Mittwoch, April 22, 2009

Attentäter





Die englischen Fußballkommentatoren lassen sich gern dazu hinreißen, immer wieder einmal die "glory of the Premier League" zu beschwören. Das Match zwischen Liverpool und Arsenal gestern hatte allerdings alle Eigenschaften, die dieses große Wort erlauben. 4:4 stand es nach 97 Minuten, für Arsenal stand ein Hattrick plus Bonustor von Andrej Arshavin zu Buche, für Liverpool zwei Tore von Torres und zwei von Benayoun, einem ihrer stärksten Spieler in dieser Saisonphase.

Man kann aber auch mit gutem Grund unterschreiben, was der "Guardian" meinte: "horrible defending" auf beiden Seiten trug wesentlich zu diesem Klassiker bei. Ich will es von der Seite beschreiben, der ich anhänge: Coach Wenger hatte eine wenig offensive Aufstellung gewählt, mit Denilson und Song im zentralen Mittelfeld und Bendtner als einsamer Spitze. Hinten arbeiteten Sagna, Touré, Silvestre und der neunzehnjährige Gibbs, der polnische Keeper Fabianski hatte aus dem FA-Cup-Semifinale einiges gutzumachen und hielt sich sehr wacker.

Wie fallen in so einem Spiel die Tore? Durch naives Spiel der Hintermannschaft in der Nähe des eigenen Tores. Zuerst holte sich Fabregas von Mascherano einen Ball ganz weit vorne, spielte ein feinziseliertes Manöver mit Nasri und legte vom Fünfmetereck zurück auf Arshavin, der den Ball unter die Querlatte setzte. Das 1:0 stellte den Spielverlauf der ersten Halbzeit auf den Kopf, es war dann aber Arsenal selbst, die alles wieder ins Lot brachten. Ein Querschläger von Sagna, eine Flanke von Kuyt, ein fast schon erhaben aufsteigender Torres - Kopfball, Ausgleich. Wenig später ein unnötig verzögerter Rückpass von Silvestre, eine allzu anspruchsvolle Weiterleitung von Fabianski auf Gibbs, ein Rebound, und Liverpool führte.

Danach gab es zwei unglaubliche Tore von Arshavin, den die englischen Zeitungen dafür gleich als "assassin" qualifizierten, und eines für Liverpool, in dem sich der beste Stürmer der Welt (Torres) gegen den schlechtesten Verteidiger von Arsenal (Silvestre) elegant durchsetzte. Kommt die 89. Minute. Liverpool hat einen Corner, der Ball wird geklärt, fällt in den Lauf von Walcott, der aus dem Vorjahr schon weiß, wie es ist, wenn man das Feld an der Anfield Road in Sauseschritt überquert. So richtig sensationell war aber der Lauf des kurzbeinigen Arshavin im selben Moment auf der linken Seite, an das Ende des gefühlvollen Querpasses von Walcott, den Arshavin mit einer Granate verwertete. 4:3.

Danach gab es unerklärliche fünf Minuten Nachspielzeit, vor allem aber einen Spielertausch bei Arsenal: Abou Diaby kam für Nasri, er sollte vermutlich helfen, die Führung über die Zeit zu bringen, entschloss sich aber dazu, das nächste Getümmel im eigenen Strafraum aus sicherer Distanz zu beobachten. Benayoun schoss noch einmal den Ausgleich, das 4:4 ist so fair, wie es ein Ergebnis in einem so wilden, von Unwägbarkeiten aller Art geprägten Match nur sein kann.

Das Ergebnis kam zustande, weil beide Mannschaften spielen wollten, auch dann noch, wenn sie hinten unter Druck standen. Das sah manchmal ganz schön naiv aus, wie vor allem Arsenal den Ball durch das Dickicht von Liverpool aus der eigenen Hälfte zu schmuggeln versuchte, trug aber zu einem denkwürdigen Spiel bei.

Taktisch gesehen, begann Arsenal sich den Punkt in dem Moment zu verdienen, in dem Wenger den überforderten Denilson gegen Walcott auswechselte und damit Balance in die Mannschaft brachte. Manchester United gilt jetzt als eindeutiger Favorit auf den Ligatitel, aber Arsenal fährt ja auch noch nach Old Trafford. Dann spielt Walcott hoffentlich von Beginn an, und Silvestre hoffentlich gar nicht.

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