Donnerstag, April 30, 2009

Kapitänswürde

Nach der Hinrunde im Semifinale der CL sieht es ein wenig nach Wiederholung des Vorjahresfinales aus. Barcelona fand gegen die Mauer des FC Chelsea kein Mittel, und Manchester United dominierte Arsenal gestern unangenehm deutlich, schaffte aber nur ein 1:0. In Barcelona herrscht seither ein einigermaßen weinerlicher Ton vor, zumindest in den Medien. Ich hätte es auch gern gesehen, wenn der deutsche Schiedsrichter Stark seine Politik des Laufenlassens zumindest für das Foul von Bosingwa gegen Henry im Strafraum unterbrochen hätte - solche Spiele werden durch Kleinigkeiten entschieden, und hier hätte der Referee auf Augenhöhe sein müssen.

Die Katalanen nörgeln auch wegen einer zweiten gelben Karte herum, die Ballack hätte bekommen müssen - tatsächlich ist es ein wenig seltsam, wenn ein deutscher Schiedsrichter in einem so wichtigen Spiel dem Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft gegenüber steht und dabei im Bruchteil einer Sekunde über eine gelb-rote Karte entscheiden muss.

Egal, ich sehe die Sache so: Das Auswärtstor, das Chelsea nicht geschossen hat, kann Barca noch schießen, und dann muss Drogba schon zweimal aus der Mauer herausbrechen. Bedenklicher fand ich, was Arsenal gestern gezeigt hat, vor allem auch deswegen, weil ich fand, dass Arsène Wenger nicht ideal aufgestellt hat: Das Mittelfeld mit Song, Nasri, Abou Diaby, Walcott und Fabregas hatte keine Struktur und war mit den Rochaden von Rooney, Tevez und Ronaldo meist überfordert. Vorne war Adebayor abgemeldet zwischen Ferdinand und Vidic.

Ich hätte gern Bendtner als zweiten Stümer gesehen (van Persie ist verletzt, Arshavin nicht spielberechtigt) und dafür Abou Diaby geopfert. Fabregas hätte dadurch noch mehr zwischen Defensive und Angriff arbeiten müssen, als er es ohnehin zu tun hatte, aber ManU hätte nicht so leicht Walcott isolieren und Adebayor die Schneid abkaufen können, wie es gestern der Fall war. Arsenal hatte de facto keine Torchance, da hilft es wenig, dass sie munter (fast ganz) nach vorne spielten.

Das Bild oben zeigt übrigens nicht Manuel Almunia als "contortion artist", sondern bei einer Kollision mit Tevez. Ich fahre heute nach Oberhausen, zu einem Filmfestival. Von dort wieder Bundesliga.

Dienstag, April 28, 2009

Kleine Lösung

Die Kündigung von Jürgen Klinsmann beim FC Bayern München lässt bei diversen auf Gerüchte spezialisierten Zeitungen sofort die Kaffeetassen wackeln, so intensiv wird darin gelesen: In England wissen informierte Kreise von einem Angebot an Arsène Wenger, das schon vergangene Woche abgelehnt worden war, in Berlin wissen die Tabloids von einem hypothetischen Interesse an unserem Coach Lucien Favre. Man lässt hier eben keine Gelegenheit aus, eine kleine Größenphantasie in die Welt zu setzen.

Dass man in München über Favre diskutieren wird, setze ich voraus. Dass man diesem Gedanken aber auch nur nähertreten würde, schließe ich aus. Favre ist die klassische "kleine Lösung", auf die sich der FC Bayern nicht verstehen kann. So einen Kaderumbau wie in Berlin würde man ihm in München nie gestatten, dabei haben Uli Hoeneß & Scouts doch völlig verlernt, wie man Talente findet. Seit Jahren kaufen sie erprobte Kräfte, und so kam eben der Seniorenkader zustande, an dem Klinsmann gescheitert ist.

Hertha und Favre, das passt ideal zusammen. Ein schlafender Riese, der von einem Fußballintellektuellen wachgeküsst wird, diese Geschichte kann man nur in Berlin schreiben, wo Armut von Bürgermeister als "sexy" bezeichnet wird und wo der Trainer nach Kräften den Rest der Liga reich redet. Seiner Rechnung nach müsste die Hertha auf Platz 13 stehen, mehr gibt das Budget nicht her.

Die elf Plätze Differenz kann Favre sich also gutschreiben auf das Konto, auf dem er das symbolische Kapital liegen hat, das ihm Sätze wie diesen erlaubt, neulich geäußert als endgültiges Schlusswort zur Causa Pantelic: "Ich arbeite seit zwei Jahren gegen den Verein." Mit einem Präsident, der Gegenbauer heißt, ergibt das ein ideales Arbeitsverhältnis.

Sonntag, April 26, 2009

Freie Wahl

Ein Wort zum Sonntag: Heute können Bürgerinnen und Bürger in Berlin darüber abstimmen, ob Schulkinder sich in Zukunft statt des Ethik-Unterrichts für konfessionellen Religionsunterricht entscheiden dürfen sollen oder nicht. In diesen Blog gelangt diese Angelegenheit, weil Arne Friedrich sich für das Volksbegehren "Pro Reli" in Radiospots stark gemacht hat, und zwar nicht einfach als Prominenter, sondern als Kapitän von Hertha BSC.

Ich bin in diesem Punkt der gegenteiligen Meinung. Ich finde, dass Schulkinder aller Konfessionen im Ethikunterricht gemeinsam lernen sollen, welche Orientierungsmöglichkeiten in der Welt es gibt. Danach können sie immer noch, wenn sie wollen, das Angebot eines konfessionellen Religionsunterricht wahrnehmen. Die christlichen Kreise, von denen "Pro Reli" getragen wird, würden ihr Argument sicher weniger selbstbewusst vertreten, wenn sie es auf Afghanistan oder Pakistan umlegen. Dort wäre ein Ethikunterricht nämlich ein echter Freiraum, während der konfessionelle Religionsunterricht die Regel ist.

Dort wird allerdings der Islam gelehrt, eine Religion, die ihr Verhältnis zum weltlichen Staat noch nicht so weit geklärt hat wie das Christentum. Ich bin mir nicht sicher, ob Arne Friedrich die Implikationen seines Votums bis in die Konsequenzen durchdacht hat. Denn das, was er sich wünscht, bedeutet im Grunde: In einer Schule in Kreuzberg, in der Christen, Muslime und Religionslose den ganzen Tag zusammensitzen, sollen in dem Moment, in dem Religion das Thema wird, alle Fraktionen in ihren Club gehen und sich voneinander abschließen.

Ethik wird dadurch wieder konfessionell, jede Religion macht sich ihre eigene Ethik, und das gemeinsame Fundament der Vernunft, das wir als Staatsbürger haben und das wir brauchen, weil nicht alle ihr Handeln von einem Gott her bestimmen wollen, wird ausgehöhlt. Dagegen werde ich heute abstimmen.

(PS Pustekuchen. Ich darf gar nicht abstimmen. Gerade war ich im Wahllokal, wo man mir erklärt hat, dass Österreicher, auch wenn sie schon seit zehn Jahren in der Stadt sind, in dieser Frage nichts zu sagen haben. Obwohl das Thema doch deutliche "multikulturelle" Implikationen hat, machen diese Sache die deutschen Staatsbürger unter sich aus.)

Freitag, April 24, 2009

Formalismus

Fünf Siege aus sechs Spielen hat Josip Simunic der Hertha vor einer Woche aufgetragen, nach dem 1:0 bei der TSG 1899 Hoffenheim sind es nun noch vier Siege aus fünf Spielen, und selbst dann weiß ja keiner, was das eigentlich bedeuten würde. Nicht einmal die direkte Qualifikation für die CL wäre damit sicher, aber ein Platz auf dem Stockerl doch sehr wahrscheinlich.

Für mich aber hat die Hertha heute den Meistertitel in der von ihr selbst ausgerufenen Spezialdisziplin der nicht errungenen, sondern erwrungenen Siege schon gewonnen. Wer die Hertha nicht mag, hat heute tonnenweise Material geliefert bekommen, das Vorurteil zu pflegen. Wer ihr aber unvoreingenommen genau zuschaut, wird ein Spiel gesehen haben, bei dem die Hertha ihren Stil auf eine schon fast zynische Weise perfektioniert hat. Ihren Stil 2009, füge ich hinzu, denn ich hoffe nicht, dass sie mit diesem "halben" Ansatz ihre ganze Zukunft bestreiten wird.

Coach Favre erwies sich als weiser Mann. Er schickte Pantelic neben Raffael hinaus, wohl wissend, dass es gescheiter ist, einen Star notfalls aus- als eventuell verspätet einzuwechseln. Pisczcek begann auf dem Flügel, musste aber nach einer frühen Verletzung von Cufré bald auf die Außendeckerposition, und Stein wechselte sogar zweimal, von rechts auf links und später, nachdem Rodnei für Pisczcek kam, wieder auf rechts, wo ihm spät sogar noch eine sehr ansprechende Flanke gelang, bei insgesamt ordentlicher Leistung heute.

Der dynamische und umsichtige Steve von Bergen und Simunic blieben neunzig Minuten souverän, gegen am Ende vier Stürmer von Hoffenheim. Aber die Mannschaft von Ralf Rangnick wurde nie wirklich gefährlich. Das lag sicher auch an der Ordnung, die Hertha kaum einmal verlor. Bis über die Mittellinie funktionierte auch das gelassene Kombinieren aus der Defensive heraus, der vorletzte Pass war dann meistens schlampig (Cicero!).

Nur einmal, fünf Minuten vor der Pause, passte alles: Raffael befreite sich schön aus einer Umklammerung zweier Hoffenheimer, zog vertikal auf die linke Sechzehnerecke los, legte quer zu Pantelic, der einen kleinen Umweg vom Strafraum weg nahm, um den Ball perfekt in den Lauf von Patrick Ebert zu spielen, der halbrechts ideal auf das kurze, von Timo Hildebrand offen gelassene Ecke zielen konnte.

Danach kam offensiv nichts mehr, einmal verzog Pantelic noch knapp, aber es sah alles danach aus, als wollte die Hertha ihre Stilübung nicht durch ein zweites Tor verderben. Das war Formalismus in Reinkultur, ermöglicht allerdings durch einen eifrigen, doch leidenschaftslosen Gegner. Populär wird die Hertha so nicht werden, dabei ist in ihrem Spiel die andere "Hälfte", die kluge, variantenreiche Offensive, sogar schon erkennbar. Als Möglichkeit, derer es heute nicht bedurfte.

Sinsheim

Als die TSG 1899 Hoffenheim im Herbst in Berlin antrat, war sie daheim noch obdachlos, spielte aber auch im Olympiastadion wie eine Heimmannschaft. Es gab zahlreiche Chancen, das Tor aber schoss Voronin, und Hertha hatte sich als Effizienzmeister der Liga etabliert. Inzwischen steht Wolfsburg auch in dieser Wertung vorne, die Hertha holt nach drei Niederlage mit vielen eigenen Chancen aber wieder auf.

Heute tritt Hoffenheim erstmal im eigenen neuen Stadion in Sinsheim gegen Hertha an, und es spricht manches für eine spannende, offene Angelegenheit: Coach Favre wird anscheinend dem agilen Chermiti einen Platz in der Startelf zuteilen, er könnte für Raffael der ideale Partner werden, zumal er auch in der Rückwärtsbewegung schon gezeigt hat, dass er sich einbringt. Lukas Pisczcek wird in Vertretung des formschwachen Maximilian Nicu erwartet, und im defensiven Mittelfeld können Cicero und Kacar ihre Idealkonstellation wieder einmal erproben.

Die Zeitungen haben diese Woche viel von der vorweggenommenen Hertha 2009/2010 geschrieben, und tatsächlich werden wir heute wohl eine Verjüngung der Mannschaft erleben, die zum Ansatz von Hoffenheim passt. Bleibt die über den heutigen Tag hinaus offene, aber konkret eben für den heutigen Tag wieder zu beantwortende Frage nach den Außendeckern: ich erwarte Stein auf rechts und Cufré auf links, obwohl mir bei ihm kein Unterschied zu Rodnei aufgefallen ist, und unter diesen Umständen würde ich dann doch lieber Rodnei sehen, der nach dem Motto spielt: Wer immer strebend sich bemüht!

Mittwoch, April 22, 2009

Attentäter





Die englischen Fußballkommentatoren lassen sich gern dazu hinreißen, immer wieder einmal die "glory of the Premier League" zu beschwören. Das Match zwischen Liverpool und Arsenal gestern hatte allerdings alle Eigenschaften, die dieses große Wort erlauben. 4:4 stand es nach 97 Minuten, für Arsenal stand ein Hattrick plus Bonustor von Andrej Arshavin zu Buche, für Liverpool zwei Tore von Torres und zwei von Benayoun, einem ihrer stärksten Spieler in dieser Saisonphase.

Man kann aber auch mit gutem Grund unterschreiben, was der "Guardian" meinte: "horrible defending" auf beiden Seiten trug wesentlich zu diesem Klassiker bei. Ich will es von der Seite beschreiben, der ich anhänge: Coach Wenger hatte eine wenig offensive Aufstellung gewählt, mit Denilson und Song im zentralen Mittelfeld und Bendtner als einsamer Spitze. Hinten arbeiteten Sagna, Touré, Silvestre und der neunzehnjährige Gibbs, der polnische Keeper Fabianski hatte aus dem FA-Cup-Semifinale einiges gutzumachen und hielt sich sehr wacker.

Wie fallen in so einem Spiel die Tore? Durch naives Spiel der Hintermannschaft in der Nähe des eigenen Tores. Zuerst holte sich Fabregas von Mascherano einen Ball ganz weit vorne, spielte ein feinziseliertes Manöver mit Nasri und legte vom Fünfmetereck zurück auf Arshavin, der den Ball unter die Querlatte setzte. Das 1:0 stellte den Spielverlauf der ersten Halbzeit auf den Kopf, es war dann aber Arsenal selbst, die alles wieder ins Lot brachten. Ein Querschläger von Sagna, eine Flanke von Kuyt, ein fast schon erhaben aufsteigender Torres - Kopfball, Ausgleich. Wenig später ein unnötig verzögerter Rückpass von Silvestre, eine allzu anspruchsvolle Weiterleitung von Fabianski auf Gibbs, ein Rebound, und Liverpool führte.

Danach gab es zwei unglaubliche Tore von Arshavin, den die englischen Zeitungen dafür gleich als "assassin" qualifizierten, und eines für Liverpool, in dem sich der beste Stürmer der Welt (Torres) gegen den schlechtesten Verteidiger von Arsenal (Silvestre) elegant durchsetzte. Kommt die 89. Minute. Liverpool hat einen Corner, der Ball wird geklärt, fällt in den Lauf von Walcott, der aus dem Vorjahr schon weiß, wie es ist, wenn man das Feld an der Anfield Road in Sauseschritt überquert. So richtig sensationell war aber der Lauf des kurzbeinigen Arshavin im selben Moment auf der linken Seite, an das Ende des gefühlvollen Querpasses von Walcott, den Arshavin mit einer Granate verwertete. 4:3.

Danach gab es unerklärliche fünf Minuten Nachspielzeit, vor allem aber einen Spielertausch bei Arsenal: Abou Diaby kam für Nasri, er sollte vermutlich helfen, die Führung über die Zeit zu bringen, entschloss sich aber dazu, das nächste Getümmel im eigenen Strafraum aus sicherer Distanz zu beobachten. Benayoun schoss noch einmal den Ausgleich, das 4:4 ist so fair, wie es ein Ergebnis in einem so wilden, von Unwägbarkeiten aller Art geprägten Match nur sein kann.

Das Ergebnis kam zustande, weil beide Mannschaften spielen wollten, auch dann noch, wenn sie hinten unter Druck standen. Das sah manchmal ganz schön naiv aus, wie vor allem Arsenal den Ball durch das Dickicht von Liverpool aus der eigenen Hälfte zu schmuggeln versuchte, trug aber zu einem denkwürdigen Spiel bei.

Taktisch gesehen, begann Arsenal sich den Punkt in dem Moment zu verdienen, in dem Wenger den überforderten Denilson gegen Walcott auswechselte und damit Balance in die Mannschaft brachte. Manchester United gilt jetzt als eindeutiger Favorit auf den Ligatitel, aber Arsenal fährt ja auch noch nach Old Trafford. Dann spielt Walcott hoffentlich von Beginn an, und Silvestre hoffentlich gar nicht.

Dienstag, April 21, 2009

Feldherr

Wenn Arsenal heute abend an der Anfield Road gegen den FC Liverpool antritt, dann hat dieses Match in der Premier League auch ein spezifisches Ungleichgewicht, das der späten Saisonphase geschuldet ist und in dem Vergleich zwischen Hertha und Werder am Sonntag durchaus eine Parallele hat.

Arsenal steht in der Liga an vierter Stelle, nach hinten besteht ein halbwegs beruhigender Abstand, nach vorn geht nicht mehr viel. Liverpool steht dicht hinter ManU im Titelrennen, jedes einzelne Tor kann von Bedeutung sein. Arsenal wird kommende Woche in der CL gegen ManU spielen, es verwundert also nicht, dass wichtige Spieler wie van Persie oder Adebayor heute geschont werden, es sind ohnehin schon genügend Defensivkräfte verletzt: Almunia, Gallas, Clichy, Djourou.

Am Samstag hat Arsenal das FA-Cup-Semifinale auf dem desolaten Rasen von Wembley gegen Chelsea mit 1:2 verloren, die jungen Mittelfeldkräfte Diaby und Denilson und auch Fabregas wurden durch die massive Präsenz von Lampard, Essien und Ballack doch deutlich in die Schranken gewiesen. Heute wird vermutlich Song neben Fabregas spielen, mit Nasri und Walcott auf den Flügeln sowie Arshavin und Bendtner im Angriff.

Das ist auf jeden Fall eine wettbewerbsfähige Konstellation, ob Arsenal aber im kritischen Fall mit letzter Kraft an einer Wende in diesem Match arbeiten würde, muss offen bleiben. Wenger muss, wie so viele andere Trainer auch in dieser Saisonphase, wie ein Feldherr denken, der seine besten (ausgeruhtesten, gefährlichsten, ...) Kräfte für die Kampagne aufheben muss, von der er sich am meisten verspricht. Das kann nur die Champion's League sein.

Wenn es Arsenal gelänge, zumindest ins Finale zu kommen und den Kader von dieser Saison zusammen zu halten, dann könnte dies ein ganz großes Team werden, das eigentlich fast schon zwei potentielle Teams ist: Almunia (Fabianski). Sagna (Eboué). Touré. Gallas (Djourou). Clichy (Gibbs). Fabregas (Abou Diaby). Song (Denilson). Walcott (Bendtner). Nasri (Rosicky). Adebayor (Eduardo). van Persie (Arshavin). Dazu auf der Bank: Ramsey, Wilshere, Vela, Traoré.

Im Vergleich die "neue" Hertha, ohne Zukäufe: Drobny. Pisczek. Friedrich. Simunic. Radjabali-Fardi. Kacar. Cicero. Ebert. Nicu. Chermiti. Domovchyiski. Ich vergesse mich. Muss runter vom Feldherrenhügel.

Montag, April 20, 2009

Nackentraining

Ein Ligator von Josip Simunic hat es seit 2006 nicht gegeben, gestern brachte es die Wende in einem schwierigen Spiel gegen Werder Bremen. Die Hertha war in einem beklagenswerten Zustand nach fast siebzig Minuten, kurz vor der Pause war aus einem Eckball für Werder der Rückstand resultiert. Dass Cicero sich danach bemüssigt fühlte, Steve von Bergen zu rüffeln, ist ein schlechtes Zeichen, sollte nun aber nach dem 2:1 (0:1) keine große Rolle mehr spielen.

Denn in der 68. Minute kam Simunic zu einer Standardsituation an den gegnerischen Strafraum nach vorn. Raffael aber spielte den Freistoß aus dem Halbfeld auf Dardai, der an die Grundlinie sprintete und eine Flanke zurück an den Sechzehner brachte, die Simunic mit einem Kunststoß per Kopf über Wiese hinweg unter die Querlatte verlängerte. Es war ein Weltklassekopfball von einem Mann, der seine offensive Aufgabe in diesem Jahr sehr defensiv interpretiert hatte - kaum einmal spielt Simunic selbst den eröffnenden Pass, kaum einmal ging er zuletzt auch nur bei Eckbällen nach vorn.

Dieses Mal war er gefragt, denn der Hertha fiel nach einer ansprechenden ersten Viertelstunde nicht mehr viel ein, zu Beginn der letzten halben Stunde war sie schon fast wie gelähmt durch den nahezu vollständigen Ausfall der Außenpositionen: Cufré blieb blass, Stein nicht minder, Cicero ist zentral wertvoller, und Nicu bot eine besonders desolate Leistung, sein Zweikampfverhalten (zwei Meter vor dem Gegner in Position gehen, dann mit dem Spielbein nach dem Ball haschen, als wäre er ein Kunstturner) war vorgetäuscht, sein Tempo eine Frechheit. Ich würde nicht so hart mit ihm ins Gericht gehen, wäre ich nicht ein Fan von ihm.

Favre, der Rodnei durch Cufre ersetzt, und insgesamt ein halbwegs orthodoxes 4-4-2 aufgeboten hatte, nahm Pantelic, Nicu und Stein aus dem Spiel. Dadurch fand sich der erst kurz davor für Nicu eingewechselte Pisczcek auf der rechten Außendeckerposition wieder, das war einer der Schlüssel für das Comeback. Der zweite war die gute Aggressivität von Chermiti, der dritte war das Engagement von Raffael und von Dardai, der mehrmals in den Strafraum ging und das Spiel mit seinem Läufen schneller zu machen versuchte.

Nach dem Ausgleich waren die 68000 Zuschauer wieder wach, kurz vor Ende holte sich der schnelle Chermiti an der Mittellinie den Ball, lief aufs Tor, spielte quer zu Raffael, der eigentlich schon im Begriff war, mit dem Ball in ein Getümmel zu geraten, dann aber einfach abzog - sein Schuss bekam von Mertesecker den Effet, der es mit sich brachte, dass der immer wieder provokant auf Zeit spielende Tim Wiese ein zweites Mal ohnmächtig Nackenübungen machen musste, so unerreichbar flog der Ball in hohem Bogen über ihn hinweg.

Von Gott heißt es, dass er auch auf krummen Wegen gerade schreibt. In der Sprache der Fußballer heißt das, dass auch die seltsamen Kurven, die der Ball für die Hertha gestern nahm, in der Tabelle drei Punkte ergeben. Das Glück ist aufgebraucht, die Mannschaft spielt jetzt auf Dusel weiter, hat gestern aber zumindest das Allernötigste getan, um den Sieg zu verdienen. Jetzt gilt die Devise von Josip Simunic: Sechs Spiele, fünf Siege. Für eine meisterliche Spielanlage wird Coach Favre allerdings noch ein paar Transferzeiten und Übungsjahre brauchen.

Sonntag, April 19, 2009

Qintuple

Die Saison tritt in eine Phase, in der einige Mannschaften noch zwei bis fünf Titel gewinnen können (Manchester United hat ein "Quintuple" ins Auge gefasst), dabei kommt es zu interessanten Häufungen. In England bildet das an diesem Wochenende ausgespielte Semifinale des FA-Cups eine Variation des Semifinales der Champion's League, da wie dort treten Arsenal, Chelsea und MeanU an, Barcelona wird auf nationaler Ebene durch Everton vertreten.

Die Konstellation, dass der HSV in den nächsten Wochen viermal gegen Werder Bremen spielt, ist von allen Medien ausgiebig bestaunt worden. Die Hertha, die nur noch in einem Bewerb vertreten ist, könnte und sollte von der Dichte des Programms profitieren. Schon heute, wenn Werder Bremen ins Olympiastadion kommt, wird sie Auswirkungen bemerken: Diego und Özil werden angeblich nicht spielen, was das für die Versorgung von Pizzaro mit Bällen bedeutet, werden wir sehen. Was es für die Offensivleistung der Hertha bedeutet, muss sie selbst bestimmen - durch das richtige Maß an Wagnis und Sicherheit.

Viele Medien rechnen mit Cufre in der Startelf, aber heißt das, dass Stein auf die Bank muss? Nach dem Spiel in Hannover, wo er ja vor allem durch Nachlässigkeit auffiel, wäre das fast ein Rüffel. Ich gehe davon aus, dass Favre heute etwas probiert, gerade auch angesichts der Bremer Personalien. Eine Dreierkette wäre denkbar, mit Simunic, von Bergen und Cufre (oder doch Stein?), davor Cicero, Dardai und Kacar auf einer Linie, davor Rodnei als linker Flügelspieler (oder doch Babic?) und Nicu auf rechts, Raffael und Pantelic im Sturm.

Für Werder steht noch der Gewinn zweier Titel im Raum (also eines "Doubles"?), wie aber nennt man den Gewinn eines Titels, auf den Hoffnungen zu machen sich Hertha heute noch einmal Grund verschaffen kann? Ein "Single"? Ein "One Hit Wonder"? Ganz egal, es kann heute nur darum gehen, zurück in die Spur zu finden und zumindest die Europa League nicht zu verspielen.

Freitag, April 17, 2009

Assessment

Sieben Spiele vor Saisonende sollte bei der Hertha eigentlich nur noch der Fußball zählen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Geschäftsführung und Präsidium haben sich in einen Konflikt verstrickt, von dem außer "investigativen" Medien wie der Zeitung, für die Philipp Lahm seit einiger Zeit wirbt, niemand etwas hat. Auch der "Tagesspiegel" hat Zwietracht gesät, indem er vor zwei Wochen am ersten Frühlingsspieltag eine lange Geschichte über die Rivalität zwischen Manager Hoeneß und Coach Favre brachte, deren Kronzeuge ein nicht namentlich genanntes Präsidiumsmitglied war.

Jetzt hat die Geschäftsführung (Preetz, Schiller, Sauer, ...) ohne (!) den Geschäftsführer Hoeneß einen Brief an das Präsidium geschrieben, in dem es einzig und allein um die Ehre des nicht unterschriebenen Geschäftsführers Hoeneß geht. Dieser Brief kam auf geheimnisvollen, für jeden Menschen mit Verstand aber von vornherein absehbaren Wegen zu der Zeitung, für die Philipp Lahm neuerdings wirbt. Dort wurde er mit Handkuss abgedruckt. Wer von "spin" auch nur einen Schimmer hat, muss wissen: So ein Brief darf nie geschrieben werden, egal, ob er nun direkt aus dem Umfeld von Hoeneß oder aber aus dem Präsidium an die Zeitung ging. Dass er dort landen würde, musste klar sein, und dass er nur schaden würde, erst recht.

Der aktuelle Vorwurf kann also nur an Hoeneß gehen, der von dem Brief gewusst haben muss und die Größe (und die politische Intelligenz) hätte haben sollen, ihn zu verhindern (wenn er ihn nicht umgekehrt sogar selbst initiiert hat, wofür manches spricht).

Das Präsidium wiederum, das dieser Tage die Kandidaten für die Hoeneß-Nachfolge mit professioneller Unterstützung durch eine Kopfjäger-Firma einem "Assessment" unterzieht (alle Kandidaten kommen aus dem Haus), macht Politik zur Unzeit und schadet dem Team mit jeder Äußerung, die on oder off the record getätigt wird. Eine Weile hat die Hertha sportlich auf sich aufmerksam gemacht, jetzt haben die Funktionäre zurückgeschlagen. Auf den Trümmern des Berliner Miefs muss Coach Favre jetzt an einer guten Mannschaft weiterbauen.

Mittwoch, April 15, 2009

Hillsborough

Heute vor zwanzig Jahren kam es im Stadion von Sheffield Wednesday zu einer Katastrophe, die schließlich 96 Fans des FC Liverpool das Leben kostete. Eingesperrt in "pens", wurden viele Zuschauer des FA-Cupspiels gegen Nottingham Forest von nachdrängenden Massen buchstäblich zerquetscht, während die Polizei lange Zeit mitleidlos Dienst nach Vorschrift machte. Das Ereignis gilt als Fanal der Thatcher-Jahre, und als Geburtsstunde einer neuen englischen Fußballkultur.

In Deutschland muss man heute schon nach Cottbus fahren, um zumindest noch eine Ahnung davon zu bekommen, wie die englischen Fans, die alle unter pauschalem Hooligan-Verdacht standen, damals in Käfigen gehalten wurden. Aber selbst im Stadion der Freundschaft, wo der Auswärtssektor durchaus mit einem derartigen "pen" vergleichbar ist, gibt es numerierte Tickets, und bei einem Unglück könnte man auf das Spielfeld ausweichen. In Sheffield waren die Fans durch einen hohen Metallzaun vom Feld getrennt.

In Hannover saßen neulich die Fans beider Teams völlig problemlos untereinander, viele Herthaner hatten sich, wie ich auch, im Netz Karten besorgt und saßen deswegen nicht im ausverkauften Hertha-Block. Selbst die sehr ansprechende AWD-Arena hat aber noch eine Schwachstelle: die Besucher in den Blöcken W1-7 müssen alle durch einen schmalen Ausgang wieder hinaus, das ist ein eingebauter Superstau, aber auch hier könnte man notfalls jederzeit auf das Feld ausweichen.

Der Vergleich zwischen Cottbus, wo einige Berliner immerhin mit Böller und Rauchbomben ankamen und wo die Polizei ein sehr striktes Containment betreibt (Hertha-Fans werden größtflächig von Lausitzern ferngehalten), und Hannover, wo die Fangruppen überhaupt nicht systematisch getrennt werden, wird sicher durch ökonomische und kulturelle Faktoren verzerrt. Aber ist das "bürgerliche" Erlebnis in Hannover ein Verrat an den Idealen der Fankultur? Einige werden das so sehen, ich sehe es nicht so.

An Hillsborough kann ich mich persönlich kaum erinnern. Ich war damals Zivildiener in Oberösterreich, und meine Begeisterung für Fußball war sehr provinziell geprägt durch die österreichische Liga und die Länder- und Europacupspiele im Fernsehen. Von englischer Fankultur, von der Aura des FA-Cups, von der Kultur der "stands" hatte ich wenig Ahnung, nur der FC Liverpool war mir seit Kindheitstagen ein Begriff, weil ich die Namen der großen Mannschaft der Siebzigerjahre liebte: Phil Neal, Ray Clemence, Steve Highway, Ray Kennedy.

Dienstag, April 14, 2009

Einbruch

Der "Kicker" nennt vier Gründe für den Einbruch der Hertha: geringere Effizienz, unkonzentrierte Defensive, mangelnde Disziplin (Ebert, Voronin), Formverlust (Drobny, Simunic). Zusammen genommen deutet all das doch stark auf ein mentales Problem hin: Die Mannschaft hat ganz einfach ihre Unschuld verloren. Sie hatte eine gewisse Sicherheit gefunden, jetzt funktioniert das Erarbeitete nicht mehr so richtig. Sie ist vielfach wieder zu den Alibipässen von früher zurückgekehrt.

Rodnei bekommt im "Kicker" die Note 4, Stein eine 5, mit beiden Bewertungen bin ich einverstanden. Über Rodnei wird in den Foren viel diskutiert, er hat viele Anhänger, und ich glaube, ich verstehe auch, warum: Bei ihm weist die Tendenz immer noch nach oben, er kam gegen die Bayern völlig unerwartet zum Einsatz, und seither versucht er sich eben so gut er kann. Ich rechne es ihm hoch an, dass er offensiv etwas versucht, er taucht immerhin mehrmals pro Spiel wirklich vorne auf, während Stein sehr auf (eigene) Sicherheit bedacht ist in allem, was er tut.

Ein wesentliches Problem von Rodnei scheint mir aber seine Antizipation zu sein. Er braucht relativ lange, um sich auf Spielsituationen einzustellen. Insgesamt war es in Hannover jedenfalls wieder einmal so, dass die "Fullbacks" des Gegners (Rausch und Pinto) das Heft des Handelns in der Hand hatten.

Pal Dardai hat im "Kicker" nebenbei auch noch zwei Debatten gleichzeitig beendet, die Kuchendebatte und die Krisendebatte: "Menschen, die kein Essen haben, das ist eine Krise." Trotzdem sollte die Hertha trachten, sich für den Uefacup zu qualifizieren und nicht für das Welternährungsprogramm der UNO.

Samstag, April 11, 2009

Pustekuchen

"Kniet nieder, wenn die Hauptstadt kommt", singen die Berliner Fans gern auf ihren Auswärtsfahrten. In Hannover hatten sie heute die Initiative ganz für sich, der Block war - ich übertreibe nicht - Weltklasse, nur die Mannschaft hielt das Niveau nicht. Sie verlor mit 0:2, nach einem Spiel, in dem sie eine Weile ein wenig dominiert hatte, um das sie allerdings dann, als es schwierig wurde, nicht mehr richtig kämpfte.

Coach Favre hatte im Prinzip der Stammelf der letzten Wochen das Vertrauen ausgesprochen, nur der verletzte Friedrich musste durch von Bergen (anständig) ersetzt werden. Stein kam rechts hinten in das Team zurück, Rodnei blieb, wie auch Dardai, wodurch Kacar wieder auf der Bank Platz nehmen musste. Ebert und Nicu spielten auf den Flügeln, Raffael hinter Voronin, Cicero machte den Abholer der Bälle aus der Abwehr, weil Dardai dazu nicht die Power hatte. Es war heiß.

Eine halbe Stunde hatte Hertha weitgehend das Heft in der Hand, es gab auch gute Chancen. Dann kam rechts hinten der Ball zu dem Hannoveraner Rausch, Marc Stein trabte ihm lahmarschig entgegen, aber da war die lange Flanke schon in der Luft. Als sie sich am langen Eck senkte, war Simunic nicht mehr im Bild, und Rodnei fehlte die Orientierung. Mike Hanke machte das Ding gegen den ohnmächtigen Drobny.

Es war ein haarsträubendes Tor, dem nach einer weiteren halben Stunde aus einer Art Konter von Hannover 96 noch ein zweites folgte, bei dem Rodneis Raumaufteilung mit seinem Nebenmann Simunic wieder bedenklich war. Ich bleibe dabei: Der Mann hat alle meine Sympathien, aber seine Defizite sind doch enorm. Marc Stein auf der anderen Seite lässt es auch an Konzentration und Technik mangeln, deswegen sind Optionen hier Mangelware.

Eben war Coach Favre im Aktuellen Sportstudio zu Gast. Er hat gesagt, dass das Match heute (wie das gegen den BVB) eigentlich zu gewinnen war. Das stimmt, aber die Mannschaft wollte trotzdem nicht. Sie hat sich in eine Situation gebracht, in der sie die zehn, zwanzig Prozent Leistung nicht mehr findet, die sie vor einigen Wochen noch als Kollektiv geschaffen hat. Jetzt zerfällt schon wieder alles in öde Querpässe und fehlerhaftes Kombinieren, und Willenskraft ließ heute keiner erkennen.

Wenn die Mannschaft ein Kuchen ist (diese Metapher wird Favre noch verfluchen), dann hat irgendjemand die Hefe gestohlen. Die Medien glauben ja, Voronin wäre die Hefe, und auch die Mannschaft schien es zuletzt langsam zu glauben, er selbst zweifellos sowieso. Er hat heute vor lauter Ärger über knapp verzogene Schüsse und piesackende Hannoveraner in der vorletzten Minute eine Tätlichkeit begangen, dafür die rote Karte gesehen und dann beim Hinausgehen noch eine zweite Tätlichkeit folgen lassen, die seine Sperre sicher so weit verlängert, dass er in dieser Zeit seine Zukunft klären kann.

Bei der Hertha wird er nächstes Jahr nicht spielen, davon muss man nach dem heutigen Tag ausgehen. "Learning the hard way", das ist es, was die Hertha gerade erlebt, und sie hat heute schon deutlich unwillig gewirkt. Sie fühlt sich gekränkt, und reagiert ein wenig patzig. Sie macht jetzt gerade (und nicht vor sechs Wochen) die ersten Schritte zu einem Spitzenteam. Wenn sie das Zeug hat, aus der Situation zu lernen. Nicht bei allen bin ich mir da so sicher.

Freitag, April 10, 2009

Euroliga

Die drei Europacup-Tage waren hochinteressant, und sie helfen auch, die Ambition der Hertha auf einen Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der Champion's League berechtigt, in ein konkretes Verhältnis zu setzen. Erstens ist natürlich die Niederlage der Bayern in Barcelona ein Modell, in das man durchaus die eigene Mannschaft einsetzen kann: Wie hätte sich Rodnei gegen Messi geschlagen (im Vergleich zu dem armen Lell)? Hätte Simunic die tödlichen Lochpässe unterbunden? Könnte Dardai Iniesta oder Xavi ausschalten?

Das sind alles Fragen, die schon auf die aktuelle Saison zurückwirken. Denn klarerweise wird Hertha noch so viel wie möglich dazu tun, um nächstes Jahr in einem Bewerb antreten zu können, für den sie dann allerdings die Mannschaft gar nicht ausreichend umbauen könnte und sollte, um dort eine seriöse Chance zu haben. Man muss das so nüchtern sehen, zumal Stuttgart letztes Jahr ja ein warnendes Beispiel gegeben hat.

Ginge es also tatsächlich nur im die 17 Millionen, die man sich mit sechs höflichen, aber bestimmten Auftritten erkauft, um sie langfristig investieren zu können? Nur das wäre kluge Politik. Wie weit selbst deutsche Teams der Hertha schon voraus sind, war im Uefacup zu sehen, wo vor allem der HSV gegen Manchester City eine bemerkenswert reife und selbstbewusste Leistung zeigte. Selbst die englischen Kommentatoren, mir von den Matches der Premier League bestens vertraut, konnten dem Team von Martin Jol ihre Anerkennung nicht versagen.

Der HSV hat das Loch, in das fast alle deutschen Teams nach einer CL-Teilnahme fallen, schon verarbeitet. Er ist der Hertha um mindestens ein halbes Jahrzehnt voraus beim Erwerb jener unsichtbaren Substanz, die ich das Erbmaterial genannt habe (und das man, wie der FC Bayern zeigt, auch öffentlich degenerieren lassen kann, indem man den Kader nicht pflegt).

Das Auswärtsspiel in Hannover wird Hertha eine Richtung für den Rest der Saison weisen, die beiden dann bald folgenden Matches gegen Bremen und den HSV (ich werde hinfahren) aber werden auch schon eine Standortbestimmung für das internationale Geschäft ermöglichen, in dem allein Mannschaften wirklich wachsen können.

Mittwoch, April 08, 2009

Horoskop

Eine Zeitung hat der Hertha unlängst sogar ein Horoskop stellen lassen, es sah ganz gut aus für den Rest der Saison (das Gegenteil hätte wohl niemand gedruckt). Wenn man aber einmal nur die Konjunktion von Mitte der Woche nimmt, ganz ohne Insiderwissen, nur aus Medienberichten zusammengestellt, dann sieht die Lage nicht so toll aus.

Erstens wird die Sache mit Patrick Ebert immer dubioser, es reden auch zu viele Leute mit der Presse, und es sieht danach aus, dass Ebert selbst vielleicht nicht einmal seinem Anwalt immer reinen Wein einschenkt. Dass er möglicherweise einer Person, die ihn direkt angesprochen hat, Geld bezahlt hat für eine sehr außergerichtliche Einigung wegen eines beschädigten Autos, lässt sich nach den Zeitungsberichten zumindest nicht ausschließen.

Zweitens präsentieren die Medien zur Vorsicht schon einmal den Nachrücker: Lukas Pisczcek war so lange weg, dass er nun bei seiner Rückkehr beinahe wie eine Neuverpflichtung wirkt. Er war der arme Hund beim Debakel in der Allarena, wenn er richtig, also in einer klaren taktischen Formation eingesetzt wird, traue ich ihm aber zu, das dürftige Flügelspiel der Hertha zu mobilisieren.

Drittens muss Arne Friedrich wegen eines Meniskussschadens operiert werden, die Verletzung könnte damit zusammenhängen, dass das Dortmund-Spiel nach seinem Muskelproblem zu früh kam. Er wird bis in den Mai fehlen, wir werden sehen, ob Kaká oder von Bergen die Vertretung übernehmen werden, oder ob - auch das stand schon einmal als Möglichkeit im Raum - der derzeit überzählige, für die Bank aber eigentlich zu gute Kacar in die Innenverteidigung geht. Das wäre eine überraschende Lösung, wie die mit Nicu auf der Kacar-Position gegen Bayern.

Viertens habe ich gelesen, dass Coach Favre Rodnei wegen übereifrigen Trainierens angesprochen hat. Unser Außendecker arbeitet gern Extraschichten, er soll es aber nicht übertreiben, denn sonst verkrampft er am Ende noch. Und das würde auf die ganze Mannschaft ausstrahlen. Ein guter Trainer ist einer, der auch weiß, wann es genug ist. Man muss die freie Zeit dann ja nicht unbedingt mit "Forrest Gump" füllen, wie das andere Teams tun. Ich empfehle "Gran Torino" von Clint Eastwood.

Dienstag, April 07, 2009

Konsequenz

Gerade habe ich das Spiel vom Samstag noch einmal in der Wiederholung bei Premiere gesehen. Es fällt auch nach den Fernsehbildern schwer, analytisch wichtige Erkenntnisse zu gewinnen - es hätte so oder so ausgehen können, entscheidend war wohl, dass Hertha in keiner Phase des Spiels über eine längere Periode wirklich zwingend gespielt hat. Das hätte bedeutet: Ballsicherheit, Laufintensität, Geduld.

Der Eindruck ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass der bisherige Plan B (langer Abschlag oder langer Pass auf den Stürmer, das war zuletzt immer Voronin) im Lauf der letzten Wochen zum Plan A geworden ist, und die Mannschaft ihre Souveränität im Umgang mit dem Ball vergessen hat. Die langen Pässe haben überhaupt nicht funktioniert (zumal verglichen mit dem, was ein Misimovic am Samstag in den Lauf von Dzeko gespielt hat), das sah stark nach Ungeduld aus, nach Unzufriedenheit mit der mangelnden Kontrolle des Spiels.

Ungeduld hat das Spiel auch immer wieder in die Mitte getragen, Rodnei war kein einziges Mal an der Grundlinie (zu vergleichen wieder mit der Dynamik eines Marcel Schäfer bei Wolfsburg), Nicu war sehr schwach und hatte viele technische Fehler und Ausrutscher. Das gilt auch für Voronin, der weit unter den Möglichkeiten spielte. Das entscheidende dritte Tor war das deutlichste Signal für die mangelnde Konsequenz, die Hertha am Samstag ausgezeichnet hat: Sahin konnte über das halbe Feld laufen, als er zum Sechzehner kam, waren vier Herthaner in seiner Nähe, trotzdem kann er abziehen.

Trotzdem hätte das Spiel auch anders ausgehen können, deswegen hat Ronny Blaschke in seinem Bericht für die "SZ" und die "Berliner Zeitung" die Sache am besten getroffen: Die Niederlage war eine Sache der Wahrscheinlichkeitsrechnung, wenn man einige der zehn Heimsiege davor als Ausgleich in Rechnung stellt (vor allem der Sieg gegen Köln war doch sehr schmeichelnd angesichts der Leistung damals).

Ich habe inzwischen auch eine persönliche Konsequenz gezogen. Ich werde doch nach Hannover mitfahren, obwohl ich über die AWD-Arena nur Übles gehört habe und dem Sponsor der Namensrechte nicht einmal meine paar Lei zur Investititon anvertrauen würde, die ich aus Rumänien noch übrighabe. Die Hertha wird wiederkommen, und ich möchte dabei sein.

Sonntag, April 05, 2009

Erbmaterial

Als ich gestern nach Hause kam, gab es auf Premiere ein Match zu sehen, das der Trainer auch als Schulbeispiel verwenden könnte: Der FC Liverpool spielte beim FC Fulham, schon ein Unentschieden wäre ein schwerer Rückschlag im wilden englischen Titelrennen gewesen. Schon in der ersten Halbzeit schossen die "Reds" viermal an den Pfosten, in der zweiten Halbzeit sah es dann phasenweise so aus, als würde sich der heuer schon legendär gewordene Behauptungswille von Fulham auch hier gegen alle Versuche von Liverpool bewähren.

Es war schon kaum mehr auszuhalten, wie oft der Ball um ein paar Zentimeter am Tor vorbei ging, oder ein Stürmer die sichere Einschussgelegenheit um Haaresbreite verfehlte. Aber Liverpool hat sich in den letzten Wochen auch zu einem Modell an Willenskraft entwickelt, sie versuchten es unverdrossen, und in der zweiten Minute der Nachspielzeit gelang Benayoun der entscheidende Treffer. Die Reporter sprachen danach von einem "defining match", und genau bei diesem Begriff musste ich unweigerlich an Hertha denken.

Denn das, was Liverpool gestern zeigte, ist die einzige Zukunft, die sie sich setzen kann: Zu akzeptieren, dass Fußball irgendwann nicht mehr darin bestehen kann, eine Halbzeit einmal abzuwarten, was der Gegner denn so vorschlägt. Sondern dass es darum gehen muss, notfalls hundert Minuten zu versuchen, die eine Lücke zu finden, die sich im dichten Verkehr findet. Und dabei immer als gesamte Mannschaft die Ordnung zu bewahren, sie jedoch nicht zum Selbstzweck werden zu lassen.

Die Hertha hatte gestern auch die Chance zu einem "definierenden" Spiel, auch nach dem 1:2 hatte sie noch alle Chancen, aber sie hatte nicht das Personal, und große Teil des Personals hatten nicht die Form, nicht die Nerven und nicht den Willen, die Titelambition, die ihr von den Rängen aufgedrängt wurde, auch selbst zu zeigen. Liverpool hatte in dieser Saison auch dürftige Phasen, und ich weiß, wie sehr es häufig auf den Moment, auf das Momentum ankommt. Aber mir imponiert das Ethos dieser Mannschaft.

Die Hertha hat natürlich mit Situationen wie der von gestern keine Erfahrung, deswegen sehe ich das wie der Coach als Teil einer (langen) Entwicklung. Sie dürfte viel länger werden, als uns allen lieb ist, denn es geht darum, ein Erbmaterial für die Mannschaft zu schaffen, das über die individuellen Spieler hinausgeht. Eine Substanz, so mysteriös und doch so konkret wie das Ethos des FC Liverpool.

Samstag, April 04, 2009

Durchreiche

Nach zehn Heimsiegen in Serie hat die Hertha heute gegen Borussia Dortmund mit 1:3 verloren, insgesamt verdient, auch wenn dieses Mal deutlich mehr Chancen zu verbuchen waren, als es eigentlich zu unserer Spielcharakteristik gehört. Es war ein Match, das der Trainer sich noch oft anschauen wird, denn er hat gesehen, was der Hertha in den Wochen der Tabellenführung abhanden gekommen ist: Konzentration, Flexibilität, Laufbereitschaft, Effizienz. Das hat alles der BVB gezeigt.

Die Führung für die Auswärtsmannschaft brachte ein Match auf Touren, das davor so richtig eine Karikatur der "Ruhe" (Bruno Labbadia) war, die Hertha auch schon gutgeschrieben worden war. Es war nicht Ruhe, es war Trägheit und auch irgendwie Ratlosigkeit, was die erste halbe Stunde prägte. Nach dem Gegentor kam jene Leidenschaft, die der Hertha aus eigenen Stücken irgendwie zu fehlen scheint. Es dauerte er aber bis weit in die zweite Halbzeit, bis Raffael mit einem grandiosen Solo den Ausgleich schaffte.

Danach war alles offen, es war aber der BVB, der durch einen Kopfballtreffer von Kehl erneut in Führung ging. Die lange Zeit so gelobte Defensive der Hertha bröckelt doch deutlich. Danach machte Favre für meine Begriffe einen taktischen Fehler: Kacar für Dardai sehe ich ein, Pantelic für Nicu auch, aber Domovchyiski für Ebert war für meine Begriffe zu viel der Umstellung. Das Flügelspiel war danach endgültig vom Tisch, und das 1:3 nach einer Fehlerkette acht Minuten vor Ende war eine harte Bandage.

Viele Hertha-Fans verließen danach schon das Stadion, es waren wohl solche, die von der Meisterschaft geträumt hatten. Dazu müsste die Mannschaft aber mehr Qualität auf verschiedenen Positionen haben: Rodnei erscheint mir weiterhin ungenügend, heute war aber auch Nicu schwach, sodass die linke Seite nichts brachte. (Nicu rutschte auch ständig aus, kann der nicht die richtigen Schuhe anziehen, er kennt doch den Rasen?)

Rechts war ein wenig besser, von Bergen und Ebert versuchten immerhin eine Menge. Raffael war der beste Herthaner bei insgesamt schwacher Gesamtleistung. Noch ein ästhetisches Detail: Was war denn das für eine Jubelmusik nach dem Raffael-Treffer? Üblere Dröhne gibt es ja wohl nicht. Kein Wunder, dass danach kein Tor mehr gelang.

Zielgerade

Jetzt geht's los. Die Saison geht in die letzte Phase, keine weitere Länderspielpause wird den Rhythmus unterbrechen, von nun an gibt es in dichter Folge eine Herausforderung nach der anderen, und für uns Fans einen Höhepunkt nach dem anderen: Heute spielt Hertha gegen Dortmund, nächste Woche ist das Viertelfinale der CL, und so weiter. Für die Hertha wird sich heute viel entscheiden: Sie muss, wenn sie ihre Außenseiterchance auf einen Spitzenplatz wahren will, den Heimnimbus verteidigen. Sie muss gewinnen, um nächste Woche in Hannover nicht schon gegen den Absturz zu spielen. Die Aufstellung wird wenige Überraschungen bringen. Arne Friedrich soll spielen können, steht heute in der Zeitung. Wir können nur hoffen, dass die Verletzung nicht noch einmal aufbricht und ihn dann längerfristig mattsetzt. Ich erwarte von Bergen rechts statt Stein, und Rodnei weiterhin links hinten, ich nehme auch an, dass Patrick Ebert auflaufen wird und Nicu auf links. Es könnte allerdings sein, dass Coach Favre Kavar von Beginn an spielen lässt, neben Dardai, wodurch Cicero wohl auf links rücken würde, und entweder Nicu eine Pause bekommt oder Ebert noch ein wenig auf der Bank schmoren muss. Meine Wunschvariante würde Dardai opfern: Nicu-Cicero-Kacar-Ebert. Das ist unser bestes Mittelfeld. Voronin und Raffael sollten gesetzt sein. Das Stadion könnte nahezu voll werden. Wir werden sehen.

Donnerstag, April 02, 2009

Länderspielpause

Die zwei langen Wochen, in denen die Ligen jetzt wegen der Nationalteams Pause hatten, habe ich mit einer Reise nach Rumänien überbrückt. Umständehalber ist dadurch Maximilian Nicu stärker ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit gerückt, deswegen muss ich jetzt der Vollständigkeit halber noch nachtragen, dass er gestern in Wien in der 84. Minute für Rumänien eingewechselt wurde, an der 1:2-Niederlage gegen Österreich aber nichts mehr ändern konnte. War eine desaströse Woche für das rumänische Nationalteam, er wird vermutlich froh sein, dass er damit nur am Rande zu tun hatte. Er ist nun aber auf das Land seiner Eltern als Nationalspieler festgelegt, vielleicht sehen wir ihn irgendwann in Berlin gegen Deutschland.

Heute sammeln also die Trainer ihre Spieler ein, sehen sich blaue Flecken an, lassen massieren und regenerien, und wagen vielleicht sogar ein kleines Training. Das Spiel der Hertha gegen den BVB am Samstag wird trotzdem in vielfacher Hinsicht ein Kaltstart - sie kann dann zeigen, wie sehr sie schon gefestigt ist.

Das Spiel gegen Stuttgart, dieser Rückblick muss noch kurz sein, hat ja vor allem gezeigt, dass die Hertha doch stärker auf einen "game plan" festgelegt ist, als ihr lieb sein kann. Dem Gegner den Nerv ziehen und dann einmal zuschlagen, das kann nur ein Zwischenziel sein. Vor allem deswegen will Coach Favre den Ball flach halten: Er weiß, dass erst ein Teil der "Neuprogrammierung" der Mannschaft geleistet ist. Der BVB wir ein interessanter Test auf die künftigen Herausforderungen: keine Mannschaft ist heuer schwerer zu schlagen.

Mittwoch, April 01, 2009

Costela

Die Karriere von Maximilian Nicu als rumänischer Nationalspieler droht sich schon beim zweiten Termin in ein Satyrspiel zu verwandeln. Seine Mutter Costela hat in den rumänischen Medien verlauten lassen, dass sie ihren Sohn heute in Wien gegen Österreich spielen sehen will, andernfalls sie ihn wieder zurückzieht und für die deutsche Nationalmannschaft bereithalten möchte. Ich weiß natürlich nicht, aus welchem Kontext diese Äußerungen stammen, ich weiß aber, dass meine Mutter keine Interviews zu meinen beruflichen Angelegenheiten geben würde (sie wird aber auch kaum einmal gefragt).

Die Sache bekommt eine zusätzliche pikante Note dadurch, dass Costela es wohl war, die verraten hat, dass einige rumänische Teamspieler nachts das Quartier verlassen haben. Nun hat der gute Max das Image der Petze weg, und Adrian Mutu soll gesagt haben, er wäre besser in Deutschland geblieben. Alles nicht so wichtig, alles aber ein hübsches Beispiel für den Wechsel der Welten, den ein Fußballer vornimmt, wenn er - wie Nicu - aus Berlin nach Bukarest zum Team reist oder, wie der Weltstar Nemanja Vidic, der am Samstag in Constanta auch dabei war, aus London nach Belgrad etc.

Fußballerisch hatte ich am Samstag ja doch auch den klaren Eindruck, dass Nicu dem Tempo des Spiels nicht gewachsen gewesen wäre. Allerdings war Rumänien auf der rechten Offensivseite schwach, vielleicht gibt es ja heute noch eine Chance. Am Abend werde ich wieder in Berlin sein, dann muss ich mich entscheiden zwischen Wales-Deutschland (wo ich ein Auge auf Aaron Ramsey haben würde) und einem Stream von Österreich-Rumänien (wo ich die Causa Costela weiterverfolgen könnte).

Das Thema Tempo, das Bundestrainer Löw vor einer Weile schon angeschnitten hat, wird uns auf jeden Fall nicht verlassen. Es ist zumal für die Hertha von großer Bedeutung, denn sie hat doch deutliche Schwierigkeiten mit der Variation des Tempos, auf Deutsch: sie tut sich schwer, mit mehr als drei Spielern zu beschleunigen. Ob Costela dazu eine Meinung hat? Sie soll mir schreiben.