Mittwoch, Juli 29, 2009

Gardemaß

Immer mehr wird deutlich, dass Josip Simunic (195cm) vor allem in vertikaler Hinsicht eine Lücke in der Hertha-Struktur hinterlassen hat: Arne Friedrich (185cm groß) will die Lufthoheit in der Defensive nicht übernehmen. Nemanja Pejcinovic (184cm) wird sie nicht zugetraut, Steve von Bergen (181cm) kann noch so sehr auf taktische Intelligenz verweisen, er wird an Gegnern wie Mario Gomez gemessen werden. Es verwundert also nicht, dass am Kader noch nachgebessert werden wird - der neueste Name ist Rasmus Bengtsson (185cm) vom schwedischen Trelleborgs FF. Springender Punkt ist dabei nicht zuletzt, dass der Kapitän sich mit der gewachsenen Verantwortung nicht so richtig anfreunden will, uneingestandenes Faktum ist zudem, dass auf den Außenpositionen nichts verändert wurde und dass Marc Stein vermutlich auch in diesem Jahr entscheidende Flanken nicht verhindern wird. Es sei denn, man kauft noch einen Innenverteidiger, und Pejcinovic erweist sich als probater Mann für die linke Defensivseite.

Unseren abgewanderten kroatischen Star wird es innerlich befriedigen, wenn er sieht, wie schwer sich Coach Favre und Manager Preetz mit der Lösung dieses Problems tun und wie sehr es die Transferaktivitäten dieses Sommers prägt. Interessant übrigens der Vergleich mit dem FC Arsenal, der heute in Hannover antritt. Dort wurde für 10 Millionen Euro der nur 180cm große Innenverteidiger Thomas Vermaelen von Ajax Amsterdam verpflichtet, wohl schon in der Annahme, dass Kolo Touré (184cm) für mehr Geld zu Manchester City wechseln wird. Dann fehlt aber immer noch ein überzeugender Mann für die defensive Zentrale, ja eigentlich überhaupt ein Plan für das Mannschaftsgefüge, denn Arsène Wenger hat eine Unmenge sehr begabter Spieler (allein drei großartige Leftbacks: Clichy, Gibbs, Traoré), die er aber auch recht wahllos über das Feld verteilt (Abou Diaby, Ramsey, Wilshere, Song, Arshavin, Walcott, Fabregas, Denilson).

Die Saison rückt näher, irgendwann werden sich die Dinge klären. Letztes Jahr hat Coach Favre auch bis weit in den September hinein experimentiert, dieses Jahr sind die Ungewissheiten immerhin deutlich geringer.

Dienstag, Juli 28, 2009

Sommerpause


Die Saisoneröffnung der Hertha am vergangenen Sonntag habe ich ausgelassen, ich bin noch in Österreich, von wo ich heute nach Leipzig aufbrechen werde, dort mache ich Zwischenstation, bevor ich morgen zur Gegnerbeobachtung nach Hannover weiterreisen werde: H96, dies zur Erinnerung, kommt in zwei Wochen als erster Ligagegner dieses Jahres nach Berlin. Es trifft sich gut, dass Hannover morgen gegen meine internationale Lieblingsmannschaft testet, den FC Arsenal, den ich schon vor einer Woche in Wien-Floridsdorf live gesehen habe, der morgen aber vermutlich mit einer konkurrenzfähigeren Mannschaft antreten wird.

Zwischendurch habe ich am vergangenen Freitag auch noch das Stadion aufgesucht, in dem meine Passion für den Fußball begann: die Gugl in Linz, wo der LASK gegen Austria Wien ein denkwürdiges 4:5 erspielte, nach 30 Minuten führte die Austria mit 3:0, zur Pause führte der LASK mit 4:3 (vier Tore in elf Minuten!), nach der Pause aber ging nicht mehr viel für den Linzer Athletiker Sport Klub. 9800 Besucher kommen zu einem Match diesen Zuschnitts in der obersten österreichischen Spielklasse, das wird wohl irgendwo zwischen zweiter und dritter deutscher Liga liegen. Vor vielen Jahren muss ich auf der Gugl einmal Real Madrid gesehen haben, aber daran erinnere ich mich vage. Könnte es sein, dass es das 3:0 des Weißen Balletts gegen den FC Tirol war, im August 1989? Warum aber hätte das in Linz stattgefunden?

Samstag, Juli 25, 2009

Forza Srpska

Die Hertha hat den erfahrenen Kroaten Josip Simunic durch den deutlich weniger erfahrenen Serben Nemanja Pejcinovic von FK Rad Belgrad ersetzt. Zehn Jahre und zehn Zentimeter fehlen dem designierten zweiten Innenverteidiger auf seinen Vorgänger, der Trainer hat in der durchschnittlichen Größe von Pejcinovic offensichtlich kein Problem gesehen. Und es ist ja auch wahr: In den entscheidenden Kopfballduellen hat Simunic auch seine Größe nichts geholfen, ich denke an die beiden in Stuttgart letzte Saison, die besonders weh getan haben. An Pejcinovic heben die Medien bisher hervor, was auch der Trainer hervorhebt: "Taktisch ist er hervorragend."

Nehmen wir einmal an, dass sich die Möglichkeiten der Spieleröffnung mit Pejcinovic verbessern, dann hat die Hertha schon viel gewonnen. Ich bin jedenfalls froh, dass nicht irgendein Veteran gekauft wurde, der sich im Strafraum als Turm aufrichtet, im übrigen aber das Spiel an sich vorbeiziehen lassen muss. Pejcinovic ist der zweite Transfer, den Favre und Preetz so richtig in Eigenregie hingekriegt haben - insgesamt habe ich ein gutes Gefühl dabei, wie bei Wichniarek auch.

Aber es ist natürlich klar, dass das alles Verstärkungen im Rahmen einer Underdog-Konzeption sind. Was sich da formt, ist ein Kollektiv, das etbalierten Mächten das Leben schwer machen soll - in England wäre ein vergleichbares Team Wigan Athletic, allerdings hat Berlin den Standortfaktor und damit eine ganz andere Perspektive.

Mittwoch, Juli 22, 2009

Floridsdorf

Die Hertha ist aus Österreich wieder nach Berlin zurückgekehrt, ich hingegen bin am Montag nach Wien gefahren und habe am Dienstag im Norden Wiens ein Freundschaftsspiel des FC Arsenal gegen die Floridsdorfer Columbia gesehen, Endstand 1:7 gegen die Hausherren. Es war ein großes Erlebnis, Arshavin aus drei Metern Entfernung einen Corner schießen zu sehen, und bis auf Fabregas, Clichy, Gibbs, Walcott und Rosicky sowie dem kurzfristig verletzten Nasri kamen auch alle Stars zum Einsatz.

Ich freue mich schon auf die Saison, wie es aussieht, wird Sky ein wenig ausführlicher aus England übertragen als im Vorjahr. Der Verkauf von Adebayor an Manchester City ist auch über die Bühne, daraus resultiert, dass Arsenal sicher noch zwei interessante Spieler holen wird. Für einige meiner Lieblinge wird es so etwas wie die Saison der letzten Chance bei Arsenal: Abou Diaby, Djourou, Bendtner.

Um den Dänen mache ich mir am wenigsten Gedanken, dem traue ich zu, dass er heuer endgültig den Durchbruch schafft. Der grandios begabte Abou Diaby aber hat erstens immer noch keine angestammte Position im mehrfach überbesetzten Arsenal-Mittelfeld und scheint auch nie so richtig die Mitte zwischen Überengagement und Lethargie zu finden. Djourou wird wohl nicht in die Riege der großen Premier-League-Verteidiger aufsteigen, schade, denn für Hertha ist er zu teuer.

Wer in Berlin an die Stelle von Simunic treten wird, beschäftigt derzeit die Medien - ich sehe mir das jetzt ein paar Tage lang aus der Urlaubsdistanz an und versuche, mich von dem Wirrkram mancher Zeitungen (Kacar ohne Stammplatz?) nicht durcheinanderbringen zu lassen.

Samstag, Juli 18, 2009

Positionierung

Die beiden Berliner Konkurrenzblätter Der Tagesspiegel und Berliner Zeitung bringen heute fast identische Geschichten über Gojko Kacar, von dem Lucien Favre angeblich noch nicht genau weiß, wo er ihn in die Mannschaft einbauen will. Das ist doch ein wenig überraschend, denn eigentlich müsste die Sache im zentralen Mittelfeld, wenn alle fit sind, doch recht eindeutig sein: Cicero und Kacar spielen nebeneinander, Dardai (den Sven Goldmann noch auf einem Stammplatz sieht) wäre Backup, ich würde vor allem aber auch Nicu im Falle eines Falles gern noch einmal dort spielen sehen.

Cicero ist auf dem Flügel auch okay, gefällt mir aber besser zentral, weil er die Initiative ergreift, wenn es manchmal ein wenig hapert mit dem Herausspielen aus der Verteidigung. Er lässt sich dann fallen, holt den Ball, sucht nach einer Eröffnung, die eigentlich schon die Innenverteidiger suchen könnten. Mit seinen Dribblings könnte Cicero stärker haushalten, er ist aber auf jeden Fall ein Aktivposten.

Gojko Kacar ist zweifellos einer der potentiell stärksten Spieler im aktuellen Kader, sein offensives Potential kommt dann am besten zur Geltung, wenn er aus der Tiefe kommen kann. Die Details, an denen er arbeiten muss, waren in der Frühjahrssaison deutlich zu sehen: Timing und Dosierung der Aggressivität.

Mich würde nun nur interessieren, wie Hertha die beiden Blätter dazu brachte, Kacar in so ähnlicher Manier als Spezialagenten ohne Ressort darzustellen. Wenn da ein "spin" dahinter steckt, müsste er eigentlich von Pal Dardai ausgehen, dessen Saisonverlauf ja zuletzt durchweg mit Degradierung im Herbst und Comeback im Frühling ein bezeichnendes Muster hatte. Sollte es dieses Jahr anders sein? Wenn die Hertha etwas auf sich und ihre Zukunft hält, sollte sie doch endlich über den verdienstvollen Ungarn hinauswachsen.

Freitag, Juli 17, 2009

Tourneen

Relativ knapp ist Manchester United einem Terroranschlag entgangen. Die Mannschaft wollte morgen im Ritz-Carlton in Jakarta absteigen, gestern gab es dort ein Bombenattentat, gegenwärtig werden neun Todesopfer gezählt. Der englische Meister ist auf Tournee, so wie Chelsea in den USA und Manchester City in Südafrika. Die globalen Attraktionsmaschinen müssen sich gelegentlich "in the flesh" zeigen, das schafft neue Risiken und neue Nähe (von rührender Unschuld geprägt ist dieser Bericht einer irischen Reporterin, die Cristiano Ronaldo im Trainingslager von Real Madrid in Dublin nahegekommen ist).

Emmanuel Adebayor, der vermutlich von Arsenal zu Manchester City wechseln wird, wo ihm 130000 Pfund pro Woche geboten werden statt der 80000 in London, hat seine kurze Bedenkzeit auch damit begründet, dass in seiner afrikanischen Heimat kaum jemand City-Fan ist, während Arsenal sehr populär ist. Der neue Mogulclub aus Manchester sollte also so bald wie möglich auf Togo-Tournee gehen.

Die Hertha hält derweil in Österreich ihren Aktionsradius überschaubar. Ein Ausflug nach Budapest am Dienstag wurde von einer unangenehmen Begegnung mit dem ungarischen Hooliganismus überschattet, das Spiel wurde mit 2:0 gewonnen, ich hätte gern gesehen, wie Fabian Lustenberger sich in der Innenverteidigung geschlagen hat. Aber das hat sich jetzt schon wieder erledigt, der junge Schweizer erlitt einen weiteren Ermüdungsbruch und fällt neuerlich auf längere Zeit aus.

Die Zeitungen befassen sich intensiv mit der Defensivkrise, dabei wird aber für meine Begriff zu wenig darauf geachtet, dass diese auf den Außenpositionen beginnt, wo vermutlich die gleichen Kräfte wie im Vorjahr auflaufen werden. Bei Union Berlin kam der Gegner viel zu häufig zum Flanken, ein Problem, an dem Marc Stein und Lukas Pisczcek noch gut zu arbeiten haben - und wo und ob Christoph Janker eingesetzt werden wird, ist noch recht offen.

Das Experimentieren geht heute gegen Bursaspor weiter, der Tagesspiegel hat schon einmal eine Losung für die nächste Saison ausgegeben: "Typen nicht gesucht". Soll heißen: Elf Profis sollt ihr sein. Apropos: Patrick Ebert kehrt heute zur Mannschaft zurück. Hoffentlich nicht nur vorübergehend.

Sonntag, Juli 12, 2009

Planspiele

Wiener Neustadt ist mir geläufig, weil der Filmemacher Michael Haneke dort geboren wurde und weil die Akademie, in der die geostrategisch selten geforderten österreichischen Militärs ausgebildet werden, dort angesiedelt ist. Gestern hat die Hertha ihr erstes Testspiel während des österreichischen Trainingslagers gegen den SC Wiener Neustadt mit 1:2 verloren, den Ehrentreffer erzielte Wichniarek.

Die Viererkette der ersten Halbzeit verdient eigens Erwähnung, weil wir diese Konstellation so nie wieder erleben werden: Stein, Arguez, Kaká und Rodnei. In der zweiten Halbzeit stand dann fast die erste Garnitur auf dem Platz, trotzdem konnte der zweite Gegentreffer nicht verhindert werden. Der Gegner ist zwar international unbekannt, hat aber immerhin in diesem Jahr den Aufstieg in die oberste österreichische Spielklasse geschafft und verdient nebenbei auch deswegen Erwähnung, weil sich dort Frank Stronach engagiert, der erratische Boss des internationalen Magna-Konzerns, der in Deutschland bekannt geworden ist, weil er um den Autokonzern Opel geboten hat.

Stronach hat eine Spur der Verwüstung durch den österreichischen Fußball gezogen, er hat Austria Wien eine Weile "mit Geld zugeschüttet" (wie man in Österreich sagt), sein neues Engagement bei Wiener Neustadt soll nun nachhaltiger und geduldiger sein.

Die Vorgeschichte ist allerdings ein klassisches Exempel für Investorenfußball: 2008 übernahm Stronach den Zweitligisten Schwanenstadt, transferierte den Club aus Oberösterreich nach Wiener Neustadt und schuf dort durch Fusion mit einem örtlichen Club den Retortenerstligisten, gegen den die Hertha gestern gespielt hat. Manchmal lohnt ein Blick über die Grenzen, um zu sehen, dass die deutsche Bundesliga mit ihren altmodischen Prinzipien vielleicht gar nicht so falsch liegt.

Donnerstag, Juli 09, 2009

Trautes Heim

Einem Freund vom Deutschen Theater habe ich es zu verdanken, dass ich das Freundschaftsspiel zwischen Union Berlin und Hertha BSC zur Eröffnung der renovierten Alten Försterei gestern als VIP beobachten durfte. Außer Marko Rehmer und Präsident Gegenbauer habe ich keine sehr wichtigen Personen gesehen, dafür aber ein unterhaltsames Fußballspiel, das mit 5:3 für Hertha endete. Es war eine Prestigeangelegenheit, die beide Mannschaften durchaus ernst nahmen. Die Aussetzer in der Defensive sollten dem Coach allerdings zu denken geben, besonders bei scharfen Flanken sah das nicht gut aus.

Dafür gab es ein munteres Offensivspiel, zu dem Artur Wichniarek - über den ich auf dem Heimweg immer noch zahlreiche abschätzige Bemerkungen vernahm - eine Menge beitrug. Das erste Tor erzielte er aus einem Elfmeter, bei dem Kapitän Friedrich sich eigens einschaltete, dem designierten Schützen Cicero etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin der umstrittene Wichniarek die Chance bekam, sich erstmals zu bewähren. Besonders gut gefiel mir aber Chermiti, der nur eine halbe Stunde spielte und sich immer wieder Bälle schon am gegnerischen Sechzehner holt - so setzte er auch Domovchyiski einmal in Szene, bevor er später eine schöne Flanke von Lennart Hartmann per Kopf verwertete. Mit der Viererkette - wie immer sie schließlich aussehen wird - ist aber noch viel zu tun.

Die Unionfans, eine bekannt eingeschworene Truppe, unterstrichen vor Spielbeginn mit einem provokanten Transparent die Rivalität in Berlin: Sie hatten eine Immobilienanzeige auf Textil gemalt, in der sie ihr Stadion als schmuckes, selbstrenoviertes Objekt am Wald anpriesen, während sich der "protzige Nazibau" darunter eindeutig auf die Hertha im Olympiastadion bezog. Das "Niemals vergessen", das sie bei Union gern rufen, ist aber nicht antifaschistisch motiviert, glaube ich, sondern dient der Identitätsstärkung. Dass aus dem Hertha-Block mehrmals ein "Scheiß Union" kam, erschien mir unangebracht, gehört aber wohl zu einem Derby dazu. Am Ende stand eine extrem junge Hertha auf dem Platz, der Sieg war trotzdem ungefährdet.

Dienstag, Juli 07, 2009

Seidenkaninchen

Der Transfer von Artur Wichniarek sorgt immer noch für Unruhe unter den Fans. Carlos Offermanns tut auf der Meinungsseite der Berliner Zeitung seinen Unmut darüber kund, dass Coach Favre bevorzugt "Seidenkaninchen" um sich habe. Marko Pantelic, der unter diese Bezeichnung nicht fällt, wäre demnach was - ein Veloursrüde, ein Nylontiger, ein Baumwollbüffel? Ich kann verstehen, wenn jemand nachtragend ist - im Fall von Wichniarek finde ich aber, dass Fairness geboten ist. Er hatte bei der Hertha nie eine richtige Chance, kein Wunder, dass er hinterher mehrmals noch zu verstehen gegeben hat, dass er sich das alles anders vorgestellt hatte.

Heute würde das nicht mehr vorkommen, dass man einen Hoffnungsträger wie Wichniarek kauft und dazu einen Platzhirschen (eine Samtschabracke?) wie Fredi Bobic. Wichniarek hatte schon damals die Qualitäten, die ihn noch heute dazu befähigen, der Hertha zu helfen - damals gab es aber keinen Trainer, der das Auge für Spieler hatte, das Favre manchmal schon zu großzügig sein lässt bei der Abwägung zwischen Potential und Leistung.

Ich werde jedenfalls meine Dauerkarte wegen Wichniarek nicht zurückgeben, im Gegenteil - ich bin schon gespannt auf seine Auftritte. Dass er die Hertha ins Finale der Europa League schießen wird, erwarte ich nicht - dass er sich interessant in die flache Hierarchie der Mannschaft integrieren kann, schon.

Samstag, Juli 04, 2009

Uckermark

Die Hertha hat heute das erste Testspiel der Vorbereitung absolviert. 5:2 bei Rot-Weiß Prenzlau im Uckerstadion. Ich bin hingefahren und habe auch einen echten Paparazzenschuss mitgebracht: Die Fußballschuhe (samt Inhalt) von Fanol Perdedaj, der jüngsten Verstärkung im Kader. Er wird in zwei Wochen 18, in diesem Jahrgang ist er der einzige, der aus der Nachwuchsarbeit zu den Profis übernommen wurde. Perdedaj ist für das defensive Mittelfeld designiert, heute kam er in der 62. Minute auf das Feld, und fiel dann nicht weiter auf in einem Match, aus dem niemand große Schlüsse wird ziehen wollen. Wichniarek spielte die erste Halbzeit, wie auch Lennart Hartmann, der im Vorjahr aus der Jugend zu den Profis stieß und trotz seiner langen Verletzungspause ziemlich integriert wirkt.

Das Uckerstadion ist klein, man steht direkt neben der Laufbahn, die das Spielfeld begrenzt. Das heißt, man sieht so viel wie der Trainer - nicht viel, meiner Meinung nach. Aber vermutlich kann man diesen Blick auch üben. Lúcio nutzte selbst ein Match wie dieses, um seine Anwartschaft auf ein echtes Comeback zu unterstreichen. Während ich so unter den Leuten von Prenzlau stand, hatte ich das Gefühl, dass die deutsche Wiedervereinigung doch irgendwie ein Erfolg ist.

Nach dem Schlusspfiff stürmten die Kids, wie es sich gehört, das Feld. Rodnei und Raffael erwiesen sich als die populärsten (oder einfach nur die geduldigsten?) Herthaner. Auf der Rückfahrt zog jemand die Notbremse, es ging aber gleich wieder weiter im Regionalexpress zum Gesundbrunnen. War gut, endlich wieder Fußball zu sehen.

Freitag, Juli 03, 2009

Thronfolgen

Der neue Stürmer der Hertha ist ein (inzwischen) alter Bekannter: Artur Wichniarek (32) kommt von Absteiger Arminia Bielefeld, er kostet 700000 Euro und deutlich weniger Gehalt, als Marko Pantelic erhofft hatte. Eine mutige Entscheidung von Michael Preetz und Coach Favre, mutig angesichts der großen Widerstände, die manche Fans überwinden werden müssen, denn Wichniarek war schon einmal bei der Hertha, von 2003 bis 2006.

Die Gegner werden sich wohl weniger fürchten vor dem polnischen Angreifer, der sich hoffentlich über den Sommer wieder die Haare wachsen lässt nach der ein wenig pathetischen Trauerglatze vom letzten Frühling. Ich habe seinerzeit gern den naheliegenden Ruf vom "König Artur" ins Olympiastadion vernehmen lassen - dieses Blog, das demnächst fünf Jahre alt wird, ließ es sich damals immer wieder angelegen sein, Wichniarek gegen seine Verächter zu verteidigen. Man wusste 2003 noch nichts von den Anforderungen eines Trainers wie Lucien Favre, aber Wichniarek hätte sie alle erfüllt: er lief gut, spielte intelligente Pässe, und schloss selbst ab. Leider de facto nur ganz selten.

Er wurde von Huub Stevens und Falko Götz grob missverstanden, und stand somit sogar noch im Schatten von Fredi Bobic, dem Manager Hoeneß damals jenen Rentenvertrag gegeben hatte, in den Favre jetzt für Marko Pantelic nicht mehr einwilligte. Und so muss dieser Transfer auch gesehen werden: Wichniarek ersetzt im Planspiel von Favre das serbische Idol Marko Pantelic - dazu wird er auch in der Lage sein. Insgesamt wird aber mehr Bewegung im Angriff herrschen: Chermiti und Domovchyiski werden ihre Chancen bekommen, ich kann mir gut vorstellen, dass auch noch ein weiterer junger Angreifer verpflichtet wird.

Die Hertha ordnet sich mit ihren Transfer brav hinten ein, sie erhebt nicht den Anspruch, die Top 5 zu verteidigen, sie will allenfalls wieder für Überraschungen sorgen. Den Thron, den König Artur seinerzeit nie bestiegen hat, hatte Marko Pantelic nun vier Jahre souverän inne. Da er zur Abdankung gezwungen wurde, ist jetzt wieder Platz für ein interessantes Manöver - die Hertha im Aufbruch setzt sich die Tarnkappe des "ancien régimes" auf. Allez!

Donnerstag, Juli 02, 2009

Kraichgau

Josip Simunic wird die Hertha verlassen. Die TSG 1899 Hoffenheim wird die festgeschriebene Ablösesumme von sieben Millionen Euro bezahlen, er bekommt einen Dreijahresvertrag zu gleichen oder sogar ein bisschen besseren Konditionen als bei der Hertha. Ein Fußballspieler im Alter von 31 Jahren muss ein Angebot dieser Art annehmen, wenn er nicht als Romantiker in die Annalen eingehen will.

Versetzen wir uns einmal in die Lage von Ralf Rangnick. Warum zahlt er so viel Geld für einen guten, aber keineswegs herausragenden Verteidiger? Ich vermute einmal, dass Jo sich diesen Vertrag nicht nur mit seinen Zweikampfwerten und seinem Stellungsspiel erarbeitet hat, sondern auch mit dem Mikrophon. Wie er in der Rückrunde bei der Hertha die Initiative ergriffen hat, wie er die Saisonziele, die von der Clubführung nur im Understatement formuliert werden konnten, höher hängte, wie er die Fans in der Kurve addressierte - das hatte Format, und Hoffenheim kann davon gut noch was brauchen.

Die Hertha hingegen fällt mit dem Abschied von Simunic noch ein Stück stärker auf die Philosophie des Kollektivs zurück. Von Bergen oder Janker (ich hoffe eher nicht: Rodnei oder Kaká) müssen künftig neben Kapitän Arne Friedrich spielen, das wird keiner gegnerischen Mannschaft den ganz großen Respekt einflößen. Die Hertha wird auch in der kommenden Saison mit allen elf Leuten verteidigen müssen - ob es ihr da auch gelingt, das Angriffsspiel zu verbessern, wie es dringend notwendig ist? Sagen wir es einmal so: Sie fängt jedenfalls nicht ganz bei Null an.