Donnerstag, März 22, 2012

Bademeister

"Die falsche Wahl", so titelte die Kicker am Montag über Hertha und König Otto Rehhagel. Ich sehe das auch so, heute aber ist Donnerstag, und der Mannschaft bleibt nichts anderes übrig, als sich auf das Spiel gegen Mainz vorzubereiten. Die meisten Trainingseinheiten sind inzwischen geheim, von den öffentlichen gibt es auf dem sehr verdienstvollen Blog Immer Hertha immer wieder Hinweise auf die Trainingsinhalte.

Ich will es einmal so sagen: Man gewinnt aus diesen Andeutungen nicht den Eindruck, dass an den Grundlagen gearbeitet wird. Medizinbälle mitten im Abstiegskampf? Natürlich ist die Kondition ein Thema, selbst Niemeyer räumt inzwischen ein, dass Hertha zu wenig läuft. Aber sollte man diese Arbeit an der Fitness nicht mit dem Ball machen, wie es die meisten Spitzenteams tun? Man liest immer wieder von Torschusstraining und diesem und jenem, aber noch nie habe ich in den letzten paar Wochen von taktischen Übungseinheiten gelesen, in denen das trainiert würde, was Gladbach gestern gegen Bayern mit ein wenig Glück und enormer Hingabe geradezu schulbuchmäßig gezeigt hat: eine zugleich kompakte wie flexible Teamleistung, die es erlaubt hat, dem FCB 120 Minuten lang die Stirn zu bieten.

Dazu müsste man trainieren, wie Felix Bastians in die Viererkette integriert wird, wie Christian Lell seine Stärke auf der rechten Außenposition zurückgewinnt, wie die Außenbahnen mit den Sechsern interagieren, um den Ball aussichtsreich nach vorne zu bringen. Dazu müsste man üben, in welchen Konstellationen man sich bei Ballbesitz in der eigenen Hälfte freiläuft, und vieles mehr - generell scheint Hertha ein Team mit zufälligen Laufwegen zu sein, was nichts anderes bedeutet, als dass falsch trainiert wird.

Ein wenig Wehmut ob der vertrackten Umstände darf anlässlich des gestrigen Spiels auch noch einmal erlaubt sein, denn gegen Gladbach im Pokal war Hertha (unter Skibbe!) die bessere Mannschaft, mit einer auch taktisch reifen Leistung. Gegen Dortmund trat das Team noch einmal so solide auf, danach nicht mehr, denn danach begannen die Experimente. Darauf wollte Christian Lell vermutlich seine Bemerkung gemünzt haben, die Mannschaft müsse "ausbaden", dass sie mangelhaft eingestellt werde. Er wurde vom Management zurückgepfiffen, dass er in der Sache allerdings recht hat, ist unübersehbar.

Sonntag, März 18, 2012

Planstellwerk




"Mein Plan ist immer richtig", hat "König Otto" (hier fürderhin: KO) nach dem 0:6 gegen den FC Bayern München gesagt. Das ist eine souveräne Aussage, legt sie doch einen genauen Unterschied zwischen Ausdenken und Umsetzen fest. Ausdenken tut der Trainer, umsetzen tut die Mannschaft, der eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Früher hätte man gesagt: wer so spricht, präsentiert sich abgehoben (oder wirklichkeitsfremd), aber einem älteren Original mit "unendlicher Erfahrung" lassen die Medien alles durchgehen. In einer funktionierenden Öffentlichkeit, über die der Fußball nicht verfügt, hätte jemand nachfragen können: Was war denn genau der Plan?

Rehhagel gab dann noch einige Ansätze preis: er hatte die Mannschaft auf Ribéry und Robben hingewiesen, und wollte die Passwege zu den beiden hochklassigen Flügelspielern verschließen. Deswegen wohl kam es zu einer Rochade, die sich sehr schnell als Fehler erwies (ob es anders anders gekommen wäre, kann allerdings niemand wissen): Perdedaj spielte rechter Außendecker, Lell spielte vor Niemeyer mit Ottl ein Sechserdreieck, das nach zwanzig Minuten zu Bröseln zerrieben war.

In dieser Zeit lief Ottl wie gewohnt fleißig sinnlose Planquadrate zu, bestritt aber glaube ich keinen einzigen Zweikampf (im ganzen Spiel waren es fünf); Lell suchte nach seiner Planstelle, nur Niemeyer war in Ansätzen wirkungsvoll. Ribéry hingegen lief Perdedaj um die Ohren, dazu kamen Fehler im Aufbauspiel (Janker) und natürlich auch eine gewisse Wendigkeit der selbstbewussten Mannschaft des FCB (das 0:3 war fast eine Kopie des Gladbacher Siegtreffers in Berlin im Herbst, nur mit dem Umweg über einen Elfer, weil Müller gefoult wurde und nicht selbst abschließen konnte.)

Nun steht natürlich in Frage, wer bei Hertha im Moment die Pläne schmiedet. Die Trainingspläne stammen ja von Tretschok & Covic, die Aufstellung wird vermutlich im Konklave erfolgen (Manager Preetz hat da ja auch noch mitzureden, schließlich steht Mijatovic knapp vor einer automatischen Vertragsverlängerung, zu der es offensichtlich nicht kommen darf - finde ich richtig, wird aber die Stimmung nicht heben, den immer noch offiziellen Kapitän de facto zu mobben - so lange Schwänze können Entscheidungen haben, die Babbel im Sommer getroffen hat, nämlich mit Mijatovic als Kapitän weiterzumachen - und es hat ja sogar funktioniert, solange Mijatovic von Ottl und Niemeyer manngedeckt wurde). Die Idee, Raffael als einzige Spitze zwischen Ramos und Rukavytsya aufzubieten (zugunsten des dritten Sechsers), kann wie die mit Perdedaj auch als falsifiziert gelten - hätte Lasogga, ein relativ eifriger Presser, ganz vorne gespielt, wäre das Spiel gegen den Ball wahrscheinlich strukturierter gewesen.

Aber Hertha versteht sich als Mannschaft nicht so auf Kompaktheit, das ist vermutlich der entscheidende Nachteil im Abstiegskampf. Denn alle Konkurrenten können das, und der FCK liegt nur deswegen jetzt noch hinter Hertha, weil die Abschlussschwäche relativ historische Ausmaße hat. Das kann sich aber auch noch ändern.

Hertha hat mit einer komplizierten taktischen Umstellung gegen den FC Bayern verloren. Das Ergebnis war zu erwarten, wenn auch nicht in dieser Höhe. Auffällig (und bestürzend) sind die naheliegendsten Details: Dem Gegner reichten 108 Kilometer Teamlaufleistung (gegen 109,5 von Hertha), um den Eindruck absoluter Überlegenheit zu erzeugen. Zum Vergleich: Freiburg lief in Hamburg 120,2 gegen 110,6 der Heimmannschaft, und gewann 3:1. Ich weiß, dass schiere Kilometer nicht alles sind, aber dass Hertha permanent auch in diesem Bereich am unteren Ende der Liga ist, könnte sich am Ende der Saison als wichtiger Indikator erweisen.

Im Sportstudio des ZDF stellte KO sich dann noch einmal, da schon ein bisschen weniger selbstgerecht, aber immer noch so, dass man seine innere Distanz nicht übersehen konnte. Was immer er während der Woche macht (er spricht auch nach den Spielen für meine Begriffe immer ein wenig zu viel von "frei haben", "zur Familie gehen", "erst mal verarbeiten", so als wollte er im Grunde die Mannschaft nicht allzu oft sehen), in seiner öffentlichen Kommunikation erweckt er nicht den Eindruck großer Identifikation.

Er genießt, so gewinnt man den Eindruck, die Aufmerksamkeit, aber er sieht das unabhängig von der Leistung der Mannschaft. Viele Medienvertreter ja auch, für meine Begriffe aber ist KO weiterhin ein Skandal. Jetzt wäre noch einmal eine Gelegenheit, ihn freundlich von der Bühne zu bitten - lieber steige ich mit Tretschok und Covic ab, als mit dem "Rehakles of Oz". Aber den Medien ist natürlich das (allerdings längst abflauende) Theater lieber, und das Management von Hertha versteckt hinter dem Theater seine nun wirklich nicht mehr zu übersehende Verlegenheit.

Donnerstag, März 15, 2012

Geheimgesellschaft

Gestern Nachmittag hätte ich ein wenig Zeit gehabt. Ich wollte zum Training fahren, hätte mich doch interessiert, was in diesen Tagen so geübt wird. Doch wir sollen das nicht erfahren. Hertha trainiert den größten Teil der Woche "nicht öffentlich", und ich habe dabei eigentlich nicht das Gefühl, dass das deswegen ist, weil da so ausgefuchste taktische Feinheiten geübt werden, sondern weil man König Otto nicht zu konkret dem prüfenden Blick der Fans aussetzen will. Gerade deswegen, weil anscheinend die Einheiten ja von Tretschok und Covic geleitet werden, ist der Mann mit der unendlichen Erfahrung eine besondere Beobachtung wert. Nicht erlaubt, ich hätte am Vormittag kommen müssen.

In dieser Woche werden auch die Unterlagen für die Lizenzierung für die kommende Saison abgegeben. Die Mopo hat dazu einen plausiblen Bericht gebracht, aus dem im Grunde wieder einmal hervorgeht, dass Hertha noch auf lange Zeit mit gravierenden (selbst verursachten) Startnachteilen wird arbeiten müssen (würde man die nicht wenigen Millionen, die der "anonyme" Investor zugeschossen hat, aus der Bilanz herausrechnen, wäre Hertha mit Pauken und Trompeten bankerott).

In dieser schwierigen Phase werden am Samstag die Bayern (die "Bauern", wie man hier gern sagt) erwartet, mit 14 Toren aus zwei Spielen im Gepäck. Dem Trainer des FC Basel, dessen Konzept der Druckwellenentschärfung am Mittwoch in der CL ja nicht aufging, ist immerhin ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung zu verdanken: "Das Bayern-Gen gibt es nicht", hat er in einem Interview gesagt. Dafür spricht auch, dass der einzige Bayer, der bei Hertha derzeit wirklich Leistung bringt, aus Rheinland-Pfalz kommt: Thomas Kraft.

Ich wäre sehr dafür, dass er am Samstag seinen Ex-Club zur Verzweiflung bringt. Ganz allein wird ihm das aber nicht gelingen. Ich hoffe, dass das nicht öffentliche Training diese Woche gut genützt wird. Und dass der Wolkenguckucksopa, der zur Zeit als Cheftrainer fungiert, eine Idee entwickelt gegen die Lücken, in die Thomas Müller so gern geht.


Dienstag, März 13, 2012

39 Sekunden

Arsenal hat gestern gegen Newcastle einen Premier-League-Rekord gesetzt, auf den die meisten Teams wohl keinen Wert legen würden: Noch nie ist eine Mannschaft viermal in Folge nach einem Rückstand zurückgekommen und hat noch gewonnen. Die Dramatik wurde noch dadurch verschärft, dass der entscheidende Treffer wie schon neulich gegen Liverpool in der Nachspielzeit fiel, genauer gesagt in der 95. Minute.

Und weil das ein exzellentes Beispiel für die Zeitmaße des Fußballs ergibt, habe ich mir die kleine Mühe und das große Vergnügen gemacht und bin mit dem Notizzettel noch einmal an diese Szene gegangen, um sie in ihre Einzelteile zu zerlegen. Da sieht man dann nämlich, was im Fußball möglich ist - Agonie und Ekstase lagen gestern so nahe beisammen, dass der World Feed der EPL sogar noch zwei sehr schöne "reaction shots" einbauen konnte, zwei Bilder, die nachgerade wie Beschwörungen wirkten, jedenfalls in der Rückschau von dem Tor, das gleich danach fiel. Es entwickelte sich so:

93:26 Newcastle ist auf der rechten Offensivseite in Ballbesitz, sucht aber nicht mehr den Abschluss. Es steht 1:1, das wäre für die Magpies ein gutes Ergebnis nach einem ziemlich guten Spiel, das der Mannschaft von Alan Pardew aber alles abverlangt hat. Der Ball geht ins Out, Einwurf neuerlich für Newcastle.
93:39 Erst nach fünfzehn Sekunden hat Danny Simpson den Ball wieder an den Spielfeldrand gebracht, er hat ihn sich aus der leicht abgesenkten Zone neben dem Feld geholt, ist gemächlich wieder hinangestiegen zur Linie, nun steht er dort, bereit zum Einwurf. Nun sucht er einen Mitspieler, zu dem er werfen kann. Das dauert.
93:45 Simpson wirft an die Toroutlinie, der Ball geht ein paar Mal hin und her, Newcastle kann ihn nicht richtig behaupten, Arsenal kann aber erst nach sieben Sekunden eine Klärung herbeiführen. Die hat es aber in sich. (Jetzt ist noch eine Minute zu spielen.)
93:52 Song spielt von der Strafraumgrenze vertikal auf van Persie.
93:54 Van Persie geht mit dem Ball in Richtung der Hälfte von Newcastle
93:57 Song schließt zu ihm auf, übernimmt den leicht zurückgespielten Ball, und spielt einen Pass nach rechts außen
93:59 Thomas Vermaelen überquert die Mittellinie (zweitbester Offensivsprint ever bei Arsenal, nach dem von Arshavin beim 4:4 gegen Liverpool)
94:00 Walcott nimmt auf dem rechten Flügel den Ball an und schlenzt ihn in den Strafraum
94:04 Van Persie springt unter der Flugbahn des Balls durch (im Arsenal TV schreit der Kommentator in diesem Moment: "this one might fall for Vermalen")
94:05 Der Ball fällt "für" Vermaelen, der ihn aus einem Meter über die Linie drückt.

Von den 39 Sekunden, auf die es ankam, vergingen also 26 mit Zeitschinden, und 13 brauchte es für den Konter, der das Tor brachte. Eine schöne Proportion.

Im Vorjahr schaffte Arsenal es übrigens einmal, in der 97. Minute gegen Liverpool in Führung zu gehen, und in der 102. noch den Ausgleich zu kassieren. Damals begann die Saison nach der Niederlage im Carling Cup dramatisch auszurinnen, das führte dann auch zum Abgang von Nasri und Fabregas. Heuer sieht es zumindest jetzt gerade so aus, als könnte das Momentum ein anderes sein - Titel ist keiner mehr drin, aber wenn sich die Mannschaft noch mehrfach so belohnt wie zuletzt, dann könnte sie sich anders für nächste Saison in Stellung bringen als 2011.

Gegen Liverpool war die Leistung noch schlecht, aber das Ergebnis stimmte. Gegen Newcastle gestern war das Spiel zum Teil wunderbar (Rosicky, Walcott, Arteta), trotzdem brauchte es einen Moment, in dem das Glück ein wenig aufs Tempo drückte. Daraus entstehen Szenen wie die auf dem Bild: Vermaelen verwertet, und Gervinho tanzt dazu.

Montag, März 12, 2012

Dampfplauderer

Einigermaßen bedient bin ich am Samstagabend in Köln um 18.48 in den ICE gestiegen und wieder nach Berlin gefahren. Die Auswärtsfahrt brachte mir vor allem die Erkenntnis, das ein sogenanntes "reines Fußballstadion" eine heiße Sache sein kann. Hertha hatte die erste Halbzeit beim FC Köln verpennt, kam aber gut aus der Kabine zurück und hatte dann sogar vier Minuten (!) das Spiel im Griff (bis zu einem Konter des FC).

Entscheidend war aber, dass Referee Winkmann in der 66. Minute eine harte rote Karte gegen Jajalo verfügte. Das Publikum war darüber mächtig aufgebracht und sorgte mit ausdauernden und lautstarken Manipulationsvorwürfen für eine hektische Schlussphase, die zu zwei weiteren Ausschlüssen (für Kobiashvili und Podolski) führte, nicht aber zumindest zum Berliner Ausgleich. Dieser wäre ohne weiteres möglich gewesen, es hätte dazu aber einer konzentrierteren Leistung bedurft - davon war dann eben keine Rede mehr, dazu trug auch die Stimmung im Stadion bei.

Hertha hat in diesen Woche so viele Probleme, dass es schwierig ist, sie zu sortieren. Das beginnt für mich beim Chefcoach, der in den Pressekonferenzen zusammenhanglos vor sich hinschwadroniert - wenn er in seiner Teamkommunikation auch so agiert, dann haben TC eine Menge zu tun, da wieder für Ordnung zu sorgen. Wie Rehhagel etwa am Samstag nach dem Spiel Lasogga schwach redete, das ist auch mit unendlicher Erfahrung nicht zu rechtfertigen. Konkret müsste aber jemand mit dem Hoffnungsträger die Integration in ein Pressingkonzept üben - der einzige Frontmann von Hertha holte sich in Köln arg früh eine gelbe Karte, weil er zu aggressiv zu Werke ging, für mich eine Folge dessen, dass er zu isoliert ist.

Das hat sicher auch mit der Form von Raffael zu tun. Die Chancen im Abstiegskampf werden unter anderem davon abhängen, ob es gelingt, den Brasilianer noch einmal zu Selbstbewusstsein und Engagement zurückzuführen. Er ist nicht Messi, das weiß er selber, aber er kann etwas Ähnliches, nämlich mit dem Ball schneller zu werden - das hilft allerdings nichts bei einer generell langsamen Mannschaft.

Hertha funktioniert als Verbund nicht, das zeigt sich am besten an Lell, der gerade das Niko-Kovac-Syndrom ausprägt (stark im Interview, schwach auf dem Platz), und der defensiv wie offensiv nicht zu wissen scheint, was er tun soll. Bei Felix Bastians ist das ähnlich, es fehlt an Abstimmung mit den Wingern und mit Hubnik und Janker - mit einem Wort, es bleibt ein wenig unklar, was Hertha während der Woche eigentlich trainiert. Offensichtlich nicht die sogenannten Automatismen, die ein Team "kompakt" werden lassen.

Die rote Karte für Kobiashvili bringt es mit sich, dass die Königspersonalie von RTC schon wieder obsolet ist - gegen Bayern wird er gesperrt sein, ob Perdedaj dann trotzdem wieder in der Startformation sein wird, darf auch bezweifelt werden. Im Moment sind die Verantwortlichen auf Nullsummenspiele angewiesen: Lasogga raus, Ramos rein, Torun raus, Ben-Hatira rein - der Effekt ist gering. Im Herbst war das alles noch irgendwie beherrschbar, die Zweiteilung der Mannschaft sorgte für eine überschaubare Grundordnung, selbst in offensiver Unterzahl gelangen Tore.

Wäre ich Videoanalyst, ich würde die Minuten 46 bis 49 zur Grundlage der Trainingsarbeit dieser Woche machen. Da hat Hertha in Köln gezeigt, dass Ballbesitz bei kluger Laufarbeit Spaß machen kann, und dass man sich so die Geduld erarbeiten kann, eine richtige Chance herauszuspielen. Der Abstiegskampf ist hektisch, im Moment scheinen alle drei Konkurrenten besser zu wissen, was zu tun ist. Das gibt Grund zur Sorge. Der Dampfplauderer Otto Rehhagel vermag meine Sorgen nicht zu zerstreuen.

Samstag, März 10, 2012

Karnevalsprinz

Bei Lukas Podolski muss ich immer an Mike Wazowski denken, so funktioniert nun einmal unser Hirn, es ist auf "pattern recognition" gepolt, und bei mir läuft das häufig über den Klang (gern kindische Reime). Gegen Hertha hat der Kölner Prinz einmal heftiger zugeschlagen, ich erinnere mich an ein 2:4 vor ziemlich genau sechs Jahren, also im Frühling vor dem Sommermärchen, danach ging er zum FCB.

Nun gilt es bereits als weitgehend verbürgt, dass er diesen Sommer zum Arsenal FC wechseln wird, das wäre eine ziemlich frühe Entscheidung für beide Seiten. Wo er bei meinem englischen Lieblingsclub spielen könnte, wird entscheidend davon abhängen, ob van Persie das letzte Jahr seines aktuellen Vertrags in London spielen wird (oder sogar noch länger darüber hinaus), oder ob er in der Sommerpause einen Transfer zu einem aussichtsreicheren Club anstreben wird. Das beschäftigt die Medien auf der Insel schon seit Monaten intensivst, meiner Einschätzung nach gibt es keine erkennbare Tendenz.

Faktum ist, dass van Persie irgendetwas in seinem Leben, seinem Training, seiner inneren Balance umgestellt haben muss, denn er ist fit wie nie zuvor, und gleich deutlich weniger verletzungsanfällig. Er ist ein absolut großartiger Kapitän, und auch das spielt eine große Rolle bei dem Gedanken, für ihn das Gehaltsschema von Arsenal zu sprengen. Wichtiger aber wird sein, ihm Vertrauen in die Konkurrenzfähigkeit des Teams zu geben, und dazu bedarf es einer überlegteren Transferpolitik als bei den Panikkäufen letzten August.

So richtig voll durchdacht erscheint mir die Podolski-Sache vor diesem Hintergrund nicht, denn letzten Sommer erst hat Arsène Wenger 12 Millionen Euro für Gervinho (aus Lille) ausgegeben, der im Grunde dieselbe Rolle einnimmt. Dazu kommt Oxlade-Chamberlain, der auch über links kommen kann, und dies wohl häufiger tun wird, wenn Walcott nicht den Verein wechselt. Ich habe Podolski selten als zentralen Frontmann gesehen, heute soll auch Novakovic diese Rolle spielen, er wird also wie im Nationalteam eher über die Seite und mit Anlauf kommen.

Da ich mich spontan zu einer Auswärtsfahrt entschlossen habe, werde ich Gelegenheit haben, ihn gewissermaßen zu "scouten", in erster Linie werde ich aber natürlich auf Hertha schauen - ich hoffe, dass RTC (Rehhagel-Tretschok-Covic) die richtige Wahl für das Mittelfeld treffen (ich wäre ja glatt für Perdedaj), und hoffe, dass Hertha sich heute ein wenig Luft verschaffen kann, bevor nächste Woche der FCB nach Berlin kommt.

Ich werde einen Stadionfilm drehen und empfehle inzwischen schon einmal einige Gastbeiträge von Valdano, die dort neu auf der Seite stehen. Helau, pardon: Ha Ho He.

Mittwoch, März 07, 2012

Beinaheverhältnis

Tolles Match gestern im Emirates zwischen zwei Mannschaften, die beide von der großen Fluglinie vom Golf unterstützt werden. Arsenal musste ein 0:4 aus dem Hinspiel beim AC Milan aufholen, zur Pause stand es 3:0, am Ende auch, damit schieden die "nearly men" aus. Es war ein Spiel, das fast alles enthielt, was ich an dieser Mannschaft mag - und auch viele Elemente des schlechten Managements, das nicht nur diese Saison prägt.

Arsenal kam am Wochenende mit einem mehr als glücklichen Sieg aus Liverpool zurück, die Chancen auf Platz 4 in England und damit auf eine neuerliche Qualifikation für die CL sind intakt. Für das Spiel gegen Milan waren die Personalreserven allerdings schon extrem ausgedünnt, vor allem Arteta, Ramsey und Coquelin fehlten empfindlich (stattdessen brachte Wenger in der zweiten Halbzeit den Koreaner Chu-Young Park, einen seiner sinnlosesten Einkäufe). Die englischen Zeitungen sind heute voll des Lobs für Alex Oxlade-Chamberlain, für den Arsenal im Sommer immerhin 13,8 Millionen Euro bezahlt hatte, eine Menge Geld für einen 18jährigen, aber immer noch viel weniger als die 30 Millionen, die für Götze aufgerufen würden (den Arsenal gar nicht braucht).

"The Ox" spielte gegen Milan im zentralen Mittelfeld neben Song. Es wäre reizvoll, sich das Spiel in einer Version vorzustellen, in der er nicht früh in der zweiten Halbzeit durch eine Muskelverletzung mehr oder weniger neutralisiert worden wäre (ausgewechselt wurde er erst eine Viertelstunde vor Ende, so dürftig waren Arsenals Offensivoptionen gestern). In der ersten Halbzeit hatte Oxlade-Chamberlain die starke Leistung des ganzen Teams durch einen Lauf in den Strafraum gekrönt, der zu dem Elfmeter führte, den van Persie zum 3:0 verwandelte. Dann setzte Milan aber noch vor dem Pausenpfiff den einen Konter, der die Richtung für den Rest wies. Das Gegentor fiel nicht, aber in Halbzeit zwei wurde die Mannschaft von Allegri immer stärker, während Arsenal nicht mehr zusetzen konnte (das Team lief knapp 113 Kilometer, das ist nicht wahnsinnig viel für seinen Abend mit den gestrigen Implikationen: das größte Comeback der CL-Geschichte war in Reichweite).

Es gibt einen Spieler, der das Dilemma von Arsenal (und das schlechte Management von Arsène Wenger) bestens verkörpert: Alexandre Song. Auf ihm lastet bei Arsenal eine enorme Verantwortung, spielt er doch im Prinzip den einzigen defensiven Mittelfeldpart. Arteta hat sich dabei als ideale Ergänzung erwiesen, und auch Oxlade-Chamberlain hat gestern eine Halbzeit lang seine Sache gut gemacht. Song spielt viele tentative, vertikale Pässe, schon gegen Liverpool konnte man aber sehr gut sehen, dass er nach einer extrem langen Saison ausgebrannt wirkt, viele Freistöße verursacht und Bälle in gefährlichen Situationen verliert - es gibt für ihn im Kader von Arsenal keine Alternative, Frimpong wurde ausgeliehen (und ist langfristig verletzt), Coquelin ist auch verletzt (hätte aber auch nicht die Autorität für diese wichtige Position, obwohl er sicher einer der am meisten gereiften Spieler dieser Saison ist), und wenn Wenger immer noch auf Abou Diaby hofft, dann ist ihm nicht zu helfen.

Der Konter, mit dem das Spiel gestern endete, ließ sehr schön erkennen, dass Song ein wenig Urlaub bräuchte - hätte er da noch einen klareren Pass zuwegegebracht, wer weiß? Aber in der Verlängerung wäre Arsenal wohl endgültig kollabiert, oder Szceszny hätte mit einem seiner riskanten Abschläge das Unheil heraufbeschworen (trotzdem sollte Hertha sich einmal genau anschauen, welche Optionen Arsenal bei Ballbesitz Torwart bietet - drei, vier gut gestaffelte Anspielmöglichkeiten sind fast immer da).

Der Konjunktiv ist die eigentliche Form für Arsenal, im Grunde mag ich diese Mannschaft auch deswegen so sehr, weil sie auf dem (pardon the pun) größtmöglichen Möglichkeitssinn beruht. Konkret könnte einen das allerdings häufig fast wahnsinnig machen, oder umgekehrt: das Leben mit Arsenal ist eine einzige Gelassenheitsübung. Serenity Now!

Sonntag, März 04, 2012

Viererbande

Mit einem glücklichen, letztlich aber nicht unverdienten 1:0 konnte Hertha sich gestern ein wenig Luft im Kampf gegen den Abstieg verschaffen. Nach wie vor ist die Situation prekär, aber der außerplanmäßige Sieg gegen einen EL-Aspiranten konnte die definitiv außerplanmäßige Niederlage in Augsburg kompensieren, und für das Auswärtsspiel in Köln wird der Druck nun erträglicher. Das Getue um "König Otto" ist ein wenig abgeflaut, schon während der Woche konnte man in einem guten Bericht der MoPo lesen, wie sich da gerade drei Trainer und ein Manager in eine Aufgabenteilung zu finden suchen, deren Implikationen Manager Preetz allenfalls in Andeutungen bedacht haben kann. Nach wie vor wirken die Interviews von Rehhagel konfus und keineswegs überzeugend, aber was die Mannschaft gestern gegen Bremen auf den Platz bekam, reichte gegen einen Gegner, der eindeutig "in transition" ist, zu einem hoffentlich kathartischen Sieg.

Neuerlich wurde das Team ein wenig umgebaut. Für den gesperrten Niemeyer kam Perdedaj ins defensive Mittelfeld neben Kobiashvili, für Mijatovic, der auf die Bank musste, kam Janker, während rechts Lell zurückkam, und links Bastians seinen Platz behielt. Ramos spielte zentrale Spitze vor Raffael, Lasogga begann auf der Bank, die Winger waren Rukavytsya und Torun, während "Petrick" Ebert nicht einmal im Kader war.

Auffällig ist, wie Ante Covic sich um die Stimmung bemüht (er geht auf Tuchfühlung mit den Spielern), während Tretschok sich um eine eher strategische Aura bemüht. Und Rehhagel - er ist nicht einmal in der Lage, die Ballade vom Zauberlehrling richtig in Anschlag zu bringen, denn bei Goethe geht die Sache ja, wie man so schön sagt, nach hinten bzw. in alle, nur nicht die gewünschten, Richtungen los.

Zu den Aktivposten des Spiels würde ich vor allem Hubnik und Kobiashvili zählen, dazu mit Abstrichen Perdedaj, Rukavytsya und wegen seiner Flanke auch Bastians. Über Thomas Kraft müssen wir nicht mehr groß reden, er ist eindeutig Herthas bester Profi, schon seit einiger Zeit. Und er wächst an der Aufgabe. Perdedaj empfahl sich mit einer angemessen offensiven Interpretation seiner Rolle, es war aber vor allem Kobiashvili, der mit Aktionsradius und Intensität die Aufgabe eines Umschaltspielers zum ersten Mal in dieser Saison wirklich interessant definierte. Nach wie vor fehlt bei Spieleröffnung aus der eigenen Viererkette ein wenig das flexible Moment, dass einer der beiden Sechser sich fallen lässt und so einen variantenreicheren Aufbau ermöglicht. Aber unabhängig von der Besetzung (nächste Woche kehren ja Ottl und Niemeyer zurück) war das ein Spiel, das man unter diesen Aspekten noch einmal studieren kann.

Werder war zwar trotzdem spielbestimmend, aber Hertha konnte durch den Einsatz viel wettmachen (leider fehlen die Trackingdaten auf der Bundesliga-Seite). Und als Bastians nach einer Stunde eine schöne Flanke ins Zentrum brachte, war zum Glück schon der in diesem Fall wirkungsvollere Lasogga auf dem Platz - er ging so zum Ball, dass dieser zu dem hinter ihm stehenden Rukavytsya durchkam, der mit viel Dusel traf. Es war das zweite Hertha-Tor in diesem Jahr!

Beinahe hätten RTC noch einmal alles ruiniert, als sie in der 83. Minute Mijatovic für Raffael brachten. Der alte Recke hätte schon kurz darauf eigentlich eine rote Karte sehen können, als er als letzter Mann Pizarro foulte, und verursachte gleich noch einen weiteren Freistoß - wenn es personell irgendwie geht, sollte man auf ihn verzichten, perspektivisch sowieso. Das sah mir jedenfalls stark nach einem König Otto-Manöver aus, mit Janker als "Libero" zwischen Abwehr und Sechsern. Werder vermochte aber auch daraus nichts zu machen.

So steht Hertha nun wieder über dem Strich, selbst der HSV und Wolfsburg sind wieder in Sichtweite geraten. Es wird aber ganz wesentlich darauf ankommen, dass Köln mit dem Spiel heute und mit dem Spiel gegen Hertha nächste Woche so richtig in Schwierigkeiten gebracht wird, denn als Fünfkampf wäre die Sache deutlich besser zu spielen, nicht zuletzt angesichts der anhaltenden Stärke von Augsburg. Hertha hat sich gestern Luft erkämpft für die Fortsetzung einer Politik der kleinen Schritte - sogar Raffael, der lange Zeit grenzdepressiv wirkte, sah man nach dem Tor strahlen, und als er hinaus musste, wurde er von Ante Covic in die Mangel genommen. So werden aus Mängelwesen vielleicht wieder Führungsspieler.

Samstag, März 03, 2012

Grasnarbe

Das Ligaspiel zwischen Hertha und Werder Bremen ist durch ein rhetorisches Vorgeplänkel angeheizt worden, das einen fast an Schwergewichtsboxer denken lassen könnte. Bei denen gehört es auch zum Ritual, vor dem Match unqualifizierte Invektiven abzusondern. In diesem Fall hat sich aber jemand zu Wort gemeldet, auf dessen Äußerungen man eigentlich in dieser Angelegenheit nicht gewartet hatte: Der Politiker der Grünen, Jürgen Trittin, sprach der "Superillu" (!) gegenüber von einem Management bei Hertha BSC, das er als "suizidal veranlagt" qualifizierte. Werner Gegenbauer, hiesiger Präsident, konterte in rauhem Ton und empfahl Trittin: "einfach mal Fresse halten". Und fügte hinzu: "Das ist Niveau unterhalb der Grasnarbe." Damit hat er zweifellos recht.

Er kann allerdings nicht übersehen, dass auch diese unerquickliche Auseinandersetzung mit der Verpflichtung eines "Königs" zusammenhängt, der seinerseits nichts Besseres zu tun hatte, als sich so schnell wie möglich von der Berliner CDU als Wahlmann für die kommende Bundespräsidentenwahl aufstellen zu lassen. Das ist ein kleiner, aber unfeiner Rückfall in den alten Hertha-Kontext unseligen Andenkens, als es sich dabei noch nicht um einen Hauptstadtclub handelte, sondern um eine politfarblich höchst einseitige Westberliner Lokalangelegenheit.

Zu Trittin ist zu sagen, dass er als Kanzlerkandidat einer Partei im Gespräch ist, die auch erst zeigen muss, ob sie nicht ihrerseits "suizidale" Veranlagung besitzt - denn eigentlich wäre die politische Großwetterlage ideal für die die Grünen, ob sie das aber mit ihrem derzeitigen Spitzenpersonal "auf den Platz" bzw. in die Urnen bekommen wird, scheint sehr zweifelhaft. Die Hertha-Äußerung ist da nur ein winziges Indiz dafür, dass da jemandem der Kamm zu stark geschwollen ist.

Im übrigen bin ich weiterhin aufgebracht über die Personalie Rehhagel, hoffe aber natürlich inständig, dass ich schon heute bis auf die Unterhosen blamiert werde. Dazu wäre allerdings ein taktisch, spielerisch und kämpferisch überzeugender Sieg gegen Werder Bremen erforderlich. Sollte es dazu kommen, gehe ich morgen gern (diskursiv) in Sack und Asche und hole Manager Preetz vom Pranger herunter.