Freitag, April 29, 2011

Detailarbeit

Die drei Jubelspiele sind noch nicht absolviert, da meldet Hertha schon die ersten Unterschriften: Tunay Torun kommt ablösefrei vom Hamburger SV, Nico Schulz bindet sich bis 2014. Beide Personalien betreffen den gleichen Bereich, nämlich die mit zahllosen Optionen ausgestattete Offensive.

Torun wird als Offensivallrounder bezeichnet, er ist positionell vielleicht mit "Asche" Dejagah zu vergleichen, in der internen Hierarchie sehe ich ihn nicht sofort dicht dran an der ersten Mannschaft, aber vielleicht kann er ja, wenn er verletzungsfrei bleibt, eine Überraschung werden. Nicht wenige gehen davon aus, dass damit der Abgang von Valeri Domovchyiski besiegelt ist, für den es aber erst ein Angebot geben muss - das wohl deutlich unter einer Million liegen wird.

Dass Nico Schulz bleibt, war schon aus Prestigegründen wichtig: Der Junge ist ein echter Sympathieträger, er hat von den "Akademikern" vermutlich die beste Perspektive, viele, auch ich, wollen ihn wachsen sehen. Als Linksverteidiger sehe ich ihn nicht wirklich, aber da könnte man ohnehin vorerst mit Ronny planen (Kobiashvili gehört langsam an die Seite von Dardai).

Wir sehen also, dass Detailarbeit am Kader geleistet wird, das ist auch der einzig gangbare Weg, weil große Lösungen nicht machbar (und nicht einmal notwendig) sind. Für Burchert, Neumann, Perdedaj und Djuricin wird die Transferperiode eine besonders spannende Zeit - sie bekommen indirekt ein Zeugnis ausgestellt, nicht immer wird es leicht verständlich sein.

Der Fall Torun zeigt auch, dass wir auf Gerüchte nicht viel geben müssen - in diesem Fall waren anscheinend alle ahnungslos und überrascht, so soll es auch sein. Das heißt umgekehrt, dass Perdedaj sich wegen Ottl keine Sorgen machen sollte, ohnehin finde ich, das Lustenberger der bessere Spieler ist.

Heute kommen die Sechzger ins Olympiastadion, ich bin aus beruflichen Gründen verhindert, plane dafür aber schon die Fahrt nach Aue (bei der es logistisch einige Herausforderungen zu lösen gibt). Und gegen Augsburg mache ich dann auch bei La Olle mit.

Mittwoch, April 27, 2011

Mission erfüllt

Adrián Ramos weist die Richtung: Für Hertha geht es hinauf, eine Spielklasse höher, Beletage des deutschen Fußballs, wie die Reporter gern sagen. Das düstere 2009/2010 wurde nicht zum Maßstab, die schwierigen Momente auch dieser aktuellen, nur ja nur unter seltsamsten Umständen "durchfinanzierten", sportlich aber zum Glück insgesamt überzeugenden Saison zählen nun auch nicht mehr, denn es ist geschafft: Liga zwee wird ein Kapitel gewesen sein, hoffentlich auf lange Zeit.

Das alles noch einmal Revue passieren zu lassen, dazu werden die kommenden Wochen ausreichend Gelegenheit geben. Bemerkenswert sind jedenfalls die Zahlen, die der Kicker in der aktuellen Printausgabe veröffentlicht: Einen Mitgliederzuwachs um 3000 auf nun 22000 ausgerechnet in der Zweitligasaison zu verbuchen, das ist schon außergewöhnlich. Ich will es gern glauben, denn es sieht auch für mich so aus, dass der neue Hertha-Hype ein gesünderer ist - dass Club und Fans in der schwierigen Zeit zusammengewachsen sind, weil im entscheidenden Moment (also sofort noch dem Feststehen des Abstiegs) richtige Entscheidungen getroffen wurden.

Die zweite Liga gab sportlich keinen richtigen Maßstab, um das Potential dieses Teams einschätzen zu können - dazu waren viele Spiele, wohl auch das gegen Duisburg, das ich nicht sehen konnte, zu einseitig. Deswegen kommt für Preetz und Babbel nun eine noch ungleich schwierigere Aufgabe: Sie müssen einen Kader mit Verdienstvollen durch billige Feinjustierungen auf Vordermann bringen. Das wird spannend!

Sonntag, April 24, 2011

Rugby


Die Osterwoche verbringe ich in Südfrankreich, im Lande des Rugby (im Bild das Feld von Collioure ganz unten in der Kniebeuge zwischen Perpignan und Barcelona). Vom Fußball bekomme ich das Notwendige mit, Spiele kann ich allerdings nicht sehen, für Streams ist die Netzverbindung unserer Wirtin nicht stark genug.

Mit Hertha war die Sache schon weitgehend klar, nach dem Samstag ist sie noch eindeutiger geworden. Nach der Niederlage von Fürth bei den Sechzgern und dem torlosen Remis von Bochum am Tag davor müsste der VfL in drei Spielen im Maximalfall 27 Tore aufholen, um Hertha (bei nicht sehr wahrscheinlichen vier Niederlagen) noch auf Platz drei verdrängen zu können. Die Sache ist so gegessen wie das Osterlamm demnächst in vielen Haushalten, und das ist gut so.

Umso mehr gut auch deswegen, als mein anderer Lieblingsclub sich als der ewige Born von Frustration auf hohem Niveau erweist, als den ich Arsenal seit nun auch schon sieben, acht Jahren gut kenne (davor war das ja mangels Bildern eher eine diffuse Fernbeziehung, alles begann so richtig erst mit meinem Einstieg in das Bezahfernsehen).

Ich werde, schon um meine eigene Enttäuschung zu verarbeiten, bei Gelegenheit noch aufschreiben, wo Arsène Wenger in dieser Saison für mich die entscheidenden Fehler gemacht hat. Im Moment muss ich nur zur Kenntnis nehmen, dass alles dafür spricht, dass der Elsaesser Trainer in den Herbst seiner Karriere tritt - und dass wenig dafür spricht, dass er sich noch einmal als lernfähig erweist, sondern dass wir wohl eine Phase der Agonie mit Arsenal vor uns haben, bevor sich die an sich ja exzellenten Rahmendaten des Clubs auch sportlich wieder auswirken können.

Und dann sind da ja noch die peripheren Dramen, die auch nicht ohne sind - Wolfsburg und Gladbach im Abstiegskampf, der sich direkt auf das Titelrennen auswirkt; die CL mit zwei weiteren Clasicos; und der englische Abstiegskampf, in dem mit West Ham United ein altes Lieblingsteam von mir derzeit am tiefsten drin steckt (obwohl sie mit Scott Parker den PL-Spieler der Saison stellen, ein Mann, von dem Arsenal-Fans heiß diskutieren, ob er in die eigene Elf passen würde).

Für die letzten Wochen der Saison bin ich dann wieder in Berlin, dann werde ich nur noch dann vom Fernseher wegzubringen sein, wenn ich den Zug nach Aue zum Jubelspiel besteige - oder vielleicht die Wanderschuhe für das Erzgebirge schnüre, um als Pilger anzureisen - kein Weg zu mir selbst, sondern zu einer Begegnung, die Hertha danach auf viele Jahre nicht mehr spielen sollte müssen.

Sonntag, April 17, 2011

Dominanzseptakkord

Zwei Punkte aus vier Spielen fehlen Hertha nach dem 4:0 gegen Osnabrück zum sicheren und direkten Aufstieg in Liga uno. Dass sich die irgendwie ausgehen werden, ist in etwa so wahrscheinlich, wie es unwahrscheinlich ist, dass der VfL Bochum aus den letzten vier Spielen das Maximum von zwölf Punkten macht.

Soll heißen: Hertha ist durch, nach menschlichen Ermessen, und das nach einem Spiel, das auf eine sehr bezeichende Weise gewonnen wurde. Denn Hertha war optisch keineswegs vierzunull Tore besser, aber im Effekt, in der Effektivität eben doch. Es reicht, das dritte Tor zu beschreiben, mit dem Bär-Michel Lasogga nach der Pause alles klar machte (nach zwei Treffern in der ersten Halbzeit durch Lasogga und Ramos).

Rukavytsya legte außerhalb des Strafraums auf den jugendlichen Stürmer und Dränger ab, der Pass war ungenau und veranlasste Lasogga zu einigem Strecken und Ausholen, er brachte den Ball aber unter Kontrolle und wandte sich dann entgegen aller konventionellen Erwartung einmal um die 180-Grad-Achse, um so auf seinen rechten Fuß zu kommen - das Bild der drei Osnabrücker Defensivkräfte, die wie beim Squaredance in die andere Richtung strebten, habe ich mir im Stream bei Hertha TV mehrmals hintereinander angeschaut, so köstlich ist es.

Ein satter Schuss genau ins rechte Eck war Lasoggas Beute - er hatte wieder einmal eine Lücke gefunden. Das Spiel vor über 46000 Zuschauern war so, dass Ramos trotz neuerlicher bemerkenswerter Zerstreutheit noch zwei Treffer erzielte, und die keineswegs sattelfeste Defensive wieder zu Null spielte. Hertha war für diese Liga wohl tatsächlich eine Nummer zu groß - wer hätte das gedacht?

Wir haben nun noch bei laufendem Spielbetrieb schon eine Menge Gelegenheit, Überlegungen zu 2011/2012 anzustellen, was Babbel auch mit einer sehr frühen Einwechslung von Friend dokumentierte. Vier Spiele noch, in denen Hertha den Dominanzseptakkord zu Ende bringen kann, um dann mit einem Tusch das Projekt anzugehen, das ab jetzt alles bestimmt: Einen Kader für die erste Liga zu bauen.

Der Bär, den ich vor nicht einmal einem Jahr beim 1. FC Lübars zum ersten Mal über einen Berliner Rasen holpern sah (er hatte sich damals gleich verletzt), er legt auch die Latte für die Transfers in diesem Sommer.

Freitag, April 15, 2011

Sackhüpfen

Sehr oft haben wir in dieser Saison schon das Bild vom Sack vernommen, der auch zugemacht werden muss. Jetzt, nachdem der VfL Bochum gerade 0:3 in Ingolstadt verloren hat, ist über den Sack zu sagen: Wenn morgen noch drei Punkte hineinkommen, nach dem Heimspiel gegen Osnabrück, dann ist er tatsächlich wonneproppenvoll, denn dann könnte bei zehn Punkten Vorsprung auf Platz drei und vier danach noch ausstehenden Spielen wirklich kaum noch etwas passieren.

Anders gesagt: Hertha hat fünf Spiele Zeit, um fünf Punkte zu machen - es bedürfte schon einer historischen Implosion, um das noch zu vergeigen. Zum Glück kann aber morgen mathematisch noch nichts entschieden werden, das ist mir deswegen recht, weil ich nicht dabei sein kann - ich bin in Oberösterreich, der 70. Geburtstag meiner Mutter wird gefeiert.

Von unterwegs habe ich noch einen Fund zu vermelden, ein Kuriosum für Hertha-Fans: Ich habe nämlich in einer Ausstellung in der Wiener Generali Foundation (ein angesehenes, auf kritische, politische Konzept- und Medienkunst spezialisiertes Haus) ein Video der Belgierin Anne Veronica Janssens entdeckt, das den Titel "Berlin Barcelona" (2009) trägt und tatsächlich in einer Montage von rund 15 Minuten das berüchtigte CL-Match zwischen Hertha und dem FC Barcelona im Spätherbst 1999 zeigt - das Nebelspiel, für das die Besucher im Olympiastadion finanziell entschädigt werden mussten, weil fast gar nichts zu sehen war.

Das Video ist großartig, weil darin dann eben doch eine Menge zu sehen ist, zum Beispiel ein gewisser Louis van Gaal, von dem das Management des FC Bayern vor seiner Bestellung ja doch recht sorgfältig verdrängt hat, wie der große Starrkopf seinerzeit in Barcelona gescheitert war; weiters sieht man natürlich Hertha-Legenden wie Gabor Kiraly oder Eyolfur Sverisson (der Vorname ist so großartig, dass ich auf "Jolly" verzichte); und man sieht Manager Hoeneß in Feldherrenuntersicht.

Hiermit ist es also offiziell: Hertha ist Kunst (nur Frank Zander ist Camp).



Dienstag, April 12, 2011

Schienbeinhärte

Mit einem steifen Nacken ist Peter Niemeyer am Montag aufgestanden, mit einer Pudelmütze hat er am Abend sein wichtiges Tor gegen den VfL Bochum gefeiert. Hertha hat sich im "Kracher" der Liga zwee beim VfL mit 2:0 durchgesetzt und hat damit schon gute Gründe, optimistisch in die letzten Spiele zu gehen. Drei Punkte gegen Osnabrück, dann wäre der Besuch in Duisburg schon beinahe eine Bonus-Aufgabe, auf den Besuch der Sechz'ger könnten wir uns richtig freuen, nach Aue würden wir zum Feiern fahren, und gegen Augsburg wäre das Olympiastadion eine Jubelbude.

Die Verantwortlichen hatten alle Mühe, nicht schon in Jubel auszubrechen, aber die Lage ist nun doch recht klar: Hertha kann den Aufstieg nur noch aus eigenem Übermut vermasseln, dass das nicht geschehen wird, dafür gab es in Bochum eine Menge Indizien. Es war kein gutes Spiel, sondern eines, das uns gezeigt hat, warum ein Aufstieg so dringend wünschenswert ist - wenn Hertha wieder an der Evolution des Spiels teilhaben will, wenn es wieder um die wirklich schönen Seiten des Fußballs gehen soll, dann nicht in Liga zwee.

Immerhin kann man sagen, dass Hertha gegen Bochum die Wahl der Waffen angenommen hat - es war ein Spiel, das mit den Schienbeinen entschieden wurde, in intensiven, stochernden Zweikämpfen um einen Ball, der kaum einmal mit längeren Passfolgen über das Feld bewegt wurde. Kobiashvilis brutales Foul an Azaouagh war Symptom dieser Auseinandersetzung, der Bochumer Techniker musste ausgewechselt werden.

Patrick Ebert, dessen tolles Engagement ebenfalls grenzwertig zu werden drohte, blieb zur Pause auch in der Kabine, für ihn kam Raffael, die Doppelsechs mit Lustenberger und Niemeyer blieb im Dienst. Zur Halbzeit führte Hertha mit 1:0 durch einen Freistoß aus großer Distanz, den zweiten Ball übernahm Lasogga von halblinks direkt, und Niemeyer bekam irgendwie den Fuß in den Schuss - es war ein glückliches Tor, entsprach aber doch dem Spielverlauf.

Über die zweite Halbzeit muss man hier nicht viel schreiben, außer eben, dass Hertha sich stellte. Und dass ein Ronny kurz vor Schluss sich noch einmal so kühn in einen eigentlich schon verlorenen Ball wirft und akrobatisch eine Ablage für seinen Bruder produziert, die diesem kein Problem bereitete, das ist jener kleine Überschuss an Leidenschaft, den es bei dieser Hertha-Mannschaft eben gibt, mit Spielern wie Lasogga, Ronny, Ebert, die das gewisse Plus schaffen. Das Plus sind nun sieben Punkte auf Platz drei, und drei Heimspiele von den verbleibenden fünfen.

Montag, April 11, 2011

Tageshotel

Vor dem heutigen Spitzenspiel in Liga zwee zwischen dem VfL Bochum und Hertha BSC werden wir über alle wesentlichen Details bestens informiert. Die Mannschaft aus Berlin wird erst an diesem Morgen nach Düsseldorf fliegen, dann in der Gegend ein Tageshotel beziehen, etwas essen, ausruhen und sich dann allmählich in das Stadion begeben, das Coach Babbel so gut gefällt, weil es, wie er im "Sportplatz" sagte, "old-fashioned" ist.

Es handelt sich um eine reine Fußball-Arena, die traditionell als Ruhrstadion bezeichnet wird, derzeit aber auch den kommerziellen Kampfnamen rewirpower-STADION trägt. Durch die Anreise an Spieltag wollen Babbel und Team die Spannung hochhalten, hoffentlich verdirbt man sich nicht in der Fremde den Magen, wie es einmal Tottenham Hotspur am entscheidenden letzten Saisontag geschehen ist, als sie den CL-Platz noch an den Arsenal FC verloren.

Mein englischer Lieblingsclub musste gestern beim FC Blackpool in einem Stadion antreten, das auch ein wenig altmodisch aussah, und in dem es zu einem denkwürdigen Comeback kam: "Mad Jens" Lehmann musste kurzfristig ins Tor, nachdem Manuel Almunia sich offiziell beim Aufwärmen das Knie verletzte (dies die Sprachregelung für einen der vielen mysteriösen Vorgänge, die Arsenals Keeper betreffen). Almunia durfte danach auch nicht mehr auf die Bank, und tatsächlich schaffte es Lehmann (Bild) in Halbzeit 2, mit einem elfmeterreifen Foul eine ziemliche Schrecksekunde zu erzeugen, zum Glück gab der Referee Vorteil, und Blackpool erzielte einen Anschlusstreffer.

Ich denke, die Sache war regelkonform, denn Lehmann versuchte zwar, eine eindeutige Torchance zu vereiteln, es gelang ihm aber nicht. Arsenal gewann 3:1, spielte nicht überzeugend, sollte aber vielleicht noch einmal Fährte aufgenommen haben im Titelrennen der Premier League. Doch nun volle Konzentration auf den Spannungsaufbau für das rewirpowerSTADION.

Donnerstag, April 07, 2011

Clock End

Hier noch eine Impression vom vergangenen Sonntag, als mir zum ersten Mal aufgefallen ist, dass auch das Olympiastadion ein "Clock End" hat, so wie das Emirates Stadium von Arsenal in Anlehnung an das berühmte Vorgängerstadion von Highbury.

Die Plätze dort sind am seltensten besetzt, nur bei ausverkauften Spielen sieht man auch dort drüben jemand. Interessant, dass die Uhr auf der Stunde null steht, oder auf High Noon, je nachdem, wie man das lieber sehen möchte.

Tatsache ist, dass der VfL Bochum durch seinen wieder einmal denkbar knappen Auswärtssieg in Frankfurt die Sache noch einmal richtig spannend gemacht hat. Denn bei einem Sieg über Hertha am kommenden Montag könnten die ersten drei ganz knapp zusammenrücken, und ich bin sicher nicht der Einzige, der denkt, dass Platz drei für Hertha "not an option" ist - das wäre einfach viel zu riskant.

Nun kommt er also noch einmal zurück, um Berlin zu piesacken, der alte Friedhelm Funkel - schon allein um ihn in die Schranken zu weisen, hoffe ich, dass Hertha am Montag sich richtig ins Zeug legt.

Die Champion's League habe ich diese Woche eher zerstreut verfolgt, dass Schalke 04 in Mailand eher Ricotta als Hartkäse vorgefunden hat, ist mir egal, solange sie nicht ins Finale kommen. Dort sollten nun nach meinem Dafürhalten MeanU und Barcelona hin, das wäre ein schönes Duell, zumal es sich um ein Remake handelt, bei dem ich sehr für große Treue zum Original wäre. Aber ich eile in Gedanken voraus, gemach, gemach.

Montag, April 04, 2011

La Olle


Mit einem Arbeitssieg gegen Paderborn hat Hertha die Punktezahl auf 59 erhöht, und es fällt Coach Babbel zunehmend schwerer, die Euphorie der Berliner Fans zu bremsen. Über 70000 Zuschauer kamen an einem sehr warmen Aprilsonntag ins Olympiastadion, zur Mitte der zweiten Halbzeit ging schon die Welle durch das Oval - La Olle, wie man in Berlin wohl sagen müsste, wo Ola und Welle sich wunderbar leicht fortpflanzen.

Dass die Leistung der Mannschaft nicht berauschend war, führte der Trainer auf das Wetter zurück. Es war auch tatsächlich recht plötzlich sehr warm geworden, ich kam selbst eindeutig overdressed zum Ereignis und eilte dann nach dem Führungstreffer kurz vor der Pause mit meinem Buddy Volker in den Fanshop, um eine Kappe zu erwerben. So heftig brannte die Sonne auf uns, dass ich mich zu diesem Schritt veranlasst sah, obwohl ich eigentlich nicht so der Typ bin, der sich mit Faninsignien zu erkennen gibt, sondern zunehmend eher stiller Genießer (oder stoischer Zeuge, siehe Arsenal).

Der Treffer durch Lasogga war der spielerischen Ratlosigkeit von Hertha geschuldet, bei der Ramos sehr zerstreut auftrat, Ebert viele Bälle vertändelte, Raffael nach dem Raum suchte, und Lell irgendwann die vielen Querpässe im Rückraum nicht mehr mitmachen wollte, er zog nach vorn, zog ab, sein Schuss wäre harmlos gewesen, aber Lasogga hielt die Fußspitze dazwischen.

Die Leidenschaft des jungen Angreifers war so groß, dass er sich gestern sogar eine gelbe Karte für ein Foul einhandelte, das man nicht einmal als taktisch bezeichnen kann, sondern einfach als Überschwang - seine Einstellung ist wirklich vorbildlich, auch wenn seine Körpersprache manchmal ins Komische kippt.

Noch vor der Pause sorgte Mijatovic nach professionellem Ebert-Corner für den Endstand, da waren wir gerade aus dem Fanshop herausgekommen und sahen alles aus der großen Distanz der obersten Ostkurve (abends im Sportplatz dann aber noch einmal scharf und in Zeitlupe).

Gegen Bochum in einer Woche gibt es dann schon drei very big points, die, sofern Hertha sie sich holt, mehr oder weniger Planungssicherheit bringen würden. Doch obacht - das sieht alles sehr deutlich aus, ist aber doch eine ganz enge Kiste, und nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn Hertha noch auf den dritten Rang zurückfällt. Relegationsspiele gegen Wolfsburg. Da lassen wir lieber mal die Olle drüberschwappen über diesen Gedanken.

Sonntag, April 03, 2011

Bunga Bunga

Auf Anregung von Valdano hin habe ich mir gestern den italienischen Klassiko, das Derby zwischen AC und Inter Mailand angesehen, in der Bar dello Sport in der Eisenacher Straße, wo Sky Italia in HD an die Wand gebeamt wird. Es war ein lebendiges Altherrenmatch, in dem ansehnliche Tricks (Seedorf) mit rüden Fouls (Van Bommel) einher gingen, insgesamt gab es viele "Spompanadeln", wie man ihn Wien sagt, und wenig planvollen Fußball. Am Ende siegte Milan mit 3:0.

Für mich war vor allem von Interesse, dass Kevin-Prince Boateng in Italien weiter wächst: Er spielt im offensiven Mittelfeld hinter den Spitzen, später (als Seedorf nicht mehr so konnte) weiter hinten, und hat auf allen Positionen eine bemerkenswerte Autorität. Er weiß inzwischen, wann er was zu tun hat, er beschleunigt das Spiel und kann dann aber auch bei 2:0 und einem Mann mehr den Vierzigmeterrückpass aus dem Fußgelenk schütteln, und zwar in Serie. Der Prinz aus dem Wedding, den auch die Schöneberger Tifosi auf vielfache Weise als einen der ihren feierten, ist im Begriff, ein großer Fußballer zu werden. Jetzt müsste er nur noch in eine konkurrenzfähige Liga wechseln.

Das Mailänder Rasenbungabunga bildete für mich den Abschluss eines langen und unersprießlichen Fußballnachmittags. Eine Weile sah alles gut aus, als nämlich West Ham United (für die ich aus der Kindheit, als Fußballclubs noch vorwiegend auf klangvollen Namen und kaum aus Bildern bestanden, viel übrig habe) zur Pause 2:0 gegen MeanU führte. In Halbzweit zwei drehte Rooney aber mehr oder weniger im Alleingang das Spiel, er nähert sich wieder dieser tödlichen Form, die er vor ungefähr einem Jahr verlor.

Mit 4:2 untermauerte MeanU die englischen Titelambitionen, danach kam Chelsea gegen Stoke über ein 1:1 nicht hinaus, und Arsenal hätte im Heimspiel gegen Blackburn das Titelrennen in einen Zweikampf verwandeln können. Es wurde dann aber nur ein trostloses 0:0, das dritte Remis in Serie einer Mannschaft, die aufreizend lustlos wirkt im Moment - oder ist das eine kleine Depression, nach all den Enttäuschungen der letzten Woche? Arsène Wenger scheint im Moment jedenfalls nicht die Mittel zu haben, da noch einmal für Inspiration zu sorgen. Arsenal spielt ohne Feuer, die Fans im Emirates kommen anscheinend schon abwartend ins Stadion, und wenn sich dann nicht viel tut außer ein paar heiklen Momenten für Almunia, dann wird dieses tolle Stadion wohl zu einem entropischen Ort, an dem sich alles auf torlose Enttäuschung einpendelt.

Die italienische Aufgeregtheit hat mich dann aber für alles entschädigt: Superzeitlupen wie bei Sky Italia haben wir seit der WM nicht mehr gesehen, dazu die ständigen Großaufnahmen von Spielern, die mit diesen Bildern schon zu rechnen scheinen und sich deswegen besonders ins Zeug legen - beim Protestieren, Klagen, Leiden, Hinfallen, Abheben, beim Weltschmerz all'italiana und bei der sinnlos entfesselten Freude eines Cassano, der zwei Minuten vor Schluss per Elfmeter das 3:0 macht (das Match ist längst entschieden), dafür aber so wild jubelt (und seine Tätowierungen freilegt, das Trikot landete irgendwo), dass er sich eine gelbe Karte holt, die er eine Minute später mit einem ungeschickten Foul verdoppelt - es war ein kurzer, heftiger Auftritt, und ich verstehe jetzt, warum die Fans in der Eisenacher Straße die Serie A nicht missen wollen. Sie ist zur Operettenbühne des europäischen Fußballs geworden.

And now for something completely different: In drei Stunden spielt Hertha gegen Paderborn.