Samstag, Mai 27, 2006
Lehmann-Replay
Vorgestern habe ich mir die ersten zwanzig Minuten des CL-Finales noch einmal angeschaut. Mich hat die Vorgeschichte des Lehmann-Fouls interessiert, die Spielsituation, die in der Premiere-"Analyse" nie richtig aufgeklärt wurde. Im Privatreplay war dann doch deutlich zu sehen, daß Barcelona nach 15 Minuten das Match ziemlich im Griff hatte. Arsenal probiert über links etwas, der Ball geht aber ins Out. Ashley Cole wirft quer ein zu Fabregas, der spielt einen gemächlichen Querpaß auf Gilberto Silva. Hier beginnt das Unheil, denn der Brasilianer spielt unnötigerweise halbhoch zu Hleb, der von drei Gegnern umstellt ist. Ausgerechnet Eto'o holt sich den Ball, spielt ihn blitzschnell ins Zentrum zu Ronaldinho, und läuft los. Die Regie schneidet in diesem Moment halbnah auf Ronaldinho, der zu einem Dribbling ansetzt, dann aber den Ball genau in das Loch spielt, das die Montage läßt. Beim nächsten Umschnitt ist alles praktisch schon gelaufen, Eto'o hängt in Lehmanns langen Armen, der Ball ist bei Giuly. Die Arsenal-Defensive hat sich genauso überlisten lassen wie die Regie. Der Ronaldinho-Mythos wurde in diesen Sekundenbruchteilen produktiv - er hat das Spiel viel kürzer an sich gezogen, als ihm Aufmerksamkeit zuteil wurde. So konnte Eto'o verschwinden, und wieder auftauchen. Es wäre ein würdiges CL-Finaltor gewesen, und zu den vielen Alternativszenarien, die durch die rote Karte verhindert wurden, gehört sicher auch, daß Arsenal an diesem Abend untergehen hätte können.
Freitag, Mai 19, 2006
Top Gun
Dieses Wortspiel muß uralt sein, die "Sun" hat es heute ausgegraben: Thierry Henry hat die Konsequenzen aus der Niederlage im CL-Finale gezogen und will es noch einmal wissen. Er unterschreibt für vier Jahre bei Arsenal London, und beweist damit auch Sinn für den Sport insgesamt, der ja nicht dadurch besser wird, daß alle "Top Guns" in der gleichen Mannschaft spielen, sondern daß Barcelona im nächsten Jahr wieder gefordert werden kann. Bei den "Gunners" kann er ein Lebenswerk schaffen, das mehr ist als eine bloße Karriere.
Donnerstag, Mai 18, 2006
Stade de France
Das Finale der Champion's League hat gestern viel Gesprächsstoff geliefert. Barcelona gewann 2:1 durch zwei späte Tore, nachdem Arsenal ab der 20. Minuten mit zehn Mann spielen mußte und trotzdem vor der Pause noch in Führung gegangen war. Die rote Karte gegen Lehmann; der nicht gegebene Vorteil für Barcelona, der das 1:0 bedeutet hätte, aber den Ausschluß verhindert hätte; die "Schwalbe" von Eboue vor dem Freistoß, den Sol Campbell per Kopf verwertete; das haarscharfe Abseits von Eto'o vor dem Ausgleich nach einem Spielzug, der für Arsenal und den Linienrichter einfach zu schnell ging - all das läßt mich unzufrieden zurück, weil das Match dadurch ein wenig kontaminiert wurde und nicht in dem Maß spielerisch entschieden wurde, wie ich mir das erhofft hatte, und wie es die ersten zwanzig Minuten auch versprachen. Am Ende stand Arsenal buchstäblich im Regen, und jetzt wird die ganze Fußballwelt auf die Entscheidung von Thierry Henry warten, ob er bleibt oder ob er geht. Ich liebe Arsenal, aber gestern hat doch die Mannschaft gewonnen, die stabiler wirkte und meisterlicher. Bei Barcelona wäre Henry ein "sekundus inter pares".
Sonntag, Mai 14, 2006
Halbwahrheiten
Schluß, aus, das war's: Die Saison ist zu Ende. Hertha hat gestern noch ein 1:2 in Nürnberg eingepackt, das macht 12 Siege, 12 Remis und 10 Niederlagen, 48 Punkte und eine Tordifferenz von plus 4. In den beiden Jahren davor wäre das jeweils der neunte Platz gewesen, auch das ein Hinweis darauf, daß die Liga inzwischen leichter mit Mittelmaß zu bestehen ist. Die Hertha hat in dieser Saison häufig gezeigt, daß sie gar nicht mittelmäßig sein müßte. Sie hat nur hartnäckig unter ihren Möglichkeiten gespielt, hat sich geweigert, für mehr als jeweils dreißig Minuten die Initiative zu ergreifen, sie hat sich feige und faul durch den Uefacup gemogelt, sie hat die Beantwortung ihrer Systemfragen verschoben, und geht mit zu vielen offenen Fragen in die Sommerpause. Am Spiel gegen Nürnberg fand ich nur eine Tatsache bemerkenswert (neben dem Fall Simunic, dessen Entscheidung über seinen Verbleib ich noch abwarten will): Die Jungen Boateng und Okoronkwo konnten in tragenden Rolle andeuten, was von ihnen zu erwarten ist. Beide haben nicht überzeugt. Sie machen das Spiel nicht einfach, sondern überkompliziert. Boateng beherrscht den besonderen Pass, das hat er schon mehrfach gezeigt. Gestern hat er zu viel gewollt, umgeben von Leuten wie Cairo (der den siebzehnfachen Drübersteiger kultiviert, aber selten am Gegner vorbeikommt), oder Okoronkwo (der den eleganten Ballverlust kultiviert). Chahed mußte wieder in der durch Simunics Blödheiten bald dezimierten Viererkette aushelfen. Er kann in der Fabregas-Position mehr. Das war ein halbes Match gestern, eine halbe Saison. Das Resultat ist eine halbe Sommerpause und der UI-Cup. Uijegerl, wie die Wiener sagen, wenn sie etwas bedauern.
Montag, Mai 08, 2006
Aufwärmen
Die Premier League ging mit einem Lebensmittelskandal in die letzte Runde. Das Marriott Hotel in Canary Wharf servierte den Spielern von Tottenham Hotspurs am Samstag eine Lasagne, am Sonntag war das halbe Team "under the weather". Das Spiel gegen West Ham ging 1:2 verloren, damit auch der vierte Tabellenplatz, den Arsenal sich schnappte. Und die Tabloids haben eine Riesengeschichte, die ich verfolgen und hier noch im Detail berichten werde.
Sonntag, Mai 07, 2006
Hertha lieben lernen
Einmal Herthaner, immer Herthaner: Das war gestern die Devise im Olympiastadion. Das 4:2 gegen den HSV wurde zu einer Party. Bei einer Party denkt man nicht an gestern oder morgen, sondern wirft sich ins Getümmel. Walter, ein Freund aus Wien, war mit - er hat ein wenig fotografiert, zum Beispiel diesen Sitznachbarn aus unserem bürgerlichen Sektor. Niko Kovac wurde verabschiedet, er hat noch ein Tor geschossen, ich wünsche ihm und dem Team, bei dem in den nächsten zwei Jahren "auf allerhöchstem Niveau" spielen will, alles Gute.
Samstag, Mai 06, 2006
Blockbuster
Der neue Fernsehvertrag für die Premier League ist da. Als "blockbusting" hat der Independent ihn charakterisiert, so immens sind die Summen, die im Spiel sind. Die EU hat sich wichtig gemacht und ein Monopol verhindert, was zur Folge hat, das von den sechs Paketen mit jeweils 23 Spielen nur vier an Sky Sports gingen, zwei an den nicht allzu weit verbreiteten Pay-TV-Konkurrenten Setanta, der seinen Stammsitz in Irland hat. Für die Fans bedeutet das, daß die Kosten für "Vollversorgung" in den kommenden Jahren auf 55 Pfund im Monat steigen, also fast achtzig Euro (fast tausend Euro im Jahr!). Dabei sind aber noch nicht einmal alle Matches zu sehen, wie in Deutschland, sondern jeweils nur drei bis fünf pro Spieltag. Für die Sender bedeutet dies zum Beispiel, daß Sky für ein einziges Spiel 4,76 Millionen Pfund bezahlen muß. Der am besten vertretene Club (gewöhnlich der Meister des Vorjahres) wird 50 Millionen Pfund lukrieren können, der letzte immer noch 25 Millionen - das ist fast das Jahresbudget eines deutschen Mittelständlers. Das Gesamtvolumen des Deals beträgt 1,7 Milliarden Pfund. In die Premier League werden also weiter enorme Geldmengen fließen. Die deutsche Solidargemeinschaft (alle Spielen von allen Clubs werden unterschiedlos gezeigt - in England sind die Top Five bevorzugt; erste und zweite Liga bilden eine Einheit - in England profitieren die 20 Clubs der Premier League) sollte sich davon nicht verrückt machen lassen, sondern die Vorzüge des englischen Spiels studieren: Schnelligkeit, Athletik, Fairness, Leidenschaft, Technik. Chelsea. Liverpool. Arsenal!
Freitag, Mai 05, 2006
Königsklasse
Arsenal hat gestern bei Manchester City mit 3:1 gewonnen. Henry hat seinem Spezel Freddie Ljungberg einen Traumpaß zum Führungstreffer in die Beine gespielt (der Schwede war allerdings knapp im Abseits), in der zweiten Halbzeit hat er unserem Hausidol Jose Antonio Reyes aufgelegt, am Ende war der Sieg verdient. Jetzt darf Tottenham am Sonntag bei West Ham nicht gewinnen, und Arsenal muß im letzten Match in Highbury gegen Wigan gewinnen. Weil die Premier League schon entschieden ist, und weil Arsenal noch in der Champion's League vertreten ist, haben sie viel TV-Präsenz - auch das Wigan-Match wird am Sonntag übertragen. Für das nächste Jahr klärt sich die Fernsehlage auch: Sky Sports könnte 5 von 6 Paketen mit jeweils 23 Spielen bekommen - die dann vermutlich von Premiere live übernommen werden und in unsere Bude übertragen werden. Football is stayin' home, und Arsenal spielt hoffentlich wieder in der Königsklasse.
Mittwoch, Mai 03, 2006
Ende einer Ära
An diesen Dienstagabend werde ich mich noch lange erinnern. Er markiert vermutlich das Ende der Hertha, as we know her. Was in der neuen Saison kommt, kann keiner genau abschätzen. Das 1:5 gegen Leverkusen, an einem angenehmen Abend im Olympiastadion, war eine Niederlage im "Endspiel" um den Uefacup des nächsten Jahres. Die Konsequenz wird sein, daß die Spieler, die eine Möglichkeit haben, vielleicht zu besseren Clubs wechseln werden (Bastürk, Gilberto). Bleiben wollen dann die Senioren wie Neuendorf oder Kovac (dem kein neuer Vertrag angeboten wurde, was ich richtig finde - wenn nur Hoeneß sich das nicht noch einmal im letzten Moment anders überlegt), und die Jungen, die hier noch etwas erreichen können: Chahed, Fathi, Boateng. Das heißt, daß das Management in diesem Sommer vor einer großen Herausforderung steht. Ob es darauf vorbereitet ist? Ob es die richtigen Fühler ausgestreckt hat? Das Debakel gegen Leverkusen konnte man schon bei der Verlesung der Aufstellung ahnen: Hinten de facto eine Dreierkette mit Chahed-Friedrich-Fathi, wobei der kopfballschwache Kapitän Friedrich die verletzten van Burik und Simunic in einer Person ersetzen mußte. Zwei Standardsituationen reichten, um diese Sollbruchstelle offenzulegen. Obwohl ich Madlung nicht mag, hätte er gestern auflaufen müssen. Im offensiven Mittelfeld Cairo und Neuendorf, im defensiven Kovac - das ist kein Spitzenteam, und die Überraschung war, daß die Hertha trotz des frühen Rückstands von 0:3 ein begeisterndes Spiel zeigte. Gilberto und Boateng übernahmen Verantwortung, Pantelic arbeitete enorm, und wenn er nach der Pause das 2:3 gemacht hätte, als er allein auf Butt zurannte, dann wäre das noch eine tolle zweite Halbzeit geworden. Aus den vielen exzellenten Kombinationen und guten Chancen wurde aber kein Tor. Stattdessen gab uns der olle Ramelow den Gnadenstoß. Die Fans wußten dann auch nicht so recht, wie sie das alles nehmen sollten. Es gab keine Pfiffe, sie wären auch ungerecht gewesen. Die Mannschaft kam noch in die Ostkurve - die steht für Kontinuität, und die wird Hertha so schnell nicht mehr haben.
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