Sonntag, März 29, 2009

Bilet

Constanta ist nicht nur eine Hafenstadt, sondern auch ein ziemlich beliebter Badeort, das Caorle des Schwarzen Meers, wenn man so will. Gestern war allerdings noch deutlich verspürbar Vorsaison, und die meisten Gäste in dem Hotel, in dem ich mich für eine Nacht eingemietet hatte, waren wegen des Fußballspiels gekommen.



Ich wollte also unbedingt hinein, um Rumänien gegen Serbien zu sehen, meine Neugierde stieg nur noch, als ich am späten Nachmittag das Stadion in seiner ganzen kommunistischen Monumentaltristesse von außen daliegen sah. Bald stellte ich allerdings fest, dass es bei so einem Spiel nicht so leicht wie vor dem Olympiastadion an einem durchschnittlichen Samstag ist, jemand eine Karte "abzukaufen". Es waren tatsächlich sehr viele Polizisten da, und die eigentliche Transaktion erinnerte mich dann eher an "The Wire" als an das, was ich bisher so kannte: Ein Mann mit rumänischen Fahnen sprach mich an, murmelte zwischendurch das Wort "Change", worauf ich instinktiv nickte, das nächste Wort war dann schon "bilet", und die Summe nannte er, nachdem er begriffen hatte, dass ich kein Landsmann war, auf Deutsch: "Hundert". Gemeint waren Lei, ungefähr 30 Euro. Ich ließ dezent zwei Fünfziger aus meiner Jackentasche lugen, da trat auch schon der Chef auf mich zu, nahm mir das Geld ab, reichte es an einen Jungen weiter und bedeutete mir, ein paar Schritte weiterzugehen. Er kam dann aber selbst hinter mir her und drückte mir ein sehr oft gefaltetes weißes Stück Papier in die Hand, das ich erst überprüfen konnte, als ich schon fünfzig Meter weiter war.

Ich habe mich also vielleicht nicht so dämlich angestellt wie Larry David, als er in "Curb Your Enthusiasm" Dope kaufen will, aber letztlich war ich doch sehr abzockbar. Davor hatte es schon einen wirklich heiklen Moment gegeben, als ein Bulgare (als solcher deklarierte er sich) mich zum Stadion "bringen" wollte und dazu einen Weg vorschlug, der mir (noch nicht ganz ortskundig, aber mit einer Idee von der richtigen Richtung) umständlich vorkam. Ich versuchte wieder, meiner Wege zu gehen, da trat plötzlich ein Mann in schwarzer Lederjacke an uns heran, zückte einen Ausweis und gab sich als "Zivilpolizist" zu erkennen. Er ließ mich alle Taschen leeren, sagte zwischendurch mehrmals fragend "Kokain" und wurde erst, als ich mich als Österreicher zu erkennen gab, ruhiger. Mich durchzuckte da aber gerade der Gedanke, die beiden Männer könnten ein Team sein, und mich gerade trickbetrügerisch ausnehmen. Es stellte sich aber heraus, dass er mir alles wiedergegeben hatte: das Telefon (das ausgeschaltet war), alle Karten, den Pass, die Kamera, das Bargeld.

Das "bilet", das ich von dem lokalen Pusher erworben hatte, erwies sich als seit dem letzten Regenguss nicht gereinigter Plastikschalensitzplatz im Sektor der Serbien-Fans, zum Glück im dünn besetzten "bürgerlichen" Teil neben den Hardcore-Supportern, die nach dem Führungstreffer für ihre Mannschaft so stark das bengalische Feuer eröffneten, dass die Einsatzpolizisten ihre Masken aufsetzten und anrückten (während ich mich an einen "Jandarmen" wandte, der mich diskret in den Sektor der Rumänen ließ, nachdem ich als Österreicher meine immerwährende Neutralität glaubhaft gemacht hatte).

Für ein paar Minuten war es eine mulmige Situation, und ich begriff jetzt erst so richtig, dass man allerlei Unsicherheiten gewärtigt, wenn man eine Eintrittskarte "blind" kauft. Ich kam schließlich vom Krimwind ordentlich durchgefroren, aber wohlbehalten wieder ins Hotel, nach einem faszinierenden, schnellen, chaotischen Spiel, das Serbien mit 3:2 gewann. Marko Pantelic leitete den Führungstreffer ein (mit einem Handspiel, wie es später im Fernsehen aussah), blieb aber weitgehend wirkungslos. Maximilian Nicu hätte in der Mannschaft von Rumänien, die rasant, aber auch planlos spielte, keinen Auftrag gehabt, er kam auch nicht zum Einsatz. Gojko Kacar habe ich auch nicht gesehen, aber wie es eben so ist, wenn der Stadionsprecher eine fremde Sprache spricht und das Match vertikal vor dir hin- und herfetzt: Vieles habe ich gar nicht mitbekommen.

Zum Glück habe ich zwischendurch gesehen, wie Fans sich vor der Kulisse des Stadions von Constanta fotografieren ließen. Dieser Gedanke, auf den ich von allein nicht gekommen wäre, erschien mir plausibel, und so kann ich mein bisher interessantestes "ground hopping" sogar dokumentieren.

Samstag, März 28, 2009

Constanta

Den ersten Teil der selbstgestellten Fanaufgabe habe ich erfuellt. Ich bin heute morgen mit dem Zug aus Bukarest ans Schwarze Meer gefahren, viereinhalb Stunden fuer die 225 km bis Constanta. Die Hafenstadt liegt am Ende einer EU-Magistrale, an deren anderem Ende anscheinend Rotterdam zu denken ist, von Cargo-Zentrum zu Cargo-Zentrum. Brillanter Fruehlingstag, und auch gleich die ersten Sondierungen absolviert: Der Taxifahrer rechnet mit einem bluehenden Schwarzmarkt, der Hotelportier antwortet ausweichend auf meine Frage nach Ticket-Chancen und verweist auf die Polizei, die intensiv kongtrollieren wird. Haelt er mich fuer einen Maulwurf, eine Ratte, einen verdeckten Ermittler?

Im rumaenischen Fernsehen ist seit Tagen vom Match der letzten Chance die Rede. Maximilian Nicu ist nicht in der ersten Elf zu erwarten, wurde aber haeufig bei sehr lockeren Aufwaermuebungen gezeigt, man kennt ihn hier ja auch noch nicht so gut wie Adrian Mutu, den einzigen wirklichen Star im rumaenischen Team. Er soll neben Ciprian Marica vom VfB Stuttgart stuermen.

Noch nicht genau durchschaut habe ich die sehr unuebersichtliche Pay-TV-Situation in diesem Land. Alle moeglichen Sender uebertragen heute Matches, ich werde also auf jeden Fall etwas zu sehen bekommen, auch wenn ich es nicht ins nur 15000 Zuschauer fassende Georghe-Hagi-Stadion von Constanta schaffen sollte.

Donnerstag, März 26, 2009

Bucuresti

Dass ich heute morgen für einige Tage nach Bukarest geflogen bin, hat mit der Entscheidung von Maximilian Nicu, für die rumänische Nationalmannschaft spielen zu wollen, nichts zu tun. Aber ich habe natürlich ein Auge auf diese Sache, die am kommenden Samstag beim Match zwischen Rumänien und Serbien konkret werden wird. Leider wird es nicht in der Hauptstadt, sondern in der Hafenstadt Constanta am Schwarzen Meer ausgetragen.

Ich hatte unabhängig davon schon mit einem Ausflug in die Gegend, in der Ovid im Exil die "Tristien" schrieb, geliebäugelt. Jetzt muss ich mir die Sache noch einmal neu durch den Kopf gehen lassen - lohnt sich eine dreistündige Zugfahrt zu einem Match, das ausverkauft ist und für das ich allenfalls noch eine Wucherkarte auf dem Schwarzmarkt bekommen könnte? Andererseits stünden die Chancen gut, nicht nur Nicu zu sehen, sondern auch Pantelic und vielleicht sogar Gojko Kacar - also fast ein Hertha-Drittel, und das unter Umständen, in die ich so schnell nicht wieder kommen werde.

Morgen werde ich mich ein wenig erkundigen, was sich in so einer Lage empfiehlt. Der Taxifahrer, den ich heute Mittag auf dem Flughafen Banasea auch deswegen genommen habe, weil seine Firma Arsenal heißt, hat mir jedenfalls gleich eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und versprochen, er könnte problemlos eine Karte besorgen. Soll ich ihn anrufen?

Dienstag, März 24, 2009

Bürgerbahn

Wie schnell sich die Zeiten ändern: Als Manager Hoeneß vor drei Jahren die Deutsche Bahn als Trikotsponsor von Hertha BSC präsentierte, deutete alles auf einen baldigen Börsengang des Unternehmens hin und auf die Assoziation des Hauptstadtclubs mit einem der besten Beispiele für gelungene Liberalisierung ehemaliger staatlicher Monopolmärkte.

Jetzt, da dieser Vertrag verlängert wird, enthält er einige Justierungen, die den aktuellen Bedingungen geschuldet sind: Für Börsengänge ist im Moment kein Kapital vorhanden, vor allem nicht bei einem Unternehmen, dessen Renditehoffnungen sich immer an den Regulierungen der strengen deutschen Behörden brechen werden. Ich sehe auch nicht ein, warum man mit einem so essentiellen Infrastrukturunternehmen wie der Bahn privates Kapital bedienen soll - mir ist die Absage des Börsengangs lieb, nun wäre nur zu wünschen, dass die Bahn deswegen nicht in den Trott eines perspektivenlosen Staatsbetriebs zurückfällt. Wie wäre es mit Gemeinwohl als Ambition?

Die Hertha ist von der neuen Selbstbescheidung insofern betroffen, als sie nur mehr sechs Millionen Euro im Jahr als Garantiesumme erhalten soll (statt bisher 7,5), dafür kann sie durch Erfolg noch schöne Prämien lukrieren. Das attraktive DB-Logo wird ja in den internationalen Bewerben immer wieder durch speziellere Hinweise auf zum Beispiel die Logistiksparte DB-Schenker ersetzt (weil die Bahn im internationalen Geschäft ja nicht mit Fahrkarten verdient, sondern mit LKWs).

In der nahen Wunschzukunft (auch meiner) würde es irgendwann zu einem Treffen global bekannter Transportunternehmen kommen: Emirates (Arsenal) gegen DB (Hertha BSC Berlin). Die Fluglinie vom Persischen Golf ist de facto ja auch ein Staatsunternehmen, allerdings unter anderen budgetären Voraussetzungen. Die Deutsche Bahn ist gerade erst im Begriff, zu einer weltweiten Marke zu werden. Wie Hertha BSC vielleicht auch eines Tages.

Sonntag, März 22, 2009

Saisonziele

Lucien Favre hat neulich eine Nacht über die Entscheidung geschlafen, Patrick Ebert zu suspendieren. Und so ist es auch nach einer Niederlage wie gestern in Stuttgart. Man schläft darüber. Dann ist manches klarer. Mir zum Beispiel, dass ich nicht glücklich wäre, wenn Hertha weiterhin auf die Meisterschaft aspirieren würde, ohne gegen einen Gegner wie Stuttgart länger als zehn Minuten das Spiel machen zu können. Bisher ist das Team weit damit gekommen, sich über Wert zu verkaufen, indem es sich im Spiel unter Wert verhielt.

Hertha verzichtet auf Ballbesitz und versucht, die geringeren Spielanteile zu optimieren. Das geht nur mit hoher Passsicherheit und klugem Laufen, vieles davon haben wir gestern gesehen, auch, dass darunter das Tempo der Vorstöße leidet. An Nicu konnte man das sehr schön sehen: er hat die Bälle gestern eher geschleppt, kam nie in einen seiner großartigen Läufe, und lukrierte relativ nutzlose Freistöße (da haben wir auch einfach keinen Schützen, wäre auch einmal etwas zum Trainieren). Raffael steckt irgendwo im System fest, er kann sich zwar oft aus einem defensiven Schlamassel befreien, das zögerliche Aufrücken der Mannschaft lässt ihn dann aber schon nach zehn Metern seinerseits in einem Schlamassel versinken.

Ich hätte trotzdem die Mannschaft noch fünfzehn Minuten weiterspielen lassen. Pantelic brachte zwar das nicht gegebene Foul von Boulahrouz im Strafraum, er spielte aber auch den offensiven Querpass, der zu einem der gefährlichsten Stuttgarter Konter führte. Seine relativ frühe Einwechslung brachte nichts, er ist durch die letzten Wochen der Demütigung zu sehr beeinträchtigt.

Jetzt kommen zwei schwierige Wochen, in denen Favre vor allem an der Neudefinition der Saisonziele arbeiten muss: Wer den HSV im Uefacup gesehen hat, wird einsehen, dass Hertha da viele Jahre nachzuarbeiten haben wird. Ich hoffe, dass das Bemühen um eine defensive Grundordnung nicht - wie gestern - zum Selbstzweck wird. Denn das ist nun einmal nur die eine Hälfte des Spiels.

Samstag, März 21, 2009

Überdehnung

Es wäre verfehlt, die Tabellenführung von Hertha als "imperial overstretch" zu bezeichnen, denn sie ist ja ein Mittelclub der deutschen Liga und kein Imperium. Viele Beobachter werden das 0:2 beim VfB Stuttgart aber als Korrektur einer Anomalie werten. Der Hertha, so auch Wolf Fuss eben bei Premiere, wurden heute die Grenzen aufgezeigt. Dabei war es ein enges Match, darüber sollen die drei, vier großen Konterchancen der Stuttgarter nicht hinwegtäuschen.

Den Ausschlag gaben genau die beiden Spieler der Stuttgarter, die am ehesten internationales Format haben: Gomez und Khedira. Gomez hat Simunic heute dessen Grenzen als Kopfballspieler aufgezeigt (Cacau konnte danach recht locker verwerten), und Khedira hat nach einer Standardsituation einen sehenswerten Kopfball unhaltbar ins Netz gesetzt. Die zehn Minuten nach diesem Doppelschlag kurz nach der Pause waren das, was ich von der Hertha künftig verstärkt sehen will: Ballkontrolle, Spielkontrolle, sehr gutes offensives Kombinationsspiel.

Wenn Pantelic in dieser Phase des Spiels den berechtigten Elfmeter bekommen hätte, wer weiß? Danach allerdings rann die Hertha langsam aus, nur Kacar deutete an, dass er zur Khedira-Klasse aufschließen will. Weitere Positiva in einem unglücklichen Spiel: Die beiden angezählten Außenverteidiger Stein und Rodnei wankten, aber fielen nicht. Arne Friedrich musste früh ausgewechselt werden, was mit ihm los ist, werden wir erst morgen wissen.

Was mir nicht gefiel - soweit dich das im Fernsehen sehen konnte: Voronin lief sofort in die Kabine, die Fans blieben von ihm unbedankt, die Hertha muss aber trachten, den "spirit" zu bewahren. Es wird schwieriger, aber besser jetzt, wo die Saison noch Zeit lässt für Comebacks.

Synchronspielen

Beim Auswärtsspiel der Hertha in Stuttgart könnte Gojko Kacar heute in die Mannschaft zurückkommen. Das Team hat sich wacker geschlagen ohne ihn, das ist bemerkenswert, wenn man sich daran erinnert, wie maßgeblich er über lange Strecken der Hinrunde war. Im Heimspiel gegen den VfB hat er das späte, wichtige Siegtor geschossen - es war, dies nur nebenbei, ein Mustertor, das die Hertha danach mehrfach "kopiert" hat, auch dies ein Hinweis darauf, dass die 49 Punkte nicht auf einer bizarren Glückssträhne beruhen.

Der vertikale Pass an die Sechzehnerecke und der entsprechend laufende Stürmer oder der aus dem Mittelfeld auftauchende Läufer sind eigentlich ein einfaches Rezept, es funktioniert aber doch immer wieder.

Die Hertha ist jetzt in einer Phase, wo sie ihre Hinrundenergebnisse nach Möglichkeit kopieren oder verbessern soll. Sie veranstaltet eine Art Synchronspielen zur gelungenen zweiten Hälfte der Hinrunde. Gegen Leverkusen ist beides gelungen: gleiches (knappes) Ergebnis, gleicher Torschütze, aber ungleich mehr Spielkontrolle. Gegen Stuttgart war es schon im Heimspiel nicht leicht, beide Mannschaften waren mäßig damals, aber was soll's - die Hertha kann sich jetzt nicht mehr verstecken, sie wird hoffentlich daran setzen, dass Simunic danach die Devise "fünf aus neun" ausgeben kann.

Freitag, März 20, 2009

Zapfenstreich

Unser Korrespondent Valdano hat gestern gleich noch nachgetragen, dass Coach Favre mit Patrick Ebert nicht so tolerant umgehen konnte, wie ich das vorgeschlagen habe: Er zeigte sich "enorm enttäuscht" und lässt den Jungstar bei den Amateuren trainieren. Für das Stuttgart-Spiel bedeutet das vor allem, dass das ohnehin unterentwickelte Flügelspiel der Hertha noch stärker lahmen wird.

Auf der Website von "11 Freunde" gab es diese Woche einen interessanten Text über die Außenverteidigung der Hertha, in dem deutlich wurde, dass diese Abteilung doch recht eindeutig nicht meisterlich ist. Favre wird vermutlich an Rodnei und Stein festhalten, ich kann nur hoffen, dass Sofian Chahed bald mit Konsequenz in das Team zurückdrängen wird. Ausgerechnet Chahed, der mich wegen seiner Schlafmützigkeit immer wieder auf die Palme bringt, der aber defensiv wie offensiv deutlich mehr Potential hat.

Patrick Ebert, so ist einer Reportage von Training der Amateure zu entnehmen, versucht die Sache mit Fassung zu tragen. Er muss erst lernen, dass man als Mensch in der Öffentlichkeit jederzeit "erwischt" werden kann. Als Beispiel kann uns der Arsenal-Stürmer Emmanuel Adebayor dienen, der in derselben Nacht, in der Patrick Ebert mit Kevin-Prince Boateng durch die provinziellen Gefilde von Wilmersdorf zog, sehr spät aus dem Londoner Nachtclub Movida kam und dabei fotografiert wurde (wie auch van Persie und Fabregas). Das Bild ist an sich nicht kompromittierend, und doch passt es irgendwie zu der schwachen Saison, die Adebayor spielt.

Patrick Ebert spielt eine gute Saison, jetzt hat er sie verpatzt, jetzt muss der ganze Verein versuchen, diese Krise so gut wie möglich zu managen. Vor allem muss die Mannschaft sich am Samstag gut schlagen, alles andere würde die unseligsten Diskussionen heraufbeschwören und Ebert in einer Weise unter Druck setzen, die ich ihm wirklich nicht wünschen möchte. So paradox es klingt: Obwohl Ebert die Mannschaft enttäuscht hat, muss sie am Samstag auch für ihn spielen.

Donnerstag, März 19, 2009

Ghetto Superstar

Ich werde jetzt hier nicht öffentlich kundtun, wieviele Autorückspiegel ich in meinem Leben schon demoliert habe, aber die Sache mit Patrick Ebert kann ich doch nicht ganz unkommentiert lassen. Ich beobachte den Jungen seit einigen Jahren sehr genau, nicht in Bars in Wilmersdorf oder in italienischen Restaurants, sondern auf den Platz, im Jahn-Stadion, im Olympiastadion, bei Interviews und gelegentlich durch die Brille von Korrespondenten dieser Seite wie Valdano, die auch so ihre Eindrücke gewonnen haben.

Da gibt es den Patrick Ebert, der sich damals im Jahn-Stadion in der Halbzeitpause ungewöhnlich konzentiert aufwärmte, während Solomon Okorowonkwo daneben sein Tänzchen mit dem Ball machte. Dieser Ebert zeigte, dass er etwas will, und dass er sich dafür notfalls auch aus der Gruppe zurückzieht. Den anderen Patrick Ebert, der vorgestern Nacht mit dem Boateng-Prinzen durch Wilmersdorf zog, kenne ich nur aus der Zeitung. Ich will ihn auch nicht genauer kennenlernen, mir wäre nur recht, wenn er begreifen würde, dass er eine ungleich größere Chance hat, ein guter Fußballer zu werden, als Kevin-Prince Boateng.

Der Prinz ist für meine Begriffe im Grunde schon erledigt, Patrick Ebert aber spielt in einer interessanten Mannschaft eine interessante Rolle. Ich würde ihn nach Stuttgart mitnehmen, ihm aber auch klarmachen, dass die nächste Auffälligkeit dieser Art das Ende seiner Zeit bei Hertha bedeuten würde. Dann kann er immer noch mit Kevin-Prince Boateng tingeln gehen, zwei früh gescheiterte Ghetto-Superstars, die den Rest ihres Lebens damit zubringen wollen, die Millionen zu vergeuden, die ihnen ihr Talent eingebracht hat.

Sonntag, März 15, 2009

Szenario

In einem ziemlich grindigen Kleinkunstkeller namens "Szenario" in der Oberstadt von Marburg habe ich gestern den ersten Teil der Bundesliga-Konferenz gesehen. Es waren Fans fast aller wichtigen Klubs anwesend, wie das in einer Studentenstadt eben so ist. Zur Pause musste ich dann weg, weil ich zu arbeiten hatte. Weit nach Mitternacht, nun schon wieder in Berlin, habe ich dann die größten Teile des Spiels in einer Wiederholung gesehen. Die Hertha beginnt langsam, die Liga zu nerven. Das kann man zumindest daran ermessen, wie Marcel Reif das Spiel kommentiert hat - so übellaunig war er noch selten. Dabei war doch schön zu sehen, was die Tugend von Hertha gestern war: Geduld. Die Sicherheit ihres Netzwerks, die Qualität ihrer Pässe erlaubt es, dass sie ihr Spiel ohne Hektik aufzieht. Sie muss den Gegner nicht überrennen, sie braucht keine zwanzig Chancen (wie gestern wieder Arsenal), um 4:0 zu gewinnen (wie gestern endlich wieder einmal Arsenal, gegen die Blackburn Rovers). Ich habe noch selten eine Mannschaft gesehen, die das Frustrierende am Fußball, die vielen Züge, die nichts werden, so gelassen hinnimmt und einfach wieder von vorne beginnt, nachdem sie sich den Ball wieder besorgt hat. So kam eine diskrete, bei genauem Hinsehen aber deutliche Überlegenheit zustande. Die Debatte der kommenden Woche sehe ich schon kommen: Ist es nicht eigentlich doch blamabel, dass eine Mannschaft mit der Spielanlage der Hertha in der Liga so weit oben stehen kann? Noch ist nichts gewonnen, aber die Chancen, dass Berlin nächstes Jahr international den Qualitätstest auf die Arbeit dieses Jahres machen kann, stehen jetzt schon sehr gut.

Samstag, März 14, 2009

Bayer 04

Elf Spiele dauert die Saison noch, aber die Hertha ist schon in einer Phase, in der ein Schlüsselspiel auf das nächste folgt. Heute kommt Bayer 04 Leverkusen ins Olympiastadion. Das Hinspiel war so etwas wie der Startschuss zu der guten Serie. Davor hatte Favre noch gesucht, die Mannschaft wurde ständig umgestellt, es war eine ganz normale, mittelmäßige Hertha-Saison mit guten Ansätzen.

Dann kam das Spiel gegen Leverkusen. Drobny wuchs zum ersten Mal über sich hinaus, und Andrej Voronin schoss sein erstes Tor für Hertha. Es reichte zu einem 1:0-Sieg, der keineswegs nur glücklich war. Es reichte, um die Hertha-Legende dieses Jahres auf den Weg zu bringen: gute Organisation, Effizienz im Abschluss, das notwendige Glück. Vom Glück hat sie inzwischen eine Menge aufgebraucht, sie wird heute mehr denn je auf Organisation und auf die weitere Entwicklung des Offensivspiels setzen müssen.

Dabei ist es sicher von Vorteil, dass vermutlich zum vierten Mal hintereinander die selbe Formation antreten wird, also mit Rodnei hinten links, Dardai im zentralen Mittelfeld, Stein rechts hinten. Mit dem famosen Patrick Ebert auf rechts, mit dem als zentrale hängende Spitze viel besseren Raffael, und mit Voronin als vorderstem Mann mit weitem Aktionsradius.

Das Selbstbewusstsein, das die Mannschaft inzwischen hat, hilft sicher auch, ein Umschlagen in Passivität befürchte ich nicht. Wolfsburg ist inzwischen bis auf einen Zähler an die Hertha herangekommen, die beiden Punkte, die da im direkten Duell durch den Schiedsrichterfehler verschoben wurden, dürfen nicht wichtig werden. Deswegen muss die Hertha heute gewinnen, während ich in Marburg beschäftigt bin. Go for it, boys!

Freitag, März 13, 2009

Stadio Olimpico

Da man den Engländern nachsagt, dass sie beim Elfmeterschießen nicht viel zusammenbringen, war es sicher ein Vorteil, dass beim FC Arsenal nur ganz wenige Engländer spielen. Im Spiel reichte es Mittwoch gegen den AS Rom nur zu einem 0:1 nach 120 Minuten, damit war der Vorsprung aus dem Hinspiel egalisiert, und die Sache musste "vom Punkt", wie man so schön sagt, entschieden werden. Arsenal setzte sich mit 7:6 durch, und weil ich den Jungs dafür Respekt zollen möchte, hier die Namen der Schützen in der Reihenfolge: Eduardo (schlecht geschossen, gehalten), van Persie, Walcott, Nasri, Denilson, Touré, Sagna, Diaby. Die "Sieben gegen Rom".

Das sind durchweg junge Spieler, die so etwas sicher noch nie erlebt hatten. Sie haben aber alle verwandelt, gegen den zugegeben nicht gerade furchteinflößenden Doni. Die Stimmung in der Kabine muss nachher großartig gewesen sein, alle glauben jetzt, dass das vielleicht der positiv definierende Moment war, den Arsenal in dieser Saison nicht und nicht gefunden hat. Im Spiel selbst war viel Gutes zu erkennen gewesen. Diaby wächst langsam in eine dominierende Mittelfeldrolle hinein, Bendtner ist gestalterisch fast interessanter als ganz vorne, Denilson gewinnt an Autorität. Aber Rom war nach dem frühen Treffer in den wenigen Offensivaktionen gefährlicher, dadurch blieb das Angriffsspiel von Arsenal 110 Minuten gehemmt.

Morgen kommen die abstiegsgefährdeten Blackburn Rovers in das Emirates Stadium, ich werde in Marburg sein, und damit auch das Heimspiel der Hertha gegen Bayer 04 versäumen. Möge der Stream mit mir sein, und der Flow mit meinen Teams.

Mittwoch, März 11, 2009

Empire

Vor dem letzten Abend des diesjährigen CL-Viertelfinales stehen die Chancen gut, dass unter den letzten acht Mannschaften wieder vier englische stehen. Arsenal spielt heute mit einem Tor Vorsprung aus dem Heimspiel beim AS Rom, MeanU geht mit einem torlosen Remis aus dem Hinspiel in Old Trafford gegen Inter Mailand ans Werk. So richtig deutlich war aber vor allem der Klassenunterschied zwischen der ehemaligen Weltmannschaft von Real Madrid und dem FC Liverpool. Schon im Hinspiel hatten die Spanier taktisch, läuferisch, kämpferisch und letztlich auch technisch überall das Nachsehen gehabt, gestern gab es dann an der Anfield Road eine (vom Spielverlauf und den Referees zwar begünstigte, de facto aber hochverdiente) Abfertigung mit 0:4.

Dass schon die statistisch zweitbeste Mannschaft aus dem Land der Europameisters im europäischen Clubfußball nicht mehr konkurrenzfähig ist, sagt doch eine Menge aus und sollte auch dem FC Bayern zu denken geben, dessen surreales 12:1 in zwei Spielen gegen Sporting Lissabon ein eher schlechtes Licht auf den Wettbewerb wirft. Ich hoffe nun stark, dass Arsenal nach einer bisher furchtbar wankelmütigen Saison sich in der spanneden Phase des Jahres noch erfängt und das Niveau der anderen drei Vertreter aus dem Empire hält. Robin van Persie hat große Hoffnungen formuliert - heute Abend kann er praktisch werden.

Dienstag, März 10, 2009

Schuhbomber

Die Fahrt nach Cottbus brachte neben dem großen Erlebnis des tanzenden Dieter Hoeneß (das ich live nicht so genau mitbekommen habe) noch eine ganze Reihe anderer interessanter Eindrücke. Schon im Regionalexpress sorgte die Polizei gründlich für Ordnung, außer gelegentlichen Rufen wie "Polacken und Zigeuner raus" hielten sich auch anstößige Bemerkungen in Grenzen. Ich war allerdings überrascht (weil ich ja in diesen Fankreisen nicht verkehre), wie sehr es manchen Mitreisenden vor allem auf die Action ankommt - ich konnte einige Gespräche mithören, deren Teilnehmer genau über die Bengalos, Böller und Rauchbomben Bescheid wussten, die (wie?) ins Stadion gebracht werden würden und auf zu einem verabredeten Zeitpunkt (beim ersten Tor) gezündet werden sollten.

Dieses Ereignis war ihnen deutlich wichtiger als der Auftritt der Hertha. Sie müssen sehr zufrieden gewesen sein, als es dann so weit war. Ich musste vor dem Stadion der Freundschaft zwar meine Tasche abgeben, wurde aber nicht sehr genau kontrolliert, genau genommen: klassisch inkonsequent. Der lustigste Moment kam nach der Leibesvisitation, als ich dazu angehalten wurde, meine Schuhe auszuziehen. Ich hatte gerade meinen rechten in der Hand, da sagte der Security-Mann: "Okay, einer reicht." Meine Gegenfrage verstand er nicht so recht: "Was ist aber, wenn ich die Bombe im linken Schuh habe?" Der Mann ist wohl auch noch nie interkontinental geflogen. Das Stadion der Freundschaft und der Flughafen JFK in New York haben aber sowieso einiges gemeinsam, beide sind zu klein für ihre Zwecke und müssen deswegen improvisierend erweitert werden.

Von meinem Platz konnte ich stehend nur drei Cornerfahnen sehen, die vierte war hinter einem Gitter - und ich hatte noch einen relativ guten Platz. Auswärtsfans werden in kleinen Stadien gern wie in Käfigen gehalten. In Cottbus wurde aber die ganze Stadt in zwei Zonen geteilt, eine war nur für die Hertha-Fans, die in kleinen Pulks über gesperrte Ost-Avenuen zum Stadion zogen.

Was es die ganze Mühe dann wert machte, waren Details: der Hechtsprung, mit dem Arne Friedrich nach dem dritten Tor Voronin zum Jubeln "erlegte" (in der FAZ vom Montag dazu das großartige Foto), die Gesten, mit denen Voronin als vorderster Verteidiger das Spiel gegen den Ball organisierte (wobei Patrick Ebert ihm kaum einmal so weit vorn schon zu Hilfe kam), der Ball von Jula, der direkt auf uns zukam, statt im Netz zu zappeln. In Berlin sitze ich auf einem Platz, der einen Blick auf die Taktik erlaubt. In Cottbus war ich im Getümmel, und es war großartig.

Sonntag, März 08, 2009

Spitzenreiter

Hey, was geht ab? Die Hertha hat gestern in Cottbus 3:1 gewonnen. Ich war dabei, stand allerdings im Hertha-Fanblock so, dass ich von dem Match ungefähr ein (räumliches) Drittel sehr gut und den Rest nicht so richtig mitgekriegt habe. Wir waren hinter einem Tor, die Hertha spielte in der ersten Halbzeit von uns weg und Energie auf uns zu. Ich konnte also die beiden Tore, die Voronin vor der Pause schoss, nur ungefähr sehen (erst daheim erfuhr ich, dass der Ukrainer alle drei Tore erzielt hatte), dafür aber die Mängel in der Abwehrarbeit der Hertha. Viele Freistöße vor der Pause, dazu Stellungsfehler und Ballverluste - es war defensiv kein meisterlicher Auftritt, zumindest nicht in der ersten Hälfte.

Offensiv aber war es sehr in Ordnung, auch wenn mir das Wort Effizienz langsam bei den Ohren hinausstaubt. Die Hertha spielt modern, flexibel, läuft interessant, weiß das Spielfeld auszunützen. Was konnten wir ganz genau sehen? Den Lapsus von Drobny, die unglaubliche Chance von Jula zum 2:0 (selbst das hätten wir gestern aber noch drehen können, glaube ich), das Solo von Voronin zum 3:1. Und Patrick Ebert, der zur Fankurve kam und seine Meinung zu den Böllern und Feuerwerkskörpern deutlich machte. (Zur Stimmung, Organisation etc im Stadion der Freundschaft mehr in einem eigenen Post.) Es war ein unglaublich offenes Spiel, das Hertha in der zweiten Halbzeit weitgehend kontrollierte.

Cottbus agierte wie auf Augenhöhe, war es aber nicht, der Klassenunterschied war schon deutlich zu sehen. Hertha sah aber auch nicht wie ein Meisterkandidat aus, ist es aber. Jetzt hilft kein Drumherumreden mehr. Die Sprachregelung kann nur lauten: Ja, wir spielen mit, wir werden natürlich alles tun, um zu sehen, was geht. Für Leverkusen würde ich vorschlagen: Stein wieder aus links (sorry, Rodnei), von Bergen auf rechts, alles andere soll bleiben (sorry, Marko).

Samstag, März 07, 2009

Lausitz

Mit dem Regionalexpress und nicht mit dem Entlastungszug werde ich heute versuchen, in die Lausitz zu kommen und mir dort live das Derby der Hertha gegen Energie Cottbus anzusehen. Die rhetorische Vorbereitung auf das Spiel hat mir die Sache fast ein wenig verleidet, die Medien überschlagen sich seit Tagen mit Titeln wie "Leiden lernen", überall geht es nur darum, "den Kampf anzunehmen", selbst aus dem Training der Hertha selbst kam (aber das war wohl nur "spin") die Nachricht, dass Favre härter zur Sache gehen ließ und (ausgerechnet!) Pantelic verklopft wurde.

Zwischendurch war aber auch eine Aussage von Marc Stein zu vernehmen, die mir plausibler schien: Die Hertha will das Spiel heute mit viel Ballbesitz gewinnen, sie wird hoffentlich die Zweikämpfe nicht scheuen, wird dabei aber ihre technische Überlegenheit einzusetzen suchen (sie kommt insgesamt mit auffällig wenigen Fouls aus), und so den Anstrengungen von Cottbus eher auszuweichen versuchen, als mittenmang in die Schlacht zu ziehen.

Das ist natürlich alles Theorie, es gibt ja auch den sogenannten Spielverlauf, der sich nicht planen lässt, und bis jetzt gab es noch kaum eine Begegnung, die Hertha über 90 Minuten souverän kontrolliert hätte. Sie geht heute in eine Reifeprüfung, das ist es mir wert, persönlich dabei zu sein, auch wenn das Wetter wenig verheißungsvoll aussieht.

Montag, März 02, 2009

Zwischenbilanz

Die Hertha steht dank der Niederlage des HSV gegen den VfL Wolfsburg wieder eine Woche an der Tabellenspitze. Sie hat einen Punkt Vorsprung, kann diese Position also am kommenden Wochenende mit einem Sieg bei Energie Cottbus verteidigen. In den Medien wird allerdings heute der VfL Wolfsburg als neuer Favorit in das enge Rennen gebracht. Dabei ist von 60 Millionen die Rede, die Felix Magath investieren konnte, während von der Hertha zu lesen ist, dass sie im Sommer kein Geld für neue Investitionen in den Kader haben wird. Es sei denn, sie qualifiziert sich direkt und sicher für die Champion's League.

Diese Prognose bezieht sich natürlich jetzt erst einmal auf die Lizenzierungsunterlagen, die demnächst bei der DFL einzureichen sind und besonders konservativ gerechnet werden. Aber es trifft doch sehr gut die Verhältnisse, unter denen das Team diese Saison spielt. Sie hat in den kommenden zwölf Spielen, von denen der immer imposanter agierende Jo Simunic acht gewinnen will, tatsächlich ein Fenster der Gelegenheit, wie es so schnell nicht wiederkommen wird. Das Auswärtsspiel in Hamburg Anfang Mai wird dabei wohl die Richtung weisen.

Sportlich gesehen ist es aber doch interessant, dass die Hertha vor knapp einer Woche Wolfsburg eigentlich perfekt unter Kontrolle hatte - bis die Konzentration nachließ. Gestern war es wieder Marcel Schäfer, der wesentlich zur Niederlage des HSV beitrug, und von allen Personalien bildet diese den größten Unterschied zur Hertha. Der VfL hat, wenn sonst nichts geht, immer noch energisches Flügelspiel. Jo Simunic hat gestern im RBB gesagt, dass die Mannschaft ihren besten Fußball noch vor sich hat. Da hat er Recht, aber man sieht auch schon, dass sie durchaus noch etwas zuzulegen hat. Sie muss es nur tun.

Sonntag, März 01, 2009

Groteske

So sehr nach Frühling, wie ich gestern Vormittag vom Wohnzimmer aus dachte, sah es am Nachmittag im Olympiastadion nicht mehr aus. Es war ein typisch grauer, kalter Spätwintertag, aber man spürte doch, dass sich etwas verändert hat bei der Hertha. Das Stadion war zu zwei Dritteln gefüllt, das ist gegen einen Gegner wie Borussia Mönchengladbach schon bemerkenswert.

Die Mannschaft tat auch eine Menge, um der neuen Anspruchshaltung der Fans zu entsprechen. Sie spielte eine gelassen souveräne erste Halbzeit, in der zwei kluge Pässe (und natürlich die entsprechenden Läufe der Empfänger) zu zwei schönen Toren durch Voronin und Dardai führten. Beide Pässe, auch wenn der erste von Cicero über dreißig Meter ging, gehören in das Fach "Durchstecken" - zwei Spieler sehen eine Lücke, einer läuft hinein, der andere sieht den Lauf, alle anderen müssen zuerst begreifen, was los ist, und schon ist's geschehen.

Die Eleganz dieser Tore flog der Hertha in der zweiten Halbzeit aber noch um die Ohren. Denn sie wollte so weiterspielen, es ging aber nicht so, und allmählich zerfiel das Spiel in zwei Bewegungen - Gladbach drängte, schaffte durch einen Elfmeter von Bradley auch zwanzig Minuten vor Ende den Anschlusstreffer, und Hertha konterte, mit zunehmender Dauer des Spiels wurde das Ungeschick dabei grotesker. Nach dem Sieg steht Hertha BSC zumindest heute wieder ganz oben in der Tabelle, dabei ist deutlich zu sehen, dass zu einer Spitzenmannschaft noch viel fehlt.

Unübersehbar war auch gestern wieder, daß die Außenpositionen offensiv nicht gut funktionieren: Stein und Ebert, Rodnei und Nicu fielen durch zahlreiche tapsige Kombinationsversuche auf, das Berliner Publikum, das jetzt schon Verwöhnfußball erwartet, quittierte es durch stadionweites Aufstöhnen.

Das Spieltempo der Hertha ist nach wie vor niedrig, und zwar intensiv niedrig - eine Menge Bewegung geht einfach in das ständige Laufen in Position, auf Struktur hin. Raffael vermag sich am besten daraus zu befreien, er kann sich aus einem Gewühl lösen und Tempo aufnehmen, das ist großartig. Letztendlich war der Sieg gestern weniger glücklich, als die Medien heute schreiben. Aber es hätte eine Demonstration der Souveränität werden können. So aber hält die Hertha den Ball flach, um ihn diskret weiter "durchstecken" zu können.