Donnerstag, Dezember 31, 2009

Nullerjahre

Morgen beginnen die Zehnerjahre, die Nullerjahre gehen zu Ende. Die erste Dekade des 21. Jahrhunderts ist zufällig fast genau deckungsgleich mit meiner Zeit in Berlin, im Dezember 1999 bin ich nach Kreuzberg gekommen, um den Vertrag für die Wohnung zu unterschreiben, Mitte Januar 2000 kam ich dann schon mit (kleinem) Sack und Pack.

In dieser Zeit war Hertha fraglos ein Erstligaclub, auch in der gefährlichen Saison auf 2004 ging es eher darum, sich nicht so blöd anzustellen, wie die Mannschaft es eine Weile tat. Damals schaffte Hertha in der Rückrunde 26 Punkte, mindestens so viele müssen es auch in diesem Frühjahr werden.

Ich habe die letzten Tag genützt, um den Kopf frei zu bekommen, wie Trainer Funkel es verordnet hat. Zu diesem Zweck habe ich viele Matches der Premier League angeschaut, gestern noch das 4:1 von Arsenal beim FC Portsmouth, der in England ganz unten in der Tabelle steht, und nun auch noch durch eine Steuerforderung über sechs Millionen Pfund an den Rand der Insolvenz gebracht wurde.

Kevin-Prince Boateng, hier im Bild mit dem 18jährigen nächsten Arsenal-Superstar Aaron Ramsey, zählt zu den Leistungsträgern und kommt vermutlich im Januar wieder auf den Markt, nachdem er erst im Sommer von Tottenham an die Küste gewechselt war.

Es geht also auch noch schlimmer als bei der Hertha, die offiziell noch zweigleisig plant, in Wahrheit aber natürlich längst die Kalkulationen für die zweite Liga ganz oben auf dem Schreibtisch liegen hat. Ich würde den letzten Eintrag in den Nullerjahren gern optimistisch beenden, finde dafür aber nicht so richtig das Motiv. Vielleicht warte ich einfach einmal ab, welche Zwischentöne Arne Friedrich findet, wenn er aus den USA zurückkommt. Einen guten Rutsch!

Mittwoch, Dezember 23, 2009

Neuaufstellung

Wenige Tage nach Ende der Hinrunde ist das Personalprofil der Hertha für das kommende Halbjahr komplett, und wir können uns ein wenig überlegen, was die Zugänge Gekas, Kobiashvili und Hubnik für das Mannschaftsgefüge bedeuten. Immer vorausgesetzt, dass Kobiashvili oder Gekas oder Hubnik sich nicht im ersten Spiel verletzt, wie es zum Muster dieser Saison - Kringe, Ochs - zu gehören scheint.

Bei dem Georgier, der für die linke Defensivseite vorgesehen ist, ist die Sache klar: Er soll Nemanja Pejcinovic ersetzen, der Marc Stein ersetzen musste und in einer denkwürdigen Reihe defizitärer Linksverteidiger bei der Hertha (Michael Hartmann!) einen Ehrenposten erhalten wird.

Hubnik soll wohl neben von Bergen zentral verteidigen und die geringe Körpergröße des einsatzfreudigen und taktisch klugen, aber immer wieder leicht zu übertölpelnden Schweizers kompensieren helfen. Das heißt, dass Arne Friedrich nach rechts ausweichen muss, was ihm ein halbes Jahr vor der WM und angesichts der defensiven Personalsituation in Löws Kader nicht gefallen dürfte. Oder aber Funkel stellt grundsätzlicher um, schickt von Bergen nach rechts und lässt Friedrich und Hubnik innen gemeinsam ran, was ich für eine interessante Konstellation halte, vorbehaltlich dessen, dass ich den Tschechen nicht kenne.

Und dann ist da noch Gekas. Er wurde geholt, um die Angriffsschwäche zu beheben, deswegen wird er spielen wollen und sollen und müssen. Das bedeutet aber zweierlei: weniger Raum für Ramos, und ein schlimmes Gedränge im Mittelfeld. Denn dort stehen nun zur Verfügung: Lustenberger, Dardai, Cicero, Kacar, Ebert, Kringe, Nicu, Pisczek, Raffael.

Gehen wir einmal davon aus, dass Lustenberger seine Position behaupten kann, dann liegt eine Raute nahe, bei der Raffael zentral hinter den Spitzen spielt, Cicero (oder Kringe) halblinks, und Kacar (oder Ebert oder Pisczcek halbrechts). Das macht nur Sinn bei offensiven Außenverteidigern, die nun aber potentiell ja da sind.

Ein 4-3-3 wäre denkbar, wenn Ramos auf den rechten Flügel ausweicht, wofür nach bisherigen Beobachtungen wenig spricht. Verlierer der Transferrunde sind definitiv Nicu, Domovchyiski und die ganz Jungen, außerdem würde mich nicht wundern, wenn Patrick Ebert abgegeben würde, sofern sich jemand für ihn interessiert und drei Millionen zahlt. Da Funkel ihn sich zu einem pädagogischen Sonderprojekt erkoren hat, wird wohl auch Kacar ein Verlierer dieser Rochaden sein.

So richtig glücklich bin ich also über die Personalie Gekas nicht, wie auch, es ist schließlich ein Verzweiflungsakt. Einen weiteren Stürmer wird die Hertha mutmaßlich auch zurückbekommen: den schwer vermittelbaren André Lima müsste eigentlich, wenn er Ehre im Leib hätte, Manager Hoeneß nach Wolfsburg holen, denn der gehört ganz einfach zu ihm.

Dienstag, Dezember 22, 2009

Starker Mann

Zwei Dinge kamen gestern zusammen: Aus Wolfsburg verlautete die Bestellung von Dieter Hoeneß zum Geschäftsführer (nicht allerdings: Sportdirektor), und in Berlin nominierte das Stadtmagazin "tip" Michael Preetz auf Rang 4 in der jährlichen Liste der peinlichsten Berliner.

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, und doch kommt darin die ganze hässliche Ironie dieses für die Hertha so schwer erträglichen Jahres zum Ausdruck. Im März begann für Wolfsburg mit einem irregulären Tor gegen Hertha die Serie, die zur Meisterschaft führte. Im Dezember brauchen sie, weil sie die Meisterschaft und den Abgang von Felix Magath nicht so gut verkraftet haben, einen starken Mann, und finden einen passenden, der für die Hertha im Sommer zu stark geworden war.

Auf Dieter Hoeneß folgte Michael Preetz, der in der ganzen Malaise bisher kein einziges Mal peinlich den starken Mann markiert hat, der aber eben auch das symbolische Bedürfnis der Öffentlichkeit (und auch der Mannschaft?) nach Stärke mit seiner nüchternen Art nicht befriedigt. In Nürnberg steht derweil Martin Bader, einst Lehrling beim starken Mann Hoeneß, und demgegenüber ebenfalls ein dezidiert zurückhaltender Typ sowohl im Auftreten wie im Ausgeben noch nicht verdienten Geldes, ebenfalls vor einer sehr schwierigen Rückrunde.

Gerade musste der Trainer Oenning entlassen werden, weil man dachte, mit Talenten wie Havard Nordveidt auf der Sechserposition die Liga halten zu können. (Da steht die Hertha mit Fabian Lustenberger sogar noch besser da, im Frühjahr werden wir aber sicher wieder das "Kampfschwein" Pal Dardai erleben - müssen.)

Dieter Hoeneß ist einer, wie er im deutschen Fußball immer noch gebraucht wird, ein Manager-Darsteller mit guter Vernetzung - und dort, wo er jetzt hingeht, passt er perfekt hin: in eine Situation nämlich, in der es auf ein paar Millionen dann doch nicht ankommt. Bei der Hertha kam es zuletzt auf ein paar Millionen an, weil eine Anleihe rückzahlbar werden wird, die Hoeneß einmal für eine gute Idee hielt - irgendwie mussten die damals akuten Schulden ja bedient werden, mit neuen eben. Beim VfL Wolfsburg verschwinden die Schulden in einer Konzernbilanz. Da kann einer leicht den starken Mann machen. Soll er mal machen.

Sonntag, Dezember 20, 2009

Abou Diaby

Wenn ich einen Lieblingsspieler angeben müsste, einen Fußballer aus allen Ligen der Welt, würde ich wahrscheinlich Vassiriki Abou Diaby wählen. Der 23jährige Franzose gilt zwar immer noch ein wenig als Rätsel und als ewiges Talent, und niemand weiß, ob er jemals der überragende Spieler werden wird, zu dem er zweifellos die Anlagen hat.

Gestern aber hat er gezeigt, warum ich ihn seit seinem Debüt für den FC Arsenal im Jahr 2006 mit so großem Interesse verfolge. Die Gunners taten sich schwer gegen Hull City, in Abwesenheit von Fabregas und van Persie blieben zündende Momente weitgehend aus. Ein Freistoß von Denilson brachte kurz vor der Pause die Führung, spät in der zweiten Halbzeit war es dann aber Diaby, der mit zwei tollen Doppelpässen den Weg in den Strafraum fand - beide Male war es eine winzige Verzögerung, die zuerst einen Querpass auf Eduardo und später einen Torschuss erst erfolgreich machten.

Diese Ruhe im entscheidenden Moment ist einfach großartig, und nun bin ich sehr gespannt, ob Abou Diaby in dem dichten Feiertagsprogramm der Premier League - das ich mit diesem Post feierlich auch für unser Wohnzimmer eröffne - an diese Leistung anschließen kann. Und jetzt: West Ham gegen Chelsea.

Samstag, Dezember 19, 2009

Gefrierpunkt

Die Hertha hat sich in München achtbar geschlagen und ein 2:2 herausgeholt. Leider gab es aber auch noch eine Hinrunde, eine erste Halbzeit, die mit 3:0 verloren ging. Damit ist das Schema dieses Jahres mehr oder weniger deutlich aufgezeichnet: Alles ist schon vor der Pause entschieden. Individuelle Fehler ebneten dem FCB das gefrorene Terrain. Zuerst ließ die Hertha bei einem Corner von Badstuber den kurzen Posten verwaist (van Buyten nützte die Offenheit), dann ließ Pejcinovic eine Flanke von Lahm zu (Gomez verwertete), schließlich hatte von Bergen gegen Gomez das Nachsehen (das resultierende Durcheinander im Fünfmeterraum nützte Robben).

Das kompakte Stehen, mit dem Friedhelm Funkel die Klasse erhalten möchte, erwies sich als stehendes K.O. Da heute Bochum auswärts bei Hannover gewonnen hat (was Hertha in vier Wochen erst einmal schaffen muss), wird es allmählich schwer, der Mannschaft noch einmal den Glauben zu vermitteln. Dass die linke Defensivposition neu besetzt wird, ist jetzt vermutlich ausgemacht - ich hätte es klug gefunden, da schon heute etwas zu versuchen, kann aber natürlich auch den Beweis dafür nicht antreten, dass Radjabali-Fardi es besser gemacht hätte.

Ramos und Raffael erzielten in der zweiten Halbzeit gegen eine zerstreute Bayern-Defensive ("Demitschelis", wie Marcel Reif sagt) jeweils ein Tor für eine vermutlich bald belanglose Statistik. Ich weiß, dass die ganze Rhetorik bei der Hertha auf dem Unterschied zwischen Hinrunde und Rückrunde aufbaut, und schließe mich hiermit an: Die Hertha hat heute in München ein Signal gesetzt, indem sie die zweite Halbzeit mit 2:2 numerisch offenhielt!

Weihnachtsfeier

Heute gibt es vor der Kiste eine echte Weihnachtsfeier, beginnend mit dem FC Portsmouth gegen den FC Liverpool, dann Hertha in München, dann Arsenal gegen Hull City.

In Portsmouth spielt Kevin-Prince Boateng eine sehr anständige Saison mit einem Team, das eine Weile fast so aussichtslos hinten drin hing wie die Hertha. Seine Pässe, sein Einsatz, seine Führungsqualitäten werden vielfach gelobt, der deutsch-ghanaische "Ghetto-Prinz aus dem Wedding" hat aber auch schon wichtige Elfmeter vergeben und zeigt natürlich manchmal Nerven.

Am Abend muss Arsenal mit einer schwer dezimierten Mannschaft (Fabregas, van Persie, Bendtner verletzt, Almunia ein Nervenbündel, ...) unbedingt drei Punkte gegen Hull holen, denn zu Weihnachten kommt Aston Villa, die englische Mannschaft, an der sich meiner Meinung nach Hertha hätte orientieren sollen, als sie noch nach einem Modell für den Angriff nach oben suchte. Das Team von Martin O'Neill spielt im Grunde eine ähnliche Taktik wie Hertha im Vorjahr, eher auf Konter ausgelegt, aber mit ungleich größerer Leidenschaft und einer verlässlichen Torausbeute aus Standardsituationen (worauf ja sowohl Favre wie Funkel locker verzichten zu können meinen).

Bei der Hertha spricht fast alles dafür, dass sie mit sechs Punkten überwintern wird. Für die Aufstellung gegen den selbstbewussten FC Bayern (der allerdings mit Florenz einen sehr unangenehmen CL-Gegner gezogen hat, frag nach in Liverpool) sollten wir uns an das gewonnene Heimspiel vor noch nicht einmal einem Jahr bzw. vor einer Ewigkeit erinnern: Damals war Kacar verletzt (heute ist er gesperrt), dafür spielte Nicu ausnahmsweise im defensiven Mittelfeld, es war eine seiner besten Partien.

Außerdem zog Favre damals Rodnei aus dem Talon, auch er schlug sich wacker auf der linken Seite defensiv. Ich würde, da heute nichts zu verlieren ist, auch ein wenig pokern. Da die Bayern über rechts wie über links heftig kommen werden, empfiehlt sich ein 4-3-3 mit einer Viererkette, in die Friedrich neben von Bergen zurückkommen wird.

Links würde ich Radjabali-Fardi den Vorzug vor Pejcinovic geben, weil er besseres Zweikampfverhalten hat, weil er schneller ist, weil er eines unserer interessantesten Talente ist; rechts würde ich Janker bringen, weil wir Pisczcek dieses Mal weiter vorne brauchen (Ebert ist gesperrt). Lustenberger ist gesetzt, davor sollten Cicero und Nicu absichern und eröffnen, Pisczek und Raffael auf die Flügel rochierend, und Ramos die Spitze.

Klingt nach eine wackligen Viererkette und kann auch nur dann funktionieren, wenn von ganz vorn weg intensiv verteidigt wird. Heißt konkret natürlich, dass die ganze Mannschaft pro Spieler wohl ein, zwei Kilometer mehr laufen würde müssen, als sie es gewöhnt ist. Eine kleine Überraschung in München müsste das wert sein. Auf geht's Hertha.

Freitag, Dezember 18, 2009

Lisboa, oh Lisboa

Allmählich klären sich die Perspektiven für das neue Jahr: Mit neuen Spielern (Gekas, Kobiashvili) wird die Hertha auch in Europa eingreifen, beide sind nicht für die internationalen Bewerbe gebunden und können auflaufen, wenn es gegen Benfica Lissabon und vielleicht sogar eine Runde später gegen Olympique Marseille (oder den FC Kopenhagen) geht.

Gegen Benfica hat Hertha erst vor gut einem Jahr gespielt, es war ein dürftiges Match von beiden Seiten, die Mannschaft aus Lissabon beendete die Gruppenphase damals sogar noch hinter Hertha ganz unten in der Fünfertabelle. Es sieht allerdings so aus, als wäre Benfica heuer stärker, vor allem zwei Siege gegen den FC Everton verdienen Aufmerksamkeit. Ich würde Hertha also mit 30:70 als Außenseiter einschätzen.

Bis ganz zum Schluss blieb Hertha BSC bei der Auslosung im Topf, sie hatte bis fast zuletzt noch Chancen auf Fenerbahce, worüber ich mich besonders gefreut hätte, und wohl das Management auch. Egal, nun wissen wir Bescheid, und können nur hoffen, dass der internationale Bewerb den nationalen Kraftakt nicht zu stark beeinträchtigt.

Donnerstag, Dezember 17, 2009

Sechzehntelfinale

Die Hertha gehört nun zu den 48 besten Mannschaften in Europa. Aber sie hat Schwierigkeiten, sich unter den 18 besten Mannschaften in Deutschland zu behaupten. Verkehrte Welt.

Als sie brav im oberen Mittelfeld der Liga mitspielte, unter Coach Götz vor ein paar Jahren, da spielte sie desaströse europäische Bewerbe (ein 0:0 gegen den RC Lens an einem ähnlich kalten Dezemberabend wie gestern ist mir lebhaft in Erinnerung). Nun steht sie mit sechs Punkten ganz unten in der Liga, und gewinnt in der Europa League drei Spiele hintereinander - gestern mit 1:0 gegen Sporting Lissabon, womit der Einzug in das Sechzehntelfinale gesichert wurde.

Dass es ein tolles Match war, wird niemand behaupten wollen. Es wurde mit begrenztem Einsatz geführt, nicht völlig leblos, aber doch ohne Zugriff auf die Reserven. Das war für beide Teams nicht notwendig, deswegen wird man keine allzu großen Schlüsse ziehen wollen. Einer legt sich aber doch nahe: das 4-4-2, für das Funkel sich gestern entschied, liegt der Hertha heuer nicht so gut wie das 4-3-3, das sie gegen stärkere Gegner manchmal wählt.

Ramos kommt neben Wichniarek weniger zur Geltung, und Cicero ist nun einmal kein Flügelspieler. Dadurch wird alles ein wenig unrund. Das einzige Tor erzielte Gojko Kacar eher glücklich, die Freude darüber war doch sichtbar, und die Ostkurve tat das ihre, um den serbischen Hoffnungsträger wieder ein wenig mit der Hertha zu versöhnen.

Wir saßen gestern so, dass wir eine Halbzeit lang sehr genau zusehen konnten, wie Nemanja Pejcinovic sich so schlägt - es war ernüchternd, viele Fans haben ihn ja sowieso als Schwachstelle erkannt, auf dieser Position muss wirklich etwas getan werden, auch wenn ich seine Unverdrossenheit irgendwie bewundere.

Spät am Abend kam dann noch Florian Kringe, den die Stadionregie schon beim Aufwärmen in der Halbzeitpause ständig auf den Schirm geschaltet hätte, ganz so, als käme da unser Fabregas aus einer Verletzungspause zurück. Diese Tatsache allein - dass ein vom Klopponauten ausgemusterter Profi hier wie ein Superstar erwartet wird - sagt viel aus über Hertha 2009. Sie wird auch 2010 noch international spielen, und nach Sichtung der Auslosungstöpfe erscheint selbst ein Weiterkommen ins Achtelfinale nicht vollständig ausgeschlossen.

Mittwoch, Dezember 16, 2009

Heimwärtsspiel

Zur Einstimmung auf das heutige EL-Spiel gegen Sporting Lissabon noch zwei Fotonotizen von der Fahrt nach Lettland - aus dem Skontostadion in Riga zwei Spieler, die in den letzten Wochen für die Hertha sehr wichtig wurden (im Hintergrund ein Flutlicht), und eine Straßenszene aus Ventspils.

Montag, Dezember 14, 2009

Zuspitzer

Das späte Tor von Ramos gegen Leverkusen wirkt immer noch auf seltsame Weise nach. Obwohl der Gedanke nicht ganz abzuweisen ist, dass es sich dabei um einen ironischen Moment in einer insgesamt tragischen Saison handelt, dass also die Erleichterung, die damit einher geht, nur das Drama verstärken wird, scheinen die Medien und der Club, soweit er in den Medien auftaucht, gerade ein wenig durchzuatmen.

Einen Grund dafür gibt es sicher, und der ist Ramos selbst. Die stark kritisierte Einkaufspolitik war vielleicht doch nicht ganz so schlecht, womöglich hat Hertha da für wenig Geld einen sehr guten Kauf getan. Die Mannschaft begriff das ein wenig früher als der Trainer, sie weiß die Räume zu schätzen, in die Ramos startet. Damit sollten zumindest populistische Aktionen wie eine Rückholung von Pantelic oder gar Voronin vom Tisch sein, bei Theophanis Gekas, den Funkel offensichtlich unbedingt haben will, deutet sich ein Leihgeschäft an, was auch die einzig vernünftige Option sein kann.

Die Verstärkungen im Winter werden auch über das System entscheiden, das Hertha im neuen Jahr spielen wird. Ich finde, dass sich das 4-3-3 sehr gut bewährt hat, weil es ein flexibleres Spiel erlaubt, je nachdem, wie sehr Kacar dabei offensive Lizenz bekommt. Sollte Funkel mit zwei echten Stürmern spielen wollen, wäre Kacar wohl nicht mehr Stammspieler, Cicero würde neben Lustenberger eine Doppelsechs machen, Raffael links, Ebert (Nicu) rechts, wo spielt dann Kringe?

Man sieht, die Hertha hat eigentlich eine Menge Personal, drei Neue werden das Durcheinander nicht beheben, deswegen wiederhole ich mich hier noch einmal: Bisher wurde die Mannschaft zu häufig falsch aufgestellt, erste Devise muss es sein, so wie gegen Leverkusen die vorhandenen Spieler in eine gute Ordnung zu bringen. Dann kann man eventuell beginnen, Verstärkungen zu integrieren.

Ramos erleichtert diese Ordnung, weil er ein "target man" ist, einer, der die Mannschaft zuspitzt, der das Ziel sucht, aber selbst auch Ziel ist - für Zuspiele, für die Struktur des Teams. Das hat fast die ganze Hinrunde gefehlt, und weil sich das ein wenig geändert hat, verstehe ich den Optimismus sogar, der gerade noch einmal zurückgekommen ist.

Samstag, Dezember 12, 2009

Welttorjäger

Ui, wie war das großartig gestern im Olympiastadion: Bundesligafußball in Berlin, die Hertha fast auf Augenhöhe mit dem Tabellenführer, die Ostkurve absolute Weltklasse. Und doch stand am Ende nur ein glückliches 2:2. Als Ramos in der 92. Minute den Ausgleich erzielte, war der Feuilletonchef einer bedeutenden deutschen Wochenzeitung, der sich in der Pause noch frohgemut ein Bier gegönnt hatte, schon gegangen. (Nein, das ist nicht Jens Jessen auf dem Foto.)

Das Spiel hat deutlich gezeigt, dass es Grund zum Optimismus gibt, aber noch deutlicher, dass es zuwenig sein könnte, was Friedhelm Funkel zu vermitteln weiß. Er hat dem Team gestern eine funktionierende defensive Struktur gegeben, mit Kacar und Cicero wie erwartet vor Lustenberger, und dann kam es natürlich ganz gelegen, dass Ramos schon in der 8. Minute einen Pass von Cicero ins Loch bekam und souverän abschloss.

Bis zur Pause passierte nicht mehr viel, in der zweiten Halbzeit hätte ich nun erwartet, dass Hertha eher die ersten Ansätze zur Balleroberung vielleicht zehn Meter vor die Mittellinie verlegt, aber sie gingen insgesamt zehn Meter dahinter zurück, und bemühten sich bei ihren Offensivszenen geradezu aufreizend um Geduld. Bei Barcelona schreiben die Reporter in so einem Fall gern, dass das Team den Ball in seinen Reihen "versteckt", bei der Hertha wurde der Ball leider zunehmend öfter bald wieder gefunden.

Sie hatte immer noch ihre Chancen, aber sie ließ nie so richtig erkennen, dass sie an einem zweiten Tor mehr als nur theoretisch und schon gar nicht existenziell interessiert war. Das war natürlich der Funkel-Ordnung geschuldet, der mehr als vier Teilnehmer an einem Angriff prinzipiell ausgeschlossen hatte. So konsolidiert man eine Mannschaft auch in die zweite Liga.

Und es wäre ja auch beinahe alles nach Schema verlaufen, denn in den 75. Minute hatte Bayer einen Corner, der Ball fiel aus dem Strafraum vor die Beine von Kroos, und damit war die schöne Führung dahin. Dann bekam Kacar noch die gelb-rote Karte, weil er sich von den häufig nicht leicht nachvollziehbaren Entscheidungen von (schon wieder) Babak Rafati aus dem Konzept hatte bringen lassen, und in der 90. Minute schoss Kaplan mit einem abgefälschten Ball das 2:1 für Leverkusen.

In der allerletzten Minute gab es noch einen Corner für Hertha, die davor (wie schon die ganze Saison) durchweg beklagenswerte Standardsituationen gezeigt hatte. Raffael traf den Ball gut, Ramos stieg auf und sandte ein. Es war sein viertes Tor in dieser Saison, der Neid vieler Berliner Fans auf den BVB wegen Welttorjäger Barrios wird sich allmählich legen. Die Hertha aber steht mit sechs Punkten da und wird nicht so recht wissen, ob das gestern gut oder schlecht war. Ich weiß es auch nicht. Es war nämlich beides, und insgesamt großartig.

Freitag, Dezember 11, 2009

Schleuderpreis

Gegen Bayer 04 Leverkusen gab es letzte Saison zweimal ein 1:0, beide Male traf Voronin, vor allem der Auswärtssieg war mit viel Glück und einem beherzten Jaroslav Drobny errungen. Voronin und Arne Friedrich (der damals den tollen Pass spielte) sind heute nicht dabei, Drobny ist nicht bei hundert Prozent. Trotzdem wird es spannend sein, ob Funkel heute etwas einfällt, gegen Kroos, gegen Kießling, gegen eine Mannschaft, die zuletzt in Hannover kein Tor erzielt hat. Ob er Kacar weiterhin auf der Bank an Wert verlieren lässt, oder ob er die vorhandenen Ressourcen noch irgendwie zu mobilisieren gedenkt. So würde ich aufstellen: Drobny. Radjabali-Fardi. von Bergen. Kaká. Pisczczek. Lustenberger. Cicero. Kacar. Raffael. Ramos. Nicu. Nicu und Kacar gegen Kroos, Lustenberger und von Bergen gegen Kießling, alle gegen den Abstieg, Ramos für den Sieg. 75 Euro gebe ich übrigens bei Kaiser's gerade einmal im Jahr aus, aber ich habe ja sowieso eine Dauerkarte.

Donnerstag, Dezember 10, 2009

Planungen

Die Hertha plant längst zweigleisig, lassen uns die Medien wissen, die munter mitplanen und so den Druck auf das Management erhöhen, durch Aktivitäten die Gemüter zu beruhigen.

Ich mache deswegen heute einen alternativen Vorschlag: Die Hertha sollte im Winter auf Zukäufe verzichten, sie sollte die Neuverschuldung nicht erhöhen und stattdessen die Trainerfrage noch einmal überdenken.

Warum? Erstens ist es zu riskant, bei einer so großen Abstiegsgefahr drei, vier Millionen neue Schulden einzugehen für Transfers, von denen kaum jene durchschlagende Wirkung ausgehen wird, die dabei einkalkuliert ist.

Auch die offenbar ins Auge gefasste Alternative, Gojko Kacar jetzt schnell zu Geld zu machen, ist Unsinn: sie beraubt die Hertha eines Spielers, in den sie jetzt ihrerseits investieren muss (taktische Überlegungen, Motivationsarbeit, ...), um seinen Wert, zu dessen Verminderung beide Trainer wesentlich beigetragen haben, noch einmal zu steigern.

Zweitens ist die Mannschaft in meinen Augen konkurrenzfähig im Abstiegskampf, sie muss nur besser ein- und aufgestellt werden. Ich nenne hier einmal ein erstes Team, zugleich eine intelligente Formation (mit Alternativen): Drobny. Radjabali-Fardi (Stein), von Bergen, Friedrich (Janker), Pisczcek. Lustenberger. Cicero (Kringe), Kacar. Raffael, Ramos, Nicu (Ebert). Kein Meisterkandidat, aber bei entsprechender "Laufleistung" (der Klopponaut) ein defensiv wie offensiv plausibles Konstrukt, das im Winter allenfalls an zwei Stellen (defensiv außen links und in der Sturmzentrale) ergänzt werden sollte, und zwar nur durch Ausleihen, wie auch Marko Pantelic seinerzeit eine war.

Dass diese Mannschaft es schafft, ist natürlich auch keine Gewissheit, aber ich sehe weit und breit keinen Spieler für ein bis zwei Millionen, der die Hertha sicher wieder in Schwung bringen würde (und schon gar nicht würde ich mehr Geld für Voronin zahlen, der sicher einen satten, langen Vertrag fordern würde).

Vor allem aber gilt: Die Mannschaft muss das mit sich selbst lösen. Das Problem resultiert aus Schlendrian und anschließender Verunsicherung. Friedheld Funkel konnte das bisher nicht lösen, weil er wankelmütig aufstellt und taktisch wenig Sinn für die Situation beweist. Was es jetzt braucht, ist Vertrauen in das vorhandene Personal. Das ist die beste, und zum Glück auch die billigste Lösung, und sie ist auch unkonventionell genug, um zu dem Wunder zu passen, das notwendig sein wird.

Mittwoch, Dezember 09, 2009

Kasperltheater

Jetzt schon Kult, die Erregung von Peter Pacult bei Sky Austria. Der Trainer des SK Rapid Wien redet sich seine Wut - an einem zugegeben nicht ganz so zentralen Beispiel - darüber von der Seele, dass Fußball-Reporter ihn immer wieder falsch, über- oder unterinterpretieren. Das alles nur, weil er mit seinem Understatement häufig übertreibt, oder eben lieber die Kirche im Dorf lässt, wo die Journaille jede Kleinigkeit gern "hochsterilisiert".

Wenn ich Pacult so höre, wird mir ganz warm ums Herz - mit dieser Sprache, mit dieser Sprachmelodie genauer gesagt, bin ich herangewachsen, und von einem Mann wie Peter Pacult lasse ich gern jedes Tag eine hochträchtige Phrasensau durch Hütteldorf treiben.

Immerhin hält er sich in der österreichischen Liga sportlich schon eine ganze Weile sehr wacker gegen die lendenlahmen roten Bullen aus Salzburg, dafür nimmt man auch seufzend in Kauf, dass Rapid ungefähr so tief im sozialdemokratischen Wiener Politmonopolbetrieb drinnen hängt, wie die Hertha in Berlin immer noch im Provinzmief der Westberliner CDU.

Den Link zum Video habe ich von einem Bayern-Fan bekommen, der heute sicher einen recht aufgekratzten Tag verbracht hat, nach dem, was gestern in Turin passiert ist: 4:1 des FCB gegen Juve. Doch bevor die Euphorie bei den "Mirsanmiristen" zu groß wird - in zehn Tagen kommt die Hertha! Obacht.

Dienstag, Dezember 08, 2009

Wir haben Knut

Gestern sind die Berliner Postillen noch einmal die Fehlerliste durchgegangen, die Schiedsrichter Knut Kircher gegenüber der Hertha anzulasten ist. Es stimmt ja auch: dass er damals im Frühjahr das Tor von Dzeko gegen Simunic gegeben hat, war richtungsweisend mindestens für Wolfsburg, die diesem irregulären Sieg eine lange Reihe weiterer folgen ließen (am vergangenen Wochenende wurden sie nun ihrerseits gegen Freiburg grob verpfiffen). Insgesamt muss man feststellen, dass das Refereeing zunehmend problematischer wird - wird das Spiel zu schnell für das freie Auge? Kann ich mir nicht vorstellen, aber vielleicht ist es ja so.

Das Tor von Kevin Kuranyi gegen die Hertha vom Sonntag wird von dem meisten Beobachtern als "im Zweifel für den Angreifer" gewertet, weil er sich auf gleicher Höhe mit Bordon befunden habe - er war aber deswegen abseits, weil er vorher beim Pass auf Bordon passiv deutlich drinnen war, und dass der Kopfball von Bordon auf Kuranyi eine neue Spielsituation wäre, kann mir keiner erklären, dann könnten nämlich alle Defensiven dieser Welt, auch die dürftige der Hertha, ihre Kündigung einreichen.

Friedhelm Funkel ging in seiner von eigenen Unzulänglichkeiten ablenkenden Suada gegen Knut Kircher noch weiter: Er verwandte sich gegen die gelb-rote Karte für Janker, die auch meiner Meinung nach schon ein paar Minuten früher hätte kommen müssen (insgesamt fand ich Janker neben von Bergen gar nicht so schlecht, er war nur eben am Ende mürbe gespielt in einem Match, in dem es zu wenig Optionen nach vor gab - danke, FF!), und er beklagte sogar den Elfmeter, der doch wohl zu geben war.

Umgekehrt stand Ramos bei seiner größten Chance auch im Abseits und hätte sie (perfektes Bild für all den Widersinn dieser Saison) wohl verwertet, wenn er unmittelbar davor die Intuition gehabt hätte, den halben Schritt zurück zu machen, der ihn in eine reguläre und in eine bessere Schussposition gebracht hätte.

Bleibt als letztes Rätsel die Sache mit Gojko Kacar, der in Schalke 90 Minuten auf der Bank saß. Was hat Funkel da vor? Will er die Transfersumme für einen Star drücken, dessen Status bei der Hertha er jetzt schon so beschädigt hat, dass schwer vorstellbar scheint, wie er ihn noch einmal mobilisieren kann?

Hier offenbart sich neuerlich das Problem des jungen Managers Preetz: Er lässt nun schon den zweiten Trainer wild im Kader herumwerken, Privatfehden anzetteln, ohne strategische Perspektive. Das sind die Probleme, die Herthas Tabellenplatz erklären, nicht der Fluch des Knut Kircher.

Sonntag, Dezember 06, 2009

Siegergeschichte

Was wir da gerade auf Premiere erlebt haben, war ein schönes Beispiel für Siegergeschichtsschreibung: Die Hertha hat das Auswärtsspiel gegen Schalke 04 mit 0:2 verloren. Das erste Tor fiel aus einer klaren Abseitsstellung von Kevin Kuranyi, das entging auch dem Reporter Marcus Lindemann nicht, der sich aber schon wenige Minuten später zu der Formulierung verstieg, dass der Treffer aufgrund der Überlegenheit von S04 doch "irgendwie verdient" war - dann war wohl auch das Tor der Franzosen neulich, das Thierry Henry mit der Hand vorbereitet hat, aufgrund der Überlegenheit "irgendwie verdient"? Regeln sind Regeln, und alles andere ist Servilität des Reporters vor dem Team mit mehr Fans.

Wie Dieter Nickles dann nach dem Spiel im Interview mit Magath über die Situation hinwegging, war so elend, dass ich dem ganzen Sender mit seinen zahlreichen inkompetenten "Reportern" den schnellstmöglichen Konkurs wünsche.

Die Verantwortung für die Niederlage trägt für mich aber trotzdem jemand anderer: Friedhelm Funkel, erfolgloser Trainer der Hertha, hat das Spiel heute so deutlich vercoacht wie noch keines davor. Gegen die absehbar dumpfen Schalker den absehbar wirkungslosen Wichniarek zu bringen und den schnellen Ramos stattdessen bis auf eine Viertelstunde vor Schluss auf der Bank zu belassen, verrät eine Mutlosigkeit und eine taktische Blindheit, die der Situation der Hertha wirklich nicht angemessen ist.

Die Hertha hat Pech, und auch noch den falschen Trainer. Richtig gut gespielt hat sie natürlich auch nicht, Schalke aber war so hilflos, dass man darauf auch durch Einwechslungen reagieren hätte können - wenn man schon nicht in der Lage ist, vor dem Spiel die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Streichliste

In das Auswärtsspiel bei Schalke 04 geht Hertha heute als krasser Außenseiter. Niemand erwartet etwas von einer Mannschaft, die vermutlich mit der Viererkette Pisczcek, Janker, von Bergen und Radjabali-Fardi antreten wird. Zudem hat Friedhelm Funkel bisher nicht gezeigt, dass er taktisch auf verschiedene Gegner differenziert eingeht, heute hätte er Gelegenheit dazu.

Die erste Tugend müsste heute Geduld sein. Schalke spielt daheim, hat eben erst eine unerwartete Niederlage eingefahren, und ist heute haushoher Favorit. Dabei sehe ich durchaus Chancen für Hertha, denn sie hat mit Ramos einen potentiellen Konterstürmer, der mit Kacar und Raffael die Offensive bilden könnte, während ich mit Lustenberger, Nicu (über rechts) und Cicero eine zweite Reihe vor die Viererkette stellen würde.

Nominell ist das eine durchaus konkurrenzfähige Aufstellung. Sie verdeutlicht aber auch das Dilemma der Hertha: Die Mannschaft ist eigentlich zu gut für den Abstiegskampf, zu viele Spieler haben individuelle "Exit-Strategien" und sind deswegen nicht immer so mobilisierbar, wie das eigentlich notwendig wäre. Die Streichliste, die der Kicker am Donnerstag veröffentlicht hat, macht doch einen deutlichen Unterschied zu den direkten Konkurrenten aus: Welcher andere mögliche Absteiger (ich nehme Stuttgart hier einmal aus) kann auf Transfererlöse von mehr als 15 Millionen Euro rechnen?

Für die Spieler (Kacar, Raffael, Friedrich, Ebert, ...) bedeutet das aber wohl, dass sie und vor allem ihre Agenten jetzt schon taktisch zu denken beginnen - bei Abstieg sinken die Ablösesummen, steigen die Handgelder, weil die Stars billiger werden. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Gegen Schalke wird Leistung allein deswegen nicht genügen, die Hertha wird auch Glück brauchen, das einschlägige Konto ist aus dem Vorjahr aber immer noch überzogen.

Freitag, Dezember 04, 2009

Krautacker

War ein toller Abend gestern im Skonto-Stadion in Riga. Selten kann man so nah dran sein an einem Spiel wie dem 1:0 der Hertha gegen den FK Ventspils. Ich war nicht im Hertha-Block, sondern auf der Haupttribuene (Eintrittskarte 5 Lats, Spiel bei weitem nicht ausverkauft), dort konnte ich mich freier bewegen.

Zur Einstimmung liefen eine Stunde vor dem Anpfiff solche Hits wie Vienna von Ultravox oder I am from Austria von Rainhard Fendrich, sodass ich mich zwischendurch fragte, ob mein Besuch den Veranstaltern bekannt war. Kleine paranoide Reminiszenz an das sowjetische Lettland, natuerlich nicht ernst gemeint.

Der Platz war sehr schlecht (in Oesterreich wuerde man sagen: ein Krautacker), trotzdem zog die Hertha angefuehrt von Raffael in der ersten Haelfte ein Kombinationsspiel auf. Bald fiel auch das Fuehrungstor, und jedes nicht stark verunsicherte Team haette das Match gestern locker mit ein paar Toren Differenz gewonnen.

Hertha aber machte es spannend, und Drobny sicherte den Sieg. Aus der Ferne - ich fliege erst am Abend zurueck, von daheim mehr Bilder etc. - nur ein paar Details: Shervin Radjabali-Fardi hat gezeigt, dass er eine Option fuer links hinten werden wird, seine Zweikampfschulung ist jetzt schon besser als die von gestandenen Profis. Jancker ist als Innenverteidiger auf jeden Fall Kaka vorzuziehen, und Piszczek koennte mit Nicu eines Tages wieder eine gute rechte Achse bilden.

Gojko Kacar kam erst in der letzten Viertelstunde und ging als Einziger hinterher nicht in die Fankurve - bei ihm deutet alles auf Abschied in der Winterpause. Ich werde diese Spiele an den Raendern des Fussballs vermissen, aber vielleicht schafft die Hertha ja noch eins, mit einem Punkt aus dem Heimspiel gegen Lissabon waere sie in der Ausscheidungsrunde, und dann koennte es vielleicht sogar in ein Zentrum des Weltfussballs gehen: nach Anfield.

Dienstag, Dezember 01, 2009

Putscherl



Wenigstens die zweite Mitgliederversammlung in diesem Jahr hat Hertha BSC gut hingekriegt. Bedenkt man, wie übel die sportliche Lage der Fußballer ist, mussten andere Nachrichten wie die über Nachwuchssorgen der Kegler als halb so wild erscheinen. Und alle Befürchtungen, unter den mehr als 1800 Erschienenen könnte sich das Bedürfnis nach einem Putsch entwickeln, erwiesen sich als unbegründet - es wurde nicht einmal ein Putscherl.

Die Mannschaft war dazu verdonnert worden, sich die ganze lange Prozedur auch anzutun, still saßen sie alle in der linken vorderen Ecke und verstanden wahrscheinlich in der Mehrzahl ohnehin nur Bahnhof oder "keine Alternative". (Was das Manöver für die Muskulatur drei Tage vor dem Spiel in Lettland bedeutet, will ich nicht genauer wissen, immerhin wurde für ausreichende Hydrierung gesorgt. Für das Selbstvertrauen von Artur Wichniarek, Marc Stein und Christoph Janker wäre es sicher besser gewesen, man hätte ihnen das erspart - sie wurden persönlich und heftig ausgepfiffen.)

Zwei große Abwesende gab es gestern, einer wurde häufig erwähnt, einer konsequent verschwiegen: Lucien Favres Nachrede bei den Hertha-Fans hat sehr gelitten, immerhin wird aber noch diskutiert, was er alles so angerichtet hat. Dieter Hoeneß hingegen wird nicht einmal mehr erwähnt, dabei hätte Michael Preetz doch alle Möglichkeiten gehabt, ihm den schwarzen Peter einer ruinösen Gebarung zuzuschiebe. Er hat es nicht getan, und das ehrt ihn.

Preetz hielt die entscheidende Rede des Abends, er schlug sich gut, denn er verzichtete auf populistische Erklärungen und gab stattdessen eine ausführliche Herleitung der gegenwärtigen Schwierigkeiten, die ja deswegen so schwer zu überwinden sind, weil sie auf so vielen Kleinigkeiten beruhen. Dass es "handwerkliche Fehler" gab, wie einige Fans in der freien Aussprache immer wieder mit professioneller Begrifflichkeit anmerkten, ist unbestritten.

Dass Preetz sich gegenüber Favre in der Causa Pantelic nicht durchsetzen wollte, erweist sich rückblickend als sein größter Fehler - die Sache fiel aber auch genau in den Übergang von Hoeneß auf Preetz, dann wäre allerdings ein ganzer langer Sommer Zeit gewesen, tätig zu werden. Ich persönlich bin ohnehin optimistisch, dass Ramos der neue Barrios werden könnte, die zwei Tore aus den letzten zwei Spielen hätte ich stärker verkauft, wäre ich der Redenschreiber von Preetz.

Der generelle Tenor, der Lucien Favre doch ein gewichtiges Stück der heutigen Probleme zuschreibt, wird von mir geteilt, gerade auch, weil das gestern nicht gehässig wurde, sondern die Trauer darüber durchklang, dass es mit ihm nicht geklappt hat. Alles in allen war das eine reife Leistung im ICC. Die Lage ist auch zu ernst für Abreaktionen. Jetzt muss die Mannschaft, die hoffentlich gestern noch einige Lockerungsübungen gemacht hat, eine Antwort geben, am besten schon am Donnerstag in Riga. Ich fliege hin.