Sonntag, März 27, 2005

Internationale Erfahrung

Die Hertha hat sich gestern für das Saisonfinale warmgeschossen: Kovac (2), Simunic und Bastürk haben in den WM-Qualifikationsspielen getroffen. Ich habe nicht den ganzen Samstag vor dem Fernseher verbracht, sondern ein Auge auf Alle Spiele, alle Tore gehabt, während ich "Pattern Recognition" von William Gibson las. Den Sieg von Österreich in Wales am Nachmittag habe ich genauer verfolgt. Ich wollte sehen, was der in meinen Augen unfähige Coach Hans Krankl mit "meinem" Nationalteam macht, das seinen Nationalcharakter schon darin bekundet, daß es über und über mit Werbung behängt ist. (Wenn ich einmal eine große Mannschaft coache, werde ich mir vertraglich ausbedingen, daß ich keine Werbung auf dem Hemdkragen tragen muß.) Über das 2:0 der Österreicher habe ich mich befreut, auch wenn der Konter zum ersten Tor durch einen Fehlpaß von Ryan Giggs ausgelöst wurde - ein Spieler, dem meine große Verehrung gilt, weil er Arbeitsethos und Inspiration so toll verbindet, und weil er immer so perfekt unrasiert ist. Giggs, Scholes, Solskjaer - das war eine ManU, die mir gefiel. Jara, Prohaska, Krankl - das war das Österreich, mit dem ich groß wurde. Hoffentlich dribbelt Yildiray die Hertha eines Tages noch nach Old Trafford.

Mittwoch, März 23, 2005

Verantwortung

My man Thorben ist vom Kicker zum Mann des Matches gegen Bielefeld gewählt worden. Weil er zwei Tore geschossen hat, und weil er auch sonst ziemlich zügig gespielt hat. Ich war ja nicht im Stadion, sondern in der Sportbar in Wien, in der wir im Herbst vom trüben 0:1 gegen Bielefeld auf der Alm schon nichts mitbekommen haben, weil Hertha in der Konferenz oft unterrepräsentiert ist. Dieses Mal schalteten sie ausgerechnet in dem Moment weg, als der Ball von Marx zum 2:0 schon aufgesprungen und wieder in der Luft und ungefähr einen Meter vor der Torlinie war - das nenne ich Unvermögen, gab aber eine hübsche kleine Konfusion bei der Regie. Wir waren auf der Heimreise aus Graz, nahmen in Wien noch vier Film Noirs mit, die das Österreichische Filmmuseum gerade zeigt. Einige Freunde waren im Stadion, weil sie Fans von Bielefeld sind. Sie werden sich geärgert haben, während ich mir die Sache am Dienstag im Premiere-Replay kühl angesehen habe, interessiert an Details, weil das große Ganze ja wirklich nicht so aufregend war. Das dritte Tor ging mir deswegen zu Herzen, weil Simunic einmal ein wenig vorgerückt war, und trotzdem einen guten, offensiven Pass spielte, der Arne Friedrich so weit wegsprang, daß er zu einem Angriff gezwungen war, den er dann mit Übersteiger zu Yildiray weiterleitete, dem der Ball wieder zu weit wegsprang - trotzdem gelang ihm der Versetzer des Verteidigers, und die Einsendung ins lange Eck. Ihre technische Überlegenheit hat der Hertha am Samstag nicht viel genützt, sie hat das Spiel anders gewonnen, einfach so, weil es sich ergeben hat. Weil Thorben getroffen hat. Hoffentlich wächst er daran.

Sonntag, März 13, 2005

Helden des Remis

Seit gestern hat Hertha wieder mehr Unentschieden als Siege. Ein 3:3 auswärts gegen Bayer Leverkusen ist prinzipiell nicht blamabel, es sei denn, man möchte in dieser Saison noch etwas lukrieren. Falko Götz war nach dem Spiel fast überschwänglich - er stand ja auch an der Linie und sah ein Drama, während ich im Fernsehen sehr viel Unvermögen auf beiden Seite sah (vor allem aber bei Bayer) und eine nicht ganz plausible Austauschpolitik von unserem Coach. Daß wir Dick Van Burik nach fünfzehn Minuten durch eine rote Karte verloren, war konsequent: beide Gegentore waren ihm anzulasten, das erste war eine Koproduktion mit Simunic. Götz hat sich in der Frühjahrssaison mit Van Burik (und Kovac) arrangiert, er hat diese beiden Besetzungen nicht mehr hinterfragt, während ich diese beiden Position perspektivisch für die entscheidenden Aufgaben der nächsten Zeit halte: Van Burik ist für einen Central Defender insgesamt zu wenig verläßlich, und Kovac ist für einen "Skipper" nach vorne zu konfus (er begeht auch viele der prekären Fouls vor dem Sechzehner, darin steht ihm allerdings Thorben Marx nicht nach). Ein großes Team braucht gerade an diesen beiden Planstellen neues Personal. Vermutlich können wir jetzt zwei Spiele lang Madlung studieren, der im Zweikampf gegen Bernd Schneider gezeigt hat, daß er außen nichts zu suchen hat - Malik Fathi hätte sich so nicht versetzen lassen. Warum war aber Madlung dort, und nicht Fathi? Ich finde, Götz hätte schon bald nach dem Führungstreffer zum 3:2 in der 60. Minute einen Wechsel vornehmen sollen, hätte mit Madlung zentral eine konventionelle Viererkette wiederherstellen sollen (statt Kovac, ich weiß, das sieht riskant aus, aber Marx hat ihn bisher immer noch gut vertreten, indem er nach innen rückte) - und Reina hätte früher kommen müssen, statt Neuendorf. Dann hätten wir gestern einen wichtigen Sieg gelandet, ruhend auf dem Wahnsinn von Marcelinho, und auch ein wenig auf einem Trainer, der im richtigen Moment den Hasard wagt. Falko Götz aber war mehrmals kalmierend tätig. Der schlechte TV-Regisseur dieses Spiels, der bei sinnlosen Nahaufnahmen häufig die Vorgänge auf dem Platz übersah, dachte offensichtlich ebenfalls so, und rückte ihn immer wieder ins Bild: Gemach, Jungs, gemach - ihr habt heute die Chance auf ein heroisches Unentschieden. Das scheint die Signatur dieser Saison zu werden - nach dem "tragischen" Remis gegen Kaiserslautern, und den in letzter Sekunde vermiedenen Niederlagen gegen Bremen oder Rostock.

Mittwoch, März 09, 2005

Fingerspitzenspiel

Große Mannschaften scheitern immer an sich selbst. Der FC Barcelona hat es gestern versäumt, Chelsea nach der Pause in die Schranken zu weisen. Sie spielten eine halbe Stunde lang so überlegen, wie nur sie es aufgrund ihrer Technik können. Aber sie ließen den Nachdruck vermissen, den ich in der Laufbewegung von Damien Duff und Joe Cole gesehen habe, wenn sich eine Möglichkeit bot: da entlud sich etwas, was Eto'o nicht kennt, weil er lieber mit dem Ball ins Loch geht, weil er den Antritt lieber mit einer Inspiration versieht, weil er in der Schnelligkeit noch so viele Optionen hat. Duff hingegen zog gerade auf das Tor. Das war gestern der Unterschied. Ich hätte gern Barcelona in der nächsten Runde gesehen, kann aber dem Chelsea-Epos in dieser Saison meinen Respekt nicht versagen. Als Eto'o noch vor der Pause seinen Treffer auf dem Fuß hatte, von halblinks, verkürzte ihm Terry den Winkel genau in dem Maß, in dem der Ball dann über das Tor ging. Den Rest in der zweiten Hälfte besorgte Petr Cech, ein Gigant des Goalkeepings. Cech-Terry-Lampard-Cole-Duff ist die Achse einer Mannschaft, an der ich nur die Mourinho-Armada weiter hinten nicht so gern mag. Die verkniffene Definition of Cool, die der Trainer selbst abgibt, finde ich unterhaltsam. Das Match hat mich an die scholastische Diskussion erinnert, wieviele Engel auf eine Nadelspitze passen: So eng, aber auch so überirdisch war es.