Donnerstag, Dezember 31, 2009

Nullerjahre

Morgen beginnen die Zehnerjahre, die Nullerjahre gehen zu Ende. Die erste Dekade des 21. Jahrhunderts ist zufällig fast genau deckungsgleich mit meiner Zeit in Berlin, im Dezember 1999 bin ich nach Kreuzberg gekommen, um den Vertrag für die Wohnung zu unterschreiben, Mitte Januar 2000 kam ich dann schon mit (kleinem) Sack und Pack.

In dieser Zeit war Hertha fraglos ein Erstligaclub, auch in der gefährlichen Saison auf 2004 ging es eher darum, sich nicht so blöd anzustellen, wie die Mannschaft es eine Weile tat. Damals schaffte Hertha in der Rückrunde 26 Punkte, mindestens so viele müssen es auch in diesem Frühjahr werden.

Ich habe die letzten Tag genützt, um den Kopf frei zu bekommen, wie Trainer Funkel es verordnet hat. Zu diesem Zweck habe ich viele Matches der Premier League angeschaut, gestern noch das 4:1 von Arsenal beim FC Portsmouth, der in England ganz unten in der Tabelle steht, und nun auch noch durch eine Steuerforderung über sechs Millionen Pfund an den Rand der Insolvenz gebracht wurde.

Kevin-Prince Boateng, hier im Bild mit dem 18jährigen nächsten Arsenal-Superstar Aaron Ramsey, zählt zu den Leistungsträgern und kommt vermutlich im Januar wieder auf den Markt, nachdem er erst im Sommer von Tottenham an die Küste gewechselt war.

Es geht also auch noch schlimmer als bei der Hertha, die offiziell noch zweigleisig plant, in Wahrheit aber natürlich längst die Kalkulationen für die zweite Liga ganz oben auf dem Schreibtisch liegen hat. Ich würde den letzten Eintrag in den Nullerjahren gern optimistisch beenden, finde dafür aber nicht so richtig das Motiv. Vielleicht warte ich einfach einmal ab, welche Zwischentöne Arne Friedrich findet, wenn er aus den USA zurückkommt. Einen guten Rutsch!

Mittwoch, Dezember 23, 2009

Neuaufstellung

Wenige Tage nach Ende der Hinrunde ist das Personalprofil der Hertha für das kommende Halbjahr komplett, und wir können uns ein wenig überlegen, was die Zugänge Gekas, Kobiashvili und Hubnik für das Mannschaftsgefüge bedeuten. Immer vorausgesetzt, dass Kobiashvili oder Gekas oder Hubnik sich nicht im ersten Spiel verletzt, wie es zum Muster dieser Saison - Kringe, Ochs - zu gehören scheint.

Bei dem Georgier, der für die linke Defensivseite vorgesehen ist, ist die Sache klar: Er soll Nemanja Pejcinovic ersetzen, der Marc Stein ersetzen musste und in einer denkwürdigen Reihe defizitärer Linksverteidiger bei der Hertha (Michael Hartmann!) einen Ehrenposten erhalten wird.

Hubnik soll wohl neben von Bergen zentral verteidigen und die geringe Körpergröße des einsatzfreudigen und taktisch klugen, aber immer wieder leicht zu übertölpelnden Schweizers kompensieren helfen. Das heißt, dass Arne Friedrich nach rechts ausweichen muss, was ihm ein halbes Jahr vor der WM und angesichts der defensiven Personalsituation in Löws Kader nicht gefallen dürfte. Oder aber Funkel stellt grundsätzlicher um, schickt von Bergen nach rechts und lässt Friedrich und Hubnik innen gemeinsam ran, was ich für eine interessante Konstellation halte, vorbehaltlich dessen, dass ich den Tschechen nicht kenne.

Und dann ist da noch Gekas. Er wurde geholt, um die Angriffsschwäche zu beheben, deswegen wird er spielen wollen und sollen und müssen. Das bedeutet aber zweierlei: weniger Raum für Ramos, und ein schlimmes Gedränge im Mittelfeld. Denn dort stehen nun zur Verfügung: Lustenberger, Dardai, Cicero, Kacar, Ebert, Kringe, Nicu, Pisczek, Raffael.

Gehen wir einmal davon aus, dass Lustenberger seine Position behaupten kann, dann liegt eine Raute nahe, bei der Raffael zentral hinter den Spitzen spielt, Cicero (oder Kringe) halblinks, und Kacar (oder Ebert oder Pisczcek halbrechts). Das macht nur Sinn bei offensiven Außenverteidigern, die nun aber potentiell ja da sind.

Ein 4-3-3 wäre denkbar, wenn Ramos auf den rechten Flügel ausweicht, wofür nach bisherigen Beobachtungen wenig spricht. Verlierer der Transferrunde sind definitiv Nicu, Domovchyiski und die ganz Jungen, außerdem würde mich nicht wundern, wenn Patrick Ebert abgegeben würde, sofern sich jemand für ihn interessiert und drei Millionen zahlt. Da Funkel ihn sich zu einem pädagogischen Sonderprojekt erkoren hat, wird wohl auch Kacar ein Verlierer dieser Rochaden sein.

So richtig glücklich bin ich also über die Personalie Gekas nicht, wie auch, es ist schließlich ein Verzweiflungsakt. Einen weiteren Stürmer wird die Hertha mutmaßlich auch zurückbekommen: den schwer vermittelbaren André Lima müsste eigentlich, wenn er Ehre im Leib hätte, Manager Hoeneß nach Wolfsburg holen, denn der gehört ganz einfach zu ihm.

Dienstag, Dezember 22, 2009

Starker Mann

Zwei Dinge kamen gestern zusammen: Aus Wolfsburg verlautete die Bestellung von Dieter Hoeneß zum Geschäftsführer (nicht allerdings: Sportdirektor), und in Berlin nominierte das Stadtmagazin "tip" Michael Preetz auf Rang 4 in der jährlichen Liste der peinlichsten Berliner.

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, und doch kommt darin die ganze hässliche Ironie dieses für die Hertha so schwer erträglichen Jahres zum Ausdruck. Im März begann für Wolfsburg mit einem irregulären Tor gegen Hertha die Serie, die zur Meisterschaft führte. Im Dezember brauchen sie, weil sie die Meisterschaft und den Abgang von Felix Magath nicht so gut verkraftet haben, einen starken Mann, und finden einen passenden, der für die Hertha im Sommer zu stark geworden war.

Auf Dieter Hoeneß folgte Michael Preetz, der in der ganzen Malaise bisher kein einziges Mal peinlich den starken Mann markiert hat, der aber eben auch das symbolische Bedürfnis der Öffentlichkeit (und auch der Mannschaft?) nach Stärke mit seiner nüchternen Art nicht befriedigt. In Nürnberg steht derweil Martin Bader, einst Lehrling beim starken Mann Hoeneß, und demgegenüber ebenfalls ein dezidiert zurückhaltender Typ sowohl im Auftreten wie im Ausgeben noch nicht verdienten Geldes, ebenfalls vor einer sehr schwierigen Rückrunde.

Gerade musste der Trainer Oenning entlassen werden, weil man dachte, mit Talenten wie Havard Nordveidt auf der Sechserposition die Liga halten zu können. (Da steht die Hertha mit Fabian Lustenberger sogar noch besser da, im Frühjahr werden wir aber sicher wieder das "Kampfschwein" Pal Dardai erleben - müssen.)

Dieter Hoeneß ist einer, wie er im deutschen Fußball immer noch gebraucht wird, ein Manager-Darsteller mit guter Vernetzung - und dort, wo er jetzt hingeht, passt er perfekt hin: in eine Situation nämlich, in der es auf ein paar Millionen dann doch nicht ankommt. Bei der Hertha kam es zuletzt auf ein paar Millionen an, weil eine Anleihe rückzahlbar werden wird, die Hoeneß einmal für eine gute Idee hielt - irgendwie mussten die damals akuten Schulden ja bedient werden, mit neuen eben. Beim VfL Wolfsburg verschwinden die Schulden in einer Konzernbilanz. Da kann einer leicht den starken Mann machen. Soll er mal machen.

Sonntag, Dezember 20, 2009

Abou Diaby

Wenn ich einen Lieblingsspieler angeben müsste, einen Fußballer aus allen Ligen der Welt, würde ich wahrscheinlich Vassiriki Abou Diaby wählen. Der 23jährige Franzose gilt zwar immer noch ein wenig als Rätsel und als ewiges Talent, und niemand weiß, ob er jemals der überragende Spieler werden wird, zu dem er zweifellos die Anlagen hat.

Gestern aber hat er gezeigt, warum ich ihn seit seinem Debüt für den FC Arsenal im Jahr 2006 mit so großem Interesse verfolge. Die Gunners taten sich schwer gegen Hull City, in Abwesenheit von Fabregas und van Persie blieben zündende Momente weitgehend aus. Ein Freistoß von Denilson brachte kurz vor der Pause die Führung, spät in der zweiten Halbzeit war es dann aber Diaby, der mit zwei tollen Doppelpässen den Weg in den Strafraum fand - beide Male war es eine winzige Verzögerung, die zuerst einen Querpass auf Eduardo und später einen Torschuss erst erfolgreich machten.

Diese Ruhe im entscheidenden Moment ist einfach großartig, und nun bin ich sehr gespannt, ob Abou Diaby in dem dichten Feiertagsprogramm der Premier League - das ich mit diesem Post feierlich auch für unser Wohnzimmer eröffne - an diese Leistung anschließen kann. Und jetzt: West Ham gegen Chelsea.

Samstag, Dezember 19, 2009

Gefrierpunkt

Die Hertha hat sich in München achtbar geschlagen und ein 2:2 herausgeholt. Leider gab es aber auch noch eine Hinrunde, eine erste Halbzeit, die mit 3:0 verloren ging. Damit ist das Schema dieses Jahres mehr oder weniger deutlich aufgezeichnet: Alles ist schon vor der Pause entschieden. Individuelle Fehler ebneten dem FCB das gefrorene Terrain. Zuerst ließ die Hertha bei einem Corner von Badstuber den kurzen Posten verwaist (van Buyten nützte die Offenheit), dann ließ Pejcinovic eine Flanke von Lahm zu (Gomez verwertete), schließlich hatte von Bergen gegen Gomez das Nachsehen (das resultierende Durcheinander im Fünfmeterraum nützte Robben).

Das kompakte Stehen, mit dem Friedhelm Funkel die Klasse erhalten möchte, erwies sich als stehendes K.O. Da heute Bochum auswärts bei Hannover gewonnen hat (was Hertha in vier Wochen erst einmal schaffen muss), wird es allmählich schwer, der Mannschaft noch einmal den Glauben zu vermitteln. Dass die linke Defensivposition neu besetzt wird, ist jetzt vermutlich ausgemacht - ich hätte es klug gefunden, da schon heute etwas zu versuchen, kann aber natürlich auch den Beweis dafür nicht antreten, dass Radjabali-Fardi es besser gemacht hätte.

Ramos und Raffael erzielten in der zweiten Halbzeit gegen eine zerstreute Bayern-Defensive ("Demitschelis", wie Marcel Reif sagt) jeweils ein Tor für eine vermutlich bald belanglose Statistik. Ich weiß, dass die ganze Rhetorik bei der Hertha auf dem Unterschied zwischen Hinrunde und Rückrunde aufbaut, und schließe mich hiermit an: Die Hertha hat heute in München ein Signal gesetzt, indem sie die zweite Halbzeit mit 2:2 numerisch offenhielt!

Weihnachtsfeier

Heute gibt es vor der Kiste eine echte Weihnachtsfeier, beginnend mit dem FC Portsmouth gegen den FC Liverpool, dann Hertha in München, dann Arsenal gegen Hull City.

In Portsmouth spielt Kevin-Prince Boateng eine sehr anständige Saison mit einem Team, das eine Weile fast so aussichtslos hinten drin hing wie die Hertha. Seine Pässe, sein Einsatz, seine Führungsqualitäten werden vielfach gelobt, der deutsch-ghanaische "Ghetto-Prinz aus dem Wedding" hat aber auch schon wichtige Elfmeter vergeben und zeigt natürlich manchmal Nerven.

Am Abend muss Arsenal mit einer schwer dezimierten Mannschaft (Fabregas, van Persie, Bendtner verletzt, Almunia ein Nervenbündel, ...) unbedingt drei Punkte gegen Hull holen, denn zu Weihnachten kommt Aston Villa, die englische Mannschaft, an der sich meiner Meinung nach Hertha hätte orientieren sollen, als sie noch nach einem Modell für den Angriff nach oben suchte. Das Team von Martin O'Neill spielt im Grunde eine ähnliche Taktik wie Hertha im Vorjahr, eher auf Konter ausgelegt, aber mit ungleich größerer Leidenschaft und einer verlässlichen Torausbeute aus Standardsituationen (worauf ja sowohl Favre wie Funkel locker verzichten zu können meinen).

Bei der Hertha spricht fast alles dafür, dass sie mit sechs Punkten überwintern wird. Für die Aufstellung gegen den selbstbewussten FC Bayern (der allerdings mit Florenz einen sehr unangenehmen CL-Gegner gezogen hat, frag nach in Liverpool) sollten wir uns an das gewonnene Heimspiel vor noch nicht einmal einem Jahr bzw. vor einer Ewigkeit erinnern: Damals war Kacar verletzt (heute ist er gesperrt), dafür spielte Nicu ausnahmsweise im defensiven Mittelfeld, es war eine seiner besten Partien.

Außerdem zog Favre damals Rodnei aus dem Talon, auch er schlug sich wacker auf der linken Seite defensiv. Ich würde, da heute nichts zu verlieren ist, auch ein wenig pokern. Da die Bayern über rechts wie über links heftig kommen werden, empfiehlt sich ein 4-3-3 mit einer Viererkette, in die Friedrich neben von Bergen zurückkommen wird.

Links würde ich Radjabali-Fardi den Vorzug vor Pejcinovic geben, weil er besseres Zweikampfverhalten hat, weil er schneller ist, weil er eines unserer interessantesten Talente ist; rechts würde ich Janker bringen, weil wir Pisczcek dieses Mal weiter vorne brauchen (Ebert ist gesperrt). Lustenberger ist gesetzt, davor sollten Cicero und Nicu absichern und eröffnen, Pisczek und Raffael auf die Flügel rochierend, und Ramos die Spitze.

Klingt nach eine wackligen Viererkette und kann auch nur dann funktionieren, wenn von ganz vorn weg intensiv verteidigt wird. Heißt konkret natürlich, dass die ganze Mannschaft pro Spieler wohl ein, zwei Kilometer mehr laufen würde müssen, als sie es gewöhnt ist. Eine kleine Überraschung in München müsste das wert sein. Auf geht's Hertha.

Freitag, Dezember 18, 2009

Lisboa, oh Lisboa

Allmählich klären sich die Perspektiven für das neue Jahr: Mit neuen Spielern (Gekas, Kobiashvili) wird die Hertha auch in Europa eingreifen, beide sind nicht für die internationalen Bewerbe gebunden und können auflaufen, wenn es gegen Benfica Lissabon und vielleicht sogar eine Runde später gegen Olympique Marseille (oder den FC Kopenhagen) geht.

Gegen Benfica hat Hertha erst vor gut einem Jahr gespielt, es war ein dürftiges Match von beiden Seiten, die Mannschaft aus Lissabon beendete die Gruppenphase damals sogar noch hinter Hertha ganz unten in der Fünfertabelle. Es sieht allerdings so aus, als wäre Benfica heuer stärker, vor allem zwei Siege gegen den FC Everton verdienen Aufmerksamkeit. Ich würde Hertha also mit 30:70 als Außenseiter einschätzen.

Bis ganz zum Schluss blieb Hertha BSC bei der Auslosung im Topf, sie hatte bis fast zuletzt noch Chancen auf Fenerbahce, worüber ich mich besonders gefreut hätte, und wohl das Management auch. Egal, nun wissen wir Bescheid, und können nur hoffen, dass der internationale Bewerb den nationalen Kraftakt nicht zu stark beeinträchtigt.

Donnerstag, Dezember 17, 2009

Sechzehntelfinale

Die Hertha gehört nun zu den 48 besten Mannschaften in Europa. Aber sie hat Schwierigkeiten, sich unter den 18 besten Mannschaften in Deutschland zu behaupten. Verkehrte Welt.

Als sie brav im oberen Mittelfeld der Liga mitspielte, unter Coach Götz vor ein paar Jahren, da spielte sie desaströse europäische Bewerbe (ein 0:0 gegen den RC Lens an einem ähnlich kalten Dezemberabend wie gestern ist mir lebhaft in Erinnerung). Nun steht sie mit sechs Punkten ganz unten in der Liga, und gewinnt in der Europa League drei Spiele hintereinander - gestern mit 1:0 gegen Sporting Lissabon, womit der Einzug in das Sechzehntelfinale gesichert wurde.

Dass es ein tolles Match war, wird niemand behaupten wollen. Es wurde mit begrenztem Einsatz geführt, nicht völlig leblos, aber doch ohne Zugriff auf die Reserven. Das war für beide Teams nicht notwendig, deswegen wird man keine allzu großen Schlüsse ziehen wollen. Einer legt sich aber doch nahe: das 4-4-2, für das Funkel sich gestern entschied, liegt der Hertha heuer nicht so gut wie das 4-3-3, das sie gegen stärkere Gegner manchmal wählt.

Ramos kommt neben Wichniarek weniger zur Geltung, und Cicero ist nun einmal kein Flügelspieler. Dadurch wird alles ein wenig unrund. Das einzige Tor erzielte Gojko Kacar eher glücklich, die Freude darüber war doch sichtbar, und die Ostkurve tat das ihre, um den serbischen Hoffnungsträger wieder ein wenig mit der Hertha zu versöhnen.

Wir saßen gestern so, dass wir eine Halbzeit lang sehr genau zusehen konnten, wie Nemanja Pejcinovic sich so schlägt - es war ernüchternd, viele Fans haben ihn ja sowieso als Schwachstelle erkannt, auf dieser Position muss wirklich etwas getan werden, auch wenn ich seine Unverdrossenheit irgendwie bewundere.

Spät am Abend kam dann noch Florian Kringe, den die Stadionregie schon beim Aufwärmen in der Halbzeitpause ständig auf den Schirm geschaltet hätte, ganz so, als käme da unser Fabregas aus einer Verletzungspause zurück. Diese Tatsache allein - dass ein vom Klopponauten ausgemusterter Profi hier wie ein Superstar erwartet wird - sagt viel aus über Hertha 2009. Sie wird auch 2010 noch international spielen, und nach Sichtung der Auslosungstöpfe erscheint selbst ein Weiterkommen ins Achtelfinale nicht vollständig ausgeschlossen.

Mittwoch, Dezember 16, 2009

Heimwärtsspiel

Zur Einstimmung auf das heutige EL-Spiel gegen Sporting Lissabon noch zwei Fotonotizen von der Fahrt nach Lettland - aus dem Skontostadion in Riga zwei Spieler, die in den letzten Wochen für die Hertha sehr wichtig wurden (im Hintergrund ein Flutlicht), und eine Straßenszene aus Ventspils.

Montag, Dezember 14, 2009

Zuspitzer

Das späte Tor von Ramos gegen Leverkusen wirkt immer noch auf seltsame Weise nach. Obwohl der Gedanke nicht ganz abzuweisen ist, dass es sich dabei um einen ironischen Moment in einer insgesamt tragischen Saison handelt, dass also die Erleichterung, die damit einher geht, nur das Drama verstärken wird, scheinen die Medien und der Club, soweit er in den Medien auftaucht, gerade ein wenig durchzuatmen.

Einen Grund dafür gibt es sicher, und der ist Ramos selbst. Die stark kritisierte Einkaufspolitik war vielleicht doch nicht ganz so schlecht, womöglich hat Hertha da für wenig Geld einen sehr guten Kauf getan. Die Mannschaft begriff das ein wenig früher als der Trainer, sie weiß die Räume zu schätzen, in die Ramos startet. Damit sollten zumindest populistische Aktionen wie eine Rückholung von Pantelic oder gar Voronin vom Tisch sein, bei Theophanis Gekas, den Funkel offensichtlich unbedingt haben will, deutet sich ein Leihgeschäft an, was auch die einzig vernünftige Option sein kann.

Die Verstärkungen im Winter werden auch über das System entscheiden, das Hertha im neuen Jahr spielen wird. Ich finde, dass sich das 4-3-3 sehr gut bewährt hat, weil es ein flexibleres Spiel erlaubt, je nachdem, wie sehr Kacar dabei offensive Lizenz bekommt. Sollte Funkel mit zwei echten Stürmern spielen wollen, wäre Kacar wohl nicht mehr Stammspieler, Cicero würde neben Lustenberger eine Doppelsechs machen, Raffael links, Ebert (Nicu) rechts, wo spielt dann Kringe?

Man sieht, die Hertha hat eigentlich eine Menge Personal, drei Neue werden das Durcheinander nicht beheben, deswegen wiederhole ich mich hier noch einmal: Bisher wurde die Mannschaft zu häufig falsch aufgestellt, erste Devise muss es sein, so wie gegen Leverkusen die vorhandenen Spieler in eine gute Ordnung zu bringen. Dann kann man eventuell beginnen, Verstärkungen zu integrieren.

Ramos erleichtert diese Ordnung, weil er ein "target man" ist, einer, der die Mannschaft zuspitzt, der das Ziel sucht, aber selbst auch Ziel ist - für Zuspiele, für die Struktur des Teams. Das hat fast die ganze Hinrunde gefehlt, und weil sich das ein wenig geändert hat, verstehe ich den Optimismus sogar, der gerade noch einmal zurückgekommen ist.

Samstag, Dezember 12, 2009

Welttorjäger

Ui, wie war das großartig gestern im Olympiastadion: Bundesligafußball in Berlin, die Hertha fast auf Augenhöhe mit dem Tabellenführer, die Ostkurve absolute Weltklasse. Und doch stand am Ende nur ein glückliches 2:2. Als Ramos in der 92. Minute den Ausgleich erzielte, war der Feuilletonchef einer bedeutenden deutschen Wochenzeitung, der sich in der Pause noch frohgemut ein Bier gegönnt hatte, schon gegangen. (Nein, das ist nicht Jens Jessen auf dem Foto.)

Das Spiel hat deutlich gezeigt, dass es Grund zum Optimismus gibt, aber noch deutlicher, dass es zuwenig sein könnte, was Friedhelm Funkel zu vermitteln weiß. Er hat dem Team gestern eine funktionierende defensive Struktur gegeben, mit Kacar und Cicero wie erwartet vor Lustenberger, und dann kam es natürlich ganz gelegen, dass Ramos schon in der 8. Minute einen Pass von Cicero ins Loch bekam und souverän abschloss.

Bis zur Pause passierte nicht mehr viel, in der zweiten Halbzeit hätte ich nun erwartet, dass Hertha eher die ersten Ansätze zur Balleroberung vielleicht zehn Meter vor die Mittellinie verlegt, aber sie gingen insgesamt zehn Meter dahinter zurück, und bemühten sich bei ihren Offensivszenen geradezu aufreizend um Geduld. Bei Barcelona schreiben die Reporter in so einem Fall gern, dass das Team den Ball in seinen Reihen "versteckt", bei der Hertha wurde der Ball leider zunehmend öfter bald wieder gefunden.

Sie hatte immer noch ihre Chancen, aber sie ließ nie so richtig erkennen, dass sie an einem zweiten Tor mehr als nur theoretisch und schon gar nicht existenziell interessiert war. Das war natürlich der Funkel-Ordnung geschuldet, der mehr als vier Teilnehmer an einem Angriff prinzipiell ausgeschlossen hatte. So konsolidiert man eine Mannschaft auch in die zweite Liga.

Und es wäre ja auch beinahe alles nach Schema verlaufen, denn in den 75. Minute hatte Bayer einen Corner, der Ball fiel aus dem Strafraum vor die Beine von Kroos, und damit war die schöne Führung dahin. Dann bekam Kacar noch die gelb-rote Karte, weil er sich von den häufig nicht leicht nachvollziehbaren Entscheidungen von (schon wieder) Babak Rafati aus dem Konzept hatte bringen lassen, und in der 90. Minute schoss Kaplan mit einem abgefälschten Ball das 2:1 für Leverkusen.

In der allerletzten Minute gab es noch einen Corner für Hertha, die davor (wie schon die ganze Saison) durchweg beklagenswerte Standardsituationen gezeigt hatte. Raffael traf den Ball gut, Ramos stieg auf und sandte ein. Es war sein viertes Tor in dieser Saison, der Neid vieler Berliner Fans auf den BVB wegen Welttorjäger Barrios wird sich allmählich legen. Die Hertha aber steht mit sechs Punkten da und wird nicht so recht wissen, ob das gestern gut oder schlecht war. Ich weiß es auch nicht. Es war nämlich beides, und insgesamt großartig.

Freitag, Dezember 11, 2009

Schleuderpreis

Gegen Bayer 04 Leverkusen gab es letzte Saison zweimal ein 1:0, beide Male traf Voronin, vor allem der Auswärtssieg war mit viel Glück und einem beherzten Jaroslav Drobny errungen. Voronin und Arne Friedrich (der damals den tollen Pass spielte) sind heute nicht dabei, Drobny ist nicht bei hundert Prozent. Trotzdem wird es spannend sein, ob Funkel heute etwas einfällt, gegen Kroos, gegen Kießling, gegen eine Mannschaft, die zuletzt in Hannover kein Tor erzielt hat. Ob er Kacar weiterhin auf der Bank an Wert verlieren lässt, oder ob er die vorhandenen Ressourcen noch irgendwie zu mobilisieren gedenkt. So würde ich aufstellen: Drobny. Radjabali-Fardi. von Bergen. Kaká. Pisczczek. Lustenberger. Cicero. Kacar. Raffael. Ramos. Nicu. Nicu und Kacar gegen Kroos, Lustenberger und von Bergen gegen Kießling, alle gegen den Abstieg, Ramos für den Sieg. 75 Euro gebe ich übrigens bei Kaiser's gerade einmal im Jahr aus, aber ich habe ja sowieso eine Dauerkarte.

Donnerstag, Dezember 10, 2009

Planungen

Die Hertha plant längst zweigleisig, lassen uns die Medien wissen, die munter mitplanen und so den Druck auf das Management erhöhen, durch Aktivitäten die Gemüter zu beruhigen.

Ich mache deswegen heute einen alternativen Vorschlag: Die Hertha sollte im Winter auf Zukäufe verzichten, sie sollte die Neuverschuldung nicht erhöhen und stattdessen die Trainerfrage noch einmal überdenken.

Warum? Erstens ist es zu riskant, bei einer so großen Abstiegsgefahr drei, vier Millionen neue Schulden einzugehen für Transfers, von denen kaum jene durchschlagende Wirkung ausgehen wird, die dabei einkalkuliert ist.

Auch die offenbar ins Auge gefasste Alternative, Gojko Kacar jetzt schnell zu Geld zu machen, ist Unsinn: sie beraubt die Hertha eines Spielers, in den sie jetzt ihrerseits investieren muss (taktische Überlegungen, Motivationsarbeit, ...), um seinen Wert, zu dessen Verminderung beide Trainer wesentlich beigetragen haben, noch einmal zu steigern.

Zweitens ist die Mannschaft in meinen Augen konkurrenzfähig im Abstiegskampf, sie muss nur besser ein- und aufgestellt werden. Ich nenne hier einmal ein erstes Team, zugleich eine intelligente Formation (mit Alternativen): Drobny. Radjabali-Fardi (Stein), von Bergen, Friedrich (Janker), Pisczcek. Lustenberger. Cicero (Kringe), Kacar. Raffael, Ramos, Nicu (Ebert). Kein Meisterkandidat, aber bei entsprechender "Laufleistung" (der Klopponaut) ein defensiv wie offensiv plausibles Konstrukt, das im Winter allenfalls an zwei Stellen (defensiv außen links und in der Sturmzentrale) ergänzt werden sollte, und zwar nur durch Ausleihen, wie auch Marko Pantelic seinerzeit eine war.

Dass diese Mannschaft es schafft, ist natürlich auch keine Gewissheit, aber ich sehe weit und breit keinen Spieler für ein bis zwei Millionen, der die Hertha sicher wieder in Schwung bringen würde (und schon gar nicht würde ich mehr Geld für Voronin zahlen, der sicher einen satten, langen Vertrag fordern würde).

Vor allem aber gilt: Die Mannschaft muss das mit sich selbst lösen. Das Problem resultiert aus Schlendrian und anschließender Verunsicherung. Friedheld Funkel konnte das bisher nicht lösen, weil er wankelmütig aufstellt und taktisch wenig Sinn für die Situation beweist. Was es jetzt braucht, ist Vertrauen in das vorhandene Personal. Das ist die beste, und zum Glück auch die billigste Lösung, und sie ist auch unkonventionell genug, um zu dem Wunder zu passen, das notwendig sein wird.

Mittwoch, Dezember 09, 2009

Kasperltheater

Jetzt schon Kult, die Erregung von Peter Pacult bei Sky Austria. Der Trainer des SK Rapid Wien redet sich seine Wut - an einem zugegeben nicht ganz so zentralen Beispiel - darüber von der Seele, dass Fußball-Reporter ihn immer wieder falsch, über- oder unterinterpretieren. Das alles nur, weil er mit seinem Understatement häufig übertreibt, oder eben lieber die Kirche im Dorf lässt, wo die Journaille jede Kleinigkeit gern "hochsterilisiert".

Wenn ich Pacult so höre, wird mir ganz warm ums Herz - mit dieser Sprache, mit dieser Sprachmelodie genauer gesagt, bin ich herangewachsen, und von einem Mann wie Peter Pacult lasse ich gern jedes Tag eine hochträchtige Phrasensau durch Hütteldorf treiben.

Immerhin hält er sich in der österreichischen Liga sportlich schon eine ganze Weile sehr wacker gegen die lendenlahmen roten Bullen aus Salzburg, dafür nimmt man auch seufzend in Kauf, dass Rapid ungefähr so tief im sozialdemokratischen Wiener Politmonopolbetrieb drinnen hängt, wie die Hertha in Berlin immer noch im Provinzmief der Westberliner CDU.

Den Link zum Video habe ich von einem Bayern-Fan bekommen, der heute sicher einen recht aufgekratzten Tag verbracht hat, nach dem, was gestern in Turin passiert ist: 4:1 des FCB gegen Juve. Doch bevor die Euphorie bei den "Mirsanmiristen" zu groß wird - in zehn Tagen kommt die Hertha! Obacht.

Dienstag, Dezember 08, 2009

Wir haben Knut

Gestern sind die Berliner Postillen noch einmal die Fehlerliste durchgegangen, die Schiedsrichter Knut Kircher gegenüber der Hertha anzulasten ist. Es stimmt ja auch: dass er damals im Frühjahr das Tor von Dzeko gegen Simunic gegeben hat, war richtungsweisend mindestens für Wolfsburg, die diesem irregulären Sieg eine lange Reihe weiterer folgen ließen (am vergangenen Wochenende wurden sie nun ihrerseits gegen Freiburg grob verpfiffen). Insgesamt muss man feststellen, dass das Refereeing zunehmend problematischer wird - wird das Spiel zu schnell für das freie Auge? Kann ich mir nicht vorstellen, aber vielleicht ist es ja so.

Das Tor von Kevin Kuranyi gegen die Hertha vom Sonntag wird von dem meisten Beobachtern als "im Zweifel für den Angreifer" gewertet, weil er sich auf gleicher Höhe mit Bordon befunden habe - er war aber deswegen abseits, weil er vorher beim Pass auf Bordon passiv deutlich drinnen war, und dass der Kopfball von Bordon auf Kuranyi eine neue Spielsituation wäre, kann mir keiner erklären, dann könnten nämlich alle Defensiven dieser Welt, auch die dürftige der Hertha, ihre Kündigung einreichen.

Friedhelm Funkel ging in seiner von eigenen Unzulänglichkeiten ablenkenden Suada gegen Knut Kircher noch weiter: Er verwandte sich gegen die gelb-rote Karte für Janker, die auch meiner Meinung nach schon ein paar Minuten früher hätte kommen müssen (insgesamt fand ich Janker neben von Bergen gar nicht so schlecht, er war nur eben am Ende mürbe gespielt in einem Match, in dem es zu wenig Optionen nach vor gab - danke, FF!), und er beklagte sogar den Elfmeter, der doch wohl zu geben war.

Umgekehrt stand Ramos bei seiner größten Chance auch im Abseits und hätte sie (perfektes Bild für all den Widersinn dieser Saison) wohl verwertet, wenn er unmittelbar davor die Intuition gehabt hätte, den halben Schritt zurück zu machen, der ihn in eine reguläre und in eine bessere Schussposition gebracht hätte.

Bleibt als letztes Rätsel die Sache mit Gojko Kacar, der in Schalke 90 Minuten auf der Bank saß. Was hat Funkel da vor? Will er die Transfersumme für einen Star drücken, dessen Status bei der Hertha er jetzt schon so beschädigt hat, dass schwer vorstellbar scheint, wie er ihn noch einmal mobilisieren kann?

Hier offenbart sich neuerlich das Problem des jungen Managers Preetz: Er lässt nun schon den zweiten Trainer wild im Kader herumwerken, Privatfehden anzetteln, ohne strategische Perspektive. Das sind die Probleme, die Herthas Tabellenplatz erklären, nicht der Fluch des Knut Kircher.

Sonntag, Dezember 06, 2009

Siegergeschichte

Was wir da gerade auf Premiere erlebt haben, war ein schönes Beispiel für Siegergeschichtsschreibung: Die Hertha hat das Auswärtsspiel gegen Schalke 04 mit 0:2 verloren. Das erste Tor fiel aus einer klaren Abseitsstellung von Kevin Kuranyi, das entging auch dem Reporter Marcus Lindemann nicht, der sich aber schon wenige Minuten später zu der Formulierung verstieg, dass der Treffer aufgrund der Überlegenheit von S04 doch "irgendwie verdient" war - dann war wohl auch das Tor der Franzosen neulich, das Thierry Henry mit der Hand vorbereitet hat, aufgrund der Überlegenheit "irgendwie verdient"? Regeln sind Regeln, und alles andere ist Servilität des Reporters vor dem Team mit mehr Fans.

Wie Dieter Nickles dann nach dem Spiel im Interview mit Magath über die Situation hinwegging, war so elend, dass ich dem ganzen Sender mit seinen zahlreichen inkompetenten "Reportern" den schnellstmöglichen Konkurs wünsche.

Die Verantwortung für die Niederlage trägt für mich aber trotzdem jemand anderer: Friedhelm Funkel, erfolgloser Trainer der Hertha, hat das Spiel heute so deutlich vercoacht wie noch keines davor. Gegen die absehbar dumpfen Schalker den absehbar wirkungslosen Wichniarek zu bringen und den schnellen Ramos stattdessen bis auf eine Viertelstunde vor Schluss auf der Bank zu belassen, verrät eine Mutlosigkeit und eine taktische Blindheit, die der Situation der Hertha wirklich nicht angemessen ist.

Die Hertha hat Pech, und auch noch den falschen Trainer. Richtig gut gespielt hat sie natürlich auch nicht, Schalke aber war so hilflos, dass man darauf auch durch Einwechslungen reagieren hätte können - wenn man schon nicht in der Lage ist, vor dem Spiel die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Streichliste

In das Auswärtsspiel bei Schalke 04 geht Hertha heute als krasser Außenseiter. Niemand erwartet etwas von einer Mannschaft, die vermutlich mit der Viererkette Pisczcek, Janker, von Bergen und Radjabali-Fardi antreten wird. Zudem hat Friedhelm Funkel bisher nicht gezeigt, dass er taktisch auf verschiedene Gegner differenziert eingeht, heute hätte er Gelegenheit dazu.

Die erste Tugend müsste heute Geduld sein. Schalke spielt daheim, hat eben erst eine unerwartete Niederlage eingefahren, und ist heute haushoher Favorit. Dabei sehe ich durchaus Chancen für Hertha, denn sie hat mit Ramos einen potentiellen Konterstürmer, der mit Kacar und Raffael die Offensive bilden könnte, während ich mit Lustenberger, Nicu (über rechts) und Cicero eine zweite Reihe vor die Viererkette stellen würde.

Nominell ist das eine durchaus konkurrenzfähige Aufstellung. Sie verdeutlicht aber auch das Dilemma der Hertha: Die Mannschaft ist eigentlich zu gut für den Abstiegskampf, zu viele Spieler haben individuelle "Exit-Strategien" und sind deswegen nicht immer so mobilisierbar, wie das eigentlich notwendig wäre. Die Streichliste, die der Kicker am Donnerstag veröffentlicht hat, macht doch einen deutlichen Unterschied zu den direkten Konkurrenten aus: Welcher andere mögliche Absteiger (ich nehme Stuttgart hier einmal aus) kann auf Transfererlöse von mehr als 15 Millionen Euro rechnen?

Für die Spieler (Kacar, Raffael, Friedrich, Ebert, ...) bedeutet das aber wohl, dass sie und vor allem ihre Agenten jetzt schon taktisch zu denken beginnen - bei Abstieg sinken die Ablösesummen, steigen die Handgelder, weil die Stars billiger werden. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Gegen Schalke wird Leistung allein deswegen nicht genügen, die Hertha wird auch Glück brauchen, das einschlägige Konto ist aus dem Vorjahr aber immer noch überzogen.

Freitag, Dezember 04, 2009

Krautacker

War ein toller Abend gestern im Skonto-Stadion in Riga. Selten kann man so nah dran sein an einem Spiel wie dem 1:0 der Hertha gegen den FK Ventspils. Ich war nicht im Hertha-Block, sondern auf der Haupttribuene (Eintrittskarte 5 Lats, Spiel bei weitem nicht ausverkauft), dort konnte ich mich freier bewegen.

Zur Einstimmung liefen eine Stunde vor dem Anpfiff solche Hits wie Vienna von Ultravox oder I am from Austria von Rainhard Fendrich, sodass ich mich zwischendurch fragte, ob mein Besuch den Veranstaltern bekannt war. Kleine paranoide Reminiszenz an das sowjetische Lettland, natuerlich nicht ernst gemeint.

Der Platz war sehr schlecht (in Oesterreich wuerde man sagen: ein Krautacker), trotzdem zog die Hertha angefuehrt von Raffael in der ersten Haelfte ein Kombinationsspiel auf. Bald fiel auch das Fuehrungstor, und jedes nicht stark verunsicherte Team haette das Match gestern locker mit ein paar Toren Differenz gewonnen.

Hertha aber machte es spannend, und Drobny sicherte den Sieg. Aus der Ferne - ich fliege erst am Abend zurueck, von daheim mehr Bilder etc. - nur ein paar Details: Shervin Radjabali-Fardi hat gezeigt, dass er eine Option fuer links hinten werden wird, seine Zweikampfschulung ist jetzt schon besser als die von gestandenen Profis. Jancker ist als Innenverteidiger auf jeden Fall Kaka vorzuziehen, und Piszczek koennte mit Nicu eines Tages wieder eine gute rechte Achse bilden.

Gojko Kacar kam erst in der letzten Viertelstunde und ging als Einziger hinterher nicht in die Fankurve - bei ihm deutet alles auf Abschied in der Winterpause. Ich werde diese Spiele an den Raendern des Fussballs vermissen, aber vielleicht schafft die Hertha ja noch eins, mit einem Punkt aus dem Heimspiel gegen Lissabon waere sie in der Ausscheidungsrunde, und dann koennte es vielleicht sogar in ein Zentrum des Weltfussballs gehen: nach Anfield.

Dienstag, Dezember 01, 2009

Putscherl



Wenigstens die zweite Mitgliederversammlung in diesem Jahr hat Hertha BSC gut hingekriegt. Bedenkt man, wie übel die sportliche Lage der Fußballer ist, mussten andere Nachrichten wie die über Nachwuchssorgen der Kegler als halb so wild erscheinen. Und alle Befürchtungen, unter den mehr als 1800 Erschienenen könnte sich das Bedürfnis nach einem Putsch entwickeln, erwiesen sich als unbegründet - es wurde nicht einmal ein Putscherl.

Die Mannschaft war dazu verdonnert worden, sich die ganze lange Prozedur auch anzutun, still saßen sie alle in der linken vorderen Ecke und verstanden wahrscheinlich in der Mehrzahl ohnehin nur Bahnhof oder "keine Alternative". (Was das Manöver für die Muskulatur drei Tage vor dem Spiel in Lettland bedeutet, will ich nicht genauer wissen, immerhin wurde für ausreichende Hydrierung gesorgt. Für das Selbstvertrauen von Artur Wichniarek, Marc Stein und Christoph Janker wäre es sicher besser gewesen, man hätte ihnen das erspart - sie wurden persönlich und heftig ausgepfiffen.)

Zwei große Abwesende gab es gestern, einer wurde häufig erwähnt, einer konsequent verschwiegen: Lucien Favres Nachrede bei den Hertha-Fans hat sehr gelitten, immerhin wird aber noch diskutiert, was er alles so angerichtet hat. Dieter Hoeneß hingegen wird nicht einmal mehr erwähnt, dabei hätte Michael Preetz doch alle Möglichkeiten gehabt, ihm den schwarzen Peter einer ruinösen Gebarung zuzuschiebe. Er hat es nicht getan, und das ehrt ihn.

Preetz hielt die entscheidende Rede des Abends, er schlug sich gut, denn er verzichtete auf populistische Erklärungen und gab stattdessen eine ausführliche Herleitung der gegenwärtigen Schwierigkeiten, die ja deswegen so schwer zu überwinden sind, weil sie auf so vielen Kleinigkeiten beruhen. Dass es "handwerkliche Fehler" gab, wie einige Fans in der freien Aussprache immer wieder mit professioneller Begrifflichkeit anmerkten, ist unbestritten.

Dass Preetz sich gegenüber Favre in der Causa Pantelic nicht durchsetzen wollte, erweist sich rückblickend als sein größter Fehler - die Sache fiel aber auch genau in den Übergang von Hoeneß auf Preetz, dann wäre allerdings ein ganzer langer Sommer Zeit gewesen, tätig zu werden. Ich persönlich bin ohnehin optimistisch, dass Ramos der neue Barrios werden könnte, die zwei Tore aus den letzten zwei Spielen hätte ich stärker verkauft, wäre ich der Redenschreiber von Preetz.

Der generelle Tenor, der Lucien Favre doch ein gewichtiges Stück der heutigen Probleme zuschreibt, wird von mir geteilt, gerade auch, weil das gestern nicht gehässig wurde, sondern die Trauer darüber durchklang, dass es mit ihm nicht geklappt hat. Alles in allen war das eine reife Leistung im ICC. Die Lage ist auch zu ernst für Abreaktionen. Jetzt muss die Mannschaft, die hoffentlich gestern noch einige Lockerungsübungen gemacht hat, eine Antwort geben, am besten schon am Donnerstag in Riga. Ich fliege hin.

Montag, November 30, 2009

Clockwork Orange


Hartes Wochenende für mich: Am Samstag meldet sich die Hertha schon einmal zum Absteigen an, am Sonntag meldet sich Arsenal aus dem Titelrennen der Premier League ab. Natürlich ist das in beiden Fällen noch nicht das allerletzte Wort, aber die leere Rhetorik, mit der Friedhelm Funkel gestern im RBB noch versucht hatte, die neue Woche einzuläuten, ist allein der Tatsache geschuldet, dass es halt irgendwie weiter gehen muss.

Und die Reklamationen von Arsène Wenger wegen eines aberkannten Tors durch Arshavin kurz nach der Pause (beim Stand von 0:2) lenken auch nur davon ab, dass eine Mannschaft ohne Stürmer gegen eine Mannschaft mit zwei der besten Stürmer der Welt (Drogba und Anelka) immer in Schwierigkeiten geraten wird.

Eigentlich interessant finde ich aber den Unterschied, der mich immer schon am meisten fasziniert hat: dass die besten Fußballer tatsächlich die sind, die sich für nichts zu schade sind. Die Defensivarbeit von Anelka müsste man Spielern wie Nicu oder Raffael mit einem Apparat wie aus "Clockwork Orange" vor Augen führen - doch halt, ich vergesse mich, kein Grund, totalitär zu werden. Ist ja nur Fußball.

Arsenal bleibt eine großartige Mannschaft, deren Trainer es nur hartnäckig verweigert, den Kader auch gegen gröbere Eventualitäten (van Persie schwer verletzt, Eduardo nach dem Fußbruch nicht mehr derselbe, Bendtner verletzt, Walcott noch außer Form, Vela wirkungslos) noch abzusichern, mit einem zweiten echten Zentralangreifer, den er wider besseres Wissen nicht gekauft hat.

Chelsea ist heuer im Prinzip immer noch die Mourinho-Mannschaft von vor vier Jahren (das heißt, dass Ballack nicht wirklich Stammspieler ist), nach zahlreichen Widrigkeiten (Carvalhos lange Verletzung, Parreiras Coaching, Terrys CL-Drama) nun zu furchterregender Kompetenz gereift. Das war eine Definition von Fußball gestern, ich hoffe, die Herthaner haben hingeschaut, und können das auch auf sich beziehen.

Samstag, November 28, 2009

Pastrami

War das nun schon der Offenbarungseid heute, wie es der Reporter von Sky gegenüber Friedhelm Funkel nach dem 1:3 gegen Eintracht Frankfurt formulierte? Es sieht stark danach aus, die Hertha war in einem weiteren wegweisenden Heimspiel nicht gut genug, um einen (den zweiten) Sieg zu erringen.

Die Gründe sind vermutlich einfach zu benennen: Die Nerven und die Einstellung. Von der ersten Minute an war zu spüren, dass dieses Spiel anders war als die in den letzten Wochen. Die hohen Erwartungen (ein Sieg schien gegen die zuletzt wankende Eintracht möglich und musste sowieso um jeden Preis her) waren zuviel für ein Team, das auch heute noch versucht hat, mit (halbherzigem) Kombinationsfußball zu einem technischen Erfolg zu kommen.

Die Eintracht machte das so deutlich besser, dass ich phasenweise fast erstaunt war: Wie Skibbes Team heute die Pässe geduldig erst dann setzte, wenn jemand in Position gelaufen war, das hatte Stil und Präzision, und ging natürlich auch auf eine Laufleistung zurück, zu der sich bei der Hertha niemand aufraffen wollte - vielfach schien es aber auch Ratlosigkeit zu sein. Sie wussten gar nicht mehr, was ein Raum ist, in den man gehen kann.

Das Unglück kam schließlich über die linke Seite: Pejcinovic war sowohl beim frühen Gegentreffer wie auch beim entscheidenden zweiten Frankfurter Tor der Hauptschuldige. Ein 22jähriger Serbe, der im Sommer mehr oder weniger aus Verlegenheit halt aus dem Trainingslager mit nach Berlin genommen worden war, der sich schon ein wenig in die Bundesliga hineingearbeitet zu haben schien, der aber heute wie nahezu alle anderen versagte.

Als das Match nach einem späten Ehrentreffer durch Ramos zu Ende war, brachte das Publikum im Olympiastadion nicht einmal mehr ein Pfeifkonzert zustande. Es war, als wären die Spieler da unten schon keine Herthaner mehr. Und auch ich selbst ertappte mich dabei, wie ich aus dem Häuflein das Gerüst einer Zweitligamannschaft herauszukristallisieren versuchte: von Bergen, Lustenberger, Ramos - mehr fallen mir nicht ein.

Aber das ist ohnehin eine Übersprungshandlung, ein Versuch, geistig aus einer Saison auszusteigen, die irgendwie ja noch zu Ende gespielt werden muss - und irgendwie ja auch noch mit dem Glauben an die theoretische Chance, den ich aber im Moment nicht aufbringen kann.

In unserem Zweipersonenhaushalt gibt es eine eingespielte Formulierung für tragische Umschläge - "flying to close to the sun on wings of Pastrami". Das ist aus Seinfeld und bezieht sich auf Höhenflüge, denen ein harter Absturz folgt. Die Hertha war letztes Jahr hoch oben, seither ist viel geschehen, und niemand kann mir erzählen, dass er genau wüsste, an welcher Stelle der größte Fehler passiert ist, wo der Pastramiflügel zu weich wurde. Was wir hier sehen, ist eine der Kausalketten, die der Fußball erzeugt - sie ist verworren und lang, aber das Ende ist klar und deutlich: Hertha hat fünf Punkte aus 14 Spielen und eine Tordifferenz von minus 21. Am Montag ist Mitgliederversammlung.

Schuldenfalle

Zwei sehr wichtige Spiele gibt es für mich an diesem Wochenende. Heute gehe ich ins Olympiastadion zu Hertha gegen Eintracht Frankfurt, morgen dann vor der Kiste, wenn Arsenal gegen Chelsea spielt.

Hertha ist trotz der Position in der Tabelle eindeutig Favorit, sie muss nur auch tatsächlich einen Sieg schaffen, und da spießt sich natürlich leicht etwas, wenn man seit August in der Liga nicht mehr gewonnen hat.

Arsenal muss gegen Chelsea auch unbedingt gewinnen, um das Titelrennen in England offen zu halten. Probleme macht die Personalsituation: van Persie, Clichy, Gibbs, Abou Diaby, Bendtner sind verletzt, Gallas vielleicht nach einem Zusammenstoß mit Arshavin im CL-Match gegen Standard Lüttich noch nicht wieder einsatzfähig.

Bei Hertha ist die Personallage insgesamt besser, Patrick Ebert und Marc Stein werden sicher fehlen, sind aber vermutlich adäquat zu ersetzen, wie es um Ramos steht, werden wir erst am Nachmittag sehen. Aber auch so deutet die sich abzeichnende Formation mit einem defensiv entlasteten Kacar und mit dem zurückkehrenden Raffael auf ein mögliches variantenreiches Spiel hin, bei dem ich Domovchyiski eine Chance geben würde (ich fürchte aber, dass Funkel wieder Wichniarek von Beginn an bringen wird).

In schwierigen Zeiten bringen viele einzelne Spieler individuelle Problemlagen mit, deswegen war es in Stuttgart gut, den noch weitgehend unbelasteten Ramos zu bringen - auch Lustenberger ist einer der Gewinner der aktuellen Situation. Kacar wird sich heute rehabilitieren wollen, vielleicht gelingt ihm eine Leistung wie gegen Bröndby, als die Hertha gegen den zaghaften Spielverlauf sich mit drei Toren noch in die Europa League schoss.

Am Montag dann Mitgliederversammlung, zu der die taktischen Vorgeplänkel auch schon begonnen haben: Finanzchef Ingo Schiller gab bekannt, dass die abgelaufene Saison einen Verlust von fast zwei Millionen Euro ergeben hat, die Schulden wachsen wieder leicht. Es wird viele individuelle Misstrauensvoten geben, an einer dramatischen Veränderung der Lage kann aber niemand gelegen sein, der Hertha in diesen Wochen unterstützt.

Mittwoch, November 25, 2009

Ironien

Die Gruppenphase der CL geht in die entscheidende Phase, für manchen Trainer wird es eng, manche Mannschaften finden sich in einem Wettbewerb wieder, mit dem sie nicht gerechnet hatten, das gibt Gelegenheit, sich ein paar mögliche Ironien für den Rest der Saison zu überlegen.

Erstens könnte es, falls Hertha sich doch noch gegen Ventspils durchsetzt und in die nächste Runde der Europa League einzieht, zu einer Wiederbegegnung mit Andrej Voronin kommen, vorausgesetzt, die Hertha bekommt Liverpool zugelost (das dann sicher mit einigen Spieler aus den Tiefen des Kaders antreten würde, gegen einen beherrschbaren Gegner).

Interessanter noch ist das Gedankenspiel, dass Louis van Gaal demnächst als Bayern-Trainer zurücktreten wird - wer kann dann seinen Job übernehmen? Ich glaube, dass Lucien Favre zumindest eine Außenseiterchance auf den Posten hat, denn so viele fähige Kandidaten gibt es da gar nicht, und Arsène Wenger wird vermutlich auch dieses Mal nicht zu kriegen sein. Ich male mir jedenfalls in dunklen Stunden manchmal aus, wie es sich zutragen könnte im Mai 2010: Hertha empfängt zum Saisonfinale den FC Bayern, braucht unbedingt einen Punkt, Lucien Favre schickt Raffael, den er im Winter geholt hat, für Gomez auf den Platz, und der versenkt den Ball im Tor und die Hertha in der zweiten Liga.

Wahrscheinlicher ist jedoch eine andere Ironie: Am Ende der kommenden Saison stehen Frankfurt und Berlin auf Position 16 und 15, und am Ende hat die Mannschaft, der Funkel zu Beginn dieser Saison nicht mehr gut genug war, gegen die Mannschaft, der Funkel zu Beginn dieser Saison auch keineswegs gut genug gewesen wäre, das Nachsehen. Die Eintracht steigt ab, Berlin bleibt oben, Bochum geht in die Relegation, Köln war schon vor dem letzten Spieltag abgestiegen.

Friedhelm Funkel, von dem unlängst zu lesen stand, er hätte sich in seine Berliner Wohnung einen begehbaren Kleiderschrank einbauen lassen, könnte als Held durch das Brandenburger Tor spazieren, ganz für sich, ein Retter, der nur von wenigen Menschen erkannt wird. Dieter Hoeneß, nach dem ausgerechnet Joachim Lottmann heute in einem dämlichen Kommentar in der taz gerufen hat, stoßen die vielen Ironien sauer auf. Irgendeine Boulevardzeitung wird damit sicher den Sportteil aufmachen.

Dienstag, November 24, 2009

Kaffeefahrt

Es kommt wahrlich selten vor, dass Friedhelm Funkel und Arsène Wenger in einem Zusammenhang erwähnt werden. Heute gibt es dazu aber Anlass: Der Trainer der Hertha und der Trainer des FC Arsenal haben sich darüber beklagt, dass sie wichtige Spieler in desolatem Zustand von den Nationalteams zurückerhalten.

Funkel hat genau genommen in gezielt rufschädigender Weise über den Aufenthalt von Gojko Kacar bei der serbischen Auswahl gesprochen (auch über Domovchyiskis Verfassung nach der Länderspielpause hat er sich ausgelassen). Aufgrund der Reaktion von Kacar wissen wir jetzt, dass der Berliner Hoffnungsträger nur zwei Tassen Kaffee pro Tag verträgt, wir wissen aber nicht, was es genau mit der ja tatsächlich auffälligen Schlappheit zu tun hat, die Kacar jedes Mal ausstrahlt, wenn er zehn Tage mit Serbien unterwegs war.

Arsène Wenger hat gestern einen Journalisten abgekanzelt, der sinngemäß gefragt hat, ob Theo Walcott nun, da Robin van Persie sich in einem Spiel der Oranjes gegen Italien verletzt hat, sich bei Arsenal im Sturmzentrum bewähren und damit auch für die WM 2010 empfehlen kann. Walcott, so Wengers Reaktion, soll erst einmal im Club seine Leistung bringen, er hat nämlich in diesem Jahr noch nie richtig gespielt, nachdem er den Sommer über für das Vaterland in zwei Auswahlen (erstes Team und U21) tätig war.

Wenger und Funkel sind nicht auf der gleichen Ebene, aber doch gleichermaßen Opfer des globalisierten Betriebs: Da die Mannschaften internationaler sind denn je, stören die vielen Nationalpausen den Betrieb schon sehr. Und es scheint auch irgendwie mit den besonderen Umständen "daheim" zu tun zu haben, dass sich die Spieler dort häufiger verletzen bzw. noch weniger auf ihre Physis achten. (Statistiken liegen mir dazu allerdings nicht vor.)

Der spezielle Kasus Kacar hat aber noch eine andere Dimension. Er ist zweifellos einer der talentiertesten Hertha-Profis, er leidet aber auch darunter, dass Favre und auch Funkel noch nicht den richtigen Platz für ihn gefunden haben - im 4-4-2 mit Doppelsechs war er ursprünglich neben einem eher absichernden Spieler wie Lustenberger oder Cicero vorgesehen. Inzwischen hat sich seine Defensivarbeit häufig als problematisch erwiesen (sie wirkt manchmal über-, manchmal untermotiviert), sodass er manchmal weiter vorn positioniert wird, wo aber auch Raffael wirken soll, wenn der nicht über die Flügel kommt.

Funkels Idee eines zentralen Dreiecks mit Lustenberger absichernd und den ausschwärmenden Cicero und Raffael (oder Kacar) wäre prinzipiell interessant, scheitert aber an der Qualität der Angriffslinie - Ebert hudelt zu viel, Wichniarek ist stumpf, Nicu kommt erst langsam wieder in Form. Zweifellos ist Kacar ein Spieler, der gebraucht wird, man braucht aber auch einen Plan, wofür er genau gebraucht wird. Für das Heimspiel gegen Frankfurt erhoffe ich mir folgende Lösung: Lustenberger. Cicero Kacar. Raffael Domovchyiski (da Ramos verletzt ist) Nicu.

Sonntag, November 22, 2009

Untertürkheim

Der VfB Stuttgart lässt gerade sein Stadion umbauen. Die Kurve nach Untertürkheim ist dieser Tage Baustelle, der VfB schießt in diese Richtung keine Tore, dafür hat Ramos gestern für die Hertha getroffen. Er hatte später sogar noch eine Chance auf das zweite Tor, nützte sie aber nicht, und im Gegenzug gelang den stark verunsicherten Stuttgartern der Ausgleich in Richtung der Cannstatter Kurve.

Das Ergebnis ist für beide Teams schlecht: Stuttgart steht jetzt auf dem Relegationsplatz, Hertha ist mit 5 Punkten weiterhin ganz unten. Das Remis war aber auch leistungsgerecht, denn keine der beiden Mannschaften konnte ihren "game plan" richtig durchsetzen. Stuttgart bestimmte das Spiel, hatte auch viele Chancen, traf aber nicht. Hertha erarbeitete sich aus der wackligen Defensive allmählich ein weniger hektisches Kombinationsspiel, kam aber nach der Pause doch recht unerwartet zum Führungstor. Nicu steckte einen Pass zu Ramos durch, der genau im richtigen Moment startete und damit allein vor Lehmann ankam - wie er die Situation löste, war sehenswert! Dass es trotzdem nicht zum Sieg reichte, ist bezeichnend für die Situation der Hertha, die ein Minimum an Konsolidierung mit enormen Defiziten im Offensivspiel erkaufen muss.

Die Qualität der Konter, vor allem der Hereingaben durch Nicu und Wichniarek, war nicht erstligareif. Im Fall des polnischen Stürmers ist die Frage an den Trainer angebracht, ob seine richtige Idee, zur Pause schon Ramos zu bringen, nicht noch besser funktionieren hätte können, wenn er Wichniarek statt Domovchyiski geopfert hätte. Das sind natürlich Spekulationen, aber der potentiell weite Aktionsradius des schnellen Ramos würde eigentlich nahelegen, einen zweiten echten Stürmer an seine Seite zu stellen, und das ist Wichniarek leider bei der Hertha nicht mehr.

Die Aufgabe ist nach dem 13. Spiel wieder ein bisschen schwieriger geworden, im Prinzip ist die Mannschaft konkurrenzfähig, de facto spielt sie inzwischen aber natürlich auch gegen die eigene Leistung des ersten Saisondrittels, also irgendwie immer auch gegen sich selbst, und das merkt man leider.

Samstag, November 21, 2009

Rahmenterminplan

Seit einigen Jahren funktioniert die ganze Fußbballwelt nach einem genau vertakteten Schema. Alle paar Wochen steigen hunderte Spieler nach der Arbeit im Club in ein Flugzeug und fliegen quer durch die Welt zu ihren Nationalteams, wo sie dann zwei Wochen in einer ganz anderen Kultur (Serbien!), mit einer ganz anderen Motivation (Serbien!) und vor ganz anderen Fans (Srpska!) spielen.

Ich könnte statt Serbien auch eine ganze Reihe anderer Länder nennen, aber bei der Hertha ist es momentan eben Gojko Kacar, auf den wir besonders gebangt schauen, wie er denn zurückkommt: ob angeschlagen oder nur, wie in dieser Woche, "müde". Immerhin erging es der Hertha nicht so schlimm wie Arsenal, die van Persie nach einem Freundschaftsspiel der Holländer gegen Italien bis ins neue Jahr nicht zur Verfügung haben werden (Knöchelverletzung nach Tackle von Chiellini).

Die Geschichte mit der serbischen Wunderheilerin, die geschundene Spielerextremitäten mit Kuhplazenta massiert, war diese Woche ein Schlager auf den englischen Fußballseiten, die halbe Premier League saß bei der Dame im Wartezimmer, aber auch der serbische Ärzteverband wollte einen Termin. In einigen Spielen während der internationalen Pause ging es auch um etwas, um die WM-Qualifikation nämlich. Hier schrieben Frankreich und Irland die wichtigste Geschichte: Thierry Henry rettete der Grande Nation mit einem flagranten Handspiel den Abend (und das nächste Jahr), nun steht er vor der Weltöffentlichkeit als Betrüger da und weiß sich nicht anders zu helfen, als öffentlich eine Neuaustragung zu fordern.

Irland fühlt sich nicht von Henry, sondern von der Fifa betrogen, sie haben im Stade de France über 100 Minuten mit 1:0 geführt, dann kam Henry, und der Schiedsrichter gab vor, nichts gesehen zu haben. Da ich das Spiel nicht zur Gänze gesehen habe, kann ich nicht beurteilen, was andere Beobachter schrieben: dass der Referee nämlich schon das ganze Spiel hindurch die Iren benachteiligt hätte, in jenem anderen Sinn, dem schwer eine Absicht nachzuweisen ist, mit dem aber ein ganzes Spiel so aus dem Gleichgewicht geraten kann, wie es auch zwischen Hertha und Köln neulich der Fall war, als Babak Rafati so oft gegen den Augenschein pfiff.

In Stuttgart wird Hertha heute auf Peter Gagelmann treffen, er wird das Match zwischen zwei gebeutelten Teams leiten. Im Frühjahr war die damals ja weit oben stehende Hertha bei keiner Mannschaft so grundlegend chancenlos wie beim VfB, wo Gomez und Khedira die Treffer besorgten. Das sollte dieses Mal anders sein, ich erwarte ein offenes Spiel, bei dem ein torloses Remis durchaus eine reelle Möglichkeit ist. Da damit aber weder Stuttgart noch Berlin geholfen wäre, werden beide Teams alles tun, damit es anders kommt. Ich hoffe vor allem, dass Funkel nicht neuerlich Domovchyiski in einem 4-3-3 vergeudet, rechne allerdings damit: er wird offensiv vermutlich Lustenberger zentral stellen, davor Cicero und Kacar, und vorne Nicu, Wichniarek und Domo.

Montag, November 16, 2009

Genscherismus

Lucien Favre, seit der beruflichen Trennung von Hertha BSC Privatier in Wilmersdorf, war gestern zu Gast im alten Hebbel-Theater, auch HAU1 genannt. Es ging um das neue Buch des auch von mir sehr geschätzten Christoph Biermann, es heißt "Die Fußball-Matrix" und beschäftigt sich mit der "Suche nach dem perfekten Spiel", also mit vielen Formen der Verwissenschaftlichung, der parametrischen Optimierung, der Eliminierung von Fehlerquellen etc. Zu diesem Buch demnächst mehr.

Natürlich war nicht zu erwarten, dass Favre an diesem Abend Klartext reden würde, man musste also schon sehr genau aufpassen, um ein wenig herauszuhören, wie sich seine Philosophie des "richtigen Spiels" zu den Katasterstrategien des modernen Fußballs verhält. Abgesehen davon, dass Hertha nicht über das Budget verfügt, um sich mit einem dieser hochwertigen Spielbeobachtungssysteme einzudecken, wie es etwas der HSV hat, hat Favre nämlich durchaus recht, wenn er andeutet, dass eine genaue Spielbeobachtung mit freiem (erhöhtem) Auge das Wesentliche schon erkennen kann - wieviel und wie klug läuft die Mannschaft, wie gut setzt sie sich durch, wieviele Chancen spielt sie heraus, und wieviele lässt sie zu?

"Das ist klar", sagt Favre immer noch gern. Er ließ durchklingen, dass er nur bedingt auf Gegneranalyse setzt, insgesamt hinterließ er den Eindruck eines soliden Handwerkers, der auf keinem Gebiet der "Optimierung" des Spiels besondere Begeisterung entwickelt hat, sondern im Grunde "old school" arbeiten möchte, mit dem Ball und mit den Spielern. Er hat ja auch keineswegs eine Revolution bei der Hertha in die Wege geleitet, in seinem dritten Jahr war der Stab weitgehend der alte von vor seiner Zeit, Fragen nach der richtigen Dramaturgie zum Beispiel im Bereich der Grundlagenfitness bleiben aus diesem Sommer zumindest als Andeutungen offen.

Christoph Biermann brachte an einer Stelle den Begriff des "Genscherismus" ins Spiel, die alte Schule der deutschen Außenpolitik, die eine hohe Kunst des Nichtssagens beinhaltet. Favre war gestern natürlich Genscherist. Nichts anderes konnte man erwarten von einem Profi "between jobs".

Samstag, November 14, 2009

Null Bock - No Future

Das Benefizspiel der Hertha gegen Türkiyemspor (vierte Liga) begann heute aus naheliegenden Gründen mit einer Schweigeminute im Gedenken an Robert Enke. Die Eintrittsgelder der 349 zahlenden Zuschauer sowie freiwillige Spenden und ein spontan von Michael Preetz zugesagter Hertha-Bonus von 5000 Euro ging an den Verein Dialyse-Kinder Berlin e.V.

Bei der anschließenden Pressekonferenz sagte Co-Trainer Christopher John in Abwesenheit von Friedhelm Funkel: "Wir waren uns wieder einmal selber der größte Gegner." Na ja. Es war ein Nachmittag, zu dem schwer ein Verhältnis aufzubauen war. Die Hertha trat mit einer kuriosen Formation an, vor Burchert verteidigte eine Viererkette mit Perdedaj, Stein, Kaka und Cesar, im Mittelfeld spielte Lennart Hartmann zentral neben Cicero, Nicu gab einen Flügel, Raffael hatte das ganze offensive Mittelfeld für sich, Patrick Ebert war zweiter Stürmer, und ganz vorn trat der noch ein Monat 17jährige Abu-Bakarr Kargbo ein paar erste Beweise seiner Frühreife an.

Schon bald führte die Hertha mit 1:0, danach aber machte sich ein Schlendrian breit, der auch fünft- bis achtklassige Gegner stark gemacht hätte. Cicero muss man noch einmal gründlich von Grund auf erklären, wie man auf dem Feld laufen muss, um sinnvoll an einem Spiel teilzunehmen. Patrick Ebert muss lernen, dass utopische Zuspiele nichts bringen. Maximilian Nicu muss begreifen, dass Fußball kein Sport ist, bei dem Haltungsnoten entscheiden (oder hält er sich für Toller Cranston?). Ein Junge hinter mir sagte es ganz lakonisch: "Nicu hat aber auch null Bock." Es sah tatsächlich so aus, dann hat er aber eben auch "no future".

In der zweiten Halbzeit holte sich Türkiyemspor zwei Tore, dann wechselte die Hertha so lange durch, bis vierte Liga gegen vierte Liga auf dem Platz stand (plus Nicu), und in den letzten Minuten drehten ein paar Youngsters unter Führung von Sascha Bigalke noch das Match. Am Ende hieß es 3:2, die Tore für Hertha erzielten Raffael, Bigalke und Rommel.

Ich gebe zu, es war eine trübe Angelegenheit, im Jahn-Sportpark hätte man gut und gern das Flutlicht einschalten können, und der Boden war auch tief. Trotzdem sollte man sich als Profi auch in einem Charity-Match nicht so präsentieren, wie vor allem Nicu das heute gemacht hat. Über den unterirdischen Cesar will ich großzügig hinwegsehen. Schlüsse muss man aus diesem Match nicht ziehen, die Lage der Hertha entzieht sich ohnehin bis zu einem gewissen Grad der Analyse. Da passt so ein finsterer Nachmittag irgendwie dazu.

Freitag, November 13, 2009

Introspektion

Auch von der Hertha gibt es inzwischen eine Stellungnahme zum Tod von Robert Enke, dem Tormann von Hannover 96, der sich am Dienstag das Leben nahm. Friedhelm Funkel bezog gegenüber dem "Berliner Kurier" eine erkenntnisskeptische Position: "Man muss schon ganz genau in einen Menschen hineinschauen", um eine depressive Notlage wie die von Robert Enke zu erkennen. "Aber das kann man eben nicht."

Fußball ist ein Rollenspiel, das gilt bis hart an die Grenze des privaten Lebens, das ohnehin schon sehr eingeschränkt ist, wenn einen in Hannover oder in Berlin jeder auf der Straße erkennt. Bei der Hertha wird der Trainer in diesen Tagen gut zu tun haben, bei den wenigen dagebliebenen Spielern während der Länderspielpause eine Herbstdepression zu vermeiden (ich verwende das Wort bewusst, denn es zeigt, in wie vielen Schattierungen es den Sachverhalt gibt). Die Motivation, sich am Samstag in einem Testspiel gegen Türkyemspor zu zeigen, wird nicht bei allen gleich hoch sein, gleichwohl muss nach dem Spiel gegen Köln irgendwie der gerade erst wiedergefundene Teamgeist am Leben erhalten werden.

In der Regel reichen dazu die natürlichen Rhythmen: Ein neuer Tag bringt neue Zuversicht, wenn nicht, dann läuft schon etwas schief. Die Sonne, die heute in Berlin scheint, schadet auch nicht. Ich werde morgen in den Jahnsportpark gehen.

Sonntag, November 08, 2009

Schubhaft

Die 0:1-Heimniederlage gegen den FC Köln hat heute an tiefe Schichten der Hertha-Fanmentalität gerührt. "Die wollen uns nicht in der Liga!", rief nicht nur eine Dame unmittelbar neben mir in der wütend nach Hause oder zum Frustbier strömenden Menge. Es war eine verständliche Reaktion, denn die Hertha hatte sich in einem Match nicht durchsetzen können, in dem sie gegen elf destruktive Kölner und drei Schiedsrichter antrat, die nicht immer über Augenmaß und Ausgewogenheit zu verfügen schienen.

Das hatte aber auch ganz einfach damit zu tun, dass es ein einseitiges Match war und Rafati häufig in den falschen Momenten weiter laufen ließ und Zweikämpfe auffällig oft zugunsten Kölns auslegte. Um die Sache aber in den richtigen Kontext zu rücken, bedarf es auch der Erwähnung, dass die direkten Konkurrenten Nürnberg und Bochum gestern um reguläre Tore geprellt wurden, während Hertha so weit dann doch nicht kam. Ein Tor gelang ihr nicht, nur zwei Pfostenschüsse von Raffael.

Das hatte nämlich auch mit dem System zu tun, das sich Friedhelm Funkel für diese Begegnung ausgedacht hatte, und das er auch dann nicht ändern wollte, als dies schon dringend nötig erschien. Die Hertha spielte mit einem 4-1-2-3, eine an sich gute Idee mit Lustenberger zentral vor der erwarteten Viererkette, vor ihm zentral Raffael und Nicu, offensiv drei nominelle Stürmer mit Domo links außen, Wichniarek in der Mitte und Pisczcek rechts. Das lief 45 Minuten ganz gut, offenbarte aber auch schon die Probleme, die in der zweiten Halbzeit deutlich wurden: Domo hing links fest, ihm fehlte ein Flügelspieler neben und hinter sich, das Spiel blieb zu mittig, auch dann noch, als schon Cicero und der leider fahrige Ebert auf dem Platz waren und eine Umstellung auf 4-4-2 dringend angeraten schien.

So lief allmählich die Zeit davon, dann gab es einen Freistoß für Köln von halblinks, den Podolski auf Novakovic brachte, und schon stand das Spiel auf dem Kopf. "Hey, was geht ab, wir schießen die Hertha ab", skandierten die Fans der nun nicht mehr allein abschlussschwächsten Mannschaft der Liga. Was die Hertha in dieser Saison erlebt, ist nicht nur ein klassischer Umschlag ins Negative, sie wird auch noch vom Hochgefühl des Vorjahrs verfolgt, und bekommt die eigene Euphorie von damals als Hohn um die Ohren gesungen. Die Hertha befindet sich jetzt schon in Schubhaft, ohne Appellationsinstanz. Sie wird selber den Ausbruch riskieren müssen.

Freitag, November 06, 2009

Flammekuchen

In der Kulturkneipe neben dem Filmtheater in Duisburg, in dem gerade die Dokumentarfilmwoche zu Ende geht, zeigen sie Champion's League und den MSV, aber die Europa League zeigen sie "aus Prinzip" nicht. Diese Auskunft bekam ich gestern auf meine Anfrage, und nachdem ich das Prinzip als widersinnig entlarvt hatte, ließ sich der Mann hinter der Bar (Schwabbelbauch, T-Shirt, Haare hinten zum Zopf gebunden) dazu herab, die Hertha doch noch einzuschalten - "ein Gefallen", an dem niemand Anstoß nahm, ich sah mir in aller Ruhe das Match gegen Heerenveen an (ohne Ton), während rund um mich herum das Publikum Bier trank wie an jedem anderen Abend auch, und Flammekuchen mampfte.

Es war ein spannendes Spiel, bei dem ich mir die ganze Zeit dachte: Die Mannschaft muss doch begreifen, dass da etwas möglich ist, auch nach dem zweiten Gegentor noch. Und so kam es dann auch, Wichniarek erzielte in der 92. Minute das verdiente 3:2.

Zwei Dinge werden jedem genaueren Beobachter der Hertha auffallen: Funkel beließ die Viererkette intakt, und zwar zu Recht, sie ist zwar nicht fehlerfrei (von Bergen!), aber es ist doch unübersehbar, dass Pejcinovic und Stein sich in die Saison hineinzuarbeiten beginnen, dass Friedrich sich allmählich fängt, und dass die Tür zur Schießbude nicht mehr so leicht aufgeht.

Und dann natürlich der Sturm. Dass Wichniarek auflief, erschien mir falsch, im Rückblick aber hat die Sache eine Logik, denn mit Domovchyiski (der nun hoffentlich nicht länger als Joker auf der Bank verschwendet werden muss) konnte der Pole gestern wieder zu dem spielenden Stürmer werden, der er ist - zwei Assists, ein Tor, und insgesamt eine Andeutung, warum mir der Transfer im Sommer ja ursprünglich plausibel erschienen war.

Durch die Mannschaftsleistung können sich auch Spieler, die gestern noch schwächer waren, wieder nach oben orientieren: Cicero und Nicu zeigen, dass der Kader in der Breite nicht so schlecht ist, wenn die mentalen Voraussetzungen stimmen. Das sollte nach dem Sieg in Heerenveen der Fall sein, die Torblockade ist gelöst, gegen Köln wird es allerdings ein ganzes Stück schwerer.

Donnerstag, November 05, 2009

Zweite Garde

Einige Topkräfte werden fehlen, wenn die Hertha heute in Heerenveen im Abe-Lenstra-Stadion gegen den lokalen SC in der Europa League spielt. Die Medien schreiben von der zweiten Garde, die heute eine Chance bekommen wird: Cicero, Nicu, Domovchyiski.

Im Grunde haben die Verantwortlichen diesen Bewerb natürlich abgeschrieben, er stört nur vor dem wichtigen Heimspiel gegen Köln. Dabei war es nie so leicht, über die Gruppenphase hinauszukommen, und dahinter könnten tolle Gegner auftauchen: Der FC Liverpool, ja sogar der FC Barcelona laufen Gefahr, in ihren CL-Gruppen nur den dritten Platz zu erreichen, vom FC Bayern nicht zu reden.

Aber das sind natürlich nur eitle Träume angesichts der Lage der Hertha. Die Mannschaft ist in einem Zustand, in dem wir gar nicht mehr davon ausgehen können, dass Ersatzspieler auf einen Stammplatz drängen. Das erscheint mir als das schwierigste Problem - die Spieler, die allesamt nächstes Jahr anderswo noch einmal von vorn anfangen können, auf das Projekt dieses Jahr überhaupt noch einzuschwören.

Ich rechne mit folgender Elf: Drobny. Pejcinovic - von Bergen - Friedrich - Stein. Cicero - Lustenberger. Nicu - Raffael - Domovchyiski - Pisczek. Eventualitäten: Raffael wird geschont, Ramos an seiner Stelle. Pisczcek spielt in der Viererkette, Bigalke an seiner Stelle auf dem Flügel.

Die Fahrt von Duisburg nach Heerenveen, für die ich mir die Route zumindest schon einmal herausgesucht hatte, spare ich mir - das Wetter ist furchtbar, meine Motivation gering, auch ich konzentriere mich auf Köln.

Dienstag, November 03, 2009

Champion's Bar



Die Sportbar, in der ich in Wien traditionell Fußball schaue - heute zum Beispiel das 0:2 des FC Bayern gegen Girondins Bordeaux. Morgen weiter nach Duisburg, von wo ich am Donnerstag unter Umständen einen Abstecher nach Heerenveen machen möchte.

Sonntag, November 01, 2009

Der zwölfte Mann

Die Hertha hat aus der Ära von Lucien Favre ein Personalproblem übernommen, das sich so auf den Punkt bringen lässt: Sie bräuchte einen zwölften Mann.

Das hat mit dem Verhältnis zwischen Defensive und Offensive zu tun, das der Schweizer Trainer irgendwann nicht mehr zu lösen vermochte. Und es lässt sich an den wechselnden Positionen von Raffael und Kacar veranschaulichen.

Der zwölfte Mann hat im Moment zwei Gesichter: Dardai oder Domovchyiski. Wenn Dardai als zwölfter Mann im Mittelfeld zentral neben Lustenberger spielt, dann ist - Erfahrungswert allerdings aus nur einem Match - die Defensive insgesamt stabiler, dann ist es nicht so leicht, die Hertha über die Flügel auszuspielen, weil sich der gesamte erste Schirm gut verteilen kann. Kacar kann dann weiter vorne spielen, mit Raffael kombinieren, in den Strafraum gehen und einen Partner für Ramos abgeben, der in diesem Szenario allerdings noch einen Mann vor sich hätte, weil Dardai ja der zwölfte Mann ist und deswegen Platz für Domovchyiski als wirklicher Sturmspitze ist.

Gegen Wolfsburg war es ja so, dass Hertha de facto mit einem 4-2-4 gespielt hat, ohne echten Angreifer. Bei Ramos ist aber deutlich zu erkennen, dass er besser eingreifen könnte, wenn er noch einen Kollegen für den Abschluss vor und neben sich hätte. In diesem Szenario wäre dann eben Domo der zwölfte Mann, und Dardai der elfte.

Aus den bekannten Gründen (Tradition, Regelwerk, Fairness, ...) ist das kein realistisches Szenario, deswegen muss Coach Funkel diese Sache jetzt irgendwie ausbaldowern: Spielt Raffael zentral hinter der Spitze Ramos, dann muss Kacar ins Mittelfeldzentrum zurück, die Defensive wird anfälliger, dafür wird Platz für einen echten Flügelspieler (Nicu).

Bleibt Raffael auf links, kann Kacar vor Dardai und Lustenberger spielen, de facto als hängende Spitze, neben einer ihrerseits hängenden Spitze, nämlich Ramos, rechts gehe ich immer von Patrick Ebert aus, der sich allerdings konzentrieren muss, vor allem bei ruhenden Bällen - eine Mannschaft, die im Abstiegskampf praktisch auf Standardsituationen verzichtet wie die Hertha, betreibt Selbstzerstörung.

Wo bleibt bei diesen Gedankenspielen Cicero? Er könnte statt Dardai neben Lustenberger spielen, später wäre Kringe eine Alternative zu Nicu, und Pisczcek eine zu Patrick Ebert und zu Nicu. Im Moment würde ich folgende Konstellation befürworten: ein 4-3-3, bei dem Dardai (Cicero), Lustenberger und vor ihnen Kacar einen zentralen Block bilden, die Linie davor mit Raffael links, Ramos (wenn nötig ab der 60. Minute Domo) vorne, und Ebert auf rechts.

Bei Pejcinovic und Stein sehe ich positive Ansätze, zu von Bergen und Friedrich haben wir ohnehin keine Alternative, und Drobny wird sich langsam wieder konzentrieren. So geht die Hertha in das nächste Heimspiel gegen Köln, das nun wirklich schon deutlich wegweisende Qualität hat. Wie sie das Auswärtsspiel in Heerenveen da noch einbaut, werden wir sehen - am besten, sie entdeckt dort den Torerfolg wieder.

Mittwoch, Oktober 21, 2009

Schuldzuweisungen

Der Kapitän hat diese Woche eine unliebsame Erfahrung mit der Mediengesellschaft gemacht. Er hat sich in Nürnberg allein den Fans gestellt, lange nach dem Spiel und wie schon in Hoffenheim durch das Gitter hindurch. Man hat ihn dort anscheinend den Kampfgeist von Patrick Ebert als vorbildlich geschildert, woraufhin Arne Friedrich in etwa sagte: "Aber dass er beim zweiten Tor den Ball verliert, und wir dann das Tor kriegen, das seht ihr nicht." Die Szene wurde von einem Augenzeugen mit dem Telefon gefilmt und dann ins Netz gestellt (ich finden sie gerade nicht auf Youtube, habe sie aber auch nicht lange gesucht, und zum Berliner Kurier will ich hier nicht verlinken).

Der Eindruck ist verheerend, auch wenn die Tabloids natürlich die große Sache erst so richtig draus machen. Sachlich verhält es sich so, dass Ebert an diesem zweiten Gegentor in Nürnberg nur eine kleinere Schuld trifft, der eigentliche Verursacher war Burchert, dessen Abwurf überhastet und unklug war. Arne Friedrich weist mit Recht darauf hin, dass der genaue Kontext seiner Aussage auf dem Video nur undeutlich verständlich ist. Es ging aber wohl um die für die Fans entscheidende Frage: Wer wehrt sich? Wer zeigt Einsatz? Diese letzte und auch berechtigte Frage enttäuschter Fans (Wenn ihr sonst nichts könnt, könnt ihr nicht wenigstens kämpfen?) lässt Spieler wie Neuendorf, Kovac oder Dardai bis heute populär sein, weil sie so etwas wie eine Bastion bilden (allerdings häufig auch des Unvermögens).

Patrick Ebert ist in dieser Saison fast schon eine tragische Figur, denn seine Bemühungen sind erkennbar, sie sind aber kaum einmal produktiv, weil ihm die Ruhe fehlt und auch die defensive Konzentration. Zudem hat er kaum jemand, mit dem er kombinieren kann, hinter ihm ist eine der größten Problemzonen, vor ihm ist die Leere, in der Wichniarek nach seinen alten Instinkten sucht. Was ihm helfen könnte, sind einfache Dinge: größere Sorgfalt bei den Standards, Weiterarbeit an der ohnehin schon guten Schusstechnik, individuelle Mentalarbeit (wenn er lernt, seine Energien positiver und auch gelassener einzubringen, wird er weiter wachsen).

Ich beobachte Patrick Ebert seit seinen ersten Auftritten bei der Mannschaft recht genau und mit großem Interesse, und teile die Meinung der Fans: Er ist einer unserer Hoffnungsträger. Dass er vor dem zweiten Gegentor in Nürnberg den Ball verloren hat, haben wir sehr wohl gesehen, eine größere individuelle Schuld traf ihn allerdings am ersten. Und selbst deswegen muss sich der Kapitän nicht von ihm distanzieren, auch nicht in einer so emotionalisierten Situation wie in der Fankurve auswärts nach einer desaströsen Niederlage.

Den nächsten Schritt zum Führungsspieler kann Patrick Ebert jetzt machen, indem er diese Sache einfach auf sich beruhen lässt. Er hat die Karriere noch vor sich, das kann man von Arne Friedrich nur noch bedingt so sagen.

Dienstag, Oktober 20, 2009

Schönspielerei

Friedhelm Funkel hat nun zum ersten Mal so richtig zum klassischen Vokabular des Abstiegskampfs Zuflucht genommen. Er hat sich gegen jede "Schönspielerei" verwahrt und auch angekündigt, dass es personelle Konsequenzen geben wird.

Interessanterweise taucht in dem gleichen Zusammenhang in voneinander unabhängigen Presseberichten plötzlich der Begriff "Großverdiener" auf, gemünzt auf Kacar (der, nach allem, was man wissen kann, keiner ist) und Raffael (der auch nur in der relativen Gehaltsstruktur eines armen Clubs wie Hertha als solcher zu bezeichnen ist). Woher dieser Ausdruck kommt, ob er am Ende sogar gestreut wurde, um die Spannung im Kader zu erhöhen, ist unentscheidbar - seltsam ist es allemal.

Die Vorgänge zeugen von der hohen Not, in der Funkel und Preetz stecken. Denn das, was der Trainer als "Schönspielerei" bezeichnet, ist der letzte Rest Qualität in der Mannschaft, und es wäre verfehlt, diese abzuschaffen, weil ihr das Team die Grundlagen entzogen hat.

Wer sind die Schönspieler? Raffael hat diesen Verdacht immer schon auf sich gezogen, weil er es tatsächlich manchmal an defensivem Engagement vermissen lässt (es gab aber auch Spiele, in denen er großartig bissig war), und weil er in schwierigen Situationen dazu neigt, zu viel allein zu wollen. Er ist aber auch das deutlichste Symptom für die Probleme der Mannschaft, in der wenige mit seiner Intelligenz mithalten können.

Seine Dribblings dürfen Funkel nicht verdrießen, sie schaffen Zeit, die Hertha dringend braucht in ihrem so oft überhasteten Offensivspiel. Cicero ist ziemlich sicher der zweite Fall von "Schönspielerei", wobei hier wohl vor allem körper- und leidenschaftsloses Spiel gemeint sein wird. Es ist rätselhaft, wie er heuer in eine so manifeste Form- und Motivationskrise geraten konnte - aber es verdient Beschäftigung, die über die bloße Strafversetzung auf die Tribüne hinausgeht.

Raffael ist kein Caio, es muss unbedingt verhindert werden, dass Funkel da einer kulturell bedingten Verwechslung erliegt. Einige Berichte erwähnten auch eine Blockbildung nach dem Spiel in Nürnberg. Die Brasilianer, also die zwei Schönspieler plus der Nullspieler Cesar, blieben für sich.

Es wird einiger Arbeit bedürfen, dieses Potential für die Mannschaft wieder nutzbar zu machen - mit bloßer martialischer Rhetorik wird das sicher nicht gelingen. Auch wenn der Existenzkampf, zu dem der Abstiegskampf seit Sonntag geworden ist, natürlich zu Beginn einmal nach starken Worten verlangt.

Sonntag, Oktober 18, 2009

Trainereffekt

Hertha BSC ist am Ende. Die Klasse von 2009 des Fußballvereins, dem ich anhänge, hat gestern in Nürnberg bankerott erklärt. Drei Gegentore, keine Gegenwehr, keine Mannschaftsleistung, nur individueller Frust. Aber wie es im Fußball (und im Leben) so ist: Das nächste Spiel wird schon am Donnerstag sein (daheim gegen Heerenveen in der Europa League), und irgendwer muss es bestreiten.

Damit wären wir bei den Aspekten der Situation, die sich noch einer Analyse erschließen, und aus denen sich potentielle Änderungen ergeben (es kann gut sein, dass die tieferliegenden Probleme weder von mir noch vom Trainer noch von Michael Preetz wirklich erschlossen werden können, denn im Moment deutet alles auf eine Mischung aus kollektiver Traumatisierung durch eigenes Verschulden hin, wie soll es dafür eine Therapie geben?).

Wer hat gestern das Match bestritten? Burchert stand notwendigerweise im Tor, da Drobny und Ochs verletzt sind. Die Viererkette hätte ich mit Janker, Friedrich, von Bergen und Stein auch so besetzt. Im Mittelfeld spielten Ebert, Dardai, Kacar und Cicero, vorne Raffael und Wichniarek. Das ist eine plausible, allerdings völlig konservative Variante, die sich auch als wirkungslos erwies. Funkel sucht nach Führungsspielern, und findet sie in der alten Garde. Friedrich, Dardai, Wichniarek. Mit Seniorität allein gewinnt man keinen Abstiegskampf.

Zum Kapitän gibt es keine Alternative, wohl aber muss Funkel nun einsehen, dass Wichniarek nicht in die erste Mannschaft gehört - er ist inzwischen zu sehr mit seinem eigenen Fall beschäftigt, als dass er diesen im Team lösen würde wollen. Deswegen schließt er überhastet und in aussichtsloser Lage schon ab, obwohl er sonst durchaus in der Lage ist, den klugen Pass zu spielen.

Dardai lebt seit vielen Jahren von seinem eigenen, über gute Pressekontakte immer wieder bestätigten Mythos, er wäre eine Stütze. Unsinn, er ist seit vielen Jahren ein Bremsklotz, auch wenn er unter Favre lichte Momente hatte.

Funkel hat sich nun gestern mit zwei tatsächlichen Stützen angelegt, er hat Kacar schon in der 42. Minute und Raffael in der Pause ausgetauscht, während er Wichniarek durchspielen ließ und Domovchyiski bis zum Ende auf der Bank. Er hatte das Match natürlich nach der 60. Minute und dem dritten Gegentor abgeschrieben, wollte es aber auch nicht wenigstens noch für Personalpolitik nützen.

Die Probleme lassen sich individuell benennen, aber nur kollektiv lösen. Burchert fehlt die Erfahrung, das war vor allen im dem Moment zu sehen, in dem er Patrick Ebert vor dem 0:2 einen Ball zuspielte, der zwischen vier Nürnbergern nicht zu verarbeiten war. Das war der Moment, in dem das Spiel brach, denn Ebert hatte schon beim 0:1 sehr schlecht verteidigt, jetzt wurde ihm auch noch ein kapitaler Fehler vom eigenen Keeper untergejubelt - das konnte er mit Eifer und ungeschickter Härte nicht mehr wettmachen. Zumal ja niemand mannschaftsdienlich läuft und dadurch frustrierende Einzelduelle entstehen.

Janker und Stein sind eine Belastung für jedes Team, trotzdem müssen sie weiterhin spielen - da kann man nur auf ein Wunder hoffen, wobei ich bei Janker zumindest den Willen zu sehen glaube, Stein bleibt das eigenschaftslose Rätsel, zu dem er sich hat werden lassen. Cicero würde lieber zentral spielen, da wäre ich auch sehr dafür, allerdings braucht er dafür Instruktionen und mehr Leidenschaft. Zur Zeit gefällt er sich als Mimose.

Kacar muss erst wieder zum Führungsspiel motiviert werden, dafür braucht er eine Konstellation, die ihm liegt. Das HSV-Spiel sollte dabei nicht vergessen werden, denn es begann gut mit einem 4-3-3, ausgehend von dem ich das Mittelfeld und den Sturm so anordnen würde: Cicero. Kacar-Nicu (Lustenberger). Raffael-Domovchyiski-Ebert. Aber ich weiß natürlich, dass Taktik im Moment nur dritt- oder viertrangig ist, denn die Spieler brauchen erst wieder ein Verhältnis zu ihren Job, eine Perspektive für das Spiel, einen Zusammenhalt.

Funkel hat am Freitag angeblich Pogo trainieren lassen, also wildes Hineinspringen in den Gegner, Aggressivität. Die große Zahl an Offensivfouls deutet darauf hin, dass das in die falsche Richtung losgegangen ist. Die Mannschaft kann viel mehr, zumindest aber kann sie das Notwendige, um in dieser Liga zu bestehen. Wie findet sie das wieder? Im nächsten Spiel. Eine leere Phrase? Nicht leerer als der Blick, den Patrick Ebert gestern nach dem Spiel hatte. Leerer geht's nicht.