Samstag, Oktober 30, 2010

Lunch Crunch

Der Spielplan von Liga zwee hat es mit sich gebracht, dass ich heute auf das Heimspiel der Hertha gegen Ingolstadt gute Sicht hatte, obwohl ich gerade in Wien bin. In der Sportbar im Marriott Hotel war ich der einzige Gast, der Samstag um 13h zum "lunch crunch" etwas sehen wollte, sie schalteten dann für mich auch gleich von der Konferenz auf das Einzelspiel um.

So konnte ich ohne viel Spannung einen weiteren Sieg beobachten, und muss einmal mehr feststellen: Hertha spielt in diesen Wochen ganz einfach deswegen nicht besser, weil sie nicht muss. Domovchyiski, der nach der Pause mit dem 2:1 die Richtung wies, ist dafür ein gutes Beispiel. Er bringt sich wenig ein, kann aber, wenn ihm ein Ball wie der von Friend im Strafraum vor die Füße fällt, inzwischen soweit die Ruhe bewahren, dass er genau jene Feinjustierung noch hinbekommt, die zu einem sehenswerten Schuss führte.

Beim Jubel konnte man dann sehen, dass der junge Bulgare es inzwischen mit der Coolness ein wenig zu übertreiben beginnt - aber gut, fünf Tore sind auch ein Argument, und Ingolstadt war über 90 Minuten nicht die Mannschaft, die Systemfragen an Hertha zu stellen wusste.

An der Stelle von Rukavytsya war heute Ronny in die erste Mannschaft gerückt, sein Bruder Raffael feierte diesen Umstand nach einer guten Viertelstunde mit einem Flachschuss von halblinks (nach schönem Pass von Kobiashvili). Ein paar Minuten später ergab sich aus inkonsequenter Arbeit gegen den Ball im eigenen Drittel ein Gegentor, an dem der Sky-Kommentator Sebastian Neumann die Schuld gab. Wer genauer hinsah, würde aber wohl zuletzt Hubnik und Lell daran beteiligen wollen, Lell ließ einen Querpass von der Grundlinie zu, und Hubnik blieb im leeren Raum, wodurch erst Neumann dazu gezwungen wurde, zwischen zwei Ingolstädtern zu wählen - er kam dadurch zu spät.

Die erste Halbzeit verlief danach ohne große Ereignisse, in der zweiten gab es noch den Treffer von Domo und ein Kopfballtor von Ramos nach Corner von Raffael. Dass sich am 3:1 nichts mehr änderte, lag auch daran, dass einige Konter zerstreut zu Ende gespielt wurden, immerhin deutete Lasogga, der für den still mit der Welt hadernden Friend kam, an, dass er weiß, wo der Torpfosten steht. Hertha segelt durch den Bewerb, dicht gefolgt von (!) Erzgebirge Aue. Ich gehe jetzt wieder ins Kino, viereinhalb Stunden mit den "Geheimnissen von Lissabon" stehen auf dem Programm.

Mittwoch, Oktober 27, 2010

Runde zwo ist nicht Liga zwee

Als ich gestern Abend gegen halbneun in das Sportcafe im Wiener Hotel Marriott kam, das traditionell um diese Jahreszeit in diesem Blog auftaucht (weil ich in Wien auftauche), ging gerade ein Spieler mit rotem Trikot vom Platz.

Es handelte sich dabei nicht um, wie der wie gewöhnlich gut informierte Aushilfsreporter von Sky wusste, "Nando Raffael", sondern um den Spielmacher und Star von Hertha BSC. Er hatte eine rote Karte kassiert, weil ihn ein Spieler von TuS Koblenz in seinem Vorwärtsdrang mit miesen Mitteln gehindert hatte, woraufhin Raffael aus vollem Lauf noch ein wenig nachtrat - ein Indiz für den Frust, den Hertha in der zweiten Runde des DFB-Pokals schob.

Koblenz lag mit 2:0 in Front. Ramos erzielte sehr spät noch einen Anschlusstreffer, zu mehr kam es aber nicht mehr. Immerhin entnehme ich den Berichten, dass die Gegentreffer nicht auf das Konto des jungen Innenverteidigers Sebastian Neumann gehen, dem ich einen positiveren Start gewünscht hätte - das 0:1 war ein "freak goal", ein Koblenzer Befreiungsschlag aus der eigenen Hälfte, der über Sejna ins Hertha-Tor ging, das 0:2 ein Elfmeter, den Domovchiyski verursachte.

Ich kann aus den paar Szenen, die ich letztendlich nur gesehen habe, keine Schlüsse ziehen, mich macht aber ein Satz stutzig, den Markus Babbel anschließend im Interview von sich gab: "Ich wusste nach unserer Siegesserie ja gar nicht mehr, was ich den Jungs sagen soll - jetzt habe ich wieder Ansatzpunkte." Das klingt nicht gut.

Denn bei aller Dominanz von Hertha in Liga zwee muss den Verantwortlichen doch klar sein, dass das bisher auch ein wenig trügerisch war - es hätte genug zu besprechen gegeben, gerade in den Details, auf die es in engen Spielen ankommt. Der Trainer hat also vermutlich selbst ein wenig zu den Einstellungsproblemen beigetragen, die Hertha in Koblenz allen Berichten nach hatte.

So entsteht ein Erlebnis des "same as it ever was": es wird Herbst, Hertha scheidet aus dem DFB-Pokal aus, Raffael werden die Füße kalt, wir werden uns wärmer anziehen müssen.

Montag, Oktober 25, 2010

Talente

Im RBB-Sportplatz gab es am Sonntag ein kurzes Interview mit Sebastian Neumann zu sehen. Das ist nicht ganz selbstverständlich, denn andere Clubs nehmen einen neunzehnjährigen Innenverteidiger, der gerade wegen Verletzung des Kapitäns für mherere Wochen in die erste Mannschaft nachrückt, gern einmal ein wenig aus dem Rampenlicht. Der Junge bekommt dann Interviewverbot, er muss an den Medienvertretern brav vorbeigehen. Nicht so bei Neumann, der sich sachkundig geäußert hat und auf den ich sehr neugierig bin (ein paar Mal habe ich ihn ja schon gesehen).

Es ist dieser Aspekt an der Hertha 2010/2011, der mir die Erfahrungen in der zweeten Liga fast aufwiegt. Schulz, Perdedaj, Djuricin, Lasogga und Neumann hätten wir bei Klassenerhalt wahrscheinlich nicht so schnell so nahe an der ersten Elf gesehen, nun aber machen sie Erfahrungen, die nahelegen, dass sie nächstes Jahr bei Aufstieg ohne Weiteres ihre Aufgaben wahrnehmen könnten.

Dieses Evolutionäre am Fußball ist etwas, das mich endlos interessiert - ich kann mich noch erinnern, wie Fabregas zum ersten Mal bei Arsenal auftauchte, da war er noch jünger als Schulz jetzt; gestern führte er sein Team zu einem 3:0 bei Manchester "Moneybags" City (das Ergebnis täuscht allerdings ein wenig, das ist nach wie vor eine wacklige Angelegenheit bei Arsenal 2010/2011). Der Berliner Junge Jerome Boateng spielte gestern bei City in der Viererkette - so schnell geht Entwicklung nicht immer, aber hier zeigt sich, was im Positiven möglich ist.

Dass Coach Babbel das so durchzieht, wird von allen Medien goutiert. Es ist im Grunde das eigentlich interessante Geschehen in einem Jahr, in dem Hertha notgedrungen mit einem Team spielt, das auf vielen Positionen eine Übergangsbesetzung aufweist (Aerts, Kobiashvili, Lell, Mijatovic, Hubnik, Rukavytsya, Friend sehe ich nur mit Einschränkungen in der ersten Liga) - wenn der Aufstieg gelingt, muss noch einmal eine neue Mannschaft her, und dass Babbel daran offensichtlich schon denkt, denken muss, das kann nur unsere Zustimmung finden.

Samstag, Oktober 23, 2010

Matchplan

Hertha hat am Freitagabend mit 2:0 gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth gewonnen, sie hat sich dabei nicht sehr schwer getan, es hing am Ende vor allem davon ab, eine der erarbeiteten Chancen auch zu nützen. Im Vorfeld hatten die gewohnt sachlichen Berliner Tabloiden von einem "Giganten-Gipfel" geschrieben (gibt es Giganten in einer zweiten Liga?), davon war im Olympiastadion vor fast 40000 Zuschauern nichts zu sehen.

Der Matchplan von Fürth muss ungefähr so ausgesehen haben: Zuerst lullen wir die Berliner eine Halbzeit lang ein, und dann wiegen wir sie sachte aus dem Spiel. Das wäre auf ein torloses Remis hinausgelaufen, zu dem Lell mit seinem Hauptanspielpartner Hubnik dann wohl die meisten gelungenen Berliner Pässe beigesteuert hätte. Zum Glück nahm das Spiel zwischendurch gelegentlich ein wenig Fahrt auf, häufig über Ramos.

In der zweiten Halbzeit war es schließlich Kobiashvili, der ausnahmsweise einmal dynamisch an die Grundlinie ging und zu Domovchyiski zurücklegte, der mit Übersicht halbhoch abschloss. Gleich darauf hatte Fürth noch eine sehr gute Ausgleichschance, und in den sterbenden Momenten des Spiels (englische Kommentatorenlyrik: "in the dying moments") setzte Raffael nach Zuarbeit von Ramos den Luxustreffer, der aber umso mehr Freude machte, als das Match davor doch eher Pflicht als Kür war.

Es ist ein bisschen seltsam in dieser Liga, aber man hat doch gelegentlich den Eindruck, dass das keine ernsthafte Herausforderung ist. Oder sagen wir so: Wir haben uns doch in der Regel geistig auf umkämpfte Begegnungen eingestellt, in denen Hertha ihre Vorteile nur mühsam wird durchsetzen können.

Nun steht sie mit 7-2-0 S-U-N an der Tabellenspitze, und arbeitet daran, vielleicht als "Invincibles" durch die Saison zu gehen. Systemdebatten erübrigen sich angesichts der Tabellensituation, aber auch gestern war wieder zu sehen, dass die Spieleröffnung weiterhin mühsam bleibt, weil die Offensivabteilung zwar brav gegen den Ball arbeitet, sich aber bei Ballbesitz Sejna, Mijatovic oder Hubnik schnurstracks weit nach vorn begibt, sodass Niemeyer das weite Land dazwischen fast für sich allein hat. Zugegeben, Raffael und zunehmend auch Domo haben darauf reagiert, und es kam ja auch mehr Pepp ins Spiel.

Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen, dass Hertha so problemlos durch die ganze Saison gehen könnte, gestern dachte ich dann aber zwischendurch (weil ja Zeit war dafür) an so einige vermaledeite Momente aus der letzten Saison, und war dann doch ein wenig erstaunt, dass sich das jetzt fast vollständig ins Gegenteil verkehrt. Hertha gleitet durch den Bewerb - nur eben durch den, den sie lieber bei Zuteilung eines normal komplizierten Geschicks gern vermieden hätte. Um es ganz offen zu sagen: Ich freue mich, dass es so gut läuft, aber ich langweile mich auch ein bisschen.

Donnerstag, Oktober 21, 2010

Camp Nou

Nachdem ich aus dem Emirates ohne Film nach Hause gekommen bin, trifft es sich gut, dass Valdano, ständiger Mitarbeiter dieser Seite, seinen Besuch am selben Wochenende beim FC Barcelona besser genützt hat. Hier sein Bericht, und unten sein Film (aufgenommen mit dem Telefon): "Ein Abend wie im Spätsommer, der Himmel wie gemalt, als wir aus der Metrostation Collblanc kommen, keine Fahnen, kaum Polizei, nur ein paar Barca-Schals und viele im Trikot, Messi, Villa und Xavi sind am häufigsten vertreten. Camp Nou ragt nicht so hoch über die Häuser, wie man erwartet, weil ein Teil des Stadions unterm Straßenniveau liegt. Gelassene Menschen, keine Leibesvisitationen, reibungsloser Zugang, obwohl insgesamt 86.000 Zuschauer kommen werden, um das Spitzenspiel gegen den FC Valencia zu sehen. Man steigt hoch wie im Treppenhaus eines Parkhauses, immer höher, wir sitzen in der fünft- oder sechstletzten Reihe in der Nordkurve, und das Spielfeld liegt vor uns wie eine große, grüne Taktiktafel. Die ideale Analyseperspektive. Zwei Reihen vor uns ein einsamer Valencia-Schalträger. Ein Gästeblock ist nirgends zu erkennen, auch der Barca-Fanblock in der Südkurve ist sehr überschaubar. Vor und nach dem Anpfiff wird die Vereinshymne gespielt. Die erste Halbzeit enttäuscht, der Barca-Flow stockt immer wieder, Valencia macht das 1:0 und hätte 2:0 führen müssen. Guardiola reagiert, zieht Villa nach links und Iniesta nach rechts. Xavis Genie dreht das Spiel, zwei tolle Vorlagen erst auf Iniesta, dann auf Puyols Kopf - und zu viele vergebene Chancen an einem Abend, an dem man immer mal wieder den Blick vom Rasen wendet, um sich klar zu machen, wo man hier eigentlich ist: in Europas größtem Fußballstadion."

Sonntag, Oktober 17, 2010

Anfaengerfehler

Gestern nachmittag, waehrend die Hertha in Frankfurt zu einem 1:0 kam und damit die Tabellenfuehrung verteidigte, war ich auf der Central und danach auf der Piccadilly Line unterwegs zur Station Arsenal in London N5. Ich hatte eine Karte fuer das Heimspiel von Arsenal gegen Birmingham, und unabhaengig davon, dass es sich dabei um eine durchschnittliche PL-Begegnung handelt, hatte ich doch ein wenig das Gefuehl von Weihnachten und Ostern an einem Tag - soll heissen, das Gefuehl eines sehr hohen Feiertags in der Ersatzreligion, die Fussball zweifellos auch fuer mich ist.

Dummerweise hatte ich unterlassen, die Batterieanzeige meiner Kamera zu ueberpruefen, und so kam es, dass ich diesen Hoehepunkt in meinem Leben nur schlecht dokumentieren kann - den Film, den ich eigentlich vom Hineingehen drehen wollte, gibt es nicht, auch den Groundhopper-Trophyshot von mir selbst vor majestaetischem Rund nicht. Ich werde also bald wiederkommen wollen.

Ein paar Bilder habe ich, die werde ich nachtragen, wenn ich wieder in Berlin bin - morgen abend, dann werde ich mir auch ansehen, wie Hertha das gemacht hat beim FSV Frankfurt. Zu Arsenal vorerst nur so viel: Das Emirates ist vielleicht tatsaechlich, wie immer wieder behauptet wird, das am besten geplante Stadion, es wird bespielt von einer Mannschaft, die ihre Fans auf Nadeln sitzen laesst, im besten wie im uebelsten Sinn. Es war grossartig!

Donnerstag, Oktober 14, 2010

Rhythmus

Morgen beginnt die aktuelle Saison nun schon zum dritten Mal gefühlt von vorn. Die langen Länderspielpausen verhindern einen guten Rhythmus nicht nur bei den Teams, auch die Fans sind ein wenig aus der Spur so wie ich, der ich aus Gründen des Übertragungsrechtlichen ein 4:4 von Österreich in Belgien nicht sehen konnte (und wohl auch andernfalls nicht eingeschaltet hätte, obwohl mich der Weg von Arnautovic interessiert).

Auf die deutschen Matches hatte ich ein Auge, wenn auch eher zerstreut, und dass Valeri Domovchyitski in einem bulgarischen Freundschaftsspiel ein Tor gegen Saudi-Arabien erzielt hat, müssen wir auch nicht zu hoch hängen.

So bliebt als für dieses kleine Blog relevante Nachricht aus der Pause, dass Fabian Lustenberger sich einen Muskelfaserriss zugezogen hat und damit die von mir als Option erhoffte Mittelfeldkonstellation Niemeyer-Lustenberger wieder einmal auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss. Dafür ist Daniel Beichler wieder fit, auf den ich wie die meisten Hertha-Fans gespannt bin. Er könnte das Flügelspiel über rechts beleben, dort gibt es dann ja bald ein echtes Überangebot (Ebert, Schulz, Beichler, Rukavytsya), dem Vernehmen nach kann er aber auch als zentrale hängende Spitze spielen und sollte damit ein wenig Druck auf Domo machen, der für meine Begriffe allzu platzhirschig durch das Aachen-Spiel stolziert ist.

Wie auch immer, nach zehn Tagen mit dürftiger herthanischer Nachrichtenlage geht es allmählich wieder los, mit den internationalen Angelegenheiten werde ich mich demnächst beschäftigen, denn vor allem in England tut sich eine Menge (Liverpool wechselt den Besitzer, die Betreiberin eines Pubs hat gegen die nationalen Pay-TV-Monopole bei Fußballübertragungen geklagt, Nicklas Bendtner ist wieder fit, you name it).

Dienstag, Oktober 05, 2010

Establishment

Im Montagabendspiel der 7. Runde der aktuellen Saison in Liga zwee blieb Hertha gestern tor- und gegentorlos gegen Alemannia Aaachen. Die Nullnummer bringt es mit sich, dass der Vorsprung auf das Establishment in dieser Klasse vor der Länderspielpause einen Punkt beträgt. Hertha hat 17 Zähler, dahinter kommen schon Greuter Fürth und Erzgebirge Aue (dies vielleicht eher eine Momentaufnahme), Duisburg hat 15 Punkte.

In zwei Wochen muss Hertha zum FSV Frankfurt, und am Freitag darauf wird das Olympiastadion zum Ort eines Spitzenspiels werden: Berlin gegen Franken, Hertha gegen Fürth. Liga zwee, "scheißegal", sangen auch gestern wieder viele der fast 35.000 Zuschauer.

Den leichten Rückschlag nach ein paar Wochen Hurra-Akklimatisierung hat Hertha paradoxerweise dem Umstand zuzuschreiben, dass Coach Babbel ein zu offensives System spielen lässt: Das 4-1-4-1 wurde gestern ein wenig zu buchstäblich verstanden, im Spielaufbau gab es empfindliche Mängel. Das lag einerseits daran, dass die Außendecker Lell und Kobiashvili von den klug spielenden Aachenern gut beschäftigt wurden (und wenn sie Raum nach vorn hatten, agierte vor allem Lell oft überhastet).

Vor allem aber hapert es in der Zentrale, und Domovchyiski ist der Mann, dem ein großer Teil des Mankos zuzuschreiben ist. Er scheint seine Rolle nicht ganz zu begreifen, oder vielleicht hat ihm Babbel auch die Instruktionen gegeben, de facto als zweiter Stürmer neben Friend zu operieren. Er tat jedenfalls weder das eine noch das andere, er ließ sich kaum einmal fallen, um Niemeyer zu unterstützen, und er machte keine Läufe hinter die Aachener Linie. Sein Arbeitsbereich blieb weitgehend auf 30, 40 Meter beschränkt, und während ich ihm da die ganze Zeit zusah, wie er unbeeindruckt von der aktuellen Situation weitgehend am Spiel vorbeitrabte, wurde mir klar: Er hat wohl doch nicht das Zeug zu einem wichtigen Spieler. Denn ein solcher begreift, wenn er etwas tun muss, was über das Minimalprogramm hinausgeht.

Von Raffael war das gestern immer wieder zu sehen, er holte sich Bälle, hatte einen großen Radius, aber auch er ließ nach einer Stunde nach. Dazu kam dann, dass Babbel den guten Schulz durch Rukavytsya ersetzte, während Djuricin sehr (zu!) spät für Domo kam. Und so lief das Match langsam aus, gelegentlich erregte Hubnik mit einem seiner Chaospässe die Menge, am Ende standen häufig fünf Offensivkräfte in einer Linie in der Aaachener Hälfte und warteten darauf, dass Niemeyer entweder im Doppelpass mit sich selbst den Ball nach vorn brachte - oder aber, wahrscheinlicher, auf den langen Ball, auf den die Hertha sich in Liga zwee zu sehr verlässt.

Das System bedarf der Korrektur, zum Glück bieten sich bald Alternativen an. Ich könnte mir zum Beispiel gut vorstellen, dass Lustenberger neben Niemeyer eine interessante, offensivere Rolle spielen könnte, aber eben eine verbindende zwischen den einfach nicht gut aufeinander abgestimmten Mannschaftsteilen.

Links würde ich immer noch gern einmal eine Chance für Radjabali-Fardi sehen, rechts haben wir leider keine wirklich gute Alternative zu Lell. Positiv lässt sich vermerken, dass die Defensive insgesamt ganz gut gearbeitet hat, vor allem auch der Torhüter. Das war aber auch notwendig, denn Aaachen hat gestern so gespielt, wie Hertha dies hätte tun sollen - in einem Duell auf Augenhöhe, das wohl endgültig klar gemacht hat, dass von einem Durchmarsch keine Rede sein kann.

Sonntag, Oktober 03, 2010

Zeit und Geld

Das große Geheimnis im Fußball ist die Verstetigung von Erfolg. Das hat damit zu tun, dass ständig etwas passiert, und nicht auf alle Herausforderungen gibt es eine Patentlösung als Reaktion.

Mainz hat gestern zum siebenten Mal in Serie in dieser Bundesligasaison gewonnen, Coach Tuchel hat hinterher in Interviews in einer Weise gesprochen, die sich nur als grundlegend vernünftig (rational) beschreiben lässt - nämlich auch in Hinsicht auf das, worauf er Einfluss hat. Mainz ist eine mittelkleinere deutsche Stadt, das Stadion ist auf Mittelgröße gebracht worden, die finanziellen Verhältnisse sind mittelmäßig gut.

Wolfsburg und Leverkusen (zehn Millionen für Schürrle, nachdem sie auch schon Helmes und Kießling aus dem jüngeren Offensivpool der Liga abgeschöpft hatten) spielen unter anderen Bedingungen, aber deswegen nicht notwendig stetig besser.

Hertha hat - heute ist der Tag der deutschen Einheit - spezifische Bedingungen, die eine ähnlich allmähliche Bewegung auf das Niveau ihrer Standortvorteile (Hauptstadt, Olympiastadion, Trainingsgelände, Osterweiterung der Fanbasis) nahelegt, wie sie die Stadt Berlin insgesamt gerade durchläuft. Vorausgesetzt, sie stürzt nicht doch noch ganz ab, weil der Rucksack aus den zu wenig allmählichen Hoeneß-Jahren einfach zu schwer ist.

Ich schreibe das alles vor dem Hintergrund dessen, dass diese Woche einige massive Ziffern bekannt geworden sind, vor allem in England. Manchester City (von der Daily Mail bereits in "Moneybags City" umbenannt) hat in der vergangenen Saison einen Verlust von 121 Millionen Pfund gemacht (der von den Investoren aus Abu Dhabi übernommen wird) - mit dem Geld soll Entwicklung beschleunigt und sofort verstetigt werden.

Der FC Arsenal wiederum meldet einen Jahresgewinn von 56 Millionen Pfund vor Steuern (in die Differenz zu MCity passen wahrscheinlich die Etats der halben Bundesliga), und nicht nur vor diesem Hintergrund fragt sich mehr oder weniger alle Welt, warum Arsène Wenger im Sommer kein Geld in die Hand genommen hat, um einen Tormann zu kaufen, der unbelastet an seine Aufgabe herangehen kann. Bei Manuel Almunia und vor allem Lukasz Fabianski (Flappy Handski), der heute gegen Chelsea im Tor erwartet wird, ist das nämlich nicht der Fall. Beide haben eine Geschichte der Nervosität, gegen die sie nun in extremis die Ruhe bewahren sollten, dies hinter einer Mannschaft, die auch gelegentlich im Verbund die Nerven wegschmeißt - man kann eine Gruppe auch überfordern, oder aber man kann sie von hinten her konsolidieren.

Wenger weist zu Recht darauf hin, dass Transfersummen gar nicht so sehr das Problem sind, es sind die ständig steigenden Gehaltskosten, die mit dem Signing von großen Namen einher gehen. Man könnte sehr zugespitzt sagen, dass Hertha auch deswegen in Liga zwee musste, weil man die beiden noch von Dieter Hoeneß verbliebenen Großverdiener Simunic und Friedrich loswerden musste, die allein im Jahr fast schon den Betrag gekostet haben, den Hertha demnächst aus einer Anleihe zurückzahlen muss. Als diese Verträge unterschrieben wurden, hatte der Manager anscheinend ein Projekt à la Schalke im Kopf, dort pumpen sie aber noch ganz andere Summen in den Betrieb und haben trotzdem eine unstete sportliche Bilanz.

Wenn man es genau nimmt, ist das alles ein großes Durcheinander, aus dem gelegentlich ein Phänomen in den Vordergrund rückt, so wie Mainz 05 in diesem Herbst. Thomas Tuchel spricht über seine Arbeit mit einer Umsicht und Klugheit, an der mich wirklich jeder Nebensatz beeindruckt; genau genommen vor allem diese Nebensätze, denn sie verraten, was er in jeder Sekunde alles mitbedenkt, er lässt sich gar nicht auf die Komplexitätsreduktion der Reporter ein. Damit ist er bisher aufregend weit gekommen - vielleicht trifft Arsène Wenger ja irgendwann eine visionäre Entscheidung und baut ihn zu seinem Nachfolger auf. Das Zeug dazu scheint er ja zu haben, dieser Thomas Tuchel, oder, wie sie ihn in der PL wohl nennen würden, Thomas Tukkel.