Donnerstag, April 29, 2010

Liegewiese

Vor dem CL-Halbfinale zwischen dem FC Barcelona und Inter Mailand habe ich mir gestern noch die Hertha-Amateure bei ihrem 3:0 gegen St. Pauli II angesehen - ein Kategoriensprung, der sich aber gelohnt hat, denn so konnte ich das zweite Ergebnis ein wenig relativieren.

Barca schied mit einem 1:0 aus, ein zweites Tor in der Schlussphase wurde wegen eines Handspiels nicht gegeben, das man nicht hätte pfeifen müssen. Prinzipiell aber stand die vermeintlich beste Mannschaft der Welt vor genau dem selben Problem wie ein Jahr davor beim FC Chelsea - sie fand gegen eine massierte Defensive kein Mittel. Weit mehr als die Hälfte des Ballbesitzes von Barcelona war nutzlos, denn die Mourinhisten wurden dadurch nicht entscheidend müde gespielt.

Die interessanten Pässe waren selten, zudem hatte Inter dem Spiel von Beginn an einen besonderen Charakter insofern gegeben, als sie den Rasen des Camp Nou als Liegewiese missbrauchten. Wie Maicon, der sich an einer Bande an der Grundlinie die Schulter angeschlagen hatte, sich ins Feld zurückschwindelte, um sich dort dann zeitraubend behandeln zu lassen, das hatte Signalcharakter. Zwei plus vier Minuten zusätzlicher Spielzeit können nicht in mindesten wettmachen, wie ein Spiel durch diese Manöver zerstört wird: jede Berührung ist ein Anschlag, vor allem Lucio und Chivu wälzten sich ausgiebig herum.

Die noble Einfalt von Barcelona, bei denen Bojan Krkic selbst eine perfekte Flanke nicht verwandelte, weil er nicht einfach den Schädel hinhielt, sondern einen technischen Kopfstoß versuchte, hatte letztlich keine Chance gegen den Pragmatismus von Inter. Nun können wir alle gespannt sein, was Mourinho gegen van Gaal einfällt - Megalomane gegen Mentor. Im CL-Finale treten tatsächlich die beiden Kollektive mit dem momentan größten Momentum gegeneinander an.

Aber vorher müssen noch eine Menge anderer Entscheidungen fallen - die U23 von Hertha immerhin hat sich in den letzten Tagen ein wenig Luft im Abstiegskampf in Liga 4 verschafft und kann optimistisch in die letzten Spiele gehen. Ich habe besonders auf zwei Spieler geachtet: Shervin Radjabali-Fardi erscheint mir nach wie vor ein Kandidat für die erste Mannschaft, gut gefiel mir auch Alfredo Morales, vor allem in der ersten Halbzeit, als er im defensiven Mittelfeld spielte.

Zwischen der CL und der Regionalliga Nord liegt jene Bandbreite des Fußballs, auf der Hertha aller Wahrscheinlichkeit nach in ein paar Tagen neu eingestuft wird. Um mich darauf schon ein wenig einzustellen, gehe ich ins Amateurstadion, und sehe auch dort - guten Fußball. Verhältnismäßig.

Montag, April 26, 2010

Erklärungsbedarf

Am Tag nach der Niederlage gegen Schalke hat Coach Funkel den Fatalisten gegeben: "Man kann im Fußball nicht immer alles erklären." Damit hat er recht, sein Amt bezieht sich ja auch nur auf die Bereiche, die man erklären kann. Am Niedergang von Hertha gibt es einen Rest von Schicksal, das ist keine Frage, und das, was sich erklären lässt, hat Funkel nicht allein, inzwischen aber auch zu einem beträchtlichen Teil zu verantworten.

Da die Ursachenforschung seit Monaten betrieben wird, der Abstieg noch nicht endgültig feststeht, und auch seit langer Zeit dafür geplant wird, können diese Dinge jetzt noch ein wenig warten. So richtig peinlich war allerdings, was der RBB am Sonntagabend in seinem "Sportplatz" gebracht hat: ein so ganz und gar nicht recherchiertes, aus Zeitungsartikeln und vagen Zahlen zusammengeschustertes "Szenario" zu Hertha in der zweiten Liga habe ich auch noch nicht gesehen.

Da wurde flugs die aktuelle Mannschaft in einer Graphik bis auf drei Spieler dezimiert, von denen zwei in jedem Fall im Juli ablösefrei sind: von Bergen und Pisczcek. Lustenberger hat Vertrag bis 2012, er könnte und sollte gehalten werden, aber auch für ihn wird es Angebote geben. Ob aber Ramos, wie vom "Sportplatz" pauschal für alle Südamerikaner behauptet wurde, Hertha sicher verlassen wird, ist Erwägungssache.

Konkret wird es darauf ankommen, ein Minimum an personeller Kontinuität zu gewährleisten - man wird halten, wen man halten kann angesichts auch der Tatsache, dass Ende des Jahres ein Finanzinstrument, das von Dieter Hoeneß und Manager Schiller stammt, abzulösen (die Volksbank-Anleihe).

Angebote werden wohl für fast alle Spieler kommen, und die, die nicht nachgefragt werden, dürfen dann nicht das Gefühl haben, sie wären der Ausschuss. Das sind alles Aufgaben für das künftige Management, wobei alles von der Trainerfrage abhängt. Der "Sportplatz" tat diese mit der "Bild"-Tröte zu Markus Babbel ab, der im Moment aber überall im Gespräch ist, wo Handlungsbedarf besteht (Wolfsburg, bald wohl auch Hamburg,...). Mit einem Wort: Wer jetzt Genaueres weiß, schweigt aus guten Gründen auf jeden Fall noch eine Woche.

Sonntag, April 25, 2010

Tag der Wahrheit

Das vorletzte Heimspiel der Saison ging gestern gegen Schalke mit 0:1 verloren. Damit bliebe, wenn die Parzen, die sich mit Hertha dieses Jahr ja einen groben Spaß machen, ein wenig Sinn für Poesie haben, noch ein Endreim für die Saison 2009/2010: Dem ersten (und bisher letzten) Heimsieg im ersten Saisonspiel gegen Hannover würde dann noch ein zweiter (und unwiderruflich letzter) Heimsieg im letzten Spiel der Saison folgen, in zwei Wochen gegen den FCB.

Dazu noch ein Auswärtssieg nächste Woche in Leverkusen, und Hertha könnte die Liga noch halten. Ein Wunder? Ohne eines geht es jetzt wirklich nicht mehr. Dass ich mich nun doch noch immer ein wenig weigere, den Abstieg schon zu akzeptieren, liegt an der Leistung gestern gegen Schalke. Das war vielleicht kein Spitzenspiel, aber ein auf hohem Niveau geführtes Abnützungsmatch (21 Fouls von Schalke), in dem Felix Magath (der mit den Parzen im Bund zu stehen scheint und auch zunehmend so tut) das bessere, glücklichere Ende hatte: Tor durch Westermann in der 87. Minute, Fassungslosigkeit. (Der Gegentreffer war aber, das muss man dazusagen, auch ein Ergebnis kollektiven Nachlassens in der Hertha-Defensive: Piszczek, Kobiashvili und von Bergen waren nicht mehr konsequent genug in dieser Szene.)

Hertha konnte in dieser entscheidenden Saisonphase neuerlich eine unveränderte Elf auf den Platz schicken, mit Lustenberger zentral vor der Viererkette, taktisch dieses Mal eher in einem 4-3-3 mit Raffael auf links und Ramos auf rechts sowie Gekas zentral. In der 40. Minute wechselte der Grieche auf rechts und ging dort sogar in einen Zweikampf! Das war dann schon so etwas wie der Auftakt zu einer intensiven zweiten Halbzeit (nach eher neutralisierter erster), in der Hertha deutlich an Aggressivität zulegte.

Gojko Kacar, der bisher im Abstiegskampf eindeutig nicht an seine Reserven ging, nahm mehr am Spiel teil, die Balleroberung begann schon in der Hälfte von Schalke, selbst Funkels Dogmen wankten also angesichts der unbedingten Notwendigkeit eines Siegs. Es gab tolle Chancen, sie wurden alle nicht genutzt, am Ende machte Schalke das eine "Törchen", von dem der Schelm Magath immer ausgegangen war. So spricht einer, der das Glück auf seiner Seite weiß (aber auch selbst eine Menge richtig macht).

Hertha steht vor dem Abstieg, und bis zu einem gewissen Grad ist das eine unableitbare Tatsache, denn auch gestern hätte es jederzeit anders kommen können. Die aktuelle Mannschaft ist mit der Ligaspitze konkurrenzfähig, der Kader (auf den es im Lauf einer langen Saison ankommt) allerdings nicht. Wenn Lustenberger nach 75 Minuten die Luft ausgeht, kommt Dardai; im Sturm hat Funkel die Wahl zwischen Wichniarek und Domovchyiski, wenn Gekas einen schwachen Tag hat (ausgewechselt wurde gestern allerdings Ramos, ein rätselhaftes, ohnehin zu spätes Manöver).

Vermutlich müssen wir es schon als Erfolg sehen, dass eine Mannschaft, die aus der Hinrunde sechs Punkte geholt hat, am vorletzten Spieltag immer noch eine mathematische Chance haben wird: Der Tag der Wahrheit ist neuerlich verschoben worden, kommenden Samstag reicht aber wirklich nur noch ein Sieg für neuerlichen Aufschub. Was danach käme, wäre entweder großes Drehbuch - oder wohl doch eher eine Antiklimax, wie sie das Leben viel häufiger schreibt.

Samstag, April 24, 2010

Ruhender Ball

Es sagt viel über die vermaledeite Saison aus, dass ich mir inzwischen manchmal vorzustellen versuche, wie sie mit Lucien Favre weitergegangen wäre. Ich weiß noch genau, dass damals alles für eine Ablöse sprach, aber die Bilanz von Funkel ist so ernüchternd, dass Gedankenspiele unabweislich werden.

Heute kommt Schalke, wie vor fast genau einem Jahr auch. Damals wie heute hilft nur ein Sieg, die Umstände haben sich grundsätzlich verändert, aber nicht wenig ist auch gleich geblieben. Zum Beispiel kann man den Unterschied zwischen Schalke (Titelaspirant) und Hertha (Abstiegskandidat) an einem Detail festmachen, das in Berlin noch nie sonderlich zu interessieren schien: der ruhende Ball ist anscheinend unter der Würde sowohl von Favre wie von Funkel.

Zwar gab es zwischendurch einmal Ansätze zu verbesserten Ecken, inzwischen ist der alte Trott aber wieder da, die Standardsituationen bleiben ungefährlich, es sei denn, Cicero findet ausnahmsweise eine Lücke in der Mauer eines desolaten Gegners wie Köln.

Schalke hat aus gewissen Konstellationen (scharfer, niedriger Freistoß auf den kurzen Posten, Höwedes verwertet - eine Situation, die nicht von ungefähr manchmal als "unverteidigbar" bezeichnet wurde) ein Markenzeichen seiner Kampagne gemacht. Hertha hat keinen gefährlichen Freistoßschützen (auch wenn Cicero sich wohl dafür hält), und die Corner werden von Kobiashvili (von links) und Raffael (von rechts) so geschossen, dass sie sich vom Tor wegdrehen (wenn sie nicht noch im Flug schon ins Out gehen, wie es Raffael auch unterläuft).

Ich weiß, dass ein Trainer nicht sonderlich viel Zeit mit den Spielern hat, um all das zu üben, was noch nicht sitzt. Trotzdem wundert es mich, wie wenig Augenmerk dem ruhenden Ball gewidmet wird (wenn da was trainiert wird, sieht man es jedenfalls im Spiel nicht mehr).

Gleichzeitig verstehe ich es auch, denn dieser Umstand hängt einfach damit zusammen, dass Hertha von allen Ligamannschaften eine der am schlechtesten "definierte" ist - sie hängt immer schon zwischen verschiedenen Modellen fest, für bestimmte "niedrige Dienste" wie Standardsituationen ist sie sich bis heute zu schade, für die spielerische Spitze ist sie aber auch nicht präzise und konzentriert und selbstbewusst genug.

Eine große Mannschaft muss ohnehin alles können, die Hertha kann von vielem eine Menge, es fehlt ihr aber als Mannschaft oft das entscheidende Etwas: das Wissen, verschiedene Lösungen für verschiedene Situationen zu haben. Gute Standards gehören zu einem variantenreichen Spiel, der Hertha haben sie die längste Zeit gefehlt. Vielleicht sehen wir ja heute einen Gegenbeweis. Auf geht's, Hertha!

Donnerstag, April 22, 2010

Positionierungen

Diese Woche muss ich zwei Dinge verkraften. Erstens erscheint Arsenals Auftritt gegen Barcelona nun nach dem Hinspiel der Katalanen bei Inter Mailand noch um einige Gigatonnen naiver, als es ohnehin schon offensichtlich war. Arsène Wenger, der als einer der größten Trainer der Welt gilt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er sein junges Team taktisch unberaten in zwei Begegnungen geschickt hat, die ihm immer noch in den Knochen sitzen.

Die Champions League zeigt Fußball auf einem Niveau, auf dem Risiko und Absicherung ständig ineinander übergehen, mit einem Tempo, dem am Dienstag auch Barcelona nicht immer gewachsen war. Es gibt aber nur ganz wenige Mannschaften, die dieses Tempo und diese Rhythmuswechsel über zwei Halbzeiten souverän durchhalten können. Inter kann das anscheinend, sie zeigen eine Art Offensivcatenaccio mit Konterpressing, eine Verfeinerung der zwei Wegelagerer-Viererriegel, mit denen Mourinho schon den FC Chelsea seinerzeit zur Landplage gemacht hat.

Das zweite Halbfinale zwischen Bayern und Lyon musste daneben abfallen, zu beschränkt waren die Mittel der Franzosen in diesem Hinspiel, alles andere als ein Weiterkommen des FCB wäre sensationell (und auch das schlechte Horoskop, das Ribéry gerade hat, wird daran nichts ändern).

Zweitens muss ich verkraften, dass die Berliner Medien die letzten drei Saisonspiele der Hertha abgeschrieben haben, und dass nun schon die Claims für die zweite Liga abgesteckt werden. Ob Funkel Trainer bleiben soll, wie es die Bild fordert, muss mich hier noch nicht beschäftigen, denn davor steht ja noch eine andere Entscheidung, die auf der Mitgliederversammlung sicher auf die Tagesordung kommen wird (wenn sie auch dort nicht zu treffen ist): ob nämlich Michael Preetz einfach weitermachen dürfen soll.

Ich finde, dass er sich das vor allem durch die sehr gute Außendarstellung der Hertha in diesem schwierigen Jahr verdient hat, er hat allerdings geschäftlich (die Lizenzierung durch die DFL hängt an nicht öffentlich gemachten Auflagen, die bis zum 2. Juni zu erfüllen sind) und sportlich (Entscheidung für Funkel und dessen Wintertransfers) noch nicht bewiesen, dass er diese beiden Kernbereiche der Geschäftsführung (den einen teilt er mit Ingo Schiller) auch tatsächlich mit der nötigen Kompetenz verantworten kann.

Die Trainerentscheidung für die kommende Saison wäre seine erste strategische, es wäre ein Armutszeichen, wenn er einfach die defensive Entscheidung, die er letzten Herbst für Funkel traf, zur strategischen erklären würde. Aber so weit sind wir ja noch nicht, jetzt soll erst einmal Schalke kommen.

Montag, April 19, 2010

Augenauswischerei

Gestern hatte ich einen echten Scheißnachmittag. Zuerst kollabierte Arsenal in den letzten zehn Minuten gegen Wigan Athletic, ließ durch reine Passivität ein 2:0 liegen und ging mit 2:3 vom Platz (meine Hoffnungsträger, Nasri und Abou Diaby, ließen wieder einmal aus). Jetzt könnten sogar Tottenham und Manchester City von hinten noch gefährlich werden.

Dann trat Hertha bei Eintracht Frankfurt an, kam über ein 2:2 nicht hinaus, und danach trat noch der (man kann sich die Kollegen ja nicht aussuchen) Hertha-Fan Johannes B. Kerner vor die Kamera des von mir widerwillig abonnierten Bezahlsenders und hielt doch tatsächlich allen Ernstes dafür (in seinen Drüsen stauten sich die Sekrete), dass es eine gute Idee wäre, mit Friedhelm Funkel in die zweite Liga zu gehen. Dies zur Expertenkultur bei dem Sender, der die deutschen Fußballfans mit Bildern versorgt.

Das Remis, das quer durch das Land als Abstiegsurteil gewertet wird, musste nicht sein, sagt aber viel über die spezifischen Probleme der Hertha im Abstiegskampf aus. Denn sie versuchte es gestern wieder einmal, die Sache mit Qualität zu lösen, mit kontrolliertem Passspiel und geduldigem Aufbau. Es fehlte aber an der Qualität, die ihr einen Vorteil gegenüber Frankfurt (auch nicht ohne jede Qualität) verschafft hätte.

So wurde es ein Spiel, das im Mittelfeld entschieden wurde, zuungunsten von Hertha, die zweimal eine Führung nicht halten konnte. Das erste Tor wies den Weg: drei, vier Mal binnen weniger Sekunden gab es da ein sogenanntes Gestocher um den Ball, knapp in der Frankfurter Hälfte. Am Ende setzte sich ein Herthaner durch, Raffael bekam auf links den Ball, versetzte den vierzigschrötigen Maik Frantz, flankte zur Mitte, wo Cicero auf Kacar ablegte, Kopfball, TOR!

Bald danach aber kam eine Phase, in der Piszczek und Kobiashvili keinen spieleröffnenden Pass mehr zusammenbrachten, der Ball blieb minutenlang in Herthas Hälfte, irgendwann zog Korkmaz die Konsequenz und verwertete zielstrebig ein scharfes Zuspiel zur Mitte. Dann verursacht Lustenberger einen Elfmeter, Schwegler vergibt, Gegenzug Hertha, Ramos tankt sich durch, Raffael verwertet den Abpraller. Pause.

In der zweiten Hälfte sahen wir die älteste mir bekannte Hertha, die Falko-Götz-Hertha seligen Andenkens, eine öde Truppe mit gelegentlichen Talentproben, ein Abwartensemble, das prompt den neuerlichen Ausgleich hinnehmen musste (Russ nach einem Freistoß, den man nicht geben hätte müssen, der aber auch deswegen zustande kam, weil Kobiashvili ein wenig zu faul einen Ball ins Aus gehen lassen wollte, um den Frantz noch kämpfte).

Danach blieb eine halbe Stunde, in der sich zeigte, dass die Nerven natürlich eine Rolle spielen. Es ging nicht mehr viel, am Ende wirkte vor allem Raffael, als wäre er völlig ausgelaugt - er hatte aber auch für zwei, drei Kollegen zu arbeiten gehabt (über den griechischen Leiharbeiter will ich heute schweigen). Der Kabelträger, den der Bezahlsender gestern als Moderator nach Frankfurt geschickt hatte, beschränkte seine Analyse dann auf die hartnäckig fünfmal wiederholte Frage: "Michael Preetz, das war's doch, oder?"

Ich sehe die Sache so: Das war gestern ein Kräftemesse zweier Ligamittelständler, von denen einer zufällig auf Platz 18 steht. Die Hertha hat gespielt, als wäre sie zehnter (und war nervös, als wäre sie achtzehnter). Der Abstiegskampf kann immer noch beginnen. Nächste Woche geht es nun aber endgültig um Alles oder Nichts, und so sollte sie auch spielen.

P.S. Zwei Ergebnisse haben auch an diesem Scheißtag für mich gestimmt: Die U23 von Hertha hat gegen Magdeburg gewonnen und nun wieder gute Chancen im Abstiegskampf in Liga 4 (ja, auch das interessiert mich!). Und die Roma hat Lazio geschlagen und hält Inter weiter einen Punkt auf Distanz in der Serie A.

Samstag, April 17, 2010

Zieleinlauf

Die Niederlage gegen Stuttgart am vergangenen Wochenende hat ein wenig den Blick dafür getrübt, dass sich die Ausgangslage der Hertha in gewisser Hinsicht sogar ein wenig verbessert hat: denn aus dem Dreikampf mit Hannover und Freiburg ist wieder ein Fünfkampf geworden, mit Bochum und Nürnberg, die sechs Punkte Vorsprung haben. Alle vier Konkurrenten haben eine schlechtere Tordifferenz, zum Teil müssen sie noch gegeneinander spielen, eine leichte Auslosung haben auch sie nicht. Das ist natürlich alles leere Mathematik, wenn die Hertha ihre Spiele nicht gewinnt - es ist jedoch kein absolutes Ding der Unmöglichkeit, Frankfurt und dann auch Schalke zu schlagen.

Die Woche war von Spekulationen über den denkbaren Kader für die zweite Liga geprägt. Die Zeitung, für die Philipp Lahm Werbung macht, brachte dabei die Variante ins Gespräch, dass Coach Funkel selbst im Falle eines Nichtabstiegs ersetzt werden könnte - durch Markus Babbel, den es nicht gefreut haben wird, dass da wieder einmal Journalisten für ihn den Arbeitsmarktservice spielen.

Ich würde eine Neubesetzung des Traineramts in beiden Fällen für die einzige plausible Konsequenz aus dieser Saison halten, könnte mir aber vorstellen, dass Funkel seinen Heldenbonus im Falle einer Rettung in letzter Minute schon ins Treffen zu führen wüsste (möglicherweise rudert dann ja sogar die marktführende Postille wieder zurück).

Seriöser wirken da schon die gestreuten Geschichten, dass Hertha im Falle eines Abstiegs vielleicht doch nicht den ganz großen Ausverkauf starten würde - dass Raffael und Kacar möglicherweise auch nächstes Jahr in Berlin spielen werden, würde dann wohl ganz schnöde damit zu tun haben, dass vor allem der Serbe im Moment ganz und gar nicht den optimalen Marktwert hat, und selbst bei Raffael ist das Interesse eines Vereins wie Köln eigentlich ein deutliches Indiz für "halten".

Das ist dann allerdings ein Manöver ein wenig wie an der Börse bei einem Bärenmarkt, man spekuliert auf eine Wende (sofortigen Wiederaufstieg), die nicht gewährleistet werden kann.

In drei Wochen wissen wir mehr (hoffentlich nicht schon früher), wie auch aus England, wo Arsenal am Mittwoch mit einem deprimierenden Auftritt an der White Hart Lane das Handtuch geworfen hat, wo heute das große Manchester-Derby schon ganz im Zeichen einer möglichen ManU-Dämmerung erwartet wird, und wo Chelsea als der Favorit gilt. Die Konstellation, auf die ich schaue, ist dort ganz genau so wie in der Bundesliga im Abstiegskampf: Arsenal hat sechs Punkte Rückstand auf die Spitze, allerdings die schlechtere Tordifferenz. Mein Dream Team spielt weiter die Unvollendete. Mein Home Team spielt morgen um die Zukunft.

Freitag, April 16, 2010

Plattfuß in Usbekistan

Die DFL hat ausrechnen lassen, dass jeder fünfhundertste Euro in Deutschland in Zusammenhang mit Fußball ausgegeben wird. Das macht einen bemerkenswerten gesellschaftlichen "Fußabdruck", wie das heute genannt wird, und soll als Argumentationsgrundlage dafür dienen, dass auch in Zukunft die Öffentlichkeit die Kosten für die Sicherheit bei Großereignissen tragen soll.

Statt mir nun diese Studie genauer anzusehen, versehe ich sie lieber mit einer persönlichen Ergänzung - hier ist mein Bruttopersonalprodukt Fußball, mein "football footprint", mein finanzieller Plattfuß in Sachen der wichtigsten Nebensache der Welt (Beträge gerundet, Angaben pro Jahr):

250 Euro Dauerkarte Hertha BSC (bürgerlicher Sektor); 390 Euro Bezahlfernsehen (das ich so wenig mag, dass ich hier nicht einmal den Namen hinschreiben mag); 150 Euro "Kicker" (am Kiosk, montags sehr oft, donnerstags auch nicht selten); 90 Euro Arsenal TV Online (tolles Produkt, hochfrequenter Nutzer); 70 Euro Hertha TV (online, dürftiges Produkt, werde ich nicht verlängern). Dazu kommen Fanreisen wie die nach Riga (400 Euro) oder gelegentlich zu einem Auswärtsspiel.

Wenn es mir in diesem Jahr gelingen sollte, Rivaldo noch einmal irgendwo spielen zu sehen (asiatische Champion's League mit Bunyodkor PFK), würde ich dafür sofort einen Sonderbudgetposten schaffen. Das würde dann aber schon nicht mehr unbedingt dem Plattfuß zugerechnet werden müssen, denn da dient dann der Fußball nur noch als mythologisches Motiv für eine Reise, die mich sowieso reizt. Wie die nach Constanta, wohin ich damals ja auch nicht wirklich wegen Nicu und Pantelic gefahren bin.

Sonntag, April 11, 2010

Handtuch


Es war eine ganz besondere Stimmung, mit der gestern das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart begann: Die Ostkurve leer, die im restlichen Stadion verteilten Fans im Bewusstsein einer besonderen Verantwortung, die Mannschaft willens, die Chance auf den Klassenerhalt zu erhalten, ja zu verbessern. Ich kann mich nicht erinnern, einmal so bewegt gewesen zu sein im Olympiastadion wie gestern beim Anpfiff, und ich glaube, da hat sich schon etwas auf mich übertragen, was allgemein da war - ein kostbarer Fanmoment, der dann allerdings nur eine Halbzeit lang anhielt.

Wir sahen gestern eine engagierte, gute Mannschaft, die aber gegen eine selbstbewusste, kompakte Mannschaft an ihre Grenzen stieß und schließlich 0:1 verlor - unglücklich, aber auch irgendwie stimmig.

Individuell konnten gestern vor allem Ramos, Kacar und Piszczek die Qualität nicht finden, die es gegen eine Topmannschaft braucht (alle vier Rückrundensiege der Hertha gelangen ja gegen Mannschaften, die zumindest am Spieltag sehr schlecht waren). Dazu kommt, dass Gekas (den allerdings auch die schon fast obligate falsche Abseitsentscheidung traf) wieder einmal eine Vorgabe war.

Unwillkürlich musste ich gestern an Pantelic denken, der ein Typ wie Gekas ist, allerdings plus Laufarbeit und Spielintelligenz - leider war das wirklich eine wegweisende Entscheidung, diesen Vertrag nicht zu verlängern, denn nun haben wir eine schwache Pantelic-Parodie als zentralen Angreifer, und wir müssten Gekas dann auch noch zwei Jahre durchfüttern, wenn der Abstieg noch verhindert werden könnte.

Geht noch was? Die Mannschaft machte nach dem Gegentreffer durch Cacau nicht den Eindruck, aber wenn es Coach Funkel gelingt, sie gegen Frankfurt noch einmal zu mobilisieren, ist trotzdem noch nicht alles verloren. Es würde dann eben notwendig sein, Schalke zu schlagen (wie es Hannover gestern gelang), dafür müssten allerdings alle, auch Gekas, die Funkel-Devise ("90 Minuten Volldampf") auch wirklich einlösen.

Nach der torlosen ersten Halbzeit machte sich gestern im Stadion das Fehlen der Ostkurve doch deutlich bemerkbar, das Spiel begann auszurinnen wie die ganze Saison, und es zeigte sich, dass das Hertha-Spiel in schwierigen Momenten etwas Entropisches hat - es gelingt ihr dann nicht, den Willen zuzusetzen (ohne die Geduld zu verlieren), der ein Spiel auf eine andere Ebene heben kann. Dieser Mangel an "spirit" ist ein Konstruktionsfehler in der Mannschaft, der immer noch auf Favre zurückgeht, den aber der gerade darauf "spezialisierte" Funkel nicht behoben hat.

Im Fußball ist es nicht üblich, das Handtuch zu werfen - die Einwechslung von Artur Wichniarek zehn Minuten vor Ende gestern hatte allerdings beinahe schon den Charakter dieser Geste. Wichniarek ist das "missing link" zwischen Pantelic und Gekas, damit zwischen der Hertha, die im Vorjahr gerade auf ihre Peripetie zusteuerte, und die nun vor dem Abstieg steht. Mit Pantelic wäre das nicht passiert, aber vielleicht findet diese Mannschaft ja doch noch im nun wirklich allerletzten Moment den Geist, der auch gegen Widerstände besteht.

Mittwoch, April 07, 2010

Das schöne Spiel

Das muss ich erst einmal verkraften, wie eindeutig Messi das CL-Viertelfinale zwischen Barcelona und Arsenal letztlich aussehen ließ. 4:1 im Rückspiel, 6:3 insgesamt für die beste Mannschaft der Welt. Welten zwischen "Barcelona light", wie die englischen Medien das Team von Arsène Wenger vorher bezeichnet hatten, und Barcelona proper.

Und wie schon im Vorjahr erlebt Arsenal in der CL eine empfindliche Demütigung: Gegen das Konterspiel von Barcelona hatten Spieler wie Nasri, Abou Diaby, Walcott, Bendtner nichts zu bestellen. Konterspiel? Barca hat gestern mit Wonne die Ballverluste von Arsenal ausgebeutet, die sie selbst durch ungeheures Forechecking provozierten.

Die Konter begannen weit in der Arsenal-Hälfte, ihrer Geschwindigkeit wegen waren es doch klassische Konter, weil die Verteidigung in der Regel noch in der Vorwärtsbewegung war. Natürlich ist es deprimierend, wenn man einen alten Pflock wie Silvestre gegen so einen Gegner aufbieten muss, aber es hat Arsène Wenger ja niemand daran gehindert, einen Backup-Innenverteidiger anderen Kalibers zu verpflichten.

Die Verletzung von Song erwies sich gestern als die folgenreichste (es fehlten weiters: Fabregas, Gallas, van Persie, Arshavin, also doch die halbe erste Mannschaft), während der Kader von Barcelona auch in der Tiefe und Breite überzeugt. Ich bin gespannt, ob Wenger in diesem Sommer von seiner knauserigen Politik ein wenig abrückt - denn Arsenal scheint Jahr für Jahr ein paar Jahre zu jung (und nicht stark genug aufgestellt) zu sein, um international bestehen zu können.

Das erste Semifinale der diesjährigen CL steht nun fest: Inter Mailand gegen FC Barcelona. Alle erwarten ein großes Duell unter weniger naiven Voraussetzungen als die, unter denen Arsenal angetreten ist.

Sonntag, April 04, 2010

Bocksgesang

Als Hertha im Herbst im Olympiastadion gegen Köln antrat, war das die Begegnung, mit der eine absurde Saison ein Stück Normalität zurückgewinnen sollte - es kam, wie wir wissen, anders, die Hertha verlor mit 0:1 und blickte erstmals so richtig in den Abgrund.

Gestern kam es in Köln zur Revanche, und die Verhältnisse hätten nicht radikaler umgekehrt sein können: Hertha gewann gegen defensiv und offensiv schwache Opposition mit 3:0, schwächte die Kölner noch zusätzlich durch rote Karten für Mohammad und Tosic, und fuhr frohen Mutes nach Hause.

Die Mannschaft ist jetzt wieder so gefestigt, dass sie wohl auch die Pause für Gojko Kacar (Gelbsperre) verkraften wird können (obwohl die Lösung für dieses Personalproblem nicht auf der Hand liegt: Rehabilitierung von Ebert? Nicu?). Es gab einen glücklichen Moment nach einem Kölner Corner, die beiden Tore vor der Pause aber sahen nur glücklich aus, sie verdankten sich konsequentem Nachsetzen, Geistesgegenwart und Durchsetzungsvermögen (Raffael!).

Jetzt rechnet natürlich ganz Berlin: Was ist aus den fünf Spielen gegen fünf Topmannschaften der Liga noch drin? Nach dem Sieg der Bayern auf Schalke ist nicht auszuschließen, dass der FCB am letzten Spieltag in Berlin schon Meister ist - die Hertha könnte davon profitieren, dass es dann nur noch ein Entscheidungsspiel im Abstiegskampf ist.

Dafür müsste sie aber vorher punkten - gegen Stuttgart (schwierig, aber möglich), gegen Frankfurt (ein zweites Mal wird sie sich taktisch hoffentlich nicht so überraschen lassen wie im Herbst), gegen Leverkusen (alles drin), gegen Schalke (alles drin). In Köln müssten sie gestern eigentlich noch den Bocksgesang angestimmt haben, denn da zieht sich am Horizont etwas zusammen, was sich für die Hertha gerade noch ein wenig aufhellt.

Donnerstag, April 01, 2010

Vorführung

Das CL-Viertelfinale zwischen Arsenal und dem FC Barcelona hat gestern den ganzen großen Wahnsinn des Fußballs mit sich gebracht - ich kann mich nicht erinnern, dass zwischen einer Mannschaft, die zu den, sagen wir, zehn besten der Welt gezählt wird, und der insgesamt wohl doch eindeutig besten der Welt jemals so ein Klassenunterschied bestand.

Arsenal war Barcelona auf eine bestürzende Weise unterlegen, phasenweise habe ich beinahe die Contenance vor dem Fernseher verloren und hätte am liebsten vor allem den hochverehrten Abou Diaby persönlich angeschrien, so nervös und schlecht und einsatzschwach präsentierte er sich gegen das unglaubliche Kombinationsspiel von Barcelona.

Der Klassenunterschied entstand aus einem Akt der Naivität, von dem auch Arsène Wenger nicht freizusprechen ist - er dachte, Arsenal könnte mit Barcelona auf Augenhöhe spielen (und nicht, wie Chelsea im Vorjahr, durch Destruktion zum Erfolg zu kommen versuchen). Arsenal überstand 45 Minuten "hell and high water", rettete sich irgendwie in die Pause, und ließ in der ersten Minute der zweiten Halbzeit ein Tor durch Ibrahimovic zu, das den Coach zu Recht erbitterte, das ihn aber nicht überraschen muss, wenn er seinen besten "holding midfielder" in die Innenverteidigung zurückziehen muss: Song ging auf den Posten von Gallas, der wohl zu früh nach einer Wadenverletzung wieder mitmachen wollte und in der 38. Minute passen musste.

Was noch auffiel gestern: Arshavin ist kein Mann für große Spiele, er war fahrig und verletzte sich auch früh. Erst die Einwechslung von Walcott, Schütze des Anschlusstreffers nach zwei Toren von Ibrahimovic, brachte an den Tag, dass es auch bei Barcelona menschliche Mannschaftsteile gibt: Maxwells linke Defensivseite wird am kommenden Dienstag zweifellos eine größere Rolle spielen als gestern.

Zehn Minuten vor Schluss bekam Fabregas einen Elfmeter zugesprochen, er schoss ihn so hart, dass er sich dabei verletzte - die Bilder des humpelnden Arsenal-Kapitäns (designierter Xavi-Nachfolger bei Barcelona), der seine Mannschaft gestikulierend durch die letzten Minuten geleitete, werden unvergesslich bleiben.

Dass Arsenal aber keine Anstalten mehr machte, auf das 3:2 zu gehen, verdeutlicht, wie sehr sie auch noch dem Ausgleich noch unter Schock standen. Was das für Meisterschaft bedeutet (schon am Samstag gegen Wolverhampton), und für das Rückspiel im Camp Nou (wo Nasri die Rolle von Fabregas wird übernehmen müssen, und Diaby endlich Verantwortung), das zählt zu den vielen spannenden Geschichten, die sich in dieser Saisonphase zu akkumulieren beginnen.