Für meine deutschen Freunde war das sicher hart, mitansehen zu müssen, wie Italien, das am Donnerstag noch so stark gewirkt hatte, gegen Spanien einbrach. Und zugleich brach auch die kleine Neidkampagne in sich zusammen, die Spanien einen faden Fußball unterstellte. Das schwierigste Spiel im Turnier, das gegen Portugal, hatten sie tatsächlich vor allem mit Gelassenheit gewonnen. Gestern aber spielten sie vertikal, als wollten sie nicht so sehr Italien als ihren Verächtern weltweit eine Lektion erteilen.
Zu gern würde ich diesen Lauf aus allen möglichen Perspektiven noch einmal genau studieren, den Jordi Alba vor dem 2:0 antrat - hatte er da schon eine Ahnung von der sich öffnenden Torgelegenheit, oder war das rein tentative Beschäftigung der Italiener? Mit jedem Meter könnte man hier vermutlich sehen, wie das Potential der Szene wächst, bis es schließlich explodiert. (Im Olympiastadion haben wir vergangenen Herbst das ligalltägliche Pendant zu dieser Szene gesehen: Patrick Hermann auf Marco Reus. )
"Die Laufwege bestimmen den Pass", diese Weisheit hat bei diesem Turnier das breite Publikum erreicht, auf dem Umweg über die Kommentatoren der deutschen Sender, die spät, aber unsanft aus ihrem Tunnelblick auf die deutsche Mannschaft gerissen wurden. Bis Donnerstag hatten sie jedes Spiel vor allem darauf hin angeschaut, wie Deutschland gegen die beteiligten Mannschaften aussehen könnte. Selbst der von mir eigentlich geschätzte Tom Bartels sieht jetzt ein wenig doof aus - er hatte sich für das spanische Spiel gegen Frankreich gar nicht richtig interessiert, so sehr sah er Deutschland schon vor dem geistigen Auge im Vorteil.
Joachim Löw wird in zwei Jahren mit einem "Luxuskader" nach Brasilien fahren, aber ein Blick auf die Altersstruktur der spanischen Mannschaft und ihrer Bank zeigt, dass die Vorherrschaft der "Furia roja" durchaus noch eine Weile andauern könnte. In der letzten halben Stunde des Finales konnte Vicente del Bosque schon Team Building für die Zukunft betreiben: ein Tor für Torres zum Aufbauen, ein paar Minuten für Juan Mata, der einmal Xavi beerben könnte, ein paar Läufe für Pedro. Wer aber wird Klose beerben? Und wird Arsène Wenger aus Lukas Podolski noch einmal etwas herausholen?
Das sind Fragen für den Sommer und darüber hinaus.