Arsenals Heimspiel gegen Dynamo Kiew nur eine relativ ausführliche Zusammenfassung in ORF1 gesehen habe, mit entsprechend lustiger Aussprache der Spielernamen durch den kakanischen Kommentator. Es war das erste Match mit Cesc Fabregas als Kapitän, und nach allem, was ich ausnehmen konnte, hat er zumindest seinen Sinn für den langen Pass wieder gefunden - so kam auch das späte Tor durch Bendtner zustande, das zur Folge hat, dass Arsenal im letzten Gruppenspiel beim FC Porto ein Remis reichen würde, um den Gruppensieg sicherzustellen. Arsène Wenger hat am Dienstag ein Mittelfeld hinausgeschickt, das aus der Not, aber auch aus Chuzpe geboren war. Neben Fabregas spielten Denilson, Song und der 17jährige, äußerst vielversprechende Aaron Ramsey. Das sind eigentlich vier zentrale Akteure, es sah so aus, als hätten Ramsey und Denilson die Flügel besetzt, die wegen Verletzungen von Walcott, Nasri, Eboué und Rosicky verwaist waren. Irgendwie ist es gut gegangen, es war "der erste Schritt auf dem Weg der Gesundung", sagte Wenger über seine gebeutelte Truppe hinterher. Bis Weihnachten muss er den Sonderweg noch weitergehen, im Januar kann er dann vielleicht doch noch Verstärkung besorgen für seinen filigranen Kader, der hoffentlich aus lauter "Comeback Kids" besteht, die sich von den dunklen Stunden dieses Novembers nicht unterkriegen lassen.

Dienstag, November 25, 2008

Fabregas

Eine Bemerkung von Lucien Favre in dem RBB-Interview vom Sonntag möchte ich noch nachtragen. Er sprach bei den Transfers von einer Perspektive von vier bis fünf Jahren, die er die Entwicklung der Mannschaft (inklusive möglicher Verkäufe) antizipieren muss. Das Beispiel Bremen, wo man in den letzten Jahren eher auf sofortige (häufig dann ausbleibende) Wirkung (Sanogo) als auf Perspektive (Prödl) einkaufen musste, zeigt, wie schwierig es ist, in einer Situation permanenter Herausforderung durch nationalen und internationalen Bewerb langfristig zu arbeiten. Das Beispiel, das mich aber neben der Hertha am meisten beschäftigt, liefert der FC Arsenal. Eben hat Arsène Wenger seinen jungen Mittelfeldstar Fabregas zum Kapitän ernannt. Die Karriere des Spaniers ist ungefähr so alt wie dieser Blog, ich habe ihn von Beginn an begeistert verfolgt - er war 17, als er erstmals in der Premier League auflief. Damals war er umgeben von Stars wie Vieira und Henry, heute muss er fragile Könner wie Denilson oder Nasri stabilisieren, und soll trotzdem die genialen Pässe spielen. Arsenal hat in dieser Saison grundsätzlich das Gleichgewicht zwischen Erfahrung und Kunst verloren, das könnte dazu führen, dass die vielleicht begabteste Generation (Vela, Ramsey, Wilshere, ...) ohne die designierten Leader Fabregas oder van Persie auskommen muss, weil sie dem Club mangels Erfolgen abhanden kommen. Selten war eine Saison von Arsenal dramatischer. Unwillkürlich denke auch an die ersten Spiele der Hertha in dieser Saison, als Lucien Favre stark auf die Zukäufe setzte, die Mannschaft ständig neu formierte und erst allmählich und mit ein bisschen Glück zu dem Innenverteidigerduo Friedrich und Simunic zurückfand, dem ich, zugegeben, auch keine große Perspektive gegeben hatte. Jetzt sind diese beiden Veteranen echte Stützen für zwei keineswegs herausragende Außenverteidiger wie Chahed und Stein oder für einen Mann wie Kacar, der unser Fabregas werden kann, wenn er sein Passspiel noch entwickelt. Heute spielt Arsenal in der CL daheim gegen Dynamo Kiew. Ich werde mit Simon in Berchtesgaden sein, wir wollen ein Interview mit Thomas Harlan machen, und abends dann in eine Premiere-Bar.

Montag, November 24, 2008

Chapuisat

Gestern war Coach Favre zu Gast beim RBB-Sportplatz. Er ist, auch wenn sein Deutsch inzwischen zu stagnieren scheint, ein einnehmender Typ, dem allerdings deutlich anzusehen ist, dass er den Zuspitzungen des Journalismus wenig abgewinnen kann. Beim RBB kommen sie auch kaum über das Niveau der anderen deutschen Fußballjournalisten hinaus, es wird konsequent personalisiert und schematisiert, wobei Favre mit der ganzen Konsequenz eines Politikers auf das Thema Pantelic einfach nicht einging und mit positiven Nullphrasen zwei Anfragen des Moderators ins Leere laufen ließ. Er ließ mich eigentlich nur einmal aufhorchen, als er durchblicken ließ, wo die Hertha finanziell in der Liga steht - auf Platz 13 oder 14, sportlich auf Platz 4. So kann man sich auch diskret selbst ein Kompliment machen. Ist aber verdient. Weil es gestern auch um den Menschen Favre ging, ging es ein wenig um die Schweiz, und dann wurde das Foul eingespielt, das die Karriere des Spielers Favre beendete - ein "Attentat" von Chapuisat Vater, das mich an ein in Österreich seinerzeit berüchtigtes Foul an Sepp Stering erinnerte. Ob die Schweiz nun mehr Provinz ist als der RBB, muss ich hier nicht entscheiden - wenn Lucien Favre allerdings Lust hat, sich einmal ausführlich und nuanciert über Fußball zu unterhalten, dann würde ich sofort weiter an meinem Französisch arbeiten, und A. möchte unbedingt für ihn kochen. Wer schon einmal ihr Gast war, weiß, dass das ein ganz besonderer (und sicher nicht provinzieller) Luxus ist.

Sonntag, November 23, 2008

Janus

Der 3:2-Sieg der Hertha in Bochum gestern bot wieder einmal eine Menge Grundsatzmaterial zum Fußball. Zwei Halbzeiten, die mit dem Rücken zueinander standen und einen schönen Januskopf bildeten, also ein Spiel, das eigentlich zwei Spiele war. In der ersten Halbzeit konnte die Hertha ihr kühles, mit Recht immer häufiger als intelligent charakterisiertes, Kontrollspiel aufziehen, das dank einer zerstreuten gegnerischen Defensive zu drei Toren führte: Raffael, Kacar und Cicero machten bis zur Pause alles klar, was nach der Pause schnell wieder unklar wurde. Noch vor der 50. Minute kam von Bochum das dringend notwendige Lebenszeichen: ein scharfer, relativ niedriger Corner, den Stein hätte entsorgen müssen, den er aber haarscharf über seinen Blondschopf hinwegstreichen ließ, was alle anderen Verteidiger so verwirrte, dass Sestak aus kurzer Distanz einsenden konnte. Die dann folgende zweite Hälfte beruhte auf den Tugenden des Fußballs, über die Hertha nicht so stark verfügt und die Trainer manchmal verzweifelt suchen, indem sie der Mannschaft vorschlagen, den berühmten Schalter umzulegen: Leidenschaft, Flügelspiel, Pressing. Bochum machte das Spiel, Hertha bewies, wie schon in den letzten Spielen, dass sie das Kontern noch üben muss. In solchen Situationen ist Dardai keineswegs mehr der Anführer, als den er sich gern sieht, und Simunic war plötzlich wieder der alte Jo, er hatte es der Nachsicht von Referee Weiner zu verdanken, dass er nicht die gelb-rote Karte zu sehen bekam. Die mittelfristig relevanteste Szene aber kam gegen Schluss, als Pantelic schon für Voronin im Spiel war und den erfolgversprechendsten Konter nicht durch einen Querpass produktiv machte, sondern durch ein sinnloses und erfolgloses Dribbling versiebte. Die vielen tollen Pässe, die Pantelic schlägt, entwertet er mit solchen Szenen. Die Zeichen stehen auf Abschied, die Berliner Tabloids wissen sogar, dass er seine Wohnung in Berlin mit Ende Januar gekündigt hat. Wie auch immer, das Gebilde, das Favre errichtet hat, wackelte gestern, aber es fiel nicht um. Das ist die eigentlich gute Nachricht, denn gegen Bochum haben wir früher gern 2:2 gespielt, gestern wäre ein 3:3 wie eine Niederlage gewesen. So aber steht Hertha auf Platz 4 selbst nach einer Runde, in der Bayern, der BVB und Wolfsburg auch gewannen.

Samstag, November 22, 2008

Gallas

Sehr unterschiedliche Ausgangspositionen für meine beiden Mannschaften heute: Hertha fährt gelassen und selbstbewusst nach Bochum, mit einem intakten Team. Arsenal fährt im Zustand fortschreitender Auflösung zu Manchester City. Diese Woche hat William Gallas in einem Interview aus Anlass des Erscheinens seiner (französischen) Memoiren noch einmal kräftig Stunk gemacht, hat von wilden Streitereien zwischen den Spielern berichtet und den "young guns" generell Halbstärke vorgeworfen. Arsène Wenger blieb nichts anderes übrig, als ihn vom Amt des Kapitäns zu entkleiden, eine Maßnahme, die seriösen Kommentatoren wie James Lawton schon lange notwendig erschienen war. "Gallas may be a talented footballer but, plainly, he is not a serious man." In der SZ gab es in dieser Woche einen schönen Kommentar über die deutsche Faszination für Leit- und Zweitwölfe. Ich mag das Wort auch nicht, weiß aber, dass ein Team eine Struktur braucht, und dass unsichere Männlichkeit oder - in den Begriffen von Alfred Adler - "männlicher Protest" auf dem Platz für Probleme sorgt. Das zeigt sich bei Gallas, das war auch im Fall Simunic lange ein Thema. Der Kroate hat sich gefunden, wie es scheint. Gallas aber muss weitersuchen - nach seiner Identität, nach seiner Durchsetzungsfähigkeit und wohl auch bald nach einem anderen Verein. Es sei denn, er findet Pardon bei Arsène Wenger, dessen noch kompliziertere Psyche das weitere Gedeihen von Arsenal zu einer seltsam melodramatischen Sache werden lässt.

Freitag, November 21, 2008

England

Die Hertha hat tatsächlich ein Problem mit der öffentlichen Wahrnehmung. Als letztes Wochenende in der SZ ein großer Text über den neuen Trend zum Offensivfußball in der Bundesliga erschien, kam die Hertha mit keinem Wort vor - sie spielt ja auch tatsächlich eher ökonomisch und hat ein knapp positives Torverhältnis. Trotzdem kommt selbst Raphael Honigstein, der Deutschland-Korrespondent des Guardian (und England-Korrespondent vieler deutscher Tageszeitungen), um die Tatsache nicht herum, dass Berlin heuer schon die beiden Teams an der Tabellenspitze geschlagen hat. In seinem Bericht (Dank an Ludger für den Hinweis) beschreibt Honigstein die aktuelle Situation. Der Text ist die Spur herablassend, aber das sollte nicht überraschen bei einem Korrespondenten, der die Bundesliga im Fernsehen verfolgt. Für mich ist das natürlich trotzdem und trotz Honigstein der ultimative Ehrenerweis: ich ziehe den englischen Fußballjournalismus dem deutschen vor, ich halte die Premier League für das Maß aller Dinge im Fußball, ich möchte, dass Hertha so spielt wie Liverpool, Chelsea und Arsenal zusammen, vor allem aber so wie Aston Villa, dem englischen Team, mit dem sie sich aktuell am ehesten vergleichen könnte. Kacar wäre dann Gareth Barry, und Raffael sollte sich ein Beispiel an Ashley Young nehmen. Den kannte auch vor zwei Jahren noch kaum jemand.

Donnerstag, November 20, 2008

Downing

Für das Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und England im Olympiastadion hatten wir zum Glück keine Karten bekommen. Gestern war ein so unwirtlicher Tag, dass ich nur für ein Pflichtspiel ins Stadion gegangen wäre. Zudem hat sich Theo Walcott neuerlich an der Schulter verletzt und wird meiner krisengeschüttelten Lieblingsmannschaft Arsenal voraussichtlich länger fehlen. Englands Coach Fabio Capello musste gestern eine "zweite" Elf auf den Platz schicken, weil Gerrard, Lampard, zwei Coles und andere ausfielen. Trotzdem wurde es für Deutschland eine kleine Lehrstunde, und es überrascht nicht, dass Übungsleiter Löw anschließend bei Kerner auf den Unterschied zwischen Premier League und Bundesliga zu sprechen kam. Vor allem im zentralen Mittelfeld war da schon eine deutlich stärkere Präsenz auf der englischen Seite zu sehen: Gareth Barry von Aston Villa und Michael Carrick von ManU sind ganz anders erprobt als Simon Rolfes und Jermaine Jones. Arne Friedrich spielte auf der von ihm mit vielen guten Gründen ungeliebten rechten Außenverteidigerposition - er hat sich für diese Aufgabe geistig schon lange abgeschrieben, mit einer modernen Interpretation davon hat sein alibihaftes Offensivspiel nichts zu tun, defensiv hatte er gegen Downing und Agbonhlahor auch seine liebe Mühe. Er musste nach zwei Dritteln hinaus, und es bleibt gegen den Lokalpatriotismus der Berliner Medien festzuhalten, dass der Kapitän der Hertha im Nationalteam der Deutschen zwar hartnäckig dabei ist, aber außer "Solidität" (Löw) wenig anbietet. Deutschland verlor durch zwei Standardsituationen, die Upson und Terry nutzten, sowie einen Fauxpas zwischen Terry und Carson, den Helmes nutzte, mit 1:2. Dem ZDF-Reporter Béla Réthy blieb nur die Flucht in alte Klischees: Er machte sich über das englische "Torwartproblem" mehr lustig, als die Sache hergab.

Dienstag, November 18, 2008

Play Berlin

Heute ist der Tag, an dem die Tabloids ein wenig verrückt spielen und vor allem Storys über die Punkteprämien von Coach Favre und über Meisterträume haben. Zum Abkühlen habe ich hier eine Geschichte aus dem Alltag der Hertha, die einem Freund und dessen Sohn widerfahren ist:
"Die Hertha möchte ja nicht nur ein professionell geführter Metropolenclub sein, sie möchte bekanntlich auch die Herzen der Menschen erreichen, wie das so schön heißt, auch und vor allem die Herzen der jüngsten Fans. Zu diesem Zweck hat die Marketingabteilung in der Saison 2008/09 die Tradition der Vorspiele reanimiert. Jugendmannschaften aus Berlin und Brandenburg dürfen vor einem Bundesligamatch 20 Minuten auf dem Rasen des Olympiastadions spielen. Ein Highlight im Leben jedes kleinen Kickers. Der Trainer der 3. F-Jugend des 1. FC Schöneberg stieß in einem Fußball-Forum auf diese frohe Botschaft, bewarb sich per Mail – und bekam tatsächlich mit seinem Team den Zuschlag. Seit dem Sommer fieberten also zwölf Kinder (samt Eltern) dem großen Tag am 15. November entgegen. Am Dienstag vergangener Woche dann schaute der Mannschaftsbetreuer auf der Hertha-Homepage mal nach, wie der Verein das Ereignis wohl ankündigen würde. Viel fand er nicht – nur den Hinweis, dass sich Mannschaften der Jahrgänge 2000 und 2001 für die Vorspiele bewerben können. Das verwunderte ihn ein wenig, weil die Spieler der Schöneberger Mannschaft alle Jahrgang 1999 sind und seit der Saison 08/09 in der E-Jugend spielen – worauf der Trainer in seiner Mail an das Hertha-Marketing allerdings ausdrücklich hingewiesen hatte. Um die Sache zu klären, rief er bei Hertha an, weil es natürlich unsportlich wäre, eine E-Jugend einfach gegen eine F-Jugend antreten zu lassen. Die Abteilungsleiterin (und Freundin von Michael Preetz) war in einem sogenannten Meeting. Ihr Kollege hörte sich den Fall an, bestätigte auf Nachfrage, dass in der Mail des Schöneberger Trainers tatsächlich geschrieben stehe, dass seine Mannschaft nach dem Sommer in die E-Jugend aufrücken werde, um abschließend zu befinden, dann müsse der Verein halt eine F-Jugend schicken. Erklären konnte er den Fehler nicht. Auf die Frage, wie man diese Nachricht denn wohl den Kindern beibringen solle, die vor lauter Vorfreude kaum noch schlafen könnten, wusste er keine Antwort. Man kann auch nicht behaupten, er habe sich sonderlich um eine Antwort bemüht, obwohl es ja nicht ganz uninteressant wäre, welchen Eindruck der Verein mit einer solchen Aktion bei den Kindern hinterlässt. Auch auf die Frage, wie man denn die Kinder darüber hinwegtrösten könnte, gab es keine Antwort, obwohl da sicher eine Menge denkbar wäre – von Freikarten für ein Bundesligaspiel bis zum Trainingsbesuch bei den Profis und was dergleichen Maßnahmen mehr sind, mit denen sich eine Bindung zwischen Verein und Fans festigen lässt. Aus Gründen der sportlichen Fairness schickte Schöneberg am Samstag natürlich eine F-Jugend, die gegen ein Team aus Jüterbog kickte. Und der Trainer der Schöneberger E-Jugend hat bis heute auf mehrere Mails an die Marketingabteilung, wie der Verein seinen Fehler denn gut zu machen gedenke, noch immer keine Antwort bekommen."

Sonntag, November 16, 2008

Ramalamadingdong

Die Hertha arbeitet sich langsam nach oben. Nach dem 2:1-Heimsieg gegen den HSV gestern hat sie mit den Hamburgern die Plätze getauscht und steht jetzt auf Platz 4. Der Sieg war verdient, aber nicht souverän. Dazu war die erste Halbzeit zu dürftig, der Gegentreffer durch einen Rückzieher von Petric war ein typisches Pannentor, und wer die Hertha kennt, weiß inzwischen, dass sie nach der Pause meistens stärker ist. Eine taktische Umstellung war sicher auch wichtig: Der Coach nahm Raffael aus dem Spiel und brachte mit Domovchyiski einen richtigen Strafraumstürmer, wodurch der davor sehr allein herumwuselnde Voronin einen Mann an die Seite bekam, der die Hamburger Viererkette beschäftigte. Der Schlüssel zum Sieg war aber etwas, was die Hertha allmählich lernt: Breite, oder, wie die englischen Analytiker nicht müde werden zu fordern, "width". Klingt fast wie "Witz". Das Team spielte nach der Pause zweimal schön über den rechten Flügel, zuerst kam Chahed zu einer perfekten Flanke, die Cicero mit einem Kopfball circa dreißig Zentimeter über dem Grün verwertete; zwei Minuten später tankte Nicu sich wieder rechts durch, der Linienrichter riss die Fahne hoch, weil es ein Foul gab, winkte gleich darauf aber Vorteil, wodurch Bastian Reinhardt in Verwirrung geriet. Nicus eleganten Assist verwertete Valeri Domovchyiski, der damit nicht nur seine Aufstellung rechtfertigte, sondern auch die schon an ihm haftende Aura eines Chancentods kühl abstreifte. Ein sehr ökonomischer Sieg war das gestern, bedenkt man, dass der HSV sicher 75 Minuten das Spiel machte, dabei aber bis auf Pitroipa wenig zusammenbrachte. Die Hertha hat sich eine bemerkenswerte Kompaktheit erarbeitet, seit Coach Favre die Viererkette nicht mehr umstellt, und seit Gojko Kacar, dessen Balleroberungen und Vorstöße im Stadion schon gesondert bejubelt werden, wieder fit ist. Selbst Domovchyiski arbeitet inzwischen defensiv mit, so kam es in der ganzen letzten halben Stunde kaum zu Gefahr. Erst als der Coach mit zwei Auswechslungen in der letzten Minute den Sieg über die Zeit schaukeln wollte (und Kacar mit unnötig voreiliger Jubelgeste das Feld verließ), gab es noch einen kleinen Hinweis vom Schicksal: Pitroipas Schuss in der 92. Minute hätte die Jubilatio praecox fast noch der Lächerlichkeit preisgegeben. Er ging an die Latte, die Hertha ging in die Kurve und ließ sich feiern. Wie kam es zu der Steigerung in der zweiten Halbzeit? In der Pause lief ein wenig unmotiviert der Song "Ramalamadingdong", vielleicht war das ja eine Art Geheimcode.

Donnerstag, November 13, 2008

Zorn

Valdano schreibt mit Recht, dass ich Josip Simunic nicht mit der Landnahme, sondern mit dem Strafgericht in Verbindung bringen sollte. Er kann auch selten grimmig schauen, unsere Abwehrsäule (schon wieder ein biblisches Motiv!). So richtig zornig aber war Voronin mit dem wehenden Haar (unser Simson!) am vergangenen Sonntag auf den Bulgaren Valeri Domovchyiski, der ganz spät im Spiel einen kaum zu vergeigenden Konter zuerst vergeigte und dann den Rebound nicht zu Voronin mit dem wehenden Haar hinüberspielte, der sicher das 2:0 gegen Hoffenheim gemacht hätte. Die Begebenheit überschattete den großen Sieg ein wenig, inzwischen ist der Zwist ausgeräumt, er gibt mir aber eine gute Gelegenheit, zu den aktuellen Dingen überzuleiten. Denn der Mannschaftsarzt der Hertha hat heute Amine Chermiti und Patrick Ebert offiziell für fit erklärt, was die Optionen für das Heimspiel gegen den HSV am Samstag fast schon beunruhigend vermehrt. Erstes Opfer dürfte Valeri Domovchyiski werden, der am Ende der letzten Saison im Abschlussspiel von Oliver Kahn noch eine kleine unverfrorene Tat vollbracht hatte (ein Kitzeltor gegen den Titanen, ein Titel aus dem griechischen Referenzraum), seither aber nur noch glücklose Kurzeinsätze bekam. Pantelic wird wohl auch nicht sofort in die Mannschaft zurückkehren, rechnen wir mit einem Sturm Voronin-Raffael und vielleicht schon wieder mit Ebert auf dem rechten Flügel, im Wirbelwindwechsel mit Nicu, der links beginnen dürfte. Bleibt zentral der Dreikampf Cicero-Kacar-Dardai, es sei denn, Coach Favre lässt sich wieder einmal auf ein taktisches Experiment ein und opfert von Beginn an den mäßigen Marc Stein mit seiner Antikenmähne. Meinen Zorn würde er sich damit nicht einhandeln, obwohl ich ein prinzipieller Verfechter der Viererkette und des Flügelspiels bin.

Dienstag, November 11, 2008

Geschichte

Wie sich die Zeiten ändern: Vor drei Jahren stand Hertha auch auf dem fünften Platz nach 12 Spieltagen, sie hatte ebenfalls 21 Punkte, sechs Siege, drei Remis und drei Niederlagen, sie hatte sogar eine bessere Tordifferenz. Aber im Rest der Saison kamen dann nur noch 27 Punkte hinzu, am Ende war sie mit matten 48 Zählern und eine Tordifferenz von plus 4 auf Position 6. Im letzten Spiel gab es eine Niederlage beim 1. FNC, und Josip Simunic handelte sich eine rote Karte ein. Was spricht dafür, dass die Sache dieses Mal besser verläuft? Nun, damals handelte es sich um eine Mannschaft (und einen Trainer: Falko Götz) im Niedergang. Sie hatte im Jahr davor ganz knapp die CL-Qualifikation verpasst (viele erinnern sich noch an das torlose Remis gegen Hannover am letzten Spieltag), nun war Bastürk dauernd verletzt und Marcelinho musste, mit Nebenleuten wie Ellery Cairo (!), das Offensivspiel fast allein tragen. Niko Kovac dominierte das Mittelfeld, und "Zecke" Neuendorf machte den Joker. Dass das erst drei Jahre her ist, ist kaum zu glauben. Gestern präsentierte sich bei der Mitgliederversammlung, an der ich nicht teilnahm, eine ganz andere Mannschaft, mit Leuten wie Gojko Kacar und Andrej Voronin, und mit einem Josip Simunic, dessen Abgeklärtheit fast biblische Züge annimmt. Er macht den Moses, der gelegentlich sogar Vorstöße ins gelobte Land des Offensivspiels wagt, selbst aber nicht wirklich dort hin muss. Die Schulden sind auf 29 Millionen gesunken. In Tottenham haben sie den Sportdirektor Damien Comolli so lange fuhrwerken lassen, bis er zehn in Berlin hochwillkommene Millionen für zwei Spieler überwiesen hatte, die da wie dort nicht gebraucht werden (Boateng und Gilberto). Jetzt ist Comolli gefeuert, in der Jahresbilanz der Hertha, für die er doch gar nicht gearbeitet hat, hat er aber hat er noch einen dicken Posten hinterlassen: fünf Millionen Euro Gewinn. Comolli war, wenn man so will, der englische Vertreter der "Blase". Hertha aber macht derzeit in alter Ökonomie: Ernähre dich redlich, sei fleißig, und zähme deine Größenphantasien. Das macht den Unterschied zu 2005.

Montag, November 10, 2008

Limit

Famoser Abend gestern im Olympiastadion. 1:0 gegen den Tabellenführer TSG 1899 Hoffenheim, verdienter Sieg, Glück war natürlich auch dabei. Unter den 60000 Zuschauern waren zahlreiche Hype-Interessenten, die das Wunderteam aus Baden sehen wollten, am Ende aber waren viele von der Hertha mitgerissen und ganz in die Intensität dieses Duells hineingeraten. Ich glaube, Hoffenheim hatte gestern den falschen "game plan". Sie haben in der ersten Halbzeit nicht mit dem letzten Nachdruck gespielt, vermutlich hatten sie das Uefacup-Match der Hertha am Donnerstag in Charkow im Hinterkopf. Wir kriegen sie schon, dachten sie. Die zweite Halbzeit brachte dann auch eine ungefähr zehnminütige Drangperiode, in der ich mir um Berlin ein wenig Sorgen machte - dann kam Hertha aber mit Macht ins Spiel zurück. Vielleicht war die Verletzung von Pantelic und die Einwechslung von Gojko Kacar der entscheidende Moment. Damit veränderte sich die Spielanlage, sie wurde variabler, davor war unser Starstürmer meist allein vorn und konnte wenig bewirken. Dann aber ging mehr in die Breite, das Match wurde insgesamt offener, bald wurde auch der Topscorer Ibisevic aus dem Spiel genommen, womit Rangnick seinem Team mehr als nur symbolisch die Spitze nahm. Hertha hat sich den Sieg gestern mit jeder Faser erkämpft. Und selbst in großer Bedrängnis zeigten die meisten Spieler ganz neue Qualitäten in der Ballbehauptung, Foulvermeidung, Passkompetenz. Wer gestern nur eben mal vorbeschaute, hat ja keine Ahnung, welche Qual das in den vergangenen Jahren oft war. Hoffenheim hat zweifellos ein beeindruckendes Potential, das 4-3-3 wird intelligent gespielt, sie sind aber auch Meister des taktischen Fouls und zerstören das gegnerische Spiel gern ein wenig zynisch. Irgendwann hatten sie zehn Eckbälle gegen vier bei Hertha, aber alle wurden souverän verteidigt. Das Tor verdankt sich der Leidenschaft von Kacar, einem reaktionsschnellen Pass von Nicu und der Professionalität von Voronin, der allein vor Haas abschloss. Danach gab es noch ein paar wogende Konter, und unter den 20000, die gestern wegen der TSG gekommen waren, sollten mindestens ein paar Bekehrte zu Hertha sein. "Am Limit" sah Coach Favre gestern seine Mannschaft, nun hat er eine Woche Zeit, mit ihr in Ruhe zu arbeiten und auf die Grundlagen dieser bisher so interessanten Saison weiter aufzubauen. Die beiden defensiven Außenpositionen bleiben ein Thema, die Position Raffaels wird sich durch die Verletzung von Pantelic für eine Weile klären, das zentrale Mittelfeld mit dem engagierten, aber auch limitierten Dardai und dem immer leicht apathisch wirkenden Cicero lassen noch Potential. Als die meisten Zuschauer schon gegangen waren, gab es auf der Anzeigetafel noch einen kleinen Witz, mit dem Berlin sich als Hauptstadt stolz nach vorn stellte: "Stop Hoffenheim - yes, we can". Yo, yo, Hertha rules ok.

Samstag, November 08, 2008

Hybris

Gerade hat Howard Webb einen neuen Premier-League-Klassiker abgepfiffen. Arsenal schlägt Manchester United mit 2:1. Das ist ein mehr als bemerkenswertes Resultat, wenn man sich die Umstände vergegenwärtigt. Arsenal ging in dieses Spiel nicht nur ohne den ersten Sturm (Adebayor kam aus Stoke mit einer Verletzung zurück, van Persie holte sich dort vor einer Woche bei einem demütigenden und würdelosen 1:2 eine rote Karte), sondern mit der angeknacksten Psyche eines Teams von jammernden Genies. Das 4:4 gegen Tottenham, als in der letzten Minute der Ausgleich für die Spurs fiel und zwei wichtige Punkte verloren gingen, die Niederlage in Stoke und das torlose Remis im CL-Heimspiel am Mittwoch gegen Fenerbahce ließen die Aussichten auf das heutige Spitzenspiel düster wirken. Das Team, das antrat, war dann noch immer weitgehend erste Wahl (Almunia Sagna Gallas Silvestre Clichy Fabregas Denilson Nasri Walcott Diaby Bendtner), aber im Live-Blog des Guardian wurde provokant gefragt: Wieviele von diesen Spielern wären bei Manchester United in der Startelf? Eben. Das Geheimnis liegt also in der eigenen Mannschaft, und Arsenal hat es heute anders gelüftet, als es seinem Image entspricht, aber so, wie es einzig möglich war: das war eine brillante kämpferische Leistung, bei der die spielerischen Glanzmomente gerade ausreichten, um durch die beiden Tore von Nasri das erlösende positive Ergebnis zu schaffen. Das Team, das durch die Hybris von Arsène Wenger, der wichtige Verstärkungen vor allem im zentralen Mittelfeld und in der Innenverteidigung einfach nicht kaufte, in eine gefährliche Fallhöhe gebracht wurde, hat sich heute durch unglaubliche Leidenschaft in der dünnen Luft behauptet. Glück war auch dabei, United hatte zahllose Chancen. Vor vier Jahren endete der lange ungeschlagene Lauf der Generation um Henry und Vieira bei Manchester United in einem häßlichen Match, das sich als Wegscheide erwies. Für die nächste Generation, für Fabregas (der damals schon dabei war) und Walcott und Diaby, könnte das heutige Match eine ähnliche Qualität haben. Nächste Woche geht es allerdings auswärts gegen Aston Villa, und es sind diese Spiele, mit denen Arsenal so oft Probleme hat.

Donnerstag, November 06, 2008

Metallica

Die amerikanische Wahlnacht habe ich trotz einer schon deutlich spürbaren Erkältung bis in den frühen Morgen verfolgt, A. und ich waren also noch live auf Sendung, als Barack Obama in Chicago vor die Menge trat. Am Mittwoch war ich dann krank, und auch heute bin ich noch ein wenig matt. Ich trödle also durch den Tag und habe mir tatsächlich die erste Halbzeit des Hertha-Spiels in Bremen noch einmal angesehen. Das 1:5 hat durch die Werder-Blamage in der CL (0:3 gegen Pananthinaikos) eine zusätzliche bittere Note bekommen. Hertha hatte ganz offensichtlich einen "game plan" in Bremen - das Spiel gegen Leverkusen sollte die Vorlage für einen weiteren Auswärtssieg abgeben. Die ersten zehn Minuten wiesen auch darauf hin, dass das möglich gewesen wäre, denn beide Teams waren fahrig und es ging wenig nach vorn. Der Fehler von Christopher Gäng beim ersten Corner war also insofern wirklich vorentscheidend, weil Hertha nämlich keinen alternativen Plan hatte. Sie spielte auch nach dem Rückstand (und nach dem 0:2 durch Diego, bei dem Gäng auch eine Teilschuld trifft) zu teilnahmslos weiter. Strukturell fiel auf, dass die Abstimmung auf den Flügeln nicht funktioniert. Stein und Cicero waren wirkungslos, auch Nicu und Chahed brachten wenig zusammen. Cicero verliert für meinen Geschmack zu viele Bälle, und er findet sehr langsam in jedes Spiel (wenn überhaupt). Heute spielt die Hertha in der östlichen Ukraine gegen Metalist Charkow im Uefacup. Ich hoffe, sie zeigt sich kämpferisch.

Dienstag, November 04, 2008

Bonhof

Bis jetzt bin ich nicht dazu gekommen, mir das Match von Hertha in Bremen noch einmal in einer Aufzeichnung anzusehen. Deswegen unterbleibt vorerst eine eingehende Analyse, und auch der Krise bei Arsenal werde ich mich erst morgen widmen, wenn das CL-Heimspiel gegen Fenerbahce Istanbul ansteht. Heute habe ich Notiz genommen von einer Entlassung: Rainer Bonhof wird in Hinkunft nicht mehr als Scout für den FC Chelsea in Deutschland tätig sein. So konkret haben wir im Fußballgeschäft bisher noch selten die Auswirkungen der Finanzkrise mitbekommen. Chelsea ist stärker betroffen als andere Clubs, weil russische Oligarchen stärker betroffen sind als zum Beispiel arabische. So trifft es nun also auch einen Mann, der in meiner frühen Fußball-Sozialisation eine große Rolle gespielt hat. Denn 1974 und 1976, als ich die ersten Turniere wahrzunehmen begann (mehr gab's damals ja kaum zu sehen im Fernsehen), war ich ein Fan von Deutschland, und näherhin zuerst von Wolfgang Overath (wegen der Mähne, aber auch, weil ich immer schon Regisseure mochte), später von Rainer Bonhof, an dem mir auch dieser kühle deutsche Name gefiel, der - wie Ballack - auch in England funktionieren würde. Rainer Bonhof ist jetzt nicht mehr Scout, leider wird seine Stelle nicht frei, sondern ganz gestrichen. In meiner privaten Liste der Wunschberufe steht dieser nämlich ganz oben: Spielerspäher, Talentescout. Morgens würde ich Coach Favre ein kleines Dossier auf den Tisch legen, am Nachmittag würde Michael Preetz schon ins Flugzeug steigen und den Einkäufern von Hoffenheim eine lange Nase zeigen. Und Hertha würde die badischen Innovationskünstler überflügeln. Dazu gehören aber noch ganz andere Abteilungen reformiert als nur die von Rudi Wojtowicz.

Sonntag, November 02, 2008

Ehrenamt

Seit gestern weiß ich, was "Werder-Wetter" ist. Der Stadionsprecher Stoffi definierte es durch Temperaturen um die fünf Grad und eine Regenwahrscheinlichkeit von 80 Prozent, die sich bis zum Anpfiff des Matches zwischen Werder Bremen und Hertha bis auf 100 Prozent gesteigert hatte. Eine Stunde vor Anpfiff war Jaroslav Drobny zum Aufwärmen gekommen, tat dann aber nichts und verschwand wieder in der Kabine. Die Sache klärte sich, als der zwanzigjährige dritte Keeper Christopher Gäng herauskam - damit hatte der Nachmittag einen zusätzlichen Spannungsfaktor. Fußball ist keine elitäre Angelegenheit in Bremen. Gestern war der "Tag des Ehrenamts", alle möglichen Vereine wurden extra begrüßt, auch die Vertreter von "Ausländern", mit der Frage: "Seid ihr schon angekommen?" Ich war jedenfalls pünktlich angekommen in Bremen, und weil ich wusste, dass ein weiterer Auswärtssieg geradezu gegen jede Kurslogik gewesen wäre, hatte ich mich vor dem Spiel noch bildungsbürgerlich abgesichert und mir die Ausstellung von John Stezaker in der Gesellschaft für aktuelle Kunst angesehen. Der Kunstgewinn würde zwar eine Hertha-Niederlage nicht vollständig aufwiegen können, das war mir schon klar. Aber die kleine Schau war eine echte Entdeckung. Zum Weserstadion ging ich zu Fuß, an der Flusspromenade entlang, schon im Werder-Wetter. Das Stadion selbst ist ersichtlich alt und zusammengeflickt, es hat kein internationales Niveau. Ich saß ganz oben unter dem Dach. Zum Match werde ich später noch eigens was schreiben, richtig geärgert haben mich eigentlich nur die Gegentore vier und fünf, weil da einige Spieler (Voronin!) schon aufgegeben hatten und nicht einmal mehr für die Ehre spielten. Der Fanblock der Herthaner machte vieles gut, die ganze zweite Halbzeit hindurch wurde der großartige Chant "Hertha BSC, ist unser Verein, wird es immer sein" gesungen, der fast ein wenig nach Trance und Ritus klingt, der in seiner unbeirrten Monotonie aber natürlich auch vom Spielgeschehen abgekoppelt war. Simunic, Pantelic, Friedrich und Dardai kamen am Ende noch in die Kurve, sie wurden freundlich empfangen. Ich ging dann zu Fuß zurück zum Hauptbahnhof, irgendwann erreichte mich von Valdano die Nachricht von der Verschärfung der Arsenal-Krise (dazu auch demnächst mehr). Die DB hatte einen Sonderzug bereitgestellt, der die Hertha-Fans nach Lichtenberg (!) bringen sollte, sie also pfleglich von der City fernhielt. Dabei gab es, so weit ich sehen konnte, keine Zwischenfälle, es wurde ein wenig gesungen, aber nicht gekloppt. Ich nahm einen ICE via Hannover, in dem Wagen, in dem ich zu sitzen kam, waren noch sechs weitere Herthaner, die gleich nach dem Einsteigen ein deftiges Lied anstimmten ("Alle Bremer stinken, weil sie aus der Weser trinken"), dies aber unter dem zivilisierenden Einfluss des lesenden ICE-Publikums bald bleiben ließen. Über die ganze Strecke wurde dann Fußball quer durch Deutschland kommuniziert, in Hannover trafen wir H96-Fans (3:0 gegen den HSV!), und noch spätabends in der S-Bahn am Hackeschen Markt wurden Hertha-Fans angesprochen und mussten mit dem Ergebnis rausrücken: 1:5 bei Werder Bremen. "An uns hat's nicht jelegen." Wohl wahr.

Freitag, Oktober 31, 2008

Weserstadion

Home, sweet home: Es gibt ja doch nichts Schöneres, als wieder daheim zu sein, am Schreibtisch zu sitzen und auf das olle Kreuzberg hinauszuschauen. Zwar rumort immer noch das Arsenal-Match vom Mittwoch in mir, da es aber morgen schon weiter geht, wird sich auch das wieder legen. Neben meinem Computer liegt auch eine grüne Eintrittskarte für das Spiel der Hertha morgen bei Werder Bremen. Ich habe mir das Ticket vor zwei Wochen aus einer Laune heraus gekauft, nun werde ich morgen wohl tatsächlich die Fahrt machen, zumal A. beschlossen hat, über das Wochenende nach Frankfurt zu fahren, wo sie sich über Ausbildungsmöglichkeiten informieren wird (sie wälzt weitreichende Pläne). Erst jetzt habe ich so richtig mitgekriegt, dass der 3:0-Sieg über Hannover auch ein Opfer innerhalb der Mannschaft gefordert hat: Raffael, der mir in den letzten Wochen, in denen ich die Hertha allerdings nur zerstreut gesehen habe, gut gefallen hat, wurde zur Pause durch Voronin ersetzt und wird nun vielleicht eher mit der drögen ersten Halbzeit assoziiert werden. Wahrscheinlich aber scheint mir, dass er morgen wieder aufläuft, und zwar neben Voronin, während der umstrittene und streitbare Pantelic auf die Bank muss. Coach Favres Umgang mit dem von den Medien schon wundgerittenen Thema zeugt nicht von großer Souveränität - ich finde im Gegensatz zum Trainer, dass Pantelic ein Star und ein Teamplayer ist, und dass er die überregionale Ausstrahlung der Hertha phasenweise im Alleingang schafft. Das muss nicht unbedingt mit einem Siebenjahresvertrag abgegolten werden, sollte aber in Rechnung stehen.

Donnerstag, Oktober 30, 2008

Nimbus

Heute werde ich nach Berlin zurückkehren, gestern saß ich noch einmal in der Wiener Sportbar, rechts lief die deutsche Konferenz, zentral ein wenig später die Übertragung des Londoner Derbys zwischen Arsenal und Tottenham auf Sky Sports. Während die Hertha einen schönen Arbeitssieg mit 3:0 gegen Hannover herausspielte, führte Arsenal mit einem jetzt schon sagenumwobenen 4:4 wieder einmal tief in die Geheimnisse des Fußballs. Was die Mannschaft von Arsène Wenger nun schon seit dieser ominösen Saison der "Unbesiegbaren" von 2003/04 immer wieder zeigt, ist gewissermaßen die Kehrseite dessen, wie Hertha sich immer mehr in die Saison und in die Liga hineinarbeitet. Arsenal hat gestern einen typischen frühen Gegentreffer durch einen Wunderschuss von Bentley hinnehmen müssen, hat dann aber das Match gedreht, nach zwei Dritteln stand es 3:1, dann fiel durch einen geistesgegenwärtig verarbeiteten Querschläger der Anschlusstreffer für die Spurs, aber schon fast im Gegenzug vollendete van Persie einen superben Konter zum 4:2. Danach war alles klar, bis Clichy drei Minuten vor dem Ende ein wenig begriffstutzig auf den Ball trat, ausrutschte und Jenas ziehen ließ, der aus 20 Metern souverän abschloss. Es gab (aus unerfindlichen Gründen) vier Minuten Nachspielzeit, an deren Ende Lennon das vierte Freak-Tor für Tottenham an diesem Abend schoss. Das 4:4 fühlte sich an wie ein Debakel, weil Arsenal einmal mehr zu erkennen gegeben hatte, dass sie zwar das Spiel so großartig wie keine andere Mannschaft beherrschen, dass sie aber keine Kontrolle darüber haben. Ihnen fehlt es an Nimbus und an Souveränität, und so murksen sie sich durch die Saison, während Liverpool ein uns andere Mal 1:0-Siege verbucht, bei denen die rigorose Kontrolle des Spiels und die Ausschaltung jeglichen Zufalls absolute Priorität hat. Arsenal schafft Dramen und Delirien, Liverpool aber könnte den Titel schaffen. Was ist mir lieber? Nun, nachdem die Hertha ja heuer ganz gut mitspielt und ich nicht ständig in der Premier League Trost für das Gestiefel in Berlin suchen muss, kann ich mit der Situation gut leben. Ich fürchte nur, dass es die Mannschaft zerreißt, wenn Arsenal heuer nichts gewinnt: Fabregas, Adebayor und einige weitere Spieler werden dann zur Beute der Großclubs, und Arsenal wird in das Mittelmaß versinken. Und um das wettzumachen, wird Hertha noch einige Epochen brauchen.

Montag, Oktober 27, 2008

Pulk

19. 18. 17. 16. 15. 15. 14. 14. 13. 13. 13. Das sind die Punktestände der Teams, die in der Bundesliga derzeit Platz 1 bis 11 besetzen. Ein dichter Pulk, in dem man schnell durchgereicht wird, wenn die Konzentration nachlässt oder die Müdigkeit überhand nimmt. Die Hertha geht also gerade durch eine harte Schule. Das 1:1 beim BVB habe ich gestern Abend unter stark entfremdeten Umständen kaum mitgekriegt - in einer Sportsbar in Wien, in der aus allen Richtungen englischer Fußball, deutsche Konferenz, American Football und Eishockey akustisch auf mich einstürzten. Ich versuchte mich aus pragmatischen Gründen auf das Londoner Derby zwischen West Ham und Arsenal zu konzentrieren, davon gab es eine Sky Sports-Übertragung auf einem Schirm, auf dem ich zuvor schon den Auswärtssieg des FC Liverpool beim FC Chelsea gesehen hatte, neben mir zwei Besucher des Filmfestivals "Viennale", die intensiv für die Reds fieberten, denen ich mich aber nicht als meinerseits Besucher dieses Festivals zu erkennen gab. Arsenal plagte sich dann zu einem 2:0 und hielt sich damit in einem Titelrennen, das auch erst eine Viertelsaison alt ist, in dem der Druck aber jetzt schon noch viel brutaler ist. In Deutschland kann Wackel-Werder immer noch alle Chancen für sich reklamieren, und Hoffenheim wird sich die Sache nach dem Match gegen Hertha Anfang November noch einmal genauer ansehen wollen. Das Remis gestern war vielleicht gar nicht so schlecht, andernfalls wäre einigen Spielern der Kamm geschwollen, so aber spüren sie die Hitze im Pulk, wenn sie am Mittwoch gegen Hannover (befindet sich im zweiten, unteren Pulk) antreten müssen.

Freitag, Oktober 24, 2008

Etap

Rechtzeitig zur zweiten Halbzeit von Hertha gegen Benfica kam ich gestern in das Diskonthotel in Graz zurück, in das mich die Gastgeber gesteckt hatten, die mich zu einem Vortrag über Kino und Religion eingeladen hatten. Ich sah also noch, wie Kacar für Dardai ins Spiel kam und die Hertha dann meiner Meinung nach eine sehr feine zweite Halbzeit spielte, bei der es ihr nur an jener letzten Klarheit fehlte, die mit größerer Erfahrung kommen müsste. Der Schock war natürlich die Zuschauerzahl. 26000. Was soll das? Was wollen die Berliner denn noch? Sind alle so große Fans von Bela Rethy, dass sie das lieber vor der Kiste sehen wollen und sich von dem öden Kommentator ein Spiel zerreden lassen, das im Stadion sicher in der zweiten Halbzeit mitreißend gewirkt hat? Denn die Hertha hat gestern gut nach vorn gespielt, ich finde, da war keine Rede davon, dass sie das Spiel nicht machen kann. Zweitens ist dann natürlich die Sache mit Pantelic öde. Als wäre das die größte Sache der Welt, kommen die Reporter davon nicht herunter. Der Serbe hat nachher übrigens ein super Interview gegeben, das ich gern einmal transkribiert lesen würde - er spricht definitiv eine eigene Sprache (Markisch?), die aber verständlich ist. Kein Stress, das war die Grundaussage. Sie wird von Coach Favre, dessen Stimme sich häufig überschlägt, immer wieder widerlegt. Aber der Trainer macht gute Figur, auch modisch. Weil Pantelic gestern das Tor gemacht hat, steht Favre wieder dort, wo er zu Beginn der Saison war - er muss aus drei Angreifern einen Sturm machen, in dem Raffael nicht fehlbesetzt wird. Der Brasilianer war gestern ein guter Antreiber, einige Manöver waren zum Schnalzen mit Zunge. In einer Stunde checke ich aus dem Etap aus, der Vormittag wird den Grazer Ausstellungen gewidmet, am Nachmittag geht es zurück nach Wien. Kein Stress, Mann.

Mittwoch, Oktober 22, 2008

Sportbars

Gestern bin ich nach Wien geflogen, wo ich mich in den nächsten paar Tagen auf dem Filmfestival herumtreiben werde (Abstecher nach Oberösterreich zur Familie und nach Graz sind auch eingeplant). Den ersten Abend verbringe ich inzwischen schon fast traditionell in der Sportbar im Ringstraßenhotel Marriott, wo ich in zugiger Atmosphäre die CL-Konferenz auf einem der unzähligen Schirme angeschaut haben (Arsenal vorn super, hinten wacklig - 5:2 bei Fenerbahce). In Berlin war derweil Valdano, Korrespondent und "private eye" dieser Seite, nicht untätig und hat folgenden Bericht zu unserer losen Serie "Josip Simunics Feierabend" beigesteuert: "Ein Champions-League-Abend in der Sportsbar meines Vertrauens – das ist meist auch eine gute Gelegenheit, das Freizeitverhalten von Jo Simunic zu studieren, der sich zwei Tage vor dem Auftritt gegen Benfica sehr entspannt präsentierte. Das erste Bayern-Tor lockte ihn weg vom Kartenspiel im Nebenraum, er blieb dann auch sitzen und verzehrte mit gutem Appetit eine nicht allzu einladend aussehende Pizza vom Lieferservice. Nach all den gastrosophischen und ernährungsphysiologischen Einlassungen über die Verpflegung von Fußballern, mit denen wir seit Klinsmanns Übernahme der Nationalelf traktiert worden sind, war das sicher kein sehr professionelles Verhalten – aber vielleicht sieht Lucien Favre die Sache ja lockerer und hätte auch gegen eine Currypommes kurz vorm Spiel nichts einzuwenden. Was Jo zu den laufenden Spielen mit den vielen Toren zu sagen hatte, muss im Dunklen bleiben, da er sämtliche Kommentare auf Kroatisch abgab. Sicher ist nur, dass er das Gros der zweiten Halbzeit vorm Spielautomaten verbrachte und lediglich ab und an zum Computer in der anderen Ecke des Lokals pendelte, an dem die Gäste ihre Wetteinsätze tätigen. Den insgesamt 36 Toren dieses CL-Abends begegnete er mit Gleichmut; er wird wohl wissen, dass Hertha da nicht wird mithalten können." Hoffe nur, dass Simunic am Donnerstag nicht zuviel Geld auf Benfica setzt. Aber da ist vermutlich doch seine Sportlerehre größer.

Sonntag, Oktober 19, 2008

Minimalismus

Gojko Kacar zeigt, wo die Hertha hin will: nach oben, in das Tabellendrittel hinter Hoffenheim. Sie will das mit dosiertem Aufwand erreichen, gestern gegen den VfB Stuttgart hat es funktioniert. Das Heimspiel endete 2:1, nach Führung durch Nicu in der ersten Halbzeit, Ausgleich durch Cacau nach einem Corner gleich nach der Pause und einem tollen späten Siegtreffer durch Gojko Kacar. In den meisten Medien wird das Spiel heute anders dargestellt, als ich es gesehen habe. Ich habe eine Hertha gesehen, die gut gearbeitet und den Schwaben den Zahn gezogen hat. In der ersten Halbzeit war allerdings wenig Nachdruck da, die meiste Zeit war Voronin mit seinem beeindruckenden Engagement auf sich allein gestellt, umgeben von dem zaghaften Nicu auf links, dem allzu lässigen Cicero und dem bissigen Dardai im Zentrum, dem unsteten Lustenberger auf rechts und der hängenden Spitze Raffael, der auf seiner Lieblingsposition allmählich in Fahrt kam. Hinten stand die Viererkette mit Chahed, Friedrich, Simunic und Stein so, dass individuelle Unzulänglichkeiten weitgehend folgenlos blieben. Entscheidend war, dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit und nach dem Ausgleich der Stuttgarter etwas für sie Neues entdeckte. Sie war hungrig, verlor aber nicht den Kopf, probierte einiges aus, und wurde mit einem großartigen Tor belohnt. Für dieses eine Mal muss ich sogar Abbitte bei Pal Dardai leisten. Er hat gestern gut gespielt und mit seiner Leidenschaft wesentlich für Zug nach vorn gesorgt. Dass der vertikale Pass in den leeren Raum (österreichisch: der Lochpass) nun schon zum dritten Mal in Serie funktioniert hat, hängt mit einer gewachsenen Laufbereitschaft zusammen und mit der Unverdrossenheit, die ein Fußballer einfach braucht, wenn er drei, vier Mal vergeblich startet - der fünfte Sprint findet dann Träsch einen Schritt zu weit hinten, das Abseits ist aufgehoben, den Rest erledigt Nicu. Die Hertha agiert minimalistisch in dieser frühen Saison, sie hat jetzt zehn Tore geschossen, aber nur neun bekommen. Sie ist, das wird Armin Veh zugeben, schwer zu spielen. Marko Pantelic sah das Spiel von der Ehrentribüne aus. Es kann ihm nicht gefallen haben, was er da sah: nach vier Jahren der absoluten Unentbehrlichkeit glauben jetzt nur noch die Medien daran, dass es ohne ihn in Berlin nicht geht. Coach Favre steht nun vor dem Problem, seinen Star wieder zu integrieren. Mein Mann des Spiels war aber gestern Voronin, denn sein Aufwand blieb ohne persönliches Ergebnis, und doch schuf er die Räume, in die Raffael und Kacar dann gingen.

Freitag, Oktober 17, 2008

Bulletin

Nach einer Länderspielpause zücken die Clubtrainer erst einmal ihre Notizblöcke und schreiben auf, wer mit welcher Verletzung und wer heil zurückgekommen ist. Bei der Hertha ist die Sache glimpflich ausgegangen. Arne Friedrich muss zwar seine Auswechselung nach zwei Dritteln des Spiels gegen Wales wegstecken (und die Tatsache, dass er in der Nationalmannschaft isoliert wirkt und von sich aus wenig dagegen unternimmt), er ist aber einsatzbereit und wird morgen gegen Stuttgart wohl in der Innenverteidigung auflaufen. Dieser Job lässt sich konservativer interpretieren, das liegt dem Hertha-Kapitän mehr. Marko Pantelic hat wesentlich dazu beigetragen, dass Serbien die Österreicher in deren Heimstadion mit 3:1 gedemütigt hat. Am Donnerstag hat er sich auf den Lorbeeren dieses Triumphs (respektive auf seinem Sofa in Berlin) ausgeruht und das Training mit der Hertha geschwänzt. Den Berliner Tabloids, die dringend eine Geschichte brauchen, hat das gut gepasst, sie haben den ganzen Tag bei Pantelic angerufen, der hatte aber sein Handtelefon auf lautlos gestellt und in der Sporttasche, wie "Bild" spätabends erfuhr. Schwieriger ist die Situation bei meiner anderen Lieblingsmannschaft: Zu Arsenal kam eine ganze Reihe ramponierter Spieler zurück. Gallas, Sagna, Bendtner, Fabregas, Djourou sind angeschlagen. Das sieht alles nicht so gut aus bei meinem "Dream Team", das am Samstag gegen Everton in den Kampf muss. Get well soon, boys!

Montag, Oktober 13, 2008

Verkaufen

Zwei Börsennachrichten, weil es gerade in die allgemeine Stimmung passt: Die Aktie von Borussia Dortmund hat einen historischen Tiefstand erreicht, sie notiert knapp über 90 Cents, vor acht Jahren hatte sie elf Euro gekostet. Das ist eine Unterperformanz, die nicht einfach parallel mit dem in der allgemeinen Liquidität ersaufenden Kapitalismus einher geht, sondern schon speziell mit dem Fußballstandort Deutschland zu tun hat. Die komplementäre Nachricht liefert dafür vielleicht sogar eine Erklärung: Die Aktie von Premiere wird von Analysten auf "Verkaufen" gestuft, es gibt ein Kursziel von 0,50 Euro (momentaner Stand 2,91), irgendwann stand das Papier einmal bei 40 Euro. Seither hat sich herausgestellt, dass der arrogante Bezahlsender nur 800000 Sportkunden hat, die wiederum vor allem wegen des Fußballs dabei sein werden. Das bedeutet, dass die Bundesliga niemals so irre Summen erwirtschaften wird können wie England oder Spanien, wo die Pay-TV-Angebote auf breiterer Basis durchgesetzt wurden und wo schon der Fernsehfußball ein teures Vergnügen ist (von den Stadionpreisen nicht zu reden). Nun könnte man daraus auch eine positive Lehre ziehen: Die Bundesliga mit ihrem Modell der auskömmlichen Wirtschaft hat sich von den Ausschlägen der Börsenwirtschaft gut abgekoppelt. Selbst der BVB spielt ja noch immer mit, und - nachdem die Hertha ihn vor ein paar Wochen aus Faulheit von der Kippe springen ließ - sogar wieder weiter oben. Es müsste der Buli jetzt nur gelingen, durch kompetente Arbeit an vielen Orten den internen Konkurrenzdruck so zu verstärken, dass die Mannschaften bei einem Antreten im internationalen Bereich nicht so geschockt sein müssen, wie sie es heute noch häufig sind. Vieles spricht dagegen, denn Systeme nivellieren sich häufiger auf ein Mittelmaß, so auch die deutsche Liga. Das ist auch all denen bewusst, die das Niveau mit Finanzspritzen heben wollen, wobei Manager Hoeneß von Hertha BSC bisher wenigstens nur von konservativen Kapitalisierungen gesprochen hat. Immerhin ist die Hertha so billig auch nicht, dass wir Fans sie kaufen könnten. Schade eigentlich, im Moment ließen sich viele Ersparnisse mobilisieren, schätze ich.

Sonntag, Oktober 12, 2008

Poker

Das Länderspiel zwischen Deutschland und Russland habe ich nicht gesehen. Über Arne Friedrich lese ich, dass es eine für ihn typische Leistung war, eher unauffällig, sporadisch interessant, aber auch fehlerhaft. In die Vertragsverhandlung mit der Hertha geht er mit dem Selbstbewusstsein eines Nationalspielers, das er als Nationalspieler allerdings selten zeigt - dort ist er ein Mitläufer. Im Club hat er zuletzt zentral (und gut) gespielt, diese Position mag er lieber, im Nationalteam hat er dort aber nur den Status einer Zweitbesetzung. Die Berliner Tabloids melden heute, dass Hertha einen Linksverteidiger kaufen könnte, um Marc Stein auf rechts einsetzen zu können. Die Nachricht gehört schon zum Poker um Friedrich, denn Manager Hoeneß wird es nicht vertreten können, einem guten, aber keineswegs herausragenden Spieler einen Lebensabendvertrag zu geben, der sich wie ein "golden handshake" zu Lebzeiten anfühlt. Meine Landsleute, die Österreicher, haben sich gestern bei ihrem Angstgegner auf den Färöer-Inseln wieder einmal eine Blöße gegeben und sind über ein 1:1 nicht hinausgekommen - inwiefern dabei die schockierende Nachricht vom Unfalltod des Politikers Jörg Haider vielleicht den Geist gelähmt hat, kann natürlich niemand wissen. Wie die Herthaner sich international geschlagen haben, werde ich morgen dem "Kicker" entnehmen, für eine Online-Recherche fehlt mir heute die Zeit.

Freitag, Oktober 10, 2008

Hauptsponsor

Heute war ich kurz in Hamburg, aus beruflichen Gründen. Dabei habe ich auch erstmals die schnelle Verbindung im ICE ausprobiert, astreine Sache, alles pünktlich früh am Morgen, legere 20 Minuten Verspätung am Nachmittag. Es ist nicht so, dass man in Hamburg an jeder Straßenecke das Gefühl hat, in der Stadt des kommenden deutschen Fußballmeisters zu sein. Aber ein bisschen freuen würde es mich schon, wenn die Hertha den selben Hauptsponsor wie Arsenal hätte: die Fluglinie Emirates, die angeblich ja auch mit Berlin verhandelt hat seinerzeit, nun aber auf der Brust von Jerome Boateng e.a. prangt. Die Deutsche Bahn ist zweifellos ein guter Ersatz, das Ekel Mehdorn hin oder her. Dieser Herbst wird nun aber auch in zweifacher Hinsicht richtungsweisend sein für die Zukunft dieses (auslaufenden) Vertrags: Erstens wäre es angeraten, dass die Hertha bei den attraktiven Uefacup-Spielen auch attraktive Leistungen und vielleicht sogar Ergebnisse bringt, und damit das elegante rotweiße DB-Logo nicht in die Nähe von Sedativen rückt. Zweitens hat die Bahn gerade ihren Börsengang verschoben, wodurch die Hertha jetzt auch ein wenig von der Zukunft des Kapitalismus selbst abhängt - das "going public" des Staatskonzern war ja eines der Motive, sich einen Fußballclub als Werbeträger zu suchen. Vielleicht gibt es das "public" aber bald nicht mehr in der Form, wie wir es kannten. Dann müsste man sich den Hauptsponsor im Mittelstand suchen: Konnopke?

Dienstag, Oktober 07, 2008

Losglück

Ist das nun Lospech, oder Losglück, dass Hertha BSC in der Gruppenphase des Uefacups zwei attraktive und zwei schwierige Gegner zugelost bekommen hat? Benfica Lissabon (Heimspiel am 23. Oktober) ist für mich vor allem deswegen von Interesse, weil José Antonio Reyes dort gelandet ist, einstmals Arsenal, von dort nach Spanien zurückgekehrt und nun in Portugal gelandet. Er ist ein großartiger Fußballer, dem aber in vielen Bereichen das Zeug zum großen Fußballer zu fehlen scheint. Benfica wird die Hertha das Laufen lehren, darauf freue ich mich, auch wenn ich das Spiel nicht live sehen kann, weil ich zu diesem Zeitpunkt in Wien sein werde. Danach eine Auswährtsfahrt in die Ukraine, zu Metalist Charkow, die unbekannte Größe, da sehe ich die Hertha eindeutig in der Außenseiterrolle. Der Schlager wird sicher das Heimspiel gegen Galatasaray Istanbul, bei dem Hertha vermutlich - wie bei den Spielen gegen den FC Bayern - im eigenen Stadion ein Auswärtsspiel haben wird. Und kurz vor Weihnachten nach Griechenland, wo Olympiakos Piräus dann hoffentlich immer noch damit hadern wird, dass sie gegen Anorthosis Famagusta die CL verpasst haben. Drei von fünf Mannschaften kommen weiter. Leicht wird das nicht, aber allzu leicht war der Uefacup bisher für die Hertha in diesem Jahr. Jetzt kann sie zeigen, dass sie das auch in Zukunft haben, tun, genießen will - in Europa spielen, mit Mannschaften, deren Namen nach Fußball klingen.

Jesus

Coach Favre hat einen kuriosen Blick in seine Vorstellungswelt gegeben, als er Keeper Drobny, der gegen Bayer 04 Leverkusen am Wochenende gut gehalten ist, mit Jesus verglichen hat. Die Presse hat das gleich aufgegriffen, dabei aber in der Regel in die falsche Richtung gedacht. Denn Drobny hat kein Wunder vollbracht, er hat sich einfach nur lang und breit gemacht, mit einem Wort: er hat sich für die Hertha kreuzigen lassen. Diese Körperhaltung war es, auf die Favre sich bezog, wenn ich seine eigene Geste richtig interpretiere, mit der er seine Aussage begleitet hat. Heute werden die Gruppen für die nächste Phase des Uefacups ausgelost. Einer meiner Wunschgegner kann Hertha leider nicht zugelost werden, weil er im gleichen Lostopf D ist: Aston Villa ist von den englischen Teams dasjenige, das besonders konsequent auf ein ähnliches Konzept wie Hertha setzt, dabei aber eine vorbildliche Homogenität und Stabilität und auch Aggressivität erreicht hat. Der Trainer Martin O'Neill könnte für Favre eine Inspiration sein. Hier also meine Wunschgruppe, in sechs Stunden wissen wir mehr: Tottenham Hotspur, Deportivo La Coruna, Galatasaray Istanbul, Lech Posen.

Samstag, Oktober 04, 2008

Anzeichen

Der FC Bayern hat heute gegen Bochum bis wenige Minuten vor Schluss mit 3:1 geführt, und dann noch zwei Gegentreffer hinnehmen müssen, für die es, so Uli Hoeneß später in einem Interview, "überhaupt keine Anzeichen" gegeben hatte. So ist Fußball also auch, ein Spiel aus heiterem Himmel, die Anzeichen müssen die Bayern jetzt in der Analyse suchen. Bei Bayer 04 Leverkusen werden sie heute auch nach Anzeichen dafür suchen, dass sie dieses Heimspiel gegen Hertha mit 0:1 verlieren konnten. Sie werden ihre vielen eigenen Chancen vergessen müssen und sich die Phase nach der 55. Minute anschauen müssen. Die Hertha hatte da einige Ballverluste (zum Beispiel durch Raffael oder Nicu), die so hanebüchen waren, dass ich keinen Cent auf sie gesetzt hätte (ich kam da gerade erst von einem Interview mit einem deutschen Filmemacher nach Hause, der einen Beitrag zur Lage der Nation dreht). Dann bekam die Hertha aber mehr Spielanteile, mehr vom Ball, sie begann, ihre Pässe weiter vorn zu spielen, und allmählich mehrten sich die Anzeichen dafür, dass das letzte Wort in diesem Match nicht notwendigerweise von Leverkusen gesprochen werden müsste. In der 78. Minute deutete Voronin mit der rechten Hand an, wohin er der Ball haben wollte. Nicu sah das und spielte entsprechend den Lochpass, da musste Adler zum ersten Mal die Flügel spreizen. Das war schon mehr als ein Anzeichen. Der Pass, den Arne Friedrich in der vorletzten Minute aus der Defensive herauslaufend auf den weit links hängenden Voronin spielte, war dann eigentlich eher nur entlastend, aber auch öffnend. Der Ukrainer gab sich nicht damit zufrieden, mit dem Ball an die Cornerfahre zu gehen und das torlose Remis zu halten, mit dem die Hertha heute auch schon zufrieden hätte sein müssen - er zog zur Mitte, ließ zwei Verteidiger schlecht aussehen und schoss den Siegtreffer, den Lucien Favre so dringend gebraucht hat, weil er ihm erlaubt, weiterhin auf positive Pädagogik zu setzen. Er hat heute Marc Stein eine Denkpause gegeben, Steve von Bergen rehabilitiert, und Dardai in die Mannschaft zurückgeholt. Selbst der alte Ungar lernt noch etwas beim Schweizer Coach. Die Hertha hat gespielt, wie Cottbus gegen die Hertha spielt - je länger das Spiel gedauert hat, desto mehr hat sie ihr Spiel aber über das ganze Feld entwickelt. Der Sieg war heute kein Diebstahl, hatte aber doch etwas Trickbetrügerisches: Gegner einlullen, Gegner über's Ohr hauen. Das war heute 60 Prozent alte Hertha (vergleiche das 0:0 unter Falko Götz in Stuttgart in der Meistersaison der Schwaben), 30 Prozent Anzeichen für eine neue Hertha, und 10 Prozent Dusel.