Freitag, Mai 30, 2008
Dauerkarte
Eben die Dauerkarte verlängert, gleicher Platz wie im letzten Jahr, bürgerlicher Sektor, Nordtribüne, Oberrang, nahe der Mittellinie, Perspektive: Taktik statt Schweißperlen. Dass ich für ein weiteres Jahr bei der Hertha unterschreiben würde, stand nie in Frage. Für mich gilt ja zum Glück keine Exklusivklausel, ich kann nebenher auch für Arsenal sein, für Rapid Wien, für den AS Rom, im Grunde finde ich für jedes Match irgendeinen Grund, eine der beiden Mannschaften zu unterstützen. Zwei junge Profis haben heute auch unterschrieben: Lennart Hartmann (17) und Shervin Radjabali-Fardi (17) folgen Florian Riedel (18) in den Profikader von Hertha BSC Berlin und dürfen zumindest zum Trainingslager nach Stegersbach in Österreich mit. Favre hat, so steht heute zu lesen, jeden Mittwoch die Jugendmannschaften durcheinandergemischt und zu einem Match antreten lassen. Vertrauen wir einfach einmal seinem Auge.
Donnerstag, Mai 29, 2008
Deloitte
Noch fehlt eine offizielle Meldung auf der Arsenal-Website, aber der Daily Telegraph schreibt schon einmal recht verbindlich, dass Samir Nasri von Olympique Marseille nach London wechseln wird. Man spricht von einer Ablösesumme von 12,5 Pfund. Der offensive Mittelfeldspieler ist 20 Jahre alt und gilt als Ersatz für Hleb, der aber erst sehen muss, wo er denn hin will. Hertha BSC hat Florian Riedel, geboren in Werdau (Sachsen), ausgebildet in der eigenen Jugend, einen Profivertrag gegeben - das wäre die heutige Transfernachricht vom anderen Ende der Skala. Interessant in diesem Zusammenhang der neueste Finanzbericht der Firma Deloitte, die jährlich die Lage der Fußballvereine analysiert. In England sind demnach in der abgelaufenen Saison zum ersten Mal mehr als eine Milliarde Pfund an Spielergehältern gezahlt worden. Genereller Trend: eine vernünftige Gehaltsstruktur wird immer schwieriger beizubehalten, die Agenten treiben ein cleveres Spiel auf allen Ebenen, die Topclubs verschieben Topstars um Unsummen, darunter herrscht ein munteres Mitbieten. Wer fragt heute noch nach den sieben Millionen, die Tottenham für Kevin-Prince Boateng bezahlt hat? Für die Hertha war das kein Pappenstiel. Interessantestes Detail aus der Deloitte-Studie: Die Bundesliga ist seit der Saison 2006/2007 profitabler als die Premier League, der Reingewinn der 18 Teams aus der vorletzten Spielzeit belief sich auf insgesamt 250 Millionen Euro. Die Gehälter machten 45 Prozent vom Umsatz aus, was als gesunder Wert gilt (in England liegt er bei 63 Prozent).
Montag, Mai 26, 2008
Millionenrad
Vielleicht sind es ja nur die Medien, die gerade ein wenig in das große Loch der Sommerpause starren, vielleicht ist es aber noch das Adrenalin, das von Moskau aus nach dem CL-Finale durch den gesamten europäischen Clubfußball fließt: Die Transferspekulationen waren nie so gigantoman wie in diesen ersten paar Tagen nach den Saisonfinali. Real Madrid will Cristiano Ronaldo um alles Geld der Welt (und Fabregas nach Möglichkeit noch dazu), der FC Barcelona bietet angeblich für Adebayor, und jetzt will Chelsea auch noch Torres aus Liverpool holen, was vermutlich den Verräter-Hype um "Cashley" Cole noch um Megatonnen Wut der Fans übertreffen würde, wenn da was ginge. Am unteren Ende der Skala ein Gerücht, das mich interessiert: Pantelic zu Bolton, an seiner Stelle Blerim Dzemaili zu Hertha? Ein weiterer Zentralist für einen Stürmer? Die Spekulationen helfen immerhin, die Zeit zu vertreiben. Momentan wäre ich schon zufrieden, wenn Arsenal den Transfer mit Nasri von Olympique Marseille in trockene Tücher brächte - denn jede Unterschrift vor der EM ist wie eine Aktie, die noch vor dem Bullenmarkt erworben wurde.
Sonntag, Mai 25, 2008
Sonntagsspiel
Wer vielleicht gedacht hat, dass diese Seite jetzt auch eine Sommerpause einlegen wird, unterschätzt das dicht gewobene Korrespondentennetz. Valdano war heute im Amateurstadion und hat den 1:0 Sieg der U23 über TeBe beobachtet - ohne Arguez, aber mit Bigalke. Wie war es denn? "Die kurze Zeit der Dürre ist jetzt angebrochen, zwischen CL-Finale und Euro-Beginn, aber es wird immerhin doch noch Fußball gespielt. Lichterfelde gegen Torgelower SV Greif oder die U23 von Hertha gegen Tennis Borussia, das war die Sonntagsfrage, und da für Lichterfelde nur das schöne alte Stadion sprach, fuhren wir dann raus zum Amateurstadion, um das Traditionsduell in der Oberliga zu sehen. Knapp 400 Zuschauer, was für einen sonnigen Sonntag ganz ordentlich ist, ordentlicher zumindest als das Spiel, das beide Mannschaften ablieferten. Die Kräfteverhältnisse waren klar, Hertha dominierte die erste Viertelstunde, hatte drei Großchancen und jederzeit Spielkontrolle, weil die Veilchen viel zu tief standen und beim Aufbauspiel von hinten heraus selten über die Mittellinie hinauskamen. Der indisponierte Schiedsrichter merkte erst nach 15 Minuten, dass ein TB-Spieler noch sein Goldkettchen trug, nötigte ihn, es abzuwerfen, und ließ ihn dann so lange nicht ins Spiel zurückkehren, dass auf der linken Seite Traore eine Weile ohne Gegenspieler blieb. Traore machte nichts daraus, wie er überhaupt als einer der wenigen im Team, die schon ein paar Minuten Bundesliga hinter sich haben, blass blieb, viel zu weit zurückhing oder –hängen musste, um seine Schnelligkeit und seine Technik im Spiel Eins gegen Eins auszuspielen. Herthas 1:0 fiel dann durch Sebastian Huke in der 27. Minute aus stark abseitsverdächtiger Position. Auch Huke, der aus der A-Jugend kommt, gehört jedoch nicht in die Kategorie „Perspektivspieler“. Keiner der insgesamt 14 eingesetzten Herthaner ließ erkennen, dass er in absehbarer Zeit Bundesligareife erreichen könnte. In der zweiten Halbzeit schleppte sich die Partie dahin, TB hätte gerne, konnte aber nicht, Hertha hätte vielleicht gewollt, wusste aber nicht, wie. Manager Sohn Sebastian spielte ein paar gescheite Pässe, und es reichte, um die Veilchen, die eine enttäuschende Saison hinter sich haben, in Schach zu halten. Einen Pokal, für die Oberligameisterschaft, und Winner-T-Shirts gab’s dann auch noch für die Herthaner, aber man muss nichts Urs Siegenthaler sein, um sich zu fragen, ob da bei Hertha nicht inzwischen ein alter Punkerspruch Geltung beansprucht: Verschwende Deine Jugend!" Wozu ich noch anmerken möchte, dass allgemein die U17 als der nächste interessante Jahrgang gilt, aus der Mannschaft, die Valdano heute gesiegenthalert hat, wird allenfalls Bigalke das Potential zum Ligaspieler zugetraut. Ich wäre übrigens auch beinahe rausgefahren, habe mir dann aber den Tag mit Marco-Ferreri-DVDs vertrieben.
Samstag, Mai 24, 2008
Aufbruch
"Vom Umbruch zum Aufbruch", so lautete die Parole, die Manager Hoeneß gestern auf der Mitgliederversammlung ausgab. Es war lang und ein wenig fad, weil die wesentlichen Wahlentscheidungen schon hinter den Kulissen getroffen worden waren, die gut 900 erschienenen Mitglieder konnten nur abnicken. Der neue Präsident Gegenbauer erhielt knapp unter 80 Prozent der gültigen Stimmen (ich habe gegen ihn gestimmt, weil er mir zu sehr für das alte West-Berliner Milieu steht, das die Hertha auf dem Status eines Provinzclubs festhält), sein Vorgänger Schiphorst schaffte es problemlos in den Aufsichtsrat. Einzige Personalie, die mich ein wenig aufmerken ließ, war die Bewerbung von Scott Körber, CDU-Politiker aus Tempelhof-Schöneberg, der einmal unangenehm aufgefallen ist, weil er sich während seines Wahlkampfs nicht beurlauben, sondern krankschreiben ließ. Er hat dann auch tatsächlich nicht genug Stimmen bekommen (über 400 waren es immer noch), um ins Präsidium einzuziehen. Von einer Gruppe, die hinter den Kulissen an "innovativen" Lösungen bastelt, war im ICC nur ein unnötiger Kurzauftritt von Alt-Herthaner Holst und eine Kandidatur von Klaus Brüggemann übriggeblieben, der sich auch eher populistisch als reformerisch präsentierte und eine Kampfabstimmung um den Vizepräsidentenposten verlor. Das alles lief recht problemlos nach Drehbuch, ich kann mit diesem Milieu nichts anfangen, es war doch auffällig, dass von den gut 25 Leuten, die sich da gestern für das eine oder andere Amt vorstellten, niemand eine interessante, durchdachte Position vorbrachte. Stattdessen war eine Menge sentimentaler Populismus - wer damals im Regen gegen die und die Mannschaft in der dritten Liga nicht schon den Wimpel der 300 Aufrechten gehalten hat, darf sich bei der Hertha keine Chancen ausrechnen. Ich verstehe ja auch, dass die Mitglieder ein wenig Sehnsucht nach Identität haben. Ich glaube nur nicht, dass Christian Fiedler sie auf dem Platz stiften soll. Außerdem fühlen sich die Herthaner ein wenig um das Nationalteam betrogen, außer Arne hat Berlin da ja nix mit zu tun. Mehrmals kam gestern ein Vorbehalt gegen die radikale Internationalisierung der Mannschaft zur Sprache, die Coach Favre betreibt. Manager Hoeneß will deswegen vier Siebzehnjährige aus dem Nachwuchs mit Schnupperprofiverträgen ausstatten. Aus der Rede zur sportlichen Lage war dann deutlich herauszuhören, dass die Zeit von Josip Simunic bei der Hertha abgelaufen sein dürfte - seine Ausstiegsklausel erläuterte Hoeneß so detailliert, als wollte er ausdrücklich dazu einladen, sie zur Anwendung zu bringen. Kurz nach 23 Uhr ließ ich die Sache gut sein, ich hatte eine einzige Ja-Stimme abgegeben (für Torsten-Jörn Klein, einen Medienmanager von Gruner & Jahr, dem ich in anderer Angelegenheit vorwerfen würde, dass sein Unternehmen den Berliner Verlag vor die Hunde geworfen hat, der sich gestern aber in Sachen Hertha BSC plausibel präsentierte), und hoffe nun ja auch selbst irgendwie auf einen Aufbruch. An Coach Favre und dem gestern auffällig unauffälligen Michael Preetz liegt es nun vor allem, ob die Hertha irgendwann so groß wird, dass sie dem Mief des Berliner Westens entkommt.
Donnerstag, Mai 22, 2008
Seifenoper
Je länger das CL-Finale in Moskau gestern dauerte, desto stärker nahmen Elemente der Seifenoper überhand. Nicht nur des glitschigen Rasens wegen. Manchester United und Chelsea haben eine Reihe von Spielern in ihren Reihen, die gegen eine gut geschmierte Show nichts einzuwenden haben. Drogba und Ronaldo waren großartig wie immer, dazu kamen gestern noch Carlos Tevez (der den Auflauf verursachte, aus dem Drogba gegen Ende der Verlängerung mit einer roten Karte herauskam) und vor allem John Terry. Nach 120 Minuten stand es 1:1. Zur Hälfte des Elfmeterschießens stolzierte Cristiano Ronaldo zum Punkt, konnte sich mit seiner Geckenhüfte wieder einmal nicht so recht auf einen Anlauf einigen, und verschoss. Nun hatte Chelsea beim Stand von 4:4 den Matchball, und passenderweise wurde dieser John Terry zugesprochen - dem größten Helden, den die Stamford Bridge hervorgebracht hat, dem Eckstein der Mannschaft, der nicht - wie Lampard - mit einem Abgang liebäugelt. Terry hatte kurz davor noch mit einer Kopfballabwehr den schon sicher scheinenden Untergang abgewendet, nun sollte der Triumph seiner sein. Fünf Sekunden später saß er auf dem Hosenboden. Über den verschossenen Elfer von Anelka wenig später sprach niemand an diesem Abend, und in Deutschland interessierten sowieso nur die (leicht krokodilischen, aus einem innerlich teilnahmslosen Gemüt herausgewrungenen) Tränen von Michael Ballack. Es war ein großer Abend, ein tolles Spiel, eine Show mit unerwarteten Wendungen. Chelsea muss man immer dreimal erschlagen, würde man in Österreich sagen. ManU hat das gestern getan, mit einem Tor von Ronaldo, den Rest haben die Blauen aus London selbst erledigt: einmal Drogba, einmal Terry. Slip sliding away.
Montag, Mai 19, 2008
Setzliste
Gestern wurde auch noch die Serie A entschieden, wobei der von mir favorisierte AS Rom letztendlich die Aufholgjagd gegenüber Inter Mailand doch nicht vollenden konnte. Interessant für Hertha ist, dass der AC Milan über den fünften Platz nicht hinauskam und damit nicht in der CL spielen kann. In den Fanforen wurde gestern schon das Uefacup-Finale 2009 zwischen Hertha BSC und AC Milan ausgerufen. Durchaus denkbar wäre folgendes Szenario: Hertha wurschtelt sich in die Gruppenphase und bekommt die Mailänder zugelost, und zwar für ein Heimspiel, das dann zur kältesten Jahreszeit ausgetragen werden müsste. Entscheidendes Duell: Flamini gegen Kacar. Noch wissen die Fans nicht genau, ob es eine Setzliste geben wird (angeblich ja nicht), wovon ein wenig abhängt, ob es nicht schon in der zweiten Vorrunde schwere Kaliber geben könnte. Wie auch immer, der Sommer ist gleich viel interessanter geworden.
Sonntag, Mai 18, 2008
Uefa-Cup
Jetzt ist es schon einen Tag früher amtlich, als ich gedacht hatte: Hertha hat tatsächlich die Fairplay-Wertung gewonnen, und kann, nachdem die Bundesliga einen entsprechenden Startplatz zugelost bekommen hat, in diesem Sommer in der Qualifikationsrunde zum Uefa-Cup antreten. Eines der Kriterien war "positives Spiel". Das kann ich gelten lassen. Damit könnte sich einer meiner Träume erfüllen, eine Auswärtsfahrt weit in den Osten Europas, zum Beispiel nach Kasachstan (im Bild der Präsident des kasachischen Verbandes, Adilbek Dhzsaksybekov). Fußball lebt von Namen, deswegen hier ein paar Teams, die im Vorjahr in der Quali dabei waren: Skonto Riga, Flora Tallinn, Teuta Durres, Banants Erewan, Etzella Ettelbruck, FK Aktobe-Lento, SV Mattersburg, Nistru Otaci, Ekranas Panevezys ("Leinwände aus Panevez"?) und - mein Favorit im Moment - Trans Narva. Über die muss man erst einmal hinweg kommen: trans Trans Narva. Unter Falko Götz zeigte die Hertha im Uefa-Cup vor allem "negatives Spiel", damals noch mit Stars wie Marcelinho, Bastürk, Gilberto und Kevin-Prince Boateng. Das wird nun anders werden, und mit der überraschenden internationalen Perspektive sollte es auch gelingen, ohne Stars ein wenig Stimmung in die Mannschaft zu bekommen.
Sommerfrische
Unser Recke Josip Simunic konnte im gestrigen Fairplay-Schaulaufen der Hertha beim FC Bayern München nicht dabei sein. Er wurde als verletzt gemeldet, Diagnose der "SZ": "Fairplay-Zerrung". Anscheinend gilt er auch unter den Entscheidungsträgern der Hertha als Sicherheitsrisiko. Unser Korrespondent Valdano, dem von dieser Stelle auch ein Glückwunsch zum Klassenerhalt der Arminia Bielefeld auszusprechen ist, hat beobachtet, wie Simunic das Saisonfinale erlebt hat: "Blaue Bermudashorts, Ringelshirt und Flip-Flops, wie ein Sommerfrischler, so stand Jo Simunic am Samstag, 15:26, vor der Sportsbar meines Vertrauens, und als wir längst nervös zum Abstiegskampf Platz genommen hatten, zockelte Jo irgendwann herein und ließ sich zum Kartenspielen nieder. Das 0:1 von Hertha nahm er erst in der Wiederholung zur Kenntnis, als ein anderer Gast ihn auf Kroatisch anpflaumte. Jo schaute dann kurz auf seinen Tippzettel, ziemlich ungerührt, und als Arne Friedrich beim 0:2 am Boden klebte, während Luca Toni aufstieg, da hätte man gerne ein paar Brocken Kroatisch verstanden, um zu erfahren, was Jo dazu sagte, als einer seiner Mitspieler ihn ansprach. Denn außer dem Wort „Friedrich“ war leider nichts zu verstehen. Zwischendurch, die Hertha lag 0:4 zurück, fragte ihn die Bedienung, ob er Autogrammkarten dabei hätte. Er hatte nicht – man sollte das nicht gleich als Omen für die kommende Saison deuten. Das 1:4 war ihm dann schon keinen Blick mehr wert, und als wir gegen 17:20 Uhr den Laden verließen, war Jo schon fort."
Fairplay
Hertha hat sich gestern ein wenig lächerlich gemacht. Das Transparent mit der Gratulation an die Bayern war wirklich nicht nötig, und die vier Gegentore auch nicht. Waren aber wohl unvermeidlich. Natürlich gab es da dieses Gespenst der Fairplay-Tabelle, die Hertha noch ein Schlupfloch in den Uefa-Cup ermöglichen könnte. Mit diesem Gedanken im Vorderkopf gab die Hertha das Spiel zum Saisonfinale von Beginn an preis. So irrelevant die Begegnung war, ein paar Beobachtungen ließ sie doch zu. Bayern hat eine wesentlich modernere Spielanlage, die vielen Seitenwechsel waren für unsere Defensivarbeit zu viel, es war nur konsequent, dass die beiden ersten Gegentore aus Flanken entstanden. Bayern hat ein funktionierendes Außenspiel, Hertha verheddert sich schon beim Spiel aus der Abwehr heraus. Signifikant auch die Szene zum 0:4, bei der unser Hoffnungsträger Kacar von Podolski locker überlaufen wurde, und Toni zwischen Friedrich und von Bergen an den Ball kommen konnte. Die technische Schwächen der Hertha sind unübersehbar. Über die mangelnde Physis habe ich schon mehrmals geschrieben, dafür war das gestrige Match kein Indiz, es gab ja Fairplay-Zwang. Einzig Raffael und Domovchyiski wollten etwas. Der Bulgare, der kaum Einsatzzeiten bekam in dieser Halbsaison, war lange verletzt, scheint aber auch nicht das Vertrauen von Coach Favre zu haben. Es waren wohl seine letzten Aktionen für Hertha, als er Kahn in den letzten Sekunden vor dessen Auswechslung zuerst einen Schuss an die Querlatte und dann nach Querpass von Raffael knapp unter dieselbige setzte - ein Tor als kleiner Spaßverderber, so konnten wir einmal noch die angefressene Miene sehen, die Kahn aufsetzt, wenn er bezwungen ist. Domovchyiski scheint mir ein Stürmertyp zu sein, wie ihn die Hertha braucht: zielstrebig, kaltschnäuzig, durchsetzungsfähig. Er hatte wohl einfach Pech in Berlin. Wäre ich Cottbus, ich würde ihn kaufen. Pisczek zum Vergleich war gestern unsichtbar über neunzig Minuten, und Pantelic spürte die 140000 Augen in der Allianz-Arena auch dann, wenn sie gar nicht auf ihn gerichtet waren. Er ist wohl zu eitel für die großen Spiele. Ich bleibe trotzdem sein Fan. Morgen wird Hertha aus ihren devoten Träumen erwachen - für die Leistung von gestern sollte es UI-Cup auf Lebenszeit geben.
Donnerstag, Mai 15, 2008
Zenit
Das Uefa-Cup-Finale zwischen Zenit St. Petersburg und Glasgow Rangers habe ich nur zur Hälfte gesehen. War aber ein gutes Spiel, Stimmung in Manchester auch toll, wobei das Fernsehen natürlich da mächtig mitinszeniert, dann aber sofort wegschneidet, wenn die Fans nach dem Spiel auf das Feld stürmen. Zwei Spieler hatten Bezug zu diesem Blog: Arshavin steht angeblich auch auf einer Liste von Arsenal (und weiterer Clubs aus der Premier League), und Fatih Tekke war einmal ganz kurz bei Hertha im Gespräch gewesen, damals, als Marcelinho nach Trabzon abgeschoben wurde. Arshavin war gestern zumindest in der zweiten Halbzeit ziemlich gut, der Lochpass auf Denisov hatte Arsenal-Qualität. Man kann über Zenit sagen, was man will (politische Bedenken wegen Gasprom, Putin, etc.), gestern habe ich doch zu ihnen gehalten. Mir gefiel, wie sie das Spiel jagten - das war eines Finales würdig. Technik und Physis, Laufarbeit und Intelligenz waren in einer guten Balance. Was die Rangers von diesem Finale wollten, war ein wenig dubios: Lucky Punch oder Penalty Lottery? Das Spiel um Platz 17 in Europa, wie es gestern in einer Zeitung halb sarkastisch charakterisiert wurde, hat den Uefa-Cup weiter aufgewertet. Jetzt muss Hertha nur noch durch das Fairplay-Nadelöhr hineinfinden für 2008/09. Wenn sie nur nicht versucht, da mit einer peinlichen Inszenierung beim letzten Spiel in München am kommenden Samstag noch ein wenig anzuschieben!
Mittwoch, Mai 14, 2008
Öffentlichkeit
Die "MoPo" ist das Berliner Lokalblatt, das die Spieler der Hertha gern benutzen, wenn sie eine Sache nicht "intern" klären können, sondern "über die Öffentlichkeit" gehen müssen. Pal Dardai nutzt diese Möglichkeit gern, um darauf hinzuweisen, dass es auf seiner Position bei der Hertha "nicht viele" gibt, die besser sind (er hat recht, einer reicht ja schon). Diese Woche hat Sofian Chahed deutliches Unverständnis geäußert darüber, dass er nicht in der Startelf gegen Nürnberg gestanden war. Seiner Meinung nach war er in den vergangenen zehn Wochen immer einer der besseren gewesen. Das mag man so sehen wollen, wenn man in Betracht zieht, dass er zu Beginn der Rückrunde noch vollkommen indiskutable Leistungen gezeigt hatte. Es stimmt, er hat sich gesteigert, dabei aber keineswegs die wünschenswerte Konstanz erreicht, sondern ist immer wieder in die alten Unsitten (Unaufmerksamkeit, Passivität, Konfusion) zurückgefallen. Mich wundert es nicht, dass für die rechte Seite jemand gesucht wird, idealerweise ein Außendecker mit Offensivdrang. In dem ablaufenden Halbjahr hatte Coach Favre auf vielen Positionen kaum Alternativen, im nächsten Jahr sollte es doch so sein, dass es einen Konkurrenzkampf um die Plätze gibt. Das ist gut für die "MoPo", denn das ergibt viele schöne Geschichten von ergrimmten Platzhirschen, es sollte aber auch gut für die Mannschaft sein. In England spricht man gern von "squad depth", es war eines der Themen der Saison, und nichts charakterisiert das Ethos auf der Insel besser als Ryan Giggs, der zum Saisonfinale auf der Bank wartete, bis er spät ins Spiel kam und dann das besiegelnde Tor erzielte. Auch eine Form, an die Öffentlichkeit zu gehen.
Sonntag, Mai 11, 2008
Zielfoto
Arsène Wenger behauptet steif und fest, Arsenal hätte die Premier League heuer erst durch Zielfoto verloren. De facto sind es vier Punkte, die auf MeanU und Chelsea am Ende fehlten. Heute sorgte Theo Walcott für das einzige Tor bei Sunderland. In einem großspurigen Moment hatte ich im Februar einmal bei einem Reisebüro nach den Ticketpreisen für dieses Match gefragt: 525 Euro für einen Sitz auf der Geraden im Stadium of Light. Damals sah es ja noch so aus, als könnte am Pfingstsonntag auch Arsenal um den Titel spielen. So saß ich heute dann doch nur vor dem Fernseher, nicht sehr konzentriert, weil Premiere nur die Zweier-Konferenz mit deutschem Kommentar zeigte, und weil MeanU auch ein wenig bevorteilt wurde: Rio Ferdinand spielte bei Wigan nach ungefähr 20 Minuten ein klares Hands im Strafraum, bekam aber Nationalspieler-Pardon. Wäre Wigan in Führung gegangen, hätte das ein interessanterer Nachmittag werden können. So gewann MeanU 2:0, und das Remis von Chelsea gegen Bolton blieb ohne Belang. Arsenal kam auf Rang 3. Persönlich kann ich immerhin noch die Genugtuung vermelden, dass ich in der hauptsächlich von Wien aus bespielten Premier-League-Fantasy-Football-Gruppe "Hanappi" unter 21 Teams dann doch noch den 4. Platz retten konnte, vor "Ghostriders of Johnny Cash" und hinter "guess things happen that way", einem Team meines Freundes Hermann, das vor einem Jahr noch unter dem Eindruck von ein wenig Liebeskummer so benannt wurde, wenn ich das richtig deute. Inzwischen ist das Glück zurückgekehrt. Arsène Wenger hat behauptet, 220 Spieler hätten bei ihm angerufen, weil sie zu Arsenal möchten. Kevin-Prince Boateng auch? Er hätte auf jeden Fall guten Grund, auf Veränderung zu hoffen. Das war die Saison in meiner Lieblingsliga. Marvellous, wasn't it?
Badkick
Es war ein Fußballfest mit mäßigem Fußball gestern beim 1:0 gegen den FC Nürnberg. Das Wetter war großartig, die Ostkurve war mächtig, die Franken hatten auch eine starke Abordnung entsandt (sie stand im Schatten, trotzdem war nackter Oberkörper anscheinend Pflicht). Hertha wollte mit einem Sieg, dem dritten in Folge, die Chance auf einen einstelligen Tabellenplatz wahren. Nürnberg musste im Abstiegskampf unbedingt punkten, brachte aber wenig zusammen. Hertha spielte ein wenig faul, defensiv klappte es ganz gut, offensiv ließen sich vor allem Kacar und Lustenberger viele Bälle ablaufen, Pisczcek wirkte links steif und unkonzentriert. Coach Favre hatte Chahed draußengelassen, an seiner Stelle spielte Arne Friedrich rechts in der Viererkette - es war ein eher geckenhafter, mäßig beteiligter Auftritt, der Kapitän ist in Gedanken vielleicht schon bei der Nationalelf. Links hinten Skacel, von dem ich nach dem gestrigen Spiel endgültig glaube, dass er wohl eher nicht längerfristig gebunden werden wird (und auch nicht muss). Das System also 4-3-3, noch genauer: 4-1-2-3 mit Mineiro direkt vor der Abwehr. Simunic ging ein paar Mal mit nach vorn, das war neu und zeugt von seiner neuen Stellung im Team und bei den Fans, die ihn gesondert feierten. Er beging aber auch zwei Vergehen, die jeweils mit Elfmeter zu ahnden gewesen wären - Referee Rafati war nicht immer im Bild. Das Siegestor schoss Raffael, bei dem sich drei, vier gute Szenen mit vielen drögen Momenten abwechselten. Nach dem Sieg in Leverkusen mochte meine schlechte Laune ein wenig willkürlich erscheinen, zumal die Medien in der BayArena viel Gutes gesehen haben wollten. Gestern machte sich niemand Illusionen: das war, was wir in Österreich einen "Badkick" nennen, ein Match wie in Badelatschen auf der Liegewiese im Freibad. Hinterher ging ich in die Ostkurve, ganz hinunter an die Absperrung, die Sonne brannte genau auf die Fans, sie sangen noch einmal, auch für Andreas Schmidt, der seine Karriere beendet und hoffentlich bald Nachfolger von Geschäftsführer Schiller wird - es war dann doch noch ein Moment von Hertha-Stimmung, eine Emotion vor der langen Sommerpause.
Mittwoch, Mai 07, 2008
Verve
In der BayArena spielen sie vor dem Match die "Bittersweet Symphonie", eine ziemlich triefende Pophymne im gemäßigten Tempo. Das haben sich Bayer O4 und die Hertha zu Herzen genommen. Wie zwei gelegentlich ans Ufer schwappende Wellen spielten sie heute aufeinander zu, die Hertha schoss dabei zwei Tore, der Gegner aus gefühlten elfundsiebzig Eckbällen eines. Das bedeutet einen 2:1-Auswärtssieg gegen einen Uefacup-Kandidaten, also in einem (auf das nächste Jahr hochgerechnet) direkten Duell. Das Niveau war aber eher Abstiegskampf. Da hat heute eine erbärmliche Mannschaft gegen eine jämmerliche verloren. Die Hertha hat von hinten heraus einen so unglaublichen Murks gezeigt, dass mir die Erinnerung an eine Art Kombinationsspiel und Ansätze zu Spielkontrolle (beim 0:0 in Wolfsburg, nach dem Rückstand gegen Schalke) wie ein Trugbild vorkommt. Das System mag dazu beigetragen haben. Coach Favre stellte Lustenberger, Mineiro und Kacar auf, der blonde Schweizer wäre auf rechts vor Chahed zu erwarten gewesen, tummelte sich aber zentral und zwang Kacar weiter nach vorn, als ihm zu behagen scheint. Davor spielte Raffael, der sich immer mehr in die Rolle eines Fehleinkaufs hineinfummelt, von Favre aber beharrlich geschützt wird. Chahed verwandelte kühl und souverän einen Elfmeter, den Pisczcek herausgeholt hatte, war defensiv aber wieder einmal schlafmützig. Gefallen haben mir heute eigentlich nur Pantelic, Pisczcek, Kacar, alle drei mit vielen Abstrichen. Eines muss ich aber auch noch sagen: Wir haben gegen Leverkusen in den letzten Jahren schon mehrmals ziemlich gut ausgesehen, und doch nicht gewonnen. Heute war die Hertha schlecht, hat aber drei Punkte mitgenommen. Glücklich macht mich weder das noch das. Ich will endlich eine Mannschaft, die das Spiel annimmt und es auch ein wenig beherrschen kann.
Montag, Mai 05, 2008
20 Minuten
Abschiedsstimmung lag gestern über dem Emirates Stadium, das 1:0 von Arsenal gegen Everton tat gut, war aber relativ nebensächlich. Jens Lehmann durfte für die letzten zwanzig Minuten auf den Platz, er bekam Applaus für die Jahre in London, auch für das verkrachte letzte, das mit zwei schweren Fehlern begann und mit der Hoffnung auf eine Entschädigung beim Nationalteam endet. Fabianski ist nun der zweite Keeper, Almunia der erste, ich schließe nicht aus, dass im Sommer noch ein überraschender Transfer die Torwartfrage bei Arsenal neu stellt. Gerhard Tremmel? Bei Arsène Wenger kann man ja nie wissen. Senderos könnte auch seine Farewell-Vorstellung gegeben haben, bei ihm dauerte sie nur drei Minuten. Flamini saß neben Hleb und Fabregas auf der Tribüne und gab sich vielleicht ein wenig zu demonstrativ aufgeräumt, angeblich unterschreibt er beim AC Milan. Das Kopfballtor durch Bendtner bereitete ein achtzehnjähriger Nachwuchsspieler auf der linken Seite vor: Armand Traoré, Understudy von Gael Clichy, defensiv in dieser Saison mehrmals auf der Seife, offensiv gestern mit zwei, drei sezierenden Flanken sehr überzeugend. Arsenal probt für meine Begriffe auf der großen Bühne, was Hertha gerade viel tapsiger am Provinztheater Bundesliga einstudiert - Überlebensmodelle für einen intuitiven Systemfußball, geistige Freiräume zwischen den immer monumentaleren "walls of will" von Chelsea oder MeanU.
Sonntag, Mai 04, 2008
Billigflüge
Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich eines Tages schreiben könnte: Ich hab' noch einen Koffer in Mallorca. Aber so ist das, wenn man mit der Billiglinie eines ehemaligen österreichischen Rennfahrers fliegt, der verspätet aus Lissabon abhebt. Wir haben zwar gestern abend noch das Flugzeug nach Berlin erwischt, nicht aber mein Gepäck. Volker hat mir live aus dem Stadion per Textnachricht von dem 3:1 der Hertha gegen des KSC berichtet, seiner Expertise nach war Gojko Kacar unser bester Mann. Ich werde mich heute im Lauf des Tages kundig machen, habe aber vor einiger Zeit schon einmal gemutmaßt, dass wir den Serben vielleicht nicht lange halten werden können. Er ist ein deutliches Talent auf der so wichtigen Position im zentralen Mittelfeld. Was mich zum Thema bringt: Mathieu Flamini, der hoffentlich heute mit Arsenal gegen Everton aufläuft, hat noch einen kleinen Spalt in der Tür offengelassen, er will bis Montag erklären, ob er in London bleibt (vermutlich wurde noch einmal ein deutlich erhöhtes Handgeld in den Raum gestellt) oder nach Italien geht. Und weil es gerade passt, noch ein Transfergerücht mit Hertha-Bezug: Tottenham Hotspur soll an Alexander Madlung interessiert sein, der Club, bei dem Kevin-Prince Boateng nach einigen Spielen in einem schwarzen Loch verschwunden ist. Der Prinz aus dem Wedding ist ja bisher insofern eine Ausnahme, als die Premier League tendenziell alle Deutschland-Importe besser gemacht hat: Roque Santa Cruz, Christopher Samba, Martin Petrov, ... Wäre sicher eine Gaudi, den langen Lulatsch Madlung einmal neben Ledley King (oder auch Woodgate) zu sehen. The most unlikely of careers!
Donnerstag, Mai 01, 2008
Gambas
Auch das zweite CL-Halbfinale habe ich ohne Ton gesehen, aber auf einem besseren Flatscreen, in einem Fischlokal in Lissabon, in dem es ungefähr so frenetisch zuging wie an der Stamford Bridge. A. war zu Mittag mit einem typischerweise drei Stunden verspäteten Easyjet-Flug angekommen, dazu hatten wir zwei Freunde aus Berlin getroffen, es gab Gambas in Knoblauch und am Ende Flan, zwischendurch viele Textnachrichten an Simon, den Liverpool-Fan in unserem inoffiziellen Premier-League-Orden. Wie schon am Tag davor kam mir die Intensität des Spiels kaum überbietbar vor - wie da um den Ball gekämpft und trotzdem noch gespielt wird, ist ungeheuer und sollte der Bundesliga kalte Schauer in die Unterhosen jagen. Liverpool kam in der zweiten Halbzeit auf, das Tor durch Torres war im Grunde das Barca-Tor, das am Vorabend nicht gefallen war: Benayouns Lauf ins Zentrum war fast wie von Messi, der "little drop" auf Torres genial, der Abschluss eines großen Vollstreckers würdig. Die Verlängerung dann meiner Wahrnehmung nach voller Kontroversen - da muss ich einiges erst verifizieren. War da ein vierter Offizieller und ein Videobeweis im Spiel, als der Distanzschuss von Essien wegen passivem (massivem!) Abseits aberkannt wurde? War vor dem dritten Tor durch Drogba nicht eine klare Abseitsstellung zu erkennen? Hätte Hyppiä nicht auch einen Penalty bekommen sollen? Egal, es kam, wie ich es nicht haben wollte, wie es nun aber eine seltsame Folgerichtigkeit hat: Die CL 2008 hat das Finale "Monsters Inc.", zwei monströs starke, nicht unbedingt durch Inspiration, sondern durch Wucht überzeugende Teams. Fast will mir scheinen, dass das mehr ist als ein kontingentes Ergebnis. Es sollte auf jeden Fall ein Warnsignal an alle Teams sein, die vorwiegend auf spielerische Mittel setzen (wollen). It's the end of elegante Ballzirkulation, as we knew it.
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