Donnerstag, September 29, 2011

Hafenarbeiter

Zehn Minuten vor Ende der CL-Begegnung zwischen Arsenal und Olympiacos Piräus gab es gestern ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Die griechische Mannschaft lag mit 1:2 im Rückstand, sah aber noch Chancen auf einen Ausgleich. Zu diesem Behufe wurde ein Stürmer eingewechselt, den wir alle sehr gut in Erinnerung haben: Marko Pantelic.

Ich hatte ehrlich gesagt eine Weile nicht an ihn gedacht gehabt, nun musste ich gewärtigen, dass er durch ein spätes Tor weiter zu den Schwierigkeiten von Arsenal beitragen würde. Er blieb aber wirkungslos, das Ergebnis blieb bis zum Schlusspfiff bestehen.

Es gab bei Piräus übrigens noch einen Spieler mit Hertha-Bezug. Im defensiven Mittelfeld spielte der Serbe Ljubomir Fejsa, um den sich der damalige Manager Hoeneß in jenem Sommer bemühte, in dem Lucien Favre kam. Die Namen von damals sind mir alle noch präsent, ich habe jedenfalls ein Auge auf ihr Geschick: Blerim Dzemaili, der sich jetzt bei Napoli etabliert hat (nach vielen Verletzungssorgen in England); Gökhan Inler, inzwischen auch in Neapel, sodass ich die beiden im Spiel gegen den FCB sehen werde können, oder zumindest einen von ihnen.

Fejsa spielt bei Piräus den Ottl, in einem allerdings deutlich offeneren System als Hertha es interpretiert. Die Scouts werden wegen seiner Leistung nicht gleich zu rotieren begonnen haben, aber er hat eine gute Partie gespielt, mit Beteiligung an Torszenen und großer Störaktivität im Mittelfeld. Arsenal hatte dadurch Schwierigkeiten, den Ball zu halten.

Eine der Geschichten, die dabei auch zu vermerken ist, ist der Niedergang von Tomas Rosicky, der nach seiner langen Verletzung nicht mehr an früheres Niveau anschließen konnte. Angeblich wollte sein Berater ihn in diesem Sommer sogar zum BVB zurückbringen, hatte dabei aber seine Rechnung ohne Klopp gemacht. Für Hertha ist er viel zu teuer, hier wird er aber auch nicht gebraucht, denn in Berlin spielt Raffael, der - hier schließt sich der Kreis meines heutigen Eintrags - einem vagen Gerücht zufolge inzwischen sogar von Arsenal beobachtet wird, nach seiner Leistung in Dortmund neulich.

Das würde dem Epos der Hertha 2008 eine bemerkenswerte Facette hinzufügen, muss aber als Neuigkeit von mäßiger Relevanz betrachtet werden. Rararaffael engagiert sich intensiv in Berlin, nun muss der Trainer ein System bauen, das den Brasilianer ein bisschen weniger einsam sein lässt im Offensivspiel.

Montag, September 26, 2011

Sollbrychstellen

Es war ein Bild wie aus einem anderen Genre, diese halbnahe Einstellung auf Markus Babbel nach dem Spiel gegen Werder Bremen am Sonntagnachmittag. Ein Mann allein am Rand eines Massenereignisses, der sich nichts anmerken lassen möchte, der aber kaum merkbar und doch deutlich mit den Tränen kämpft - wenig später hatte er die Fassung wiedergefunden, und sowohl er wie auch Manager Preetz kommentierten so gelassen wie möglich ein denkwürdiges Spiel.

Es ging durch ein Kopfballtor von Claudio Pizarro nach Corner von Marin und Verlängerung durch Rosenberg in letzter Minute mit 1:2 verloren. Das Bemerkenswerte dabei war die Konstellation: Hertha spielte eine halbe Stunde mit neun Mann, nach gelb-roten Karten gegen Lell und Ramos. Und selbst unter diesen Umständen hätte Raffael beinahe davor noch ein Tor für Hertha erzielt.

Entscheidend war schließlich, dass es ganz am Ende, in der dritten Minute der Nachspielzeit, nicht gelang, diesen Eckball zu verhindern. Zwischen den Zeilen von Michael Preetz konnte man hinterher selbstverständlich hören, dass er mit dem Refereeing unglücklich war. Das liegt daran, dass es in diesem sehr engen Spiel zahlreiche Ermessensentscheidungen gab, bei denen Hertha des Öfteren das Nachsehen hatte - wesentlich sicher beim Ausgleichstreffer durch Pizarro nach früher Führung durch Ramos.

Es war bis zum Ausschluss ein faszinierendes Schulspiel für Systemanalytiker - hier die massierte Defensive von Hertha, der sich häufig auch Raffael und gelegentlich (für den Ausschluss jedoch entscheidend) auch Ramos anschloss; dort die Bremer Raute, mit einem sehr flexiblen Arnautovic als zusätzlicher Option quer über den Platz. Bei Hertha hingegen fanden Ebert und Torun nicht gut ins Spiel, sodass Raffael und Ramos häufig die Gegenangriffe zu zweit veranstalten mussten - in der dritten Minute reichte das auch für ein schönes Tor durch Ramos, der die große Bremer Zerstreutheit in dieser Situation elegant ausnützte.

Danach begann Bremen allerdings seine Klasse auszuspielen. Sie spielten so gut es ging in den sehr engen Räumen, die Hertha ließ, und so wurde es ein Abnützungsspiel, in dem sich eine Szene als wegweisend erwies: der aufgerückte Lell sah sich irgendwann zu einem taktischen Foul gezwungen und sah dafür die gelbe Karte, an der auch nichts auszusetzen war. Diskutabler war eine erste gelbe Karte gegen Ramos, auch hier wertete Referee dies wohl als taktische Unterbindung eines interessanten Spielzugs, ich glaube, dass er hier zu streng war.

Er legte damit aber wohl den Grundstein für das Element Frust bei Ramos, das schließlich nach einer Stunde nach einem neuerlich eher kleinlichen Pfiff dazu führte, dass der Kolumbianer den Ball eher wegschupfte als -schlug - korrekt sah er dafür die zweite gelbe Karte, und doch war das auch ein Moment, in dem man sehen konnte, wie kleinlich und maßregelnd der Fußball geworden ist, denn es war eindeutig eine Szene mit Toleranzspielräumen.

Hertha hatte da schon Lell verloren, der es mit seinem offensiven Engagement übertrieben hatte - eine taktisch völlig isolierte Balleroberung am gegnerischen Sechzehner muss nicht mit der Verve versucht werden, mit der Lell da vorging. Dumm gelaufen, gegen Bayern ist er hoffentlich wieder dabei, und Janker schlug sich als sein Deputy gar nicht so schlecht.

Coach Babbel nahm die notwendigen Wechsel vor, stutzte beide Flügel und brachte Lustenberger, sodass Hertha nun mit einem 4-2-1-1 bzw. 4-3-1 versuchte, das 1:1 über die Zeit zu bringen. Das wäre beinahe gelungen, bis Claudio Pizarro kam, dem im Übrigen davor in einer Szene mit Hubnik ein weiterer Kopfballtreffer aberkannt wurde, bei dem Hubnik genau so gefoult hatte.

Der Referee schuf sich die Sollbruchstellen des Spiels selber, weil er es schwer lesbar machte für die Spieler und weil er in der zweiten Halbzeit begann, eigene Entscheide von früher ein wenig zu kompensieren (siehe Hubnik, da profitierte Hertha davon). Das Spiel entschieden hat Brych nicht, er hätte jedoch den ersten Kopfballtreffer von Pizarro wohl nicht anerkennen dürfen - nach Lage der Dinge wäre für Bremen aber auch danach alles möglich gewesen. Wie auch für Hertha. Dieses Wissen hat Babbel wohl die Tränen in die Augen getrieben. Nur für einen Moment, dann wird er sich gedacht haben: Diese Spielanlage ist ein Fundament, auf die man aufbauen kann. Und so ist es ja tatsächlich.

Samstag, September 24, 2011

Rasenball

Den prächtigen Herbstnachmittag habe ich heute zu einem Ausflug ins Amateurstadion genützt. Ich kam ein wenig zu spät, und bekam deswegen nicht mit, warum Yigitoglu ausgeschlossen worden war - ich sah nur noch, dass Burchert einen Elfer von RB Leipzig hielt, und dass es mit 1:0 für Hertha BSC II in die Pause ging.

RB steht für RasenBallsport oder Red Bull, je nachdem, wie man diesem Verein gesonnen ist - diejenigen, die den Sportsponsor Mateschitz nicht mögen, nehmen ihm das RasenBallsport nicht ab. Dass Peter Pacult jetzt eine Mannschaft aus der vierten deutschen Liga coacht, war für mich ein zusätzlicher Grund, mir dieses Spiel anzusehen, in dem ich zudem Marco Djuricin, Fanol Perdedaj und Alfredo Morales zu sehen bekam, während Sebastian Neumann nach der Situation ausgetauscht wurde, die dem Elfmeter vorausging.

Das Spiel ging schließlich 1:2 verloren, in Halbzeit zwo setzten sich die Gäste gegen die numerisch unterlegene Mannschaft von Hertha durch. Es gab einfach zu wenig Entlastung. Was war zu beobachten? Allenfalls Marginalia. Perdedajs Aggressivität ist großartig, schade, dass er momentan so weit von der ersten Mannschaft weg ist. Djuricin hatte einen schweren Stand, er hätte vielleicht nach dem Ausschluss ein wenig mehr Pressing spielen können, dann wäre er aber wahrscheinlich für die wenigen Konter nicht mehr frisch gewesen. Dumm gelaufen, würde ich sagen, aber nicht weiter schlimm. Perdedaj war allerdings wirklich sehr enttäuscht, das war ihm nach dem Abpfiff anzumerken.

Unter den Fans habe ich auch einen waschechten New Yorker Hipster kennengelernt, einen Musiker, der sich allerdings zumindest in einer Hinsicht vom Stereotyp unterscheidet: Rob Ryan wohnt in Schöneberg und nicht in Kreuzkölln. Er zeigte seinem Freund Mike, der den Marathon laufen wird, mangels Hertha I, die ja morgen in Bremen antritt, einfach Hertha II. Wir haben dann eine Weile darüber gescherzt, was für einen großartigen Vornamen Pal Dardai hat, wenn man seinen Namen amerikanisch versteht: "Kumpel" Dardai, das trifft's doch. Ich hoffe, der alte Antreiber wird ein Spitzencoach. Außerdem hoffe ich, dass Ramos gegen Bremen fit ist.





Donnerstag, September 22, 2011

Rostlaube

Vertrauen in Arsène Wenger war über viele Jahre das erste Dogma beim Arsenal FC. Er hat den Club ja in den 1990er Jahren wieder auf Vordermann gebracht, und wenn er nun nach den schlechten Leistungen der letzten Wochen und Monate auf Kritik stößt, dann verweist er hartnäckig auf die 15 Jahre seiner Tätigkeit. Leider kann sich von dem Meistertitel von 2004 heute niemand mehr etwas kaufen, gemessen wird er an der aktuellen Verfasstheit seines Teams, und vor diesem Hintergrund wird das Emirates Stadium immer mehr zur Rostlaube.

In Arsène we rust, ist das neue Mantra der hartnäckigsten Oppositionellen. Für diese Beobachtung gibt es in der Tat deutliche Indizien. Man kann sich da zwar auch auf die Position des Langzeitbeobachters zurückziehen wie der englische Kommentator Sam Wallace in einem sehr interessanten Text. Für den Augenblick ist aber eine ganz konkrete Frage zu beantworten: Kann oder soll Arsenal mit Arsène Wenger (AW, wie "the Boss" dort bezeichnet wird) weitermachen?

Man kann sich da (wenn man nicht in den Sternen lesen kann) bei einer Meinungsäußerung ziemlich in die Nesseln setzen, denn aller Voraussicht nach wird man im Winter noch einmal, und dann hoffentlich planvoller investieren, und wenn bis dahin das Schlimmste verhindert werden kann (Ausscheiden aus der CL, desaströser Rückstand auf Platz 4 in der EPL), dann kann sogar diese Saison für Arsenal noch Überraschungen bringen.

Skeptisch stimmt mich allerdings, dass AW schon seit längerer Zeit nicht zu bemerken scheint, woran es seinem Team vor allem gebricht: an einer Form der Bemächtigung, die nicht rein technisch ist. Gegen Blackburn haben Ramsey, Arteta, Van Persie, Walcott, Song, Gervinho offensiv einige so brillante Schmankerl gezeigt, dass ich manchen Arbeitssieg dafür hergeben würde. Als Blackburn allerdings begann, sich seinerseits des Spiels zu bemächtigen, mit starken, ungehinderten Offensivläufen auf konfuse Defensivkräfte zu, da fand niemand bei Arsenal ein Mittel, sich da dagegenzustellen.

Sicher nicht Per Mertesacker, der sichtlich noch Zeit braucht, wenn er überhaupt noch einmal das Niveau eines brauchbaren Spitzen-Centerhalfs erreichen sollte. Bei Christopher Samba konnte man sehr gut sehen, worin diese andere Qualität des Spiels besteht, die Arsenal so konstitutiv abhanden gekommen ist. Er war defensiv fehlerhaft, aber er stemmte sich gegen den anfänglichen Trend des Spiels. Für Samba war AW sich im Sommer zu gut, das war nur einer seiner Fehler beim Einkaufen.

Soll Wenger also entlassen werden? Die Frage ist müßig, und natürlich hoffe ich, dass sie am Samstag nach dem Bolton-Spiel und am Mittwoch nach dem Heimspiel gegen Olympiacos Piräus noch ein bisschen müßiger sein wird. Dass Arsenal allerdings ein Nachfolgeproblem hat, das muss unter den Verantwortlichen allen klar sein. Vielleicht sind sie ja längst in Gesprächen mit Jürgen Klopp, der dann einfach mit Götze und Hummels (und am besten auch gleich noch Bender und Barrios) nach London wechseln könnte. Das wäre dann tatsächlich ein neuer Zyklus. Mich interessiert aber noch der alte.

Sonntag, September 18, 2011

Entschleunigung

Das 2:2 von Hertha im Heimspiel gegen Augsburg habe ich gestern nicht so richtig mitgekriegt. Ich war von einer Nacht im Flugzeug noch groggy, und bin vor dem Fernseher eingeschlafen. Heute habe ich das Spiel in aller Ruhe nachgeholt, und konnte dabei mit der Muße dessen, der um das Ergebnis schon weiß, ein wenig stärker auf das "big picture" achten.

Zwei Aspekte scheinen mir wichtig, einer kurzfristig, einer langfristig. Der kurzfristige betrifft eine Flexibilisierung der Strategie. Gegen Mannschaften wie Augsburg, also gegen solche, gegen die Hertha "das Spiel machen" muss, könnte ein Abgehen von der Doppelsechs erwägenswert sein, oder aber: die Abstimmung zwischen Niemeyer und Ottl sollte einmal eine Woche vor so einem Spiel eigens Trainingsthema werden.

Was sich gegen Dortmund bewährt hat, wird nicht in jedem Fall die ideale Lösung sein. Gestern war deutlich zu sehen, dass die Spielteilnahme von Niemeyer und mehr noch von Ottl zu konservativ ist. Niemeyer versuchte immerhin in Halbzeit eins einmal zwanzig Minuten lang, nach vorne zu arbeiten; Ottl tat dies in nun schon bewährter Manier äußerst dosiert. Er ist gewiss ein guter Fußballer, aber seine Sensibilität für Spielsituationen ist doch sehr gering ausgeprägt. Die paar Meter, die er manchmal nur laufen müsste, um sich anzubieten, macht er nicht nur nicht, seine Körpersprache verrät auch, dass er da oft gar nicht mitdenkt.

Dass er dies zudem noch durch nicht selten völlig sinnfreie Gestik zu kompensieren scheint, macht die Sache nicht besser. So hing gestern zu viel an Raffael. Hätte Babbel nach dem 2:2 wirklich auf Sieg wechseln wollen, hätte mich die Variante Ben-Hatira für Ottl mehr interessiert als der positionell gleichwertige Wechsel Ronny für Ebert.

Der Ausgleich gleich nach der Pause wäre nicht möglich gewesen, wenn Lell nicht in einer allgemeinen, noch nicht klar ausgeprägten Offensivsituation einfach losgelaufen wäre, in einen noch vagen Raum, den erst Ebert mit seinem Auge strukturierte. Dieses tentative Laufen lässt Ottl vermissen, wie auch Kobiashvili und sehr oft auch Niemeyer. Entschleunigung ist in vielen Bereichen zu begrüßen, selten jedoch bei Ballbesitz im Fußball.

Das bringt mich zum dem langfristigen Aspekt. Durch den Sieg in Dortmund und die passable Bilanz der ersten sechs Spiele kann Hertha die kommenden Spiele mit einem gewissen Selbstbewusstsein angehen. Man ist schwer zu schlagen, das ist ja schon einmal etwas. Das Management und das Scouting muss aber eindeutig schon an kommenden Teams arbeiten, und dabei ist Mijatovic, für dessen Stammplatz es spielerische wie gruppendynamische Gründe geben mag, die Schlüsselposition.

Momentan hat das tiefe Stehen von Hertha auch damit zu tun, dass Ottl und Niemeyer immer in der Nähe sind, um Mijatovic abzusichern, der keinesfalls in ein einsames Laufduell geraten darf. Sie bieten ihm aber andererseits relativ wenig Passoptionen in der Spieleröffnung, wodurch Hertha leicht nach außen abdrängbar ist, von wo der Weg dann fast immer zu Raffael führt, dem von hinten aber zu selten Unterstützung nachkommt.

In der nächsten Mannschaft (Hertha 2012) wird es für Mijatovic einen neuen, modernen Innenverteidiger brauchen, den die Scouts jetzt schon suchen (müssten). Ob Neumann das sein kann, ist offen - ich habe leise Zweifel, bin aber unbedingt dafür, dass er eine Chance bekommt. Bei Franz und Janker wissen wir ungefähr um deren Grenzen.

Erst wenn in der Innenverteidigung nicht mehr zwei konservative Abräumer spielen, wird man das verhaltene Konzept von Hertha ein wenig öffnen können, werden die Mannschaftsteile besser integrierbar sein, wird idealerweise die allgemeine Laufarbeit mehr Möglichkeiten eröffnen, und wird man einen Gegner auch einmal zu mehr Fehlern zwingen können, als dies gegen Augsburg der Fall war. (Einen linken Außendecker wird Hertha auch brauchen.)

Das nicht zufriedenstellende Remis gegen Augsburg enthält also viele interessante Aspekte, die zur Modernisierung von Hertha beitragen könnten. Einstweilen würde es aber schon reichen, mit Ottl und Niemeyer an spezifischen Spielformen zu arbeiten: Was macht der eine, wenn der andere das macht? Und vor allem auch: Welche Möglichkeiten gibt es, auf das Spiel einzuwirken, und es nicht nur zu verwalten? Wenn Ottl da nicht irgendwann mehr zeigt, halte ich es für verantwortunglos, ihm gegenüber Lustenberger zurückzustellen.

Mittwoch, September 14, 2011

Veloziferium

Jürgen Klopp hatte "Hochgeschwindigkeitsfußball" versprochen, und seine Mannschaft hat das gehalten gegen den Arsenal FC. Selten hat jemand die Mannschaft von Arsène Wenger so hinten hineingedrängt wie der BVB im ersten CL-Gruppenspiel dieses Herbsts, man sah da durchaus veranschaulicht, wie sehr Arsenal in den letzten Monaten in taktischer Hinsicht zurückgefallen ist.

Zugleich hat die Frenetik von Dortmund aber auch etwas Naives, sie brauchten einen Glücksschuss von Perisic, um spät den Ausgleich zu erzielen. Ich habe das Spiel in einer nun schon gut vertrauten Sportbar an der Ecke Queen und Broadview in Toronto gesehen, es lief hier auf dem Kanal Setanta, und der relativ kleine Bildschirm hat den Geschwindigkeitseindruck wohl ein wenig verzerrt - das Match kam mir stellenweise rasend vor.

Für Per Mertesacker war die Wand aus drei Gelben, die sich weit in der Hälfte von Arsenal schon zum Pressing bereit machte, jedenfalls ganz deutlich irritierend - seine Pässe waren wenig souverän. Sein Kollege Koscielny lief mangels Optionen manchmal einfach mit dem Ball ins Getümmel. In Hälfte zwei war es jedenfalls ein wenig beklemmend (für einen Arsenal-Fan), wie wenig Befreiung da noch möglich war.

Von hinten heraus zu spielen gelang überhaupt nicht mehr. Da war dann doch deutlich zu sehen, dass Arsenal gerade wieder einmal neu konstruiert wird, und ich zähle dabei zu denjenigen, die Zweifel haben, ob AW und sein Stab dazu das Zeug haben.

Schon seit längerer Zeit lässt sich beobachten, dass die Laufleistung und die Raumaufteilung bei Arsenal nicht mehr höchsten Standards entsprechen - und dass somit der Mythos vom Kurzpassspiel, den deutsche Reporter immer noch pflegen, längst obsolet geworden ist. Gestern war deutlich zu sehen, dass ballführende Arsenal-Spieler nur zu oft isoliert blieben (Gervinho!), es gelingt offensiv nicht, ausreichend Personal in interessant anspielbare Positionen zu bringen (wobei der BVB mit seinem Positionsspiel das auch sehr schwer machte - einzige Lösung: mehr und gescheit laufen), einmal ging sogar bei einem Einwurf der Ball zum Gegner, weil sich niemand anbot.

Hier ein paar interessante Vergleiche bei den zurückgelegten Distanzen: Bender 13,574 vs. Song 10,743. Götze 12,709 vs. Benayoun 11,596. Die Laufleistung von Bender schlägt sich direkt in reduzierten Passoptionen für Arsenal nieder, die dadurch die Wahl hatten, sich entweder selber müde zu laufen oder aber tiefer zu stehen - dass es in Halbzeit zwei gar keine Vorstöße mehr gab, erklärt die drei Kilometer, die Song auf Bender fehlen, mindestens teilweise.

Meiner Meinung nach wäre eine Rückkehr zu einem 4-4-2 angeraten, mit Van Persie hinter einem zentralen Stürmer (Walcott?), mit Gervinho auf rechts, Wilshere bzw. Arteta und Song zentral, und einem linken Außenspieler, der den fragilen Gibbs absichern helfen müsste - das wäre also entweder ein fitterer Arshavin, oder aber notfalls Benayoun, der aber nicht so inspiriert ist wie der Russe. Bald könnte auch Myaichi interessant werden, oder Oxlade-Chamberlain. In der Zentrale herrscht auch Überangebot an Talent: Ramsey, Wilshere, Frimpong. Bin gespannt, ob da noch einmal ein richtiges Team (wie Arsenal 2006, mit Flamini und Fabregas) daraus wird.

Ich freue mich jedenfalls sehr auf die Gelegenheit, den Auftritt von Hertha beim BVB mit dem Arsenal-Spiel zu vergleichen. Markus Babbel hat, dies geht aus den Berichten der letzten Tage hervor, sehr klug den Moment erkannt, den Hertha vorfand: Er hat das Team auf einen Gegner eingestellt, der auch schon auf Hochgeschwindigkeitsfußball vier Tager später eingestellt war. Ein Fenster der Gelegenheit, das Hertha genützt hat.

Sonntag, September 11, 2011

Neunzigminuntenplan

Den tollen Sieg von Hertha beim BVB habe ich nicht gesehen. Ich bin noch eine Woche in Toronto, wie jedes Jahr um diese Zeit. Schon damals, als die Auslosung für die Saison bekannt gegeben wurde, musste ich mich mit diesem Umstand anfreunden, denn eigentlich war das dieses Jahr einer meiner Träume: mit Hertha ins Westfalenstadion (nach meiner letzten Auswärtsfahrt nach Aue der größte denkbare Kontrast).

Nun muss ich mir eine Vorstellung von dem 2:1 von gestern machen, anschauen werde ich mir das Spiel erst nach der Rückkehr können. Da scheint auf jeden Fall ein Matchplan aufgegangen zu sein, der aus Hertha 2011 einen interessanten Fall macht: ein Team, das zusetzen kann, das die zweite Halbzeit liebt, wobei dies immer auf einem Neunzigminutenplan beruht, der nicht schwer zu durchschauen ist. Interessant, dass in diesem Konzept selbst Mijatovic eine gute Rolle spielen kann, wie es scheint. Konsequent hingegen, dass Babbel in solchen Spielen für Lasogga keine Verwendung hat. Er wird trotzdem noch seine Tore machen.

Nun ist es zum ersten Mal so weit, dass Arsenal sich ein Hertha-Match zu Gemüte führen muss - zu Studienzwecken! (Hoffentlich bieten sie dann nicht gleich im Winter für Ramos.) Denn Arsenal muss am Dienstag nach Dortmund, wird dort allerdings anders ansetzen.

Hertha spielt momentan eine Rolle, wie sie die vielen Teams spielen, auf die Englands Top 4 wöchentlich treffen: die Rolle eines "Upsetters", der seine Mittel klug kalkulieren muss, und bei den Vorstößen auf Effizienz angewiesen ist. Dass die Offensivformation wirksam ist, haben wir schon gegen Stuttgart gesehen. Ich freue mich auf das Studium dieses Spiels, das dieser Hinrunde eine unerwartete Facette verliehen hat: der Kampf gegen den Abstieg beginnt Spaß zu machen.

Samstag, September 03, 2011

Europäische Spitze

Mit einem nicht ganz aktuellen Bild hat der Independent einen Bericht illustriert, demzufolge Hertha BSC in der vergangenen Saison der am elftbesten unterstützte Club in Europa war, gleich nach Hamburg und vor Marseille. Der dabei in Rechnung gestellte Wert von 52,165 Zuschauern durchschnittlich pro Spiel erscheint mir zwar ein wenig schöngerechnet (ich habe eine Zahl knapp über 46.000 in Erinnerung), aber darauf kommt es gar nicht an.

Wesentlich ist, dass diese Rechnung (in die auch andere Faktoren Eingang finden) darauf verweist, dass die Rahmenbedingungen in Berlin exzellent sind. Nehmen wir nur einmal die Liste der zehn Clubs davor: Manchester United führt vor Borussia Dortmund, den beiden spanischen Giganten Barca und Real, dann Bayern und Schalke, dann der Arsenal FC auf 7, schließlich noch Milan und Celtic und der HSV. Und dann kommt schon Hertha BSC. Noch vor Inter, vor den Glasgow Rangers, vor Ajax Amsterdam.

Interessant ist auch, dass die Bundesliga dieses Ranking in der Breite dominiert - während aus den meisten europäischen Ländern die Topclubs weit vor dem Rest liegen, sind aus Deutschland auch noch Stuttgart, Köln, Gladbach, die Frankfurter Eintracht und H96 dabei.

Die aufsteigenden englischen Giganten von Moneybags City stehen fast am Ende der Top 25, weil sie bisher mit einem mittleren Stadion das Auslangen finden müssen, wie auch der Liverpool FC.

Von der famosen Qualität der Arbeit der Ostkurve haben die Bewerter vermutlich gar keine Notiz genommen. Wenn man das noch dazu rechnet, dann hätte Hertha eigentlich eine tolle Perspektive. Das Transfergeschehen von letzter Woche verweist uns allerdings zurück auf die momentane Realität: Da kam es nämlich auf sechsstellige Beträge an, so knapp ist das immer noch alles.

Freitag, September 02, 2011

Geisterstunde

In Bismarck, North Dakota, wo ich heute Nacht bin, habe ich gerade diesen Hinweis darauf gefunden, dass der legendäre deutsche Bundestrainer nebenbei und heimlich ein Shopping Imperium im fernen Westen der USA aufgebaut hat. Vielleicht war es aber auch nur ein entfernter Verwandter.

Mit der Zeitverschiebung von acht Stunden, der ich hier unterliege, konnte ich natürlich die Transfer-Deadline nicht so direkt mitverfolgen, wie es zum Beispiel die englischen Medien mit ihren Tickern getan haben. Zu verbuchen ist nunmehr, dass Hertha noch einen Perspektivspieler geholt hat, den gebürtigen Berliner Änis Ben-Hatira, während Rob Friend dem Babbel-Mobbing nachgab und sich nach Frankfurt ausleihen ließ. Kaká geht nach Zypern.

Das war noch eine kleine Dreingabe zu einer äußerst professionellen Leistung von BP in diesem Transferfenster, an der mich nur stört, dass Ottl einen solchen Status nach Berlin mitgebracht hat, dass die Tabloiden jetzt plötzlich von Lustenberger verlangen, dass er sich "anbieten" muss. Da würde ich doch von Ottl zuerst einmal verlangen, dass er mehr mitspielen muss.

Wie dem auch sei, Hertha ist offensiv interessant aufgestellt und wird trotzdem wohl noch eine ganze Weile dieses seltsam wirkungslose tiefe Stehen praktizieren, das bisher ihr Markenzeichen beim Comeback in Liga eins ist. Wirkungslos, weil die Gegner ja doch zahlreiche Chancen haben.

Spannender war der Deadline Day natürlich bei Arsenal, wo ein Trümmerkader vorhanden ist, zu dem ein paar Stützen hinzugefügt werden mussten. Am Ende sah das dann doch ein wenig nach Notnägeln aus: Per Mertesacker von Werder Bremen muss trotz seiner zahlreichen "caps" für die deutsche Nationalmannschaft erst noch beweisen, dass er in den letzten zwei Jahren nicht den Anschluss an den Spitzenfußball verloren hat. Ein brasilianischer Linksverteidiger, ein koreanischer Stürmer, dazu Yossi Benayoun (der zu Arsenal passen könnte) und Arteta von Everton - ich weiß nicht, das sieht alles nicht so strategisch aus, wenngleich der elegante und kluge Spanier Arteta schon lange auf Arsenals Liste stand. Aber als Ersatz für Fabregas?

Arsenal fängt auf jeden Fall irgendwie ganz von vorne an. Ironischerweise könnte mein Londoner Lieblingsteam sogar Unterstützung aus Berlin bekommen, denn der BVB muss nächste Woche zuerst gegen Hertha in der Liga und dann ein paar Tage darauf gegen Arsenal in der CL spielen. Vielleicht spielen sie die Klopp-Laufwunder ja müde, die Herthaner, deren Kader ganz auf interne Konkurrenz hin strukturiert ist (Ausnahme: Ottl), während bei Arsenal alles nach einem großen Durcheinander aussieht, in das AW ab nächster Woche vielleicht doch noch Licht bringt.