Montag, März 29, 2010

Abseitsfalle

Das CL-Finale 2004 ist nicht als Höhepunkt dieses Bewerbs in Erinnerung. Der FC Porto gewann damals gegen den AS Monaco mit 3:0, heute wird das Spiel unter den taktischen Meisterleistungen von José Mourinho unter ferner liefen geführt. Ich denke aber immer noch gelegentlich an einen Moment, in dem alles anders hätte kommen können: Monaco spielt nach ungefähr einer faden halben Stunde einmal einen gefährlichen Pass in die gegnerische Viererkette, Morientes startet exakt rechtzeitig und wäre eigentlich durch gewesen - aber der Linienrichter entschied auf Abseits, die Entscheidung war falsch.

Enge Spiele werden durch definierende Momente entschieden, oft ist es das erste Tor, nicht selten aber auch das erste Tor, das nicht fällt. Dass der Treffer von Gekas am Samstag nicht gezählt hat, ist sehr ärgerlich, obwohl mir der Abstaubergeist eigentlich missfällt, der dahinterstand. Wesentlich aber ist die Geschichte ähnlicher Entscheidungen, die Hertha inzwischen zu tragen hat (und viele Clubs können vergleichbare Geschichten erzählen). Der immer noch wegweisendste dieser Momente liegt bald ein Jahr zurück. Hertha spielt in der vorletzten Runde der Liga gegen die mäßig engagierte Elf von Schalke 04. Einmal in der ersten Halbzeit ist Pantelic durch, er versenkt den Ball, der Linienrichter entscheidet auf Abseits, er liegt falsch!!!!!

Man kann mit guten Gründen argumentieren, dass dieser Irrtum die ganze folgende Saison der Hertha mitbestimmt hat - es ist eine Argumentation im Potentialis, die mich aber trotzdem beschäftigt, weil mich am Fußball ja vor allem die langen, gewundenen, häufig kaum nachvollziehbaren Kausalketten interessieren, das Epische, das Element Sim City.

Die Abseitsregel lässt das Spiel erst so richtig anspruchsvoll werden, und gerade deswegen muss darüber nachgedacht werden, wie sie der Willkür der Unparteiischen im Zweifelsfall entzogen werden kann. Denn tendenziell wird in mit natürlichem Auge uneindeutigen Fällen nicht nur (gegen die Regel) gegen die Angreifer entschieden, sondern auch gegen die "kleinere" Mannschaft - das kann ich statistisch jetzt nicht erhärten, da habe ich nur meine individuelle Empirie aus vielen Jahren.

Der Klose-Treffer neulich gegen Fiorentina ist nur ein besonders flagrantes Beispiel für Entscheidungen, bei denen der Nimbus von Mannschaften mitzuspielen scheint. Aus all diesen Gründen denke ich, dass die Idee eine gewisse Plausibilität hat, dass jedes Team einmal pro Halbzeit (oder vielleicht wirklich nur einmal pro Spiel) eine Entscheidung anfechten dürfen sollte. Das läuft auf den Fernsehbeweis hinaus, für den ich unbedingt bin, aber eben nur unter der Voraussetzung, dass das Spiel nicht in Sequenzen zergliedert werden darf wie beim Basketball. Deswegen muss der Videobeweis sparsam eingesetzt werden.

All das schreibe ich nicht nur, weil sich viele Berliner verpfiffen fühlen, aber auch ich stehe unter dem Eindruck einer Situation, in der die Hertha viel zu lange eigene Fehler gemacht hat, um nun auch noch die von Unbeteiligten verkraften zu können.

Sonntag, März 28, 2010

Abschiebung

Nach dem Regen am Morgen war es schon ein wenig überraschend, dass der Samstagnachmittag gestern optimale Bedingungen für das Spiel der Hertha gegen den BVB bot: der Rasen in gutem Zustand, nach der Pause sogar Frühlingsstimmung, und das Spiel entsprach der Stimmung. Es war eine gute, engagierte Leistung von Hertha gegen eine der besten Defensivformationen der Liga.

Zu einem Tor hat es nicht gereicht, aus zwei Gründen: sehr gute Chancen wurden nicht genützt, und ein Treffer von Gekas wurde von dem Ermessensspielraum verschluckt, den die Abseitsregeln bieten. Coach Funkel hatte im Vorfeld noch von taktischen Veränderungen gemunkelt, auf dem Feld war davon nichts zu sehen, er schickte dieselbe Mannschaft hinaus, die gegen Wolfsburg gewonnen hatte. Alles andere wäre auch ein Blödsinn gewesen, denn diese Elf ist die beste Hertha, die in dieser Saison zu haben ist - dass sie trotzdem taktisch nicht hundertprozentig im Lot ist, hat zu dem frustierenden Verlauf des Spiels beigetragen.

Gekas war gestern wieder passiver als noch vor einer Woche, trotzdem bekam er beste Gelegenheiten, manchmal waren aber auch Abstimmungsprobleme mit Ramos zu erkennen. Ich will zwei Spieler hervorheben, die wesentlich zu Herthas Überlegenheit beitrugen: Lustenberger war großartig im zentralen Mittelfeld, noch stärker aber sah ich Piszczek, der sich für mich zum Mann der Saison entwickelt: Er wird allmählich zu dem ersten wirklich modernen Außenverteidiger, den Hertha überhaupt in der neueren Zeit hatte (als solcher wird er den Club wahrscheinlich verlassen).

Gestern spielte er bei einem seiner Vorstöße den einen Querpass auf Gekas, den dieser am ehesten hätte verwerten müssen. Wenig später antizipierte er eine Blaszczikowsy-Flanke auf Barrios so geistesgegenwärtig, dass er in letzter Sekunde noch vor den Welttorjäger in Position kam und diesen entscheidend stören konnte.

Allmählich wurde klar, dass das ein Abnützungskampf werden würde, bei dem Hertha ans Limit musste. Und dann fiel spät doch noch das Tor, das nach Meinung der Fernsehsender (ARD, Sky) hätte zählen müssen, das der Assistent aber nicht anerkannte: langer Ball auf Gekas, der läuft (wie so oft) aus dem Abseits los, der Ball kommt aber nicht zu ihm, springt auf (Fahne immer noch unten), Santana will das Problem lösen, köpft zu Weidenfeller zurück, zu kurz, sodass Gekas ihn aufnehmen und ins Tor verlängern kann.

Ich habe intuitives Verständnis für Klopps Interpretation, der sagte: Gekas wäre dort nicht gewesen, wäre er vorher nicht im Abseits gewesen, deswegen auch jetzt noch abseits. Die Regel allerdings sieht vor: da die Situation nicht abgewunken wurde, entsteht mit Santanas Ball eine neue Situation, und so hätte der Treffer zählen müssen. Mein Hausverstand sagt: Der Treffer war irregulär. Die Regeln sagen: Er war regulär.

Der Linienrichter brauchte eine Weile für seine Entscheidung, daraus entstand erst so richtig die Wut, die dann durch das Stadion wogte. Man rief "Schiebung", und zwar mit Macht. Die Hertha steht vor der Abschiebung in die zweite Liga, sie kann sich auch bei den Schiedsrichtern beklagen, das ändert aber nichts daran, dass sie wie alle anderen Mannschaften auch gegen die Unwägbarkeiten zusätzlich spielen muss, und das gelang ihr gestern nicht. Zu einem kleinen Teil auch deswegen nicht, weil Coach Funkel am Ende darauf verzichtete, einen offensiven Wechsel vorzunehmen (Domovchyiski für Kacar hätte sich angeboten), er also nicht alles Menschenmögliche mobilisieren wollte. (Das verstehe, wer will.)

Gibt es noch Grund zur Hoffnung? Auf jeden Fall. Die Mannschaft ist jetzt wieder konkurrenzfähig mit der oberen Ligahälfte, die Hertha kann sogar die Meisterschaft mitentscheiden. Sie würde aus sechs Spielen vier Siege und zwei Unentschieden benötigen: gegen Köln auswärts muss nun natürlich gewonnen werden, gegen Stuttgart auch, dann muss Frankfurt niedergerungen werden, und dann könnte es noch einmal sehr interessant werden - daheim gegen Schalke (ein Punkt), auswärts gegen Leverkusen (drei Punkte), daheim gegen den FCB (ein Punkt).

Ein Idealszenario, das aber in der Mannschaft steckt (und das übrigens eventuell trotzdem nicht reichen könnte). Ich bin gespannt, und seltsam guten Mutes. Denn unabhängig von der Tabellenlage bin ich mit dieser Mannschaft inzwischen wieder (fast) einverstanden - leider wird sie aller vernünftigen Voraussicht nach in sechs Wochen in alle Windesrichtungen zerstreut werden. Allmählich sehen auch die Kommentatoren, dass das nicht nur für Berlin, sondern für die Liga einen Verlust darstellen würde.

Samstag, März 27, 2010

Laufgebot

Berlin regnet sich gerade ordentlich ein für das heutige Hertha-Spiel gegen den BVB. Es ist noch einmal spannend geworden, auch ich bin von einem Aufenthalt in Wien rechtzeitig zurückgekehrt, um live dabei zu sein, wenn eine der Mannschaften, die diese Saison die größten Fortschritte gemacht hat, gegen die Mannschaft antritt, die diese Saison den größten Rückschritt gemacht hat.

Nicht zufällig wird der Unterschied läufig mit der Vokabel "läuferisch" beschrieben, was nicht heißen soll, dass es im Fußball nur ums Laufen geht, was aber doch eine entscheidende Differenz markiert. Die Hertha kam zu Beginn der Saison in Schwierigkeiten, weil sie nicht gelaufen ist, weder ausreichend viel noch "richtig", wie Luvien Favre es damals immer gefordert hat.

Heute wird sie ihr Spiel nur dann aufziehen können, wenn sie die läuferische Herausforderung annimmt - und gerade das reizt mich an dieser Begegnung, dass es darum gehen wird, wer sein Spiel durchsetzt. Denn prinzipiell haben der BVB und die Hertha eine vergleichbare Spielanlage, es wird sehr auf die Einstellung ankommen, und auf Details.

Coach Funkel hat angedeutet, dass er im Vergleich zu Wolfsburg umstellen wird: "Vielleicht ändern wir taktisch etwas. Aber keiner verbietet den Spielern, gegen Dortmund nach vorne zu spielen. Wir werden auch in einem anderen Spielsystem sehr offensiv spielen."

Welche Änderung ihm da genau vorschwebt, ist schwer zu sagen. Er könnte versucht sein, Dardai neben Lustenberger aufzubieten, das würde bedeuten, dass er vielleicht Kacar opfert und Ramos auf den rechten Flügel zieht - unmittelbar überzeugend wäre das nicht, aber vielleicht sieht er ja in Schmelzer einen angreifbaren Punkt bei Dortmund. Oder aber Kacar bekommt eine defensivere Aufgabe gegen Kehl, und Raffael rückt auf den rechten Flügel, um in dieser Gegend mehr Abspieloptionen zu schaffen.

Wenn Funkel davon spricht, dass niemand den Spielern verbietet, nach vorne zu spielen, dann will er damit sicher auch Spiele vergessen machen wie gegen Leverkusen, wo Hertha früh in Führung ging, und dann die Pressinglinie so weit nach hinten verlegte, dass der Druck irgendwann zu groß wurde. Dieses Spiel (es endete 2:2) ist nach wie vor eine der Wegmarken für diese Saison, und einer der Gründe, warum meine Skepsis gegenüber Funkel noch nicht so schnell widerlegt sein wird. Mal sehen, was er sich für heute ausgedacht hat.

Eine Kleinigkeit ist noch zu vermelden: Schiedsrichter des heutigen Spiels ist Lutz Wagner, schon wieder zu einem wichtigen Termin ein Unparteiischer, der im Olympiastadion (und nicht nur da) schon eine Menge Blödsinn angerichtet hat. Hoffentlich kommt es heute auf ihn nicht an.

Montag, März 22, 2010

Absurdes Theater

Der VfL Wolfsburg muss das Weiterkommen in der Europa League ganz schön heftig gefeiert haben, denn selten hat man so eine kaputte Truppe in einem Bundesligaspiel gesehen wie gestern, drei Tage später, im Heimspiel gegen Hertha. Das Spiel endete mit 5:1 für die Gäste, und mit Rufen aus dem Berliner Fanblock: Hoeneß raus.

Diese Ironie hat mich besonders befriedigt an einem Abend, an dem fast alles perfekt lief für die nun nicht mehr ganz so hoffnungslos da stehende Mannschaft von Coach Funkel. Zum ersten Mal seit langer Zeit stand eine überzeugende Mannschaft zur Verfügung, aus der ich vor allem den Mittelfeldblock herausheben will: Lustenberger, Cicero und Kacar trugen zu einem 4-3-3 (oder 4-3-1-2) bei, dem Wolfsburg gestern nichts entgegenzusetzen hatte.

Zudem widerlegte Gekas gestern erstmals seine Kritiker (also auch mich) durch intensivere Teilnahme am Spiel und durch drei Tore, die nicht jeder schießt. Trotzdem ist das Caveat wichtig: Es war ein Sieg gegen die nunmehr schlechteste Defensive der Liga.

Den Charakter des Spiels verrät vor allem eine Passage nach der Pause, als eigentlich eine Reaktion von Wolfsburg zu erwarten gewesen wäre (Grafite hatte vor der Halbzeit einen Treffer gegen zwei von Gekas und einen von Ramos aufgeholt). In dieser Phase hatte Hertha eine unbehelligte Ballkontrolle, die an den FC Arsenal denken ließ, und die als solche natürlich nicht nur dem Sky-Reporter als absurdes Theater erscheinen musste.

Das dritte Tor von Gekas (zum 4:1) war dann nicht nur vorentscheidend, es war auch exzellent gemacht, die kleine Korrektur, die der Grieche da an der Bewegung des eigentlich schon wegkollernden Balls vornimmt, bevor er ihn versenkt - das hatte Klasse. Und Ramos setzte dann noch einen drauf gegen Madlung, auch das tat gut.

Ob im Training eigens an der Beseitigung des Schismas zwischen den Südamerikanern und dem Rest der Truppe gearbeitet wurde, oder ob gestern einfach das Zusammenspiel besser klappte, weil es Räume gab, die es so nie wieder geben wird, kann ich nicht sagen. Für meine Begriffe gab es nie ein Passembargo gegenüber Gekas, er war einfach strukturell zu weit weg von einem Offensivspiel, das selten dorthin nach vorn kam, wo er wartete.

Gestern taten sich Laufwege und Passoptionen sonder Zahl auf, und Cicero genoss den Abend sichtlich. Die Fans blieben friedlich, am Ende war die Stimmung versöhnlich und angemessen nüchtern.

Drei Aussagen ergeben einen Kontext für die nächsten Wochen. Marcel Reif formulierte es so: Irgendeine fußballgöttliche Instanz hat der Hertha noch einmal "was ganz Verrücktes in die Hand gegeben - jetzt muss sie auch was daraus machen".

Dieter Hoeneß hatte vorher exklusiv vermeldet, dass die Hertha "jeden in der Liga schlagen" kann (das wird sie jetzt auch tatsächlich können müssen, wenn sie noch einmal auf den Klassenerhalt spielen will).

Die besten Worte fand Michael Preetz, der mich Woche für Woche mit Intelligenz und Wortgewandtheit beeindruckt: Er wies darauf hin, dass die Hertha in der Rückrunde keinem einzigen der drei Auswärtssiege einen Heimsieg folgen lassen konnte, und dass sich daran erweisen wird, was von dem Spiel in Wolfsburg zu halten sein wird.

Am Samstag kommt der BVB ins Olympiastadion, derzeit eines der formstärksten Teams der Liga und allem Anschein nach auch konzeptuell ein paar Niveaus über der Hertha. Das wird ein Spiel, das nun doch noch einmal an Interesse gewonnen hat. Das Personal für einen Sieg hat die Hertha, ob sie auch die Substanz, den Willen, die Leidenschaft und die Ruhe hat, wird sich zeigen.

Ceterum censeo dass Coach Funkel auch im Falle des Nichtabstiegs zurücktreten sollte.

Samstag, März 20, 2010

Käfighaltung

Die Stimmung bei der Hertha habe ich heute sehr konkret mitbekommen. Ich bin zum Amateurstadion gefahren, um mir die U23 gegen Wolfsburg anzusehen (kleiner Test auf den Kategorienwechsel, der mir in der zweiten Liga bevorsteht). Wie gewohnt wollte ich von der U2 aus auf das Gelände, wurde aber schon am Eingang von einem offiziellen Herren bestimmt nach meinem Wohin gefragt, und dann zu einem Fußweg angehalten, der mich weiträumig um den Trainingsplatz herumführte, auf dem gerade die erste Mannschaft beim Üben war.

Die gleich dahinter auf mich wartenden Ordner bestanden dann recht barsch darauf, dass ich da gar nicht lange zu schauen hätte - ich war ja doch einen Moment verblüfft darüber, wie intensiv die Hertha sich jetzt gegen ihre Fans abschirmt. Ein geheimes Abschlusstraining vor dem Spiel mochte bei Lucien Favre noch Sinn gehabt haben, bei Funkel sehe ich nicht, was da ausbaldowert werden könnte - er lässt sich ja doch nie was einfallen, und Standards hat die Hertha seit Jahrzehnten nicht trainiert (so sehen sie jedenfalls aus, die Standards).

Eine Mannschaft ist da in Käfighaltung genommen worden, ich kann mir gut vorstellen, wie das die Stimmung hebt, am Ordnerkordon vorbei zur Arbeit zu gehen. Da ich aber ohnehin ein anderes Ziel hatte, sah ich von Provokationen ab und ging zum Amateurstadion, wo das Spiel schon begonnen hatte.

Patrick Ebert von den Profis war zur Verstärkung abkommandiert worden, sein Einfluss hielt sich in Grenzen. Hertha dominierte gegen Wolfsburg die erste Halbzeit komplett, bekam aber doch vor der Pause ein Gegentor, glich nach einer Stunde aus und verlor schließlich doch mit 1:3. So richtig positiv fiel eigentlich nur Junior Torunarigha, Schütze auch des einzigen Berliner Tores, auf, ein großer, athletischer Zentralstürmer nigerianischer Herkunft, den die Flügelspieler Knoll und Ebert in der zweiten Halbzeit nicht mehr oft genug einsetzten.

Die U23 steckt jetzt schon recht deutlich in der Bredouille, ich werde dem Abstiegskampf in der vierten Liga wohl auch noch ein wenig Aufmerksamkeit widmen - in zwei Wochen gibt es das Derby gegen TeBe.

Unten noch zwei Impressionen: Torunarigha vor faschistischer Architektur, und ein Beispiel für die durchschnittliche Konsummation der Eltern, Freunde, Fans der U23.

Freitag, März 19, 2010

Reizschwelle

Der VfL Wolfsburg hat gestern durch ein schönes Tor von Gentner sehr spät gegen Rubin Kasan gewonnen und ist damit ins Viertelfinale der EL eingezogen. Es war schon nahe Mitternacht, viel Regenerationszeit bleibt nicht für das Match gegen die Hertha am Sonntag. Es macht also durchaus Sinn für Berlin, sich darauf noch einmal richtig einzustellen - trotz der acht Punkte Rückstand im Abstiegskampf.

Die einzige Chance dafür wäre ein Rücktritt von Trainer Funkel gewesen, oder eine Beurlaubung. Michael Preetz, dessen eigene Personalie aller Vernunft nach eng an der von Funkel hängt, hält ihn aber weiterhin im Amt. Dafür gibt es Gründe, die der "Kicker" am Donnerstag recht trocken benannt hat: Es ist keine temporäre Alternative da, und es fehlt das Geld selbst für einen Übergangsmann.

So macht Funkel eben weiter, und die Verantwortlichen erwecken den Eindruck, dass sie die Saison abgeschrieben haben. Sie verzichten darauf, noch einen, späten, letzten Reiz zu setzen, wie man in der Branche zu sagen pflegt. Sie suggerieren damit, dass die Reizschwelle der Mannschaft schon fast unerreichbar hoch ist. So hat man den Eindruck, dass die Woche der Vorbereitung auf das bald auch mathematisch letzte Entscheidungsspiel ereignislos vergeht. Business as usual in einer Situation, in der das Business auf dem Spiel steht.

Währenddessen geht die Diskussion um den Flash Mob vom letzten Wochenende weiter, und sie wird allenthalben tendenziös geführt, wie selbst ein Text in der SZ heute zeigt, wo Fabian Heckenberger so tut, als hätte die Hertha eigens neue, strenge Richtlinien für die Auswärtsfahrer herausgegeben. Im darauffolgenden Satz deutet der Autor an, dass er es besser weiß, dass ihm bekannt ist, dass das ganz genau so schon seit Jahren vor jedem Auswärtsspiel bekanntgemacht wird.

Aber die Suggestion eines nun erst plötzlich auf Durchsetzung von Regeln drängenden Clubs ist ihm wichtiger. So beuten alle das Ereignis aus, dem Preetz und Gegenbauer vermutlich das Hauptaugenmerk dieser Woche widmen mussten. Das nennt man wohl eine Anhäufung, fast schon einen Flash Mob von Problemen.

Dienstag, März 16, 2010

Deeskalation

Zu der Angelegenheit des Flash Mobs im Olympiastadion letzten Samstag melden sich inzwischen ein bisschen zu viele Leute zu Wort. Dass Polizeifunktionäre, die sicher nicht im Stadion waren, jetzt "Geisterspiele" verlangen, ist öder Populismus. Ich glaube, ich habe relativ genau hingesehen, und was ich gesehen habe, war: die Fans schwärmten ohne konkrete Agenda in Richtung Kabinenzugang, sie hatten Fahnenstangen in der Hand, viele waren vermummt. Gewalt gegen Ordner oder Polizisten habe ich nicht gesehen, es ist auch in den Berichten nicht die Rede davon. Bleibt der Vandalenakt mit der Trainer- und Ersatzspielerbank, die als Ersatzobjekt traurige Symbolkraft auf zahlreichen Montagszeitungen bekam.

"Auf die Fresse" war angeblich die Parole, das klingt brutal, ich lese es aber als Zeichen der Ohnmacht: Die Hertha bietet einfach keine satisfaktionsfähige Appellationsinstanz im Moment. Was die Fans tatsächlich getan hätten, wenn sie zu Arne Friedrich und Friedhelm Funkel durchgedrungen wären, will ich mir nicht ausmalen müssen - zum Glück kam es nicht so weit, und um dies zu verhindern, bedurfte es keiner Gewalt. Ich weiß, dass es im inneren Kreis der Fans auch solche gibt, die nach Gelegenheiten suchen, um Böller knallen zu lassen und generell die zivile Fankultur, die bei der Hertha vorherrscht, aufzumischen. In einem proppenvollen Regionalexpress nach Cottbus habe ich einmal entsprechende Strategiegespräche mitgehört, beim Auswärtsspiel vor einem Jahr war das, da gab es dann auch tatsächlich Zoff im Herthablock, und Patrick Eberts Geste des Unverständnisses nützte da auch nichts.

Aber ich will das einfach nicht mit den großartigen Auftritten der Ostkurve gerade auch "on the road" verrechnen müssen - die Randale von Samstag (mit vielleicht zwei Böllerschüssen) war falsch, aber man kann in Deutschland auch weiterhin ohne Angst zum Fußball gehen. Der wahre Schaden erwächst der Hertha ohnehin erst aus den Fotos, den Schlagzeilen, aus der sekundären Medienwahrnehmung des Ereignisses: Hier akkumuliert sich die Sachbeschädigung zu Vereinsschädigung, aber daran denkt natürlich keiner, der sich gerade von seinem Club verraten fühlt und voller Adrenalin und Alkohol gerade den Graben überquert.

Michael Preetz hat von "deeskalierendem Verhalten" der Ordner gesprochen, das wird ihm fast durchweg als Euphemismus ausgelegt, dabei hat er in der Sache recht. Im Stadion ging die Sache glimpflich aus, man muss sie jetzt nicht mit aller Gewalt zu einem "casus belli" machen.

Montag, März 15, 2010

Kopfrechnung

Auf "fünf bis zehn Prozent" wird die Chance der Hertha beziffert, in diesem Jahr den Klassenerhalt noch zu schaffen. Angesichts dieser Ausgangslage hat Präsident Gegenbauer denn auch im RBB am Sonntagabend eingeräumt, dass man sich nun auch "öffentlich" mit der Zweiten Liga beschäftigen werde. Das war eine sinnvolle Differenzierung, denn dass das bisher auch schon geschehen ist, war klar, nun aber geht das große Rechnen los.

Ich schreibe einmal auf, wie sich die Lage einem Laien darstellt: Hertha wird im Sommer deutlich über 30 Millionen Euro Schulden haben, das Geschäftsjahr wird nach allem, was man vermuten muss, negativ abgeschlossen werden. Dem stehen potentielle Transfererlöse gegenüber, die man nicht zu hoch ansetzen darf: Außer Raffael sind seit Funkels Amtsantritt alle verkäuflichen Spieler beschädigt worden, in erster Linie Kacar (bei dem auch Verletzungen dazu kamen), aber auch Ebert, Friedrich, Domovchyiski. Lustenbergers Wert sollte gestiegen sein, er wäre aber auch gut in der zweiten Liga zu gebrauchen.

25 Millionen wird die Hertha wohl in die 2. Liga mitnehmen. Dort ist keine Gebarung vorstellbar, bei der wesentlich mehr drin ist als der Zinsendienst, getilgt kann da allenfalls minimal werden. Bleibt als einzige Möglichkeit die Investition in Spieler: billig kaufen, Marke teurer machen, mit Gewinn weiterverkaufen, dabei aber die Mannschaft nicht schädigen (wie es im Fall Simunic der Fall war).

Das wird schwierig angesichts der eher dürftigen Erfahrungen der Hertha in dieser Angelegenheit. Beispiel Ramos: guter Einkauf, aber der Trainer stellt ihm im zweiten Halbjahr Gekas und ein dafür umgestelltes System vor die Nase, Ergebnis: beide treffen fast nie.

Dazu kommt, dass die Nachwuchsarbeit der Hertha, vor wenigen Jahren noch hochgelobt, anscheinend eine Pause genommen hat. Die U23 kämpft auch gegen den Abstieg, es könnte sein, dass Hertha in diesem Jahr mit allen Mannschaften eine Liga tiefer muss. Die zweite Liga wird für Hertha, mehr als für die Konkurrenz, ein Poker auf den sofortigen Wiederaufstieg. Ein Poker mit schwachem Blatt.

Ceterum censeo dass Funkel zurücktreten sollte.

Sonntag, März 14, 2010

Flash Mob


Gestern habe ich einen Blödsinn gemacht. Ich bin ohne Geldbörse ins Olympiastadion gefahren, stand deswegen auch ohne Dauerkarte vor dem Einlass, und war schon im Begriff, wieder heimzufahren. Dann fiel mir ein, dass der Feuilletonchef einer einflussreichen linken Wochenzeitung ja immer ganz in meiner Nähe sitzt, ich rief ihn an, er kam ans Osttor und reichte mir, wie einem Sträfling, zwanzig Euro durch das Gitter.

So konnte ich von einem wenig honorig aussehenden Schwarzhändler eine sogenannte Ehrenkarte erstehen, und saß folgerichtig nicht auf meinem angestammten Platz, als Hertha gegen Nürnberg spielte. Ich saß unter den Freibierfans, die von den Halbzeiten meistens die erste Viertelstunde versäumen, weil sie da noch am Büffet sind. Besser wäre gewesen, ich wäre einfach wieder heim gefahren.

Hertha musste unbedingt gewinnen, und so spielte sie auch in der ersten Halbzeit - leidenschaftlich, aber auch ein wenig konfus, mehrfach traf sie den Pfosten, mehrfach rettete Schäfer, bevor Gekas schließlich eines jener Tore erzielte, auf die er spezialisiert ist - er staubte ab, nachdem Cicero im Fünfmeterraum der Ball vor die Füße gefallen war, er ihn aber nicht selbst verwerten konnte.

Guten Mutes ging die Mannschaft in die Pause, und die Freibierfans strömten in die Cateringbereiche. Nach der Pause hatte das Spiel ein bisschen weniger Spannung, und in der 61. Minute erzielte Bunjaku nach einem Eckball den Ausgleich für Nürnberg - der Hertha-Kapitän Arne Friedrich hatte ihn frei zum Kopfball kommen lassen, wie man so schön sagt (genau genommen sah der künftige Wolfsburger Abwehrchef schon zum dritten Mal in Serie recht blöd aus in einer Szene, die zu einem Treffer gegen Hertha führte: Hoffenheim, Hamburg, Nürnberg).

Danach fehlte dem Publikum noch nicht ganz, wohl aber der Mannschaft der Glaube, die Ordnung ging verloren, und Nürnberg hätte schon früher als ganz zum Schluss einen Konter verwerten müssen. Charisteas war es schließlich, der Hertha BSC Berlin 2010 in die zweite Liga schoss - ich weiß, ich weiß, mathematisch, und so weiter... Aber das war es. Eine Mannschaft, die keine zwei Halbzeiten auf Niveau hinbekommt, kann die erste Liga nicht halten.

Kurz nach Abpfiff stürmten Fans aus der Ostkurve das Spielfeld, es war eine verwirrende Szene, in der die Ordner nach kurzer Zeit das einzig Richtige taten: sie sperrten den Zugang zu den Katakomben, und als die Polizei kam, war der Flash Mob schon wieder auf dem Rückzug. Dieter Hecking sprach hinterher mit der moralischen Entrüstung des Rechtschaffenen von "Kriminalität pur", die ARD genüsslich von "Chaoten". Gewiss, die Zerstörung der Ersatzbank ist unentschuldbar, und man soll auch keine Kabelrollen mit dem Turnschuh treten, und man soll vor allem nicht mit Stangen fuchteln.

Aber man muss doch auch ein wenig Verständnis dafür haben, dass da eine der besten Fangruppierungen des Landes, die diese ganze finstere Saison hindurch ausschließlich affirmativ gearbeitet hatte, nach jemand suchte, bei dem sie ihre Riesenenttäuschung hätte abladen können. Dass es dafür bei der Hertha niemand gibt, das ist die eigentliche Katastrophe, sie geht über den Spieltag und den Abstieg hinaus: Denn wer soll diesen Club jetzt noch auffangen?

Friedhelm Funkel? Wenn er ein wenig Anstand hat, dann tritt er noch heute zurück, nicht wegen der Niederlage gestern, sondern wegen der Saisonleistung unter seiner Leitung. Michael Preetz? Ich schätze hoch, wie gut er diese Krise nach außen hin moderiert, aber er hat wohl inhaltlich und sportlich zu viele entscheidende Fehler getroffen oder zugelassen. Werner Gegenbauer, der gleich nach dem Spiel von "Schrammen" am Image von Hertha BSC sprach? Gute Nacht.

Sonntag, März 07, 2010

Kleinigkeiten

Für das 0:1 der Hertha beim HSV hatten Coach Funkel und Manager Preetz schnell den Schuldigen gefunden: Referee Fleischer hat nicht wirklich entscheidende Fehler gemacht, aber viele "Kleinigkeiten" gegen Berlin gepfiffen. Tatsächlich gab es vor allem zahlreiche falsche Abseitsentscheidungen (übrigens auf beiden Seiten), es gibt aber auch begründeten Zweifel daran, dass Herthas Offensivkräfte (Kringe!) eine der sich ergebenden Chancen verwertet hätten.

Zu den Erkenntnissen der letzten Spiele gehört nämlich auch, dass der weiterhin aktive und stellenweise gefährliche Ramos vor dem Tor nicht immer die Koordination und Ruhe hat, die er bei seinem sieben Treffern bewiesen hat. So blieb es gestern wieder einmal bei einem Lattenschuss.

Der Trainer hatte die Mannschaft zentral massiert, indem er Gekas für Dardai opferte. Das ergab ein System, das ich insgesamt in dieser Saison für Hertha gescheiter finde: Raffael zweiter Stürmer, zwei "Winger", zwei zentrale Kräfte, die durchaus aus offensiv werden können. Nach einer guten halben Stunde hatte sich der HSV mürbe gespielt, und die kampfstarke Hertha hätte nun ein wenig das Tempo anziehen können.

Aber in dieser Situation erwies sich eine Kleinigkeit, die für dieses Team charakteristisch ist: Es hat keinen Sinn für Spielsituationen, für Rhythmuswechsel (beigebracht bekommen), es spielt einfach weiter auf das hin, was sich ergibt. Da Hertha das verwaiste Kommando nicht übernahm, traf dann doch der HSV noch vor der Pause.

Die zweite Halbzeit gehörte Berlin, ohne dass der Besitz in einen zählbaren Erfolg umgewandelt worden wäre. Dazu fehlt es einfach weiterhin an den Grundlagen - wenn Kringe eine aussichtsreiche Konstellation durch eine Slice-Flanke ins Niemandsland vergibt, dann ist das nur symptomatisch für die mentalen und technischen Qualitäten dieser Mannschaft zu diesem schwierigen Zeitpunkt.

Der Coach brachte mit seinen Wechseln die Sache auch eher durcheinander als voran: Zuerst kam Wichniarek für Dardai (auch der Pole ist kein Flankengott), dann Gekas für Piszczek, und erst in der 83. Kacar für Ramos. Vielleicht ließ es der Fitnesszustand von Kacar noch nicht zu, aber die logische Einwechslung wäre gewesen: Kacar für Dardai nach 60 Minuten. Gekas und Wichniarek waren wieder einmal Vorgaben, Domovchyiski saß dieses Mal wenigstens wieder auf der Bank (er wird unser nächster Samba, bei seinem nächsten Verein wird er groß herauskommen).

So blieb es beim knappen Scheitern, und die Analyse der Verantwortlichen lag gar nicht falsch: Viele Kleinigkeiten fehlten zum Punktgewinn, die Unparteiischen steuerten ihren Teil zu den Kleinigkeiten bei. Es war, man muss es so sagen, einfach insgesamt ein dürftiges Match.

Freitag, März 05, 2010

Krisensitzung

Das Hertha-Präsidium, dem von der informellen Hertha-Autorität Axel Kruse geringe Fußballkompetenz attestiert wird, hat in einer Krisensitzung die Krise beigelegt und alles so belassen, wie es gerade ist: Coach Funkel darf weitermachen, Manager Preetz auch, Präsident Gegenbauer sowieso (für den ist das Präsidium nämlich nicht zuständig, dem er ja vorsitzend angehört).

Alles andere wäre ein Blödsinn gewesen, niemand mit Vernunft wird jetzt (noch) einen Trainer hinauswerfen, bei dem sich die letzte Chance nach dem Spiel gegen Spiel gegen Mainz geboten hatte. Sie wurde vertan, auch deswegen, weil Manager Preetz seine eigene Personalie mit der Funkels eng verknüpft hat. Das konnten wir bei den Wintertransfers sehen, deren zentrale Personalie Gekas ausdrücklich von Funkel forciert wurde, mit all den Folgen für das Mannschaftsgefüge, die hier schon vielfach erörtert wurden.

Inzwischen ist der Trainer längst über das Stadium hinaus, in dem er sich auf das Chaos des Herbsts hinausreden kann. Spätestens seit dem Spiel gegen Schalke im Herbst, als er Wichniarek statt Ramos hinausschickte, macht er Fehler auf eigene Rechnung, und seit dem Spiel gegen Mainz steht die Mannschaft auf dem Tabellenplatz, auf den sie in diesem Jahr bisher hintrainiert wurde.

Bei Michael Preetz wird es jetzt darauf ankommen, dass er seine Funktion als Sportdirektor endlich stärker konturiert - es ist sein Kader, er muss Perspektiven aufzeigen, er muss erkennen lassen, dass er um die Defizite und Potentiale weiß (seine Interviews auf Sky lassen eigentlich darauf schließen, dass er ein gutes Auge hat, er bringt die Spiele meist sehr analytisch auf den Punkt).

Dass er sich von Funkel zu einer Verlängerungsklausel im Nichtabstiegsfall hat nötigen lassen, war ein Fehler, denn jeder Verein wird nach einer Saison wie dieser nach einer Möglichkeit suchen, sich neu aufzustellen - gleich in welcher Liga. Die Hertha muss in jedem Fall ganz von vorn anfangen, in erster Linie aber muss sie morgen gegen den HSV spielen. Zum Glück ist es ein Auswärtsspiel.

Dienstag, März 02, 2010

Aaron Ramsey

Nach der Niederlage gegen Hoffenheim am Samstag bin ich mit dem Wissen um den besten Trost nach Hause gefahren, den ein Fußballfan haben kann: Um 18h30 begann schon das nächste Match. Arsenal trat bei Stoke City an, dass es eine schwere Aufgabe werden würde, war von vornherein klar. Stoke ist eine jener englischen Mannschaften, die es gelernt haben, den reicheren Clubs das Leben schwer zu machen. Bolton, Wigan, Sunderland, Hull und Birmingham fallen in die gleiche Kategorie, sie alle haben Spielkultur, vor allem aber ungeheuren Einsatz, wie sich auch am Samstag wieder zeigte.

Es war ein so unglaublich umkämpftes Match, dass das Foul von Shawcross am Ramsey nach 65 Minuten wie eine Konsequenz daraus wirken musste: es war ein Tackling, dessen üble Folgen gewiss nicht beabsichtigt waren, Ramsey war eine Spur früher am Ball, Shawcross traf geradeaus seinen rechten Unterschenkel und brach ihm Schien- und Wadenbein. Es war ein Foul, von dem Sky keine Zeitlupe zeigen wollte. Minutenlang standen alle Spieler entsetzt auf dem Platz herum, die Szene erinnerte fast schon unheimlich an die vor fast genau zwei Jahren, als Eduardo in Birmingham das gleiche widerfuhr.

Arsène Wenger hat es nicht versäumt, das Ereignis zu "melken": Er verwies darauf, dass Arsenal in den vergangenen Jahren drei derartige Verletzungen zu beklagen hatte (Abou Diaby, Eduardo, Ramsey), dabei unterschlug er, dass von Abou Diaby einige Tacklings in Erinnerung sind, die ähnlich übel hätten ausgehen können.

Er hat also übertrieben, in der Tendenz liegt er schon deswegen nicht falsch, weil technisch begabte, schnelle Spieler größeren Gefährdungen unterliegen. Was ich aber überhaupt nicht verstehe, sind die Fankommentare in verschiedenen Zeitungen (zum Beispiel im Wiener Standard, aber auch im Guardian wird wütend auf- und abgerechnet): da wird selbst eine schwere Verletzung noch zum Gegenstand kindischer Parteilichkeit und gehässiger Clubtreue.

Wie gesagt, ich war schon die ganze Stunde vor dem Foul wie elektrisiert gewesen von der Intensität, mit der in Stoke zwei Teams versucht hatten, ihr Spiel durchzusetzen. Arsenal gewann schließlich 3:1, aber selbst der am Sieg maßgeblich beteiligte Fabregas ließ sich am Ende noch zu einem üblen Rachefoul hinreißen. Von solchen Spielen hat die Hertha überhaupt keine Ahnung - ist das nun gut oder schlecht?