Sonntag, April 29, 2012

Durchreiche




























Eine Viertelstunde dauert die Fahrt von Oberhausen nach Gelsenkirchen, aus einer Stadt, dessen Club gestern durch eine Niederlage gegen Regensburg in die vierte Liga abgestiegen ist, in eine keineswegs besser dastehende Stadt, deren Club gestern die direkte CL-Qualifikation sichern konnte. Durch ein 4:0 gegen Hertha BSC, der nur durch eine gleichzeitig Niederlage von Köln in Freiburg noch an dem seidenen Fadens eines Heimspiels gegen Hoffenheim am kommenden Samstag hängt. Aber auch ein Sieg in diesem Spiel wäre sinnlos, wenn Köln gegen den FCB ebenfalls drei Punkte holen würde.

Doch ich greife vor, hier will ich vom meinem kleinen Ausflug gestern erzählen, der mich auch in die Fußgängerzone von Gelsenkirchen führte, wo ich mich ein paar Minuten lang auf eine Diskussion mit Koranverschenkern einließ (sinnloses Tun, einem jungen Muslim klarmachen, dass das Grundgesetz nur dann der individuellen "Abwägung" unterliegt, wenn man - geistig, kriminell oder durch Ausreise - bereit ist, dessen "Boden" zu verlassen).

Dann hinaus zur Arena, wo ich mich mit sittenwidrigen Schwarzmarktpreisen konfrontiert sah. Der Markt war aber schon am Kollabieren, sodass ich 30 Minuten vor Spielbeginn für immer noch satte 60 Euro eine Sitzberechtigung mehr oder weniger am Spielfeldrand erwerben konnte. Die Plätze neben mir blieben frei, der Wucher ging also für den Händler offensichtlich nicht auf.

Fünfte Reihe unten, das bedeutete, dass ich vom Spiel nur eine sehr spezielle Ecke mitbekam. In der ersten Halbzeit konnte ich Bastians studieren (und ein wenig Ben-Hatira), in der zweiten Halbzeit kam Hertha kaum in meine Gegend. Unübersehbar war aber auch für mich, dass es eine bemerkenswerte Personalie gab: Andreas Ottl saß auf der Bank, neben Perdedaj spielte Ronny im defensiven Mittelfeld. Im vorletzten Spiel der Saison war das also das inoffizielle Eingeständnis, dass einer der Schlüsseltransfers des letzten Sommers überhaupt nicht aufgegangen ist. Jetzt ist, trotz der saftigen Niederlage gegen Schalke, nur noch zu hoffen, dass der süddeutsche Phlegmatiker uns auch gegen Hoffenheim erspart bleibt. Und nächste Saison sowieso.

Die Idee mit Ronny wurde aber, wie so vieles in diesem seltsamen Frühjahr, nicht zu Ende gedacht. Denn er spielte im Grunde den ähnlichen Stiefel, den wir von Ottl kennen. Dabei hätte man gut daran getan, die Schusskompetenz des Bruders von Raffael einzukalkulieren. Gerade angesichts der Schwierigkeiten von Hertha, den Ball vor das Tor zu bekommen und in angemessener Personalkraft aufzurücken, hätte sich empfohlen, Ronny mehrfach für Distanzschüsse in Position zu bringen. Doch davon war bis auf eine Ausnahme nichts zu sehen.

Hertha spielte eine halbe Stunde lang passabel mit, schon da war aber zu sehen, wieviel professioneller Raul die Rolle der falschen Neun anlegt im Vergleich zu Raffael. Schalke spielte geschickt zwischen den Linien, Hertha hatte Mühe, überhaupt nur die Linien zu finden, geschweige denn, sie geistesgegenwärtig aufeinander abzustimmen. Als Hubnik bei einem Solo von Matip die Viererkette verließ, war die Sache erledigt: Janker war auf den Ball fixiert, statt auf den Raum zu achten, der ihm oblag und in dem Huntelaar sich in Ruhe präsentieren konnte. Drei weitere Tore nach der Pause sorgten für eine schließlich deutliche Niederlage in einem Spiel, in dem lange Zeit der Klassenunterschied so ersichtlich nicht war. Laufleistungen von unter 110 Kilometern auf beiden Seiten zeigen aber auch, dass es für S04 ein gemütlicher Sieg war.

Egal wie die Sache am kommenden Samstag ausgeht: Hertha steht vor einem grundsätzlichen Neubeginn. Rehhagel, Tretschok und Covic dürfen maximal noch drei Spiele verantwortlich sein, danach braucht es ein Konzept für Fußballkompetenz, die auf allen Ebenen fehlt. Das Schicksal von Oberhausen, gegen die vor nicht einmal zwei Jahren Marco Djuricin seine 15 Minuten im Rampenlicht hatte, ist nicht vergleichbar, aber es ist ein Hinweis darauf, dass es hinunter schneller als hinauf geht.

Samstag, April 28, 2012

Turnhalle

Wenn der Spieltag schlecht verläuft, könnte heute schon der zweite Abstieg von Hertha innerhalb zweier Jahre feststehen. Das Auswärtsspiel bei Schalke 04 in der "Turnhalle", wie die lokale Arena von Berliner Fans verächtlich genannt wird, findet unter in jeder Hinsicht schwierigen Voraussetzungen statt. Durch die Sperren von Kobiashvili und Niemeyer fehlen wichtige Defensivkräfte (vor allem solche, die auch offensiv nicht ganz taub sind), wie es mit der Fitness von Hubnik, Janker oder Morales (den ich für einen Kandidaten für die Innenverteidigung halte) steht, war bis Freitag unklar. Nun sieht es allerdings so aus, dass wir mit einer relativ orthodoxen Viererkette rechnen können: Lell, Hubnik, Janker, Bastians.

Davor wohl Ottl und Perdedaj, weiter vorne Raffael und Lasogga, außen vermutlich weiterhin Rukavytsya und Ebert (wer auch immer auf den Flügeln spielt, er wird sich strecken müssen, nach hinten, nach vorne, nach innen und nach außen). Aus den letzten drei Auswärtsspielen hat Hertha fünf Punkte geholt, das macht den Fans Hoffnung. So richtig überzeugend war dabei allerdings nur das Spiel in Mainz, in Gladbach ging offensiv wenig bis gar nichts, und das Spiel in Leverkusen war "hors categorie" (soll heißen: von beiden Seiten unzurechnungsfähig). Doch warum nicht auf einem trügerischen Sachverhalt aufbauen? Die Statistik weist die Richtung: Ein Punkt sollte möglich sein, drei müssen das Ziel sein.

Dabei kommt ins Spiel, was die Morgenpost in einem Interview mit dem Sportpyschologen Thomas Ritthaler herausgearbeitet hat. Wie steht es eigentlich mit der Motivation? Der Experte differenziert die Gründe dafür, sich anzustrengen und die Furcht und die Drögheit zu überwinden, in drei Begriffe: Motiv, Anreiz, Erwartung. Das Problem bei Hertha ist, dass die Mannschaft in dieser Hinsicht deutlich auseinanderfällt. Dass nach den beiden verlorenen "Entscheidungsschlachten" die Erwartungen stark gesunken ist, dürfte wohl für den Großteil der Spieler gelten. Der Anreiz, auch im kommenden Jahr für einen Chaosclub in der ersten Liga zu spielen, ist hingegen nur für einige der mittleren und jüngeren Spieler gegeben. Die besseren wissen, dass sie Perspektiven haben.

Namentlich mit Raffaels Berater hätte man diese Woche noch einmal sprechen müssen. Der Abschied des Brasilianers ist wohl in beiden Szenarien einzuplanen, wenn er sich heute aber noch einmal richtig anstrengt und vielleicht einen spielprägenden Auftritt liefert, wenn er also eventuell zum Verbleib von Hertha in Liga eins beiträgt, dann wäre mit einer höheren Ablöse zu rechnen - und auch Herr Lamberti hätte etwas davon. Bei einem niedrigfrequenten Metronomiker wie Ottl empfiehlt sich sowieso eher ein Wechsel in ein Büro, bei Lasogga oder Kraft kann man auf Integrität bauen, bei Lell kennt sich kein Mensch mehr aus, und Ramos wirkt insgesamt nicht wie jemand, dem es richtig gut geht. Es müssen also viele individuell angesprochen werden, und das muss dann taktisch zusammengefügt werden. Davon ist seit Wochen nicht viel zu sehen.

Es gibt also wenig Grund zum Optimismus, eher schon müsste man auf fremde Hilfe hoffen. Wenn Freiburg sich gegen Köln noch einmal anstrengt (oder einfach mit Euphorie siegt), dann hätten wir kommenden Samstag das hochnotpeinliche Entscheidungsspiel gegen den Trainer mit den "privaten Gründen". Darauf zu hoffen, ist eigentlich ein wenig absurd angesichts der Heimneurose von Hertha, aber was bleibt uns übrig.

Ich bin übrigens zur Zeit beruflich in Oberhausen und werde selbstverständlich heute die kurze Zugfahrt nach Gelsenkirchen machen, um vor der Turnhalle die Lage zu sondieren. Irgendeine Karte werde ich wohl noch organisieren können, denke ich. Und dann hoffe ich das Beste.

Donnerstag, April 26, 2012

Doppelmoppel

Beginnt sich da gerade ein großer Sommer für Fußballdeutschland abzuzeichnen? In der CL jedenfalls wurden die beiden spanischen Giganten im Halbfinale gestoppt, weder Real Madrid noch der FC Barcelona konnten dabei die hohen Erwartungen wirklich erfüllen. Vor allem das Spiel im Bernabéu gab dabei wieder einmal ein Beispiel für die faszinierende Logik dieser Hin- und Rückspiele mit Heim- und Auswärtstoren. Wer immer diese Regel erfunden hat, es kann ihm nicht wirklich bewusst gewesen sein, wie genial sie ist. Denn das Rückspiel wird dadurch für die Heimmannschaft zu einer Gratwanderung, die an Schwierigkeit kaum zu überbieten ist, und entgegen der häufig geäußerten Logik ist es oft besser, zuerst daheim anzutreten.

Der FC Bayern sah zwar gestern eine Viertelstunde lang ein wenig dumm aus der Wäsche, aber selbst nach dem schnellen 0:2 werden sie irgendwo noch gewusst haben, wie das damals in Manchester war, als es sogar schon 0:3 stand, und ein Tor vor der Pause die ganze Dramaturgie des Abends veränderte. In Madrid fiel der Anschlusstreffer schon nach einer halben Stunde, von diesem Moment an herrschte "Gleichstand", wie Marcel Reif mehrfach fasziniert bemerkte. Doch das stimmt nicht. Von diesem Moment an herrschte bei Torgleichstand das spezifische Ungleichgewicht, dass Madrid gegen ein eventuelles Bayern-Tor zwei hätte machen müssen. Das führte zu dieser faszinierenden Veränderung im Aggregatzustand des Spiels, das dann noch 60 Minuten kontrollierte Bemühungen brachte, nach einer wilden ersten Halbzeit, in der es hin und her ging, als wären da zwei Show-Truppen bei einer Exhibition zugange.

Ich bin kein Fan des FCB, ich bin auch kein Fan des Chelsea FC, deswegen hätte ich lieber Real im Finale gesehen. Aber es gab einen Moment, in dem mir das egal war. Es war zu Beginn des Elfmeterschießens, als der neunzehnjährige David Alaba ein direktes Duell gegen Cristiano Ronaldo austrug - erster Schütze gegen erster Schütze. Supertalent gegen Superstar. Alaba schoss überzeugend, Ronaldo schoss ohne Überzeugung. Das erwies sich als uneinholbar, obwohl dann sogar noch Lahm und Kroos vergaben. Die Geschichte von David Alaba erschließt sogar mir etwas von dem Bayern-Moment, der sich da gerade entfaltet.

Interessant übrigens, welches Licht das gestrige Spiel auf den deutschen Klassiko von neulich zurückwirft, der daneben auf jeden Fall bestens besteht, auch wenn damals keine Auswärtstore im Spiel waren, gegen die man doppelt moppeln muss. Robben durfte sich für seinen Elfmeter in Dortmund rehabilitieren, im Elfmeterschießen aber war er nicht vorgesehen, da fiel die Verantwortung auf Bastian Schweinsteiger. Er ließ Casillas keine Chance, und so kommt es in drei Wochen zu einem ersten großen internationalen Finale in diesem Jahr, in dem Spanien nicht vertreten ist.

Dienstag, April 24, 2012

Mitnahmeeffekt

Während aus dem nicht öffentlichen Innenleben von Hertha BSC verlautet, dass die Mannschaft vor dem Spiel bei S04 in ein Trainingslager einberufen wird (wo dann vielleicht dringend benötigte "team building"-Einheiten auf dem Programm stehen), beschäftigen sich die Medien mit zwei Themen, die alles andere als spruchreif sind.

Es geistern Gerüchte durch den Raum, dass ein "Investor" einsteigen möchte, der 10 bis 15 Millionen Euro zu zahlen bereit wäre. Dass mehr oder weniger im selben Atemzug auch Ralf Rangnick dem "kicker" bestätigt hat, dass es "Kontakte" zu Hertha gibt (aber keine "Gespräche"), passt in dieses Bild, denn jeder Investor, und sei es einer aus der Berliner Gebäudereinigungsbranche, ist an einer Perspektive interessiert - andernfalls wäre er nur ein Löcherstopfer.

Aus der Perspektive der Öffentlichkeitsarbeit von Hertha BSC müssen beide Nachrichten als höchst willkommen erscheinen - sie sind vage genug, um keinerlei konkrete Hoffnungen zu wecken ("Kontakte" kann heißen, dass Manager Preetz zweimal bei Rangnick angerufen hat); sie sind aber spannend genug, um die Fans ein wenig von der deprimierenden Gegenwart abzulenken und schon einmal "mitzunehmen", notfalls in die zweite Liga.

Mitzunehmen wäre dabei allem Anschein nach auch das gegenwärtige Führungspersonal: Manager Preetz, Präsident Gegenbauer, Finanzchef Schiller. Der Finanzchef hat einen Vertrag, der Präsident muss gewählt werden, im Falle von Michael Preetz gibt es auch einen Vertrag, dem im Falle eines Abstiegs die Ehrenfrage gegenübersteht, ob er auf Erfüllung seines Vertrags bestehen möchte. Soll heißen: ob es nicht eine Sache des Anstands wäre, in so einem Fall von sich aus zurückzutreten. Doch so weit sind wir noch nicht, wir sind erst in der Phase, in der Absichten erkennbar werden.

Wir sehen hier einen schönen Fall von zweigleisiger Lebensplanung. Michael Preetz möchte, so sieht es aus, auf beiden Gleisen, auf denen der Club sportlich weitermachen könnte, auch persönlich weitermachen. Dafür bringt er sich in Stellung, das eine oder andere "Leck" auf der Geschäftsstelle wird dabei eine Rolle spielen. Wobei man bei der Zeitung, bei der ich gestern die Gratiszustellung des Jubelhefts abbestellt habe, ja nie genau erkennbar ist, ob sie für ihre freien Fantasien überhaupt einen Anker im Faktischen braucht.

Als Fans leben wir immer ein bisschen im Fiktiven. Die Realität ist, dass es Geld nicht gratis gibt, und dass gute Trainer schwer zu kriegen sind. Dass Hertha also gerade jetzt in Zusammenhang mit Geld und einem guten Trainer gebracht wird, wirkt ein bisschen wie die Karotte, die man dem Esel vor die Nase hält, damit er nicht einfach stehenbleibt.

Sonntag, April 22, 2012

Abschiedsvorstellung




























Der FC Köln hat gegen den VfB Stuttgart gepunktet, Hertha hätte also einen Sieg gegen Kaiserslautern gebraucht - doch was wurde daraus: eine Bankrotterklärung, die mit 1:2 numerisch noch glimpflich ausfiel. Was immer diese Woche im Training gearbeitet wurde, es war davon auf dem Platz nichts zu sehen. Langsam könnte man den Eindruck bekommen, dass die Verantwortlichen nur noch darauf hoffen, dass sie auch einen Abstieg zu einem "nicht öffentlichen" Ereignis erklären können. Denn jedes Mal, wenn dieses Team in Berlin in Erscheinung treten muss, wird es peinlich. Am Ende stellte sich sogar Manager Preetz gegen die Mannschaft. Doch wer spielt hier eigentlich gegen wen?

In einer ganz langfristigen Perspektive könnte man sagen, dass Hertha sich mit der Bestellung von Friedhelm Funkel vom modernen Fußball abgekoppelt hat. Der eineinhalb Jahre tätige bajuwarische Chefgenetiker konnte dies nur in Teilen korrigieren, auch sein Ansatz (Sechserkette plus sporadische offensive Highlights) brachte nur halben Fußball, unter Skibbe gab es noch einmal Ansätze zu einer Integration (das Pokalspiel gegen Gladbach), doch unter Rehhagel, Tretschok und Covic zerfielen die letzten Reste von Organisation engültig.

Hertha spielte gestern mit einer improvisierten Abwehr, doch es war nicht der links aufgebotene Fabian Holland, von dem die Probleme ausgingen. Es war das generell seit langem ungelöste Problem der Rückwärtsbewegung, es war die absolut nicht vorhandene Abstimmung der defensiven Laufwege, es war ein designierter Führungsspieler wie Christian Lell, der sich namentlich hervorheben lassen muss als seiner Aufgabe nicht gewachsen. Ob er nicht besser wollte oder nicht besser konnte, spielt wenig Rolle. Er hat seine Erstligareife irgendwo im Lauf dieser Rückrunde zurückgelassen, und trägt damit zum desolaten Gesamteindruck bei.

Dass die hochbegabten Südamerikaner schon lange nicht mehr wirklich bei der Sache sind, ist unübersehbar. Dass ein Torun, ein Ben-Hatira, ein Rukavytsya unfehlbar auf ein gutes oder passables Spiel die ganze Saison hindurch ein indiskutables folgen haben lassen, ist Indiz für mangelnde Professionalität. Dass an Andreas Ottl alles im Wesentlichen vorbeigeht, hat selbst der dümmste Fußballkommentator Deutschlands bemerkt.

Der einzige, der in Berlin noch um sein Überleben kämpft, ist Michael Preetz. Er ist der ärmste Hund, denn er war wohl wirklich überzeugt, dass Otto Rehhagel das schaffen könnte. Dass er überhaupt zu so einer Wundertüte greifen musste, hat aber mit seiner zweijährigen Arbeit (und mit der seines Vorgängers zu tun): Im eigenen Haus hat Hertha BSC kaum noch Fußballkompetenz (der FC Köln hat immerhin noch Frank Schäfer, der von Zeit zu Zeit nach vorn treten kann und überzeugende Sachen macht), der Beitrag von Tretschok und Covic bleibt seit Wochen rätselhaft.

In einer Woche spielt Hertha in der Arena auf Schalke. Das Heimspiel gegen S04 vor einem halben Jahr hätte uns allen Warnsignal sein müssen - schon damals war Leblosigkeit das wichtigste Charakteristikum dieser Mannschaft. Ausnahmen wie Niemeyer oder Hubnik haben ihren Teil zum Pech dieser Saison beigetragen, dieser Faktor spielt eine Rolle, aber nicht die entscheidende.

In den Foren wird zu Recht bemerkt, dass diese Mannschaft nicht das Format für zwei Relegationsspiele hat. Viele Fans wollen sich das also ersparen. Meinem Temperament entspricht das nicht: ich glaube immer noch an eine Chance. Aber ich ertappe mich auch schon des längeren bei dem Gedanken, dass ich von derzeitigen Spielern von Hertha nur ganz, ganz wenige vermissen würde, sollte diese Mannschaft bei einem Abstieg über die Resterampe verschleudert werden müssen.

Das Video gibt es wie immer in viel besserer Qualität auf meiner Vimeoseite.

Samstag, April 21, 2012

Punktlandung

Drei Runden vor Ende der Saison 2011/2012 steht Hertha im Kampf gegen den zweiten Abstieg in drei Jahren. Dabei ist die Situation so, dass theoretisch sogar ein magerer Punkt gegen Kaiserslautern heute reichen könnte, um die beiden Relegationsspiele zu erreichen. Denn dass der FC Köln alle drei noch ausstehenden Spiele verliert, ist zumindest nicht undenkbar, obgleich der FCB nächste Woche sicher nicht mehr mit voller Pulle spielen wird, ganz gleich, ob sie Real Madrid ausschalten werden oder nicht. Aber natürlich geht es in den ausstehenden drei Spielen auch darum, überhaupt zu zeigen, dass man in der ersten Liga bleiben will, und zwar mit einem gewissen positiven Recht. Es geht also darum, diese vermaledeite Rückrunde so gut wie möglich abzuschließen.

Probleme bereitet vor dem Heimspiel gegen den FCK die Personalsituation. Es gab während der Woche viele Meldungen über Blessuren etc, von denen nicht alle wirklich ernst zu nehmen waren. Ich bin sicher, dass heute der eine oder andere Spieler im Kader stehen wird, der gestern noch als verletzt oder fraglich geführt wurde. Schwierig wird aber auf jeden Fall die Besetzung der Defensive. Die beiden Außendecker können spielen: Bastians und Lell. Wer aber soll zentral verteidigen? Gegen eine historisch schlechte Offensive übrigens...

Eigentlich wollte ich dieses Mal darauf hinweisen, dass Morales in der zweiten Mannschaft schon häufig einen sehr guten Central Defender abgegeben hat, doch der ist scheint's auch nicht fit. Die Hertha-Seite rechnet mit Bastians in der Innenverteidigung und Ronny auf der linken Außenposition in der Viererkette - interessante Variante mit einem der großen Verlierer der Rückrunde, hochgejubelt und entsorgt von Skibbe, nie mehr ernst genommen von dessen Nachfolgern.

Der Rüffel von Kraft für Torun im Leverkusen-Spiel wirkt hoffentlich noch nach, sodass der Winger seine defensiven Pflichten nicht vergisst; das gilt in gleichem Maß für Rukavytsya. Vorne wird vermutlich wieder eine Spitze beginnen, sodass Ottl und Perdedaj das Mittelfeld bilden sollten - auch wenn es ein "Endspiel", ein "Spiele der Spiele" ist, wird sich vermutlich an der konservativen Startformation nichts ändern. Ein Modell mit Raffael neben Ottl (oder gar, Fußballgott behüte, neben Perdedaj und ohne Ottl) hätte man zwar die ganze Woche schon trainieren können, ich rechne aber nicht damit.

Während die Mannschaft also in die letzten drei Spiele dieser Saison geht, laufen hinter den Kulissen die Anstrengungen um das Überleben von Hertha BSC als lizenzierter Ligaverein. Bei Abstieg könnte die DB als Hauptsponsor aussteigen, das reißt eine Finanzlücke, die im Lizenzierungsverfahren jetzt schon hypothetisch geschlossen werden muss. Präsident Gegenbauer deutet über die Tabloiden an, dass neuerlich ein "Investor" einspringen könnte, sodass Hertha damit innerhalb zwei Jahren bald fast zwanzig Millionen Euro an Zuschüssen verbucht haben könnte, ohne auch nur die Schulden zu senken oder gar sportliche Fortschritte gemacht zu haben.

Doch dazu mehr, wenn wir mehr wissen. Gegen den FCK gilt eigentlich nur eines: Leidenschaft und Mut (und Verstand).

Mittwoch, April 18, 2012

Millionenrad

Gestern hat die DFL bekanntgegeben, wie wir in den Jahren 2013 bis 2017 die Liga sehen werden. Ganz kurz gesagt: es wird weitgehend alles so bleiben, wie gehabt, nur wird Sky eine Menge mehr für die Rechte bezahlen müssen. Dafür hat das "Wachstumsunternehmen" (Vorstandschef Sullivan) nun Planungssicherheit. Dass die höheren Einnahmen der DFL letztendlich die Kunden von Sky ausbaden müssen, kann der Liga egal sein. Fußball wird eben zunehmend wichtiger, und das heißt auch: teurer. Jetzt, da Sky nicht mehr fürchten muss, in nächster Zeit ohne Fußballrechte dazustehen, wird es sicher bald losgehen mit den Preiserhöhungen. In England ist der Fußballbezahlsender jetzt schon deutlich teurer als hier, und dort gibt es nicht, wie in der in dieser Hinsicht vorbildlichen Situation in Deutschland, alle Spiele aus Liga 1 und 2 live. Prinzipiell sehe ich auch ein, dass eine gute Aufbereitung des Sports ihren Preis hat. Was mir dabei aber nicht behagt, ist, dass Sky zwar zunehmend Premium-Preise verlangt, die Programmgestaltung sich gleichzeitig immer mehr der eines billigen Privatsenders angleicht: Werbung dringt in alle Fugen, lächerliche Shows drängen sich auf, die Analysen aber sind nach wie vor dürftig und bestehen im wesentlichen aus dem zigfachen Abspielen der Torszenen.

Die Sache mit den Rechten ist auch ein kniffliger Fall auf eine prinzipiellen Ebene. Denn das Kundeninteresse ist hier in sich gespalten. Einerseits will ich als Interessent an Liga-Fußball nicht alle paar Jahre den Anbieter wechseln oder - wie es in England ist - sogar zwei Pay-TV-Sender abonnieren müssen, um auf dem Laufenden zu sein. Insofern ist die Entscheidung für Sky also zu begrüßen, auch wenn sie de facto monopolistische Strukturen festigt. Andererseits wirken sich solche Strukturen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Preisbildung aus, soll heißen: Jetzt wird bald ordentlich abgeschöpft werden.

Die DFL wird uns erklären, dass mit den Milliarden, die letztendlich ja nicht die Medienunternehmen, sondern die Fans zahlen, der deutsche Fußball insgesamt konkurrenzfähiger werden kann. Das ist sicher nicht falsch, aber eben nur vor dem Hintergrund, dass damit die globale Hyper-Kommerzialisierung des Fußballs vorangetrieben wird. Irgendwie ist der Gedanke erregend, daß der Sport, den wir mit so viel Begeisterung verfolgen, inmitten des ganzen Geschäfts immer noch so eine vitale Unversehrtheit "auf dem Platz" bewahrt hat. Irgendwie ist der Gedanke aber auch abstoßend, dass dieses großartige Spiel immer mehr ein primäres Objekt im Kampf um die Claims in der kommenden Medienwelt darstellt. Ich will es mal so sagen: Auf www.die-zeitung-fuer-die-philipp-lahm-werbung-macht.de werde ich mir die Liga sicher nie anschauen.

Sonntag, April 15, 2012

Hand Gottes

Schon seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, dass der Fußball sich über uns lustig macht. Da überlegen sich Menschen Trainingspläne, die Spieler üben Laufwege, Mannschaften werden in Formationen gebracht, und dann passiert etwas so wie gestern zwischen Bayer 04 Leverkusen und Hertha BSC. Ein Spiel, das zur Hälfte reines Chaos war, allerdings mit der Einschränkung, dass der Zufall es sich angelegen sein ließ, mehr oder weniger eine Kopie des Hinspiels im Herbst herauskommen zu lassen: Neuerlich war das Ergebnis 3:3, neuerlich verspielte die Heimmannschaft eine 2:0-Führung, neuerlich musste die Auswärtsmannschaft schließlich ihre eigene Führung noch einmal hergeben. Das war also so etwas wie Durcheinander nach Schema, allerdings nach einem Schema, das nicht auf die Taktiktafel gehört, sondern nach Analyse von Fraktaltheoretikern verlangt.

In den herkömmlichen Kategorien des Fußballs war es ein schlechtes Spiel, das nach der Halbzeit ins Delirante kippte. In den ersten 45 Minuten hätte eine halbwegs funktionierende Mannschaft begriffen, dass Leverkusen gestern zu pflücken war ("there for the taking"). Eine konzentrierte Leistung bis zur Pause, und in den zweiten 45 Minuten wäre die Heimmannschaft auf dem Präsentierteller gelegen, präsentiert nicht zuletzt von einem reizbaren Heimpublikum. Doch dann ließ Bastians sich aus der Viererkette locken, die insgesamt stark noch links verschoben war, Lell sah sich allein Schürrle gegenüber, blieb auf neutraler Distanz und ließ so einen Weitschusstreffer zu, der gut ins Lehrbuch aller Fußballschulen passen würde (auch wegen des schlechten Defensivverhaltens).

Nach der Pause wurschtelte Kießling gegen den Behelfsinnenverteidiger Niemeyer noch das 2:0 ins Netz, und alles schien den Weg alles Herthanischen anno Frühling 2012 zu nehmen. Doch wenig später kam der Ball nach einer Ecke zu Lell, der am rechten Sechzehnereck eine eigenwillige Verzögerung einschob, bevor er einen weichen Ball auf den Elfmeterpunkt zirkelte, der immer noch scharf genug war, dass der inzwischen eingewechselte Lasogga daraus einen sehenswerten Kopfballtreffer machen konnte.

Es dauerte dann nur eine Viertelstunde, bis Hertha nach zwei Kontertoren durch den ebenfalls eingewechselten Torun 3:2 führte. Davor lag noch ein wichtiges Ereignis: Derdiyok (eingewechselt) nützte eine sanfte Berührung durch Kobiashvili im Strafraum zu einem eindrucksvollen Sturz (Marke Igor de Balotelli). Der verdienstvolle Georgier musste vom Platz, den Elfmeter hielt der saisonbeste Herthaner spektakulär und handgöttlich (man beachte das schöpfungstheologische "fiat" - "es werde" - im Bild).

In Unterzahl drehte Hertha also das Spiel. Leverkusen drehte es danach noch einmal halb zurück, am Ende hätte das Spiel komplett überdrehen können, es gab Chancen und Vorfälle für zwei weitere Tore (gegen Hertha). Aber das hätte der gestrigen Logik widersprochen, denn es ging darum, ein Replikantenspiel zu produzieren, einen kleinen Zahlenreim in der Saisonstatistik.

Der Cheftrainer mit der unendlichen Erfahrung hat mit der Einwechslung von Lasogga und Torun alles richtig gemacht, würde man nun meinen. Tatsächlich aber war das ein Spiel jenseits jeden Coachings, und was die Betreuer von Hertha sich zuguteschreiben können, ist Dusel. Aus sinnlosem Auf und Ab und Hin und Her werden normalerweise Abstiege gemacht, aber auch das muss nicht zwangsweise so sein. In meinem Achtpunkteplan für den Rest des Abstiegskampfs liegt Hertha nun im Plan (heimlich hatte ich ehrlich gesagt auf Übererfüllung spekuliert).

Für die Trainingswoche empfiehlt sich gegen die Evidenz vom Samstag präzises Arbeiten. Das ist der Existenzialismus des Fußballs: Man hat manchmal den Eindruck, dass man genauso gut würfeln könnte, da man aber nicht weiß, wer die Würfel in der Hand hat, muss man weiter strebend sich bemühen.

Samstag, April 14, 2012

Achtpunkteplan




























In der Sprache der neueren Apokalyptik müsste man sagen, dass es für Hertha BSC fünf vor Zwölf ist. Die Uhr im Olympiastadion ist da allerdings schon weiter, es ist bereits Geisterstunde oder High Noon, je nachdem, wie man das lieber hat. Faktisch sind es allerdings noch vier Spiele, das gibt Anlass zu dem Versuch einer Chanceneinschätzung. Hertha hat noch eine Chance auf den Klassenerhalt, hat die SZ diese Woche geschrieben, es spricht allerdings wenig dafür, dass diese Chance genützt wird. Warum?

Vier Mannschaften sind noch in der Konkurrenz um drei Plätze, von denen einer in zwei Entscheidungsspiele gegen einen Zweitligaverein führt. Hertha hat vier Punkte Rückstand auf den HSV, drei auf Augsburg (plus acht Tore in der Tordifferenz, was kaum aufholbar erscheint), zwei auf Köln. Alle vier Teams haben ein relativ vergleichbar schweres Restprogramm, es wird also viel von der Einstellung, vom "momentum", abhängen. Diesbezüglich hat Augsburg die beste Ausgangsposition, weil der Aufsteiger schon mehr erreicht hat, als in der Winterpause als realistisch erscheinen musste. Hamburg könnte bei einer Niederlage gegen Hannover so richtig in den "Strudel" geraten, dazu bedarf es aber auch des Drucks von hinten. Die Frage ist, ob Köln oder Hertha diesen aufbauen können.

Am Rhein haben die Verantwortlichen die letzte noch verbliebene Option gewählt und Stolbakken beurlaubt. Für ihn übernimmt Frank Schäfer, der in einer vergleichbaren Situation schon einmal abgetreten ist - nun tritt er an, um ein ähnliches "Wunder" wie damals Volker Finke zu schaffen. Eine Prognose ist müßig, weil sie nicht seriös sein kann.

Ohnehin hängt alles davon ab, ob Hertha heute gegen Leverkusen sich selbst noch einmal Mut machen kann. Prinzipiell würde man meinen, dass derzeit ein Auswärtsspiel besser geeignet ist als ein Heimspiel. Das Spiel nicht zu machen, das geht phasenweise noch halbwegs, es wird heute allerdings aufgrund der Probleme mit dem zentralen Defensivpersonal besonders schwer werden, nach vorne etwas zuwege zu bringen. Niemeyer wird vermutlich in die Innenverteidigung rücken, Perdedaj könnte für ihn neben Ottl spielen, offensiv sollte es keine Überraschungen geben (ich würde mit Ben-Hatira und Ebert beginnen, weil ich Flanken für erfolgsträchtiger halte als Rukas Sprints, auch defensiv halte ich Ebert für effektiver, im Rahmen des herthanisch reellen natürlich).

Ich weiß, dass Fußballprofis nicht gerne lang stillsitzen wollen, aber es gab neulich zwei Spiele in der Premier League, die man sich zur Orientierung ansehen hätte können. Wigan hat am Montag Manchester United verdient 1:0 geschlagen, noch interessanter aber fand ich, wie Queens Park Rangers kürzlich Arsenal mit 2:1 richtiggehend niederrangen. Was Spieler wie Taarabt oder Zamora damals zeigten, ist exzellentes Trainungsmaterial, und auch in Sachen Mannschaftsorganisation waren das Lehrstunden.

An Gesamtorganisation mangelt es Hertha am meisten, und zwar schon über den Großteil der Saison (wobei man der Gerechtigkeit halber sagen muss, dass es auch in der Rückrunde noch plausible Leistungen gab: gegen Gladbach im Pokal, gegen den BVB). Wir werden sehen, ob es während der Woche gelungen ist, da noch einmal einen Ansatz zu finden, der vielleicht auch eine üble Laune des Schicksals wie die Hubnikiaden von Dienstag verkraften hilft. Ein Punkt in Leverkusen wäre die Voraussetzung für einen Achtpunkteplan, der noch auf 35 Punkte führen könnte. Bangemachen gilt nicht.

Mittwoch, April 11, 2012

Selbsthilfegruppe




























Alle spielten für Hertha, nur Hertha spielte gegen sich selbst: So könnte man das Fazit des Ligaspieltags 30 in der Saison 2011/2012 ziehen. An einem Dienstagabend bei angenehmen Bedingungen verloren Augsburg und Köln ihre Spiele, aber auch Hertha verlor gegen den schon seit einiger Zeit nicht mehr direkten Konkurrenten Freiburg mit 1:2. Man muss sagen: verdient. Die Niederlage bestand zu einem kleineren Teil aus Pech, zu einem größeren aus Verzagtheit, zum größten Teil aber wohl doch aus schlechter Einstellung. Der Gegner aus dem Breisgau hat im Winter nach einer schlechten Hinrunde einen neuen Mann aus dem Apparat gezaubert: Christian Streich. Man würde sich wünschen, in Herthas Apparat wären irgendwo ähnliche Begabungen, ähnliche Charaktere, ähnliche Verbindungen von Charisma und Fußballintelligenz (das Schrullige an Streich wäre hier allerdings schwerer zu vermitteln, in einer Stadt, die sich gern über alles Süddeutsche lustig macht). Aber hier hat Michael Preetz nur René Tretschok und Ante Covic entdeckt, von denen man sich mehr denn je fragen muss, was sie mit und unter dem Cheftrainer mit der unendlichen Erfahrung eigentlich machen.

Hertha geriet früh und unter den denkbar unglücklichsten Umständen in Rückstand. Ein Eigentor von Hubnik, das wie eine Verhöhnung der Behauptung von Otto Rehhagel wirkte, alle wären für Erstligafußball in Berlin. Der Weltgeist ist aber auf jeden Fall dagegen, anders kann man die Verkettung von Umständen (Babbel, Bayern-Gen, private Gründe, Friedhelm Skibbe, und schließlich der Miraculix aus Essen) nicht bezeichnen. Nach dem 0:1 waren aber noch mehr als 80 Minuten Zeit, um zu zeigen, dass etwas in der Mannschaft steckt. Es scheint aber nichts drinnen zu stecken. Wir sahen 70 Minuten unzusammenhängendes Bemühen, die Blöcke des Teams wollten voneinander nichts wissen, wer den Ball hatte, wurde in die Wüste geschickt, weil sich in der Regel niemand in seine Richtung bemühte (akutestes Beispiel: ein, zwei gute Einzelleistungen von Ben-Hatira, zu denen er gezwungen war, weil Lell und Niemeyer keine Anstalten machten, sich anspielbar zu machen).

Auf Raffael habe ich eine Weile besonders geachtet. Ich habe ihm sehr hoch angerechnet, wie sehr er sich das Jahr in der zweiten Liga persönlich angelegen sein ließ, irgendwann im Lauf der Saison (vermutlich während des Cupspiels gegen Gladbach, das er noch engagiert führte) muss ihn die Lust verlassen haben. Gestern war er über weite Strecken ein Bild des Jammers, zwischendurch habe ich ihn (kleine Hommage an Hellmuth Costard) über sieben Minuten gefilmt, und damit ein neues Album auf der Videoseite begonnen (dort übrigens auch ein neuer Gastbeitrag von Valdano, der über Ostern in Italien war).

Den begabtesten Spieler muss man schon "ins Boot" holen, wenn man Abstiegskampf spielt. Das scheint dem Cheftrainer nicht gelungen zu sein, und auch nicht den beiden Umarmungsassistenten Tretschok und Covic. Im Grunde war das Spiel gegen Freiburg eine logische Fortsetzung des Saisontrends, der sich früh in der Hinrunde abzeichnete, und den ich gebetsmühlenartig als Mangel an mannschaftlicher Integration bezeichnet habe. Ottl holte sich gestern immerhin mehrfach Bälle aus der Viererkette ab, versuchte aber viel zu selten dann einen interessanten Pass - es fehlten ihm die Anspielstationen, er wirkte aber auch nicht so, als suchte er wirklich welche. Insgesamt standen er und Niemeyer zu oft bei Ballannahme mit dem Rücken zum Offensivspiel, und eine schnelle Wendung, ein Lauf in den offenen Raum, das wäre schon zu viel des Engagements gewesen.

Es bleiben vier Spiele, weiterhin lebt die Chance, dass der FC Köln noch desaströser weiter macht, vielleicht tut die Mannschaft sich auswärts ja leichter und kann in Leverkusen noch einmal versuchen, was in Mainz gelang: kompakt anlaufen, und zwar auch den eigenen ballführenden Spieler, zum Zwecke der gemeinsamen Spielgestaltung. Doch wer soll dazu die Instruktionen geben?

Montag, April 09, 2012

Pferdefuß

Seit einigen Wochen schaue ich die Liga zu Hause mit einem Beamer. Das große Bild hat die Perspektive auf das Spiel noch einmal ein wenig verändert. Die Fernsehübertragung ist ein bisschen näher an das Live-Ereignis herangerückt, weil ich wie im Stadion auch den Blick stärker schweifen lassen kann. Ich kann also etwas den Defensivblock der Hertha im Auge behalten, wenn gerade ein Angriff läuft.

Am Samstag war es einmal so, dass drei Herthaner offensiv unterwegs waren - sie näherten sich dem Strafraum, umgeben von sechs, sieben, acht Gladbachern. Dahinter war das Spielfeld gähnend leer, jeden Moment mussten doch jetzt ein, zwei, drei weitere Berliner ins Bild kommen, um die Chancen des Angriffs zu erhöhen. Doch es kam niemand, der Bildausschnitt blieb leer, erst als sich die Richtung des Spiels wieder gewendet hatte, kamen Ottl und Niemeyer und die restlichen zurück ins Bild.

Dieses Detail war für mich das bezeichnendste aus dem torlosen Remis bei Borussia Mönchengladbach. Der Punkt beim Tabellenvierten wurde allgemein als Erfolg gewertet, da ist auch etwas dran, unübersehbar war aber auch, dass die Mannschaft von Lucien Favre am Samstag eminent schlagbar war. Zumal nach dem frühen Ausscheiden von Marco Reus, dem Lell einen Pferdekuss verpasst hatte.

Die Spielanlage von Hertha wirkte wie eine Reaktion auf die Aussagen von Markus Babbel Ende letzter Woche, dass er Hertha sicher gerettet hätte - soll heißen, vor dem Abstieg bewahrt. Das ist natürlich eine sinnlose Aussage, weil sie nicht zu überprüfen ist. Aber sie lässt sich auf die ihr innewohnende Vernunft hin befragen. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle: Kontinuität und Tendenz. In der Regel ist es sinnvoll, ein bewährtes Modell fortzuführen - und das Modell Babbel bei Hertha hat sich mit 20 Punkten in der Hinrunde im wesentlichen bewährt. Kontinuität wäre also wünschenswert gewesen.

Allerdings gab es auch eine unübersehbare Tendenz: die letzten sechs Spiele im Herbst blieben sieglos, das Spiel wurde immer trostloser, die Mannschaft ließ Kompaktheit und Willensstärke vermissen, mit dem Tiefpunkt des Schalke-Spiels. Man kann also mindestens sagen, dass Hertha unter Babbel stagnierte. Das ist der Pferdefuß seiner Behauptung.

Gegen Mönchengladbach am Samstag war das wieder weitgehend alte Schule aus dem Herbst. Mit einer Ausnahme: Bastians erhielt gegenüber Neumann den Vorzug in der Innenverteidigung, das war die einzige Neuerung. Ben-Hatira scheint in der Mannschaft anzukommen, insgesamt verweist die Kennzahl von 124 gelaufenen Kilometern auf eine generelle Steigerung der Einsatzbereitschaft. Schon morgen geht es gegen Freiburg, da muss nun ein Sieg her - "by hook or by crook". Mir will scheinen, dass der kontroverse Patrick Ebert vielleicht die bessere Lösung sein könnte für den rechten Flügel. Aber das sind nur Details.

Es wird darauf ankommen, den leeren Raum hinter den Spitzen zu besetzen. Es wird darauf ankommen, auch offensiv als Mannschaft aufzutreten. Diesbezüglich hat Babbel nichts hinterlassen, wenn Hertha den Abstieg also noch abwendet, dann hat das Team sich das selber zuzuschreiben. Oder doch dem Cheftrainer mit der unendlichen Erfahrung? Er spricht in Interviews weiterhin vorwiegend über sich selbst.

Dienstag, April 03, 2012

Sonntagsruhe

Den Sonntag, von dem wir jetzt sehr genau wissen, wie Michael Preetz ihn verbracht hat, habe auch ich verbracht. Ich habe um 10.04 über Festnetz ein Telefongespräch nach Österreich geführt, exakt 39 Minuten davor war ich auf der Geschäftsstelle in meinem Arbeitszimmer eingetroffen. Dort hielt ich eine kleine Teambesprechung mit mir selbst ab, und widmete mich nach besagtem Telefonat bis 12.30 der Grundlagenarbeit (Lektüre). Um 13.15 verließ ich die Geschäftsstelle und begab mich mit öffentlichen Berliner Verkehrsmitteln nach Moabit, um dort im Poststadion die Fußballbegegnung Berliner AK 07 gegen Hertha BSC II in der Regionalliga Nord zu beobachten. Die Eintrittskarte für die Tribüne kostete 10 Euro, welche ich bereitwillig bezahlte. Während des Spiels führte ich keine Gespräche, niemand sprach auf meine Mailbox, sodass ich anschließend auch niemand zurückrief.

Ein spezielles Interesse galt möglichen Aufschlüssen über die Verfassung verschiedener Nachwuchsherthaner, in erster Linie wollte ich Marco Djuricin sehen, der auch in der Startelf stand. An seiner Seite spielte Tunay Torun, der zur Zeit gegenüber Änis Ben-Hatira ins Hintertreffen geraten ist und deswegen in der unteren Liga "Spielpraxis sammeln" muss, wie das so schön heißt. Er erzielte das einzige Tor für Hertha an diesem Tag, als er gegen Ende der ersten Halbzeit auf ein Missverständnis des BAK 07-Torwarts mit einem seiner Vorderleute spekulierte und abstauben konnte.

In der zweiten Halbzeit glich die Heimmannschaft durch einen direkt verwandelten Freistoß aus. Burchert hatte keine Chance, im übrigen war der Keeper einer der besseren Herthaner. Insgesamt machte die Mannschaft von Karsten Heine an diesem Sonntag nicht den besten Eindruck. Von einer modernen Spielanlage war wenig zu sehen, und es war ausgerechnet Djuricin, der dies am deutlichsten verkörperte. Er spielte einen Angreifer älteren Stils, Marke Anton Polster, mit beträchtlichem Beschleunigungsvermögen im letzten Drittel, aber wenig Beteiligung am Spiel insgesamt. Man könnte auch sagen: er spielte die meisten Zeit aufreizend faul, seine Körpersprache war auch eher "unverstandenes Genie" als "aufstrebender Angreifer". Aber das kann täuschen, es war ja nur ein Spiel, vielleicht spielt er sonst anders.

Für mich war der Besuch im Poststadion aber trotzdem lohnend. Die Anlage wird gerade umgebaut, so war es gut, das Gelände noch einmal in seinem langjährigen, ein wenig verwilderten Zustand zu sehen. Den Rest des Tages verbrachte ich mit anderen Dingen, auf Hertha kam ich nur abends beim Sportplatz noch einmal kurz zurück, doch dort war wenig zu erfahren. Die Mannschaft tut gut daran, sich zu konzentrieren, und beim FC Köln konnte man am selben Tag gut sehen, wie man eine vergleichbare Situation nicht moderieren sollte. Umso wichtiger ist es, sich unter Druck nicht einzubunkern.

Das Interview, das Michael Preetz mit sich selbst geführt hat, ist prinzipiell nicht verkehrt (in England schreiben die Zeitungen auch dauernd nur die Clubkanäle ab). Zur Zeit aber, da die Zuständigkeiten so unklar sind (wer stellt eigentlich die Mannschaft auf? was wird trainiert?), erweckt die Politik der "Nicht-Öffentlichkeit" den Eindruck, hier baue ein schwerst in die Defensive geratener Manager eine Mauer um seine bröckelnde Alleinherrschaft. Vor diesem Hintergrund ist es gut, zu erfahren, dass er um 18.25 eine Reporterin von der Zeitung mit den vier Buchstaben anrief, dabei aber nur eine Mailbox erreichte. Ob er später am Abend noch einen weiteren Anruf tätigte, um bei einem am selben Tag freigestellten Trainer vorzufühlen, was er ab dem Sommer so vorhat, werden wir nie erfahren. Ist auch ohne Belang, zuerst muss diese Saison mit König Otto zu Ende gebracht werden.