Dienstag, Juni 30, 2009

Luftstand

Wir waren gestern anderweitig (kulturell) beschäftigt, während die U21 von Deutschland sich mit 4:0 gegen England durchsetzte. Ich weiß also nur aus den Zeitungen vom Sieg der Begabtentruppe vor Manuel Neuer. Das Duell, das mich am meisten interessiert hatte, kam erwartungsgemäß ohnehin nicht zustande: Patrick Ebert gegen Kieran Gibbs, Hertha BSC gegen FC Arsenal, zwei Spieler, für die ich viel übrig habe. Für Ebert war es eine vertrackte EM, auf seiner Position wurden ihm Castro oder Johnson vorgezogen, er kam im defensiven Mittelfeld links zu Einsätzen, mit denen er nicht zufrieden sein kann.

Aus seiner Reaktion nach dem Halbfinalsieg gegen Italien kann man schließen, dass er sich unverdrossen zur Mannschaft zählt und sich die Stimmung nicht verderben hat lassen. Er konnte sich nicht in den Mittelpunkt spielen, die Scouts werden andere deutsche Spieler notiert haben (Beck! Neuer! Özil! Höwedes! Boateng!), vermutlich wird Hertha nun auch den Transferüberschuss mit einem anderen Spieler erwirtschaften müssen (die letzte Nachricht ist, dass Simunic nach Hoffenheim wechselt). Gojko Kacar hat sich besser geschlagen in Schweden, für ihn wird es wohl noch in diesem Sommer Angebote geben. Langsam kommt Bewegung in die Sache.

Mit dem Bild von Horst Hrubesch in den Sphären, in denen heuer schon Pep Guardiola war (hoch über jubelnden Spielern, mit beeindruckendem Luftstand), können die deutschen Jungstars in den Urlaub gehen. Ob sie auch alle zu ihren Clubs zurückkehren werden, wird spannend zu beobachten sein. Vermutlich hat Hrubesch in den letzten Wochen die nächste große deutsche Legionärsgeneration betreut.

Freitag, Juni 26, 2009

Gerüchtemühle

In Deutschland kommen Gerüchte aus der Küche, in England werden sie in der Mühle ("rumour mill") so lange gemahlen, bis allen das Mehl zum Hals heraus hängt. Die Saison ist aus, die Saison hat noch nicht begonnen, die Webseiten der Clubs wissen auch nicht so richtig, was es gerade geschlagen hat. Deswegen war auch das erste Training der Hertha für die neue Saison gestern von vielen Ereignislosigkeiten überschattet. Ich benenne einmal zwei Umstände, die unleugbar sind: Christoph Janker und Fanol Perdedaj haben zum ersten Mal mit der Mannschaft trainiert, der erste ein ablösefreier Neuzugang aus Hoffenheim, der zweite ein 17jähriger defensiver Mittelfeldmann aus der Hertha-Jugend, Staatsangehörigkeit: Albanien.

Alle Journalisten wollten aber natürlich Neuigkeiten zu der Causa Simunic wissen, die eine solche nur werden konnte, weil die Außendarstellung der Hertha in den letzten Wochen ein wenig naiv war. Vielleicht hat das damit zu tun, dass der Pressesprecher der Hertha, Hans-Georg Felder, noch der Ära Hoeneß nachtrauert. Ich bin mir zwar sicher, dass Coach Favre bei seinen Aussagen bis zu einem gewissen Grad uncoachbar ist, aber muss er wirklich der ganzen Welt erzählen, dass er Josip Simunic eine Textnachricht geschickt hat (genauer Wortlaut: "Ich habe auch eine SMS kontaktiert, aber keine Antwort" - vielleicht hätte er gleich die Antwort kontaktieren sollen)?

Muss wirklich alle Welt schon seit Wochen wissen, dass Hertha einen Transferüberschuss erwirtschaften muss? Müsste der Journalist, der die Sache mit Simunic angeblich frei erfunden hat (dass Favre nämlich ihm keine dritte gute Saison zutraut), nicht schon längst einmal mit einer "exklusiven" Insidermeldung ein wenig ins Rutschen gebracht werden? Bei Hertha bekommt man nicht den Eindruck, dass allzu clever mit den Medien umgegangen wird, auch das wird eine Herausforderung für Michael Preetz sein, da ein wenig mehr "spin" hineinzubekommen.

Wie schwer das ist, kann man allerdings im Moment auf einem noch wesentlich verkommeneren Medienmarkt studieren. In England sind die Zeitungen während des Sommers brutal in ihren Interventionen, sie jagen die Clubs mit halbgaren Meldungen und zusammengeschusterten Spieler-Statements geradezu vor sich her. Aktuelles Beispiel: Ein Interview mit Cesc Fabregas, mit dem die Zeitung, die kein anständiger Liverpool-Fans lesen würde, einen Keil zwischen Arsenal und den Mannschaftskapitän treiben wollte. Grundlage war ein spanisches Interview, das das Londoner Revolverblatt so "montierte", dass daraus eine Absage an Arsenal wurde. Diese Absage, die keine war, musste von Fabregas jetzt trotzdem dementiert werden.

Das einzig Tröstliche an dieser Malaise ist, dass niemand sie kontrollieren kann, und es hat sich auch schon mancher Spieler/Agent verspekuliert bei seinen Machinationen. Josip Simunic muss jetzt auch erst einmal sehen, ob sich bis kommenden Dienstag noch jemand meldet, der sieben Millionen Euro für ihn zahlen möchte. Danach ist er ganz einfach Verhandlungsmasse, oder aber ein guter Herthaner, der alles dafür tut, eine tolle dritte Saison unter Coach Favre zu spielen.

Dienstag, Juni 23, 2009

Wühltisch





Der ZDF-Reporter Béla Réthy sprach gestern dauern von dem "zweiten Anzug" der englischen U21, gegen den der deutschen Nachwuchsmannschaft nur ein 1:1 gelang, damit aber immerhin die Qualifikation für das Halbfinale. Réthy hatte von den meisten englischen Spielern noch nie etwas gehört und schloss daraus, dass jeweils nur deren Mutter von ihrer Existenz überhaupt etwas wusste.

Der Reporter war dann auch über die neunzig Minuten in Halmstad, vor vier Jahren Ort eines denkwürdig undenkwürdigen 1:0-Siegs von Hertha BSC im Uefacup, meistens im falschen Film. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die englische U21, die auf ihre besten Kräfte lange Zeit verzichtete, auch Fußball spielen könnte. Immerhin gestand er nach einer Weile zu, dass dieser "zweite Anzug (...) nicht vom Wühltisch" stammte. Einer er Leidtragenden von Réthys indisponiertem Kommentar war Patrick Ebert, der an ungewohnter Stelle, nämlich im defensiven Mittelfeld links neben Khedira aufgeboten wurde.

Dem Herthaner gelang gestern tatsächlich wenig, was Réthy aber nicht so richtig verstand, war der Anteil der Engländer daran. Sie waren ganz einfach die bessere Mannschaft, aggressiver, technisch versierter und geduldiger. Ebert versuchte immer wieder den schnellen und überraschenden Pass, für die damit einhergehende Fehlerquote war aber gestern kein Platz.

Weil die ganze Betreuerriege anscheinend jetzt ein wenig unzufrieden ist, könnte Ebert im nächsten Spiel wieder auf der Bank sitzen. Horst Hrubesch ist sicher ein guter Typ, gestern müsste ihm aber das Spiel der Engländer doch sehr zu denken gegeben haben, in die Richtung nämlich, wie er mit einem 4-6-0-System auf Dauer gegen variable Gegner bestehen will. Im Sechsermittelfeld war Patrick Ebert so weit hinten, wie er es nicht gewohnt ist und wie es auch seinem Stil nicht entspricht - er braucht Platz, um seine Dynamik auszuspielen. Außen schafft er sich den Platz durch Antritt oder Volte, im Zentrum fehlt ihm noch die Ruhe für den kühlen, kürzeren Pass.

Die Engländer, deren Mannschaft auch deutlich jünger war als die deutsche, gefielen mir sehr gut, auch wenn die Arsenal-Stars Walcott und Gibbs gegen Ende nicht mehr viel ausrichten konnten oder wollten. Hoffentlich treffen die beiden Auswahlen im Finale noch einmal aufeinander, dann ist vielleicht auch Béla Réthy vorbereitet.

Mittwoch, Juni 17, 2009

Helsingborg

Gojko Kacar dürfte gestern seinen Marktwert noch einmal ein bisschen erhöht haben, er hat nämlich beim torlosen Remis von Serbien gegen Italien im Rahmen der U21-EM eine gute Leistung mit einem spektakulären Seitfallrückzieher gekrönt, der vom Pfosten wieder ins Feld zurückprallte. Ich habe mir das Spiel auf einem rumänischen Stream angeschaut und bin erst in der zweiten Halbzeit eingestiegen.

Es dauerte eine Weile, bis ich Kacar in der taktischen Formation der Serben finden konnte - er spielte nämlich überraschend weit vorne, de facto häufig einen defensiven Mittelstürmer, wenn es so was gibt. Das ist ja auch genau die Qualität, für die man ihn bei der Hertha schätzt: seine Aggressivität, sein Auftauchen in Strafraumnähe, sein Zug in den leeren Raum. Dazu waren gestern seine Tacklings (im Bild schreitet er gegen den italienischen Jungstar Giovinco ein) weitgehend fair, bei der Hertha ist er ja manchmal die Spur zu wild.

Die Hertha kann froh sein, dass sie ihn hat, sollte sie ihn verkaufen müssen, dürfen die zehn Millionen nicht unterboten werden. Nun noch das Gerücht zum Tag: Jerome Boateng soll angeblich auf dem Zettel des FC Arsenal stehen. Ist sicher an einer Hotelbar in Helsingborg entstanden, diese Neuigkeit, hat aber eine gewisse Faszination. Ich werde mich ihr heute gelegentlich hingeben.

Dienstag, Juni 16, 2009

Gamla Ullevi

Nach einer aufregenden Woche ist die Nachrichtenliga in Sachen Hertha jetzt eher dünne. Dass Sportdirektor Preetz sich mit Coach Favre trifft und bespricht, wird uns nicht überraschen. Dass er das in Zürich tut, ist eine Formalie - auch ein Fußballtrainer will gelegentlich zu Hause sein. Der HSV soll angeblich auf Gojko Kacar reflektieren, von dem heute bekannt wurde, dass er bisher 30000 Euro monatlich verdient hat (plus eine sechsstellige Jahressumme als Punkteprämie) und nun in die nächsthöhere Gehaltsklasse aufsteigt. Die Hertha hat ihm nämlich einen gestaffelten Vertrag gegeben, sinnvolle Sache das.

Die nicht ganz leicht von der Hand zu weisenden Entzugserscheinungen nach bald einem Monat Pflichtspielpause werden seit gestern durch die U21-EM in Schweden entschärft - hatte ich gar nicht so richtig auf dem Schirm, dass da ein richtiges Turnier mit vielen tollen Mannschaften stattfinden würde gerade in der dürren Zeit. Gestern spielte Deutschland gegen Spanien torlos, zeigte aber eine tolle zweite Halbzeit. Patrick Ebert kam zwar nur sechs Minuten zum Einsatz (ich hätte ihn schon nach 70 Minuten gern für Castro gesehen, nächstes Mal dann bitte von Beginn an), er schlug zwei präzise Diagonalpässe über das halbe Feld, mehr konnte er nicht zeigen. Dafür überzeugte Jerome Boateng als Innenverteidiger, und Asche Dejagah bemühte sich um einfallsreiches Spiel in der Offensive.

Mesut Özil aka Buster Keaton (Assoziation: Christian P.) war geradezu brillant, ihn würde ich ihn zwei Jahren gern bei Arsenal sehen. Das Stadion in Göteborg, in dem gespielt wurde, heißt übrigens Gamla Ullevi und ist hiermit für einen Besuch in naher oder ferner Zukunft notiert. Heute spielt Italien gegen Serbien, dabei wird der Auftritt von Gojko Kacar erwartet, auf den dann die vielen Scouts schauen werden, die nach Schweden gefahren sind, um sich aus der Riege der Talente zu bedienen.

Sonntag, Juni 14, 2009

Bonanza

Erhebliche Summen waren in der vergangenen Woche im Spiel, als die Transfers von Kaká vom AC Mailand und Cristiano Ronaldo von Manchester United zu Real Madrid verhandelt wurden. Die hohen zweistelligen und sogar dreistelligen Millionenbeträge gelten nicht wenigen professionellen Beobachtern als obszön, zumal sich mit dem Geld wiederum eine ganze Reihe weiterer Spiele aus Verträgen bei anderen Clubs auslösen lassen könnten: Benzema (Lyon), Ribery (Bayern), Valencia (Wigan).

Drei Dinge sind interessant an der Neuauflage der Galacticos und an den möglichen Folgen. Erstens profitieren die spektakulären Manöver von Real Madrid von einer spanischen Politik, die nur als Steuerdumping zu bezeichnen ist. Während in England der Steuersatz für Reiche empfindlich gestiegen ist (woraufhin der Berater von Arshavin sofort um eine entsprechende Gehaltserhöhung eingekommen ist), werden in Spanien Topverdiener auf eine bestimmte Zeit sehr milde besteuert - Details in der SZ. Zufällig entspricht dieser Zeitraum fast genau der Vertragslaufzeit, auf die Kaká und Ronaldo sich eingelassen haben.

Zweitens versichert der neue, alte Präsident von Real, Perez, glaubwürdig, dass er die Transfers relativ schnell refinanzieren kann. Selbst englische Journalisten sprechen von einer "shirts bonanza", die Real Madrid in den nächsten Jahren haben wird. Frei übersetzt müsste man von einem "Leibchenrausch" sprechen, ein Goldrausch, eine Trikotmanie, eine Textilmine. Weltwirtschaftskrise hin oder her, mit Namen von globaler Strahlkraft lässt sich immer noch so viel Geld machen, dass auch die vielen gefälschten Jerseys verkraftbar sind.

Drittens sehen Beobachter eine generelle Machtverschiebung von der Premier League zur Primera Division. Fast alle Weltstars sind nun in Spanien, nur Fabregas und Torres sind noch in England. In dieser Angelegenheit bin ich allerdings skeptisch, denn Real Madrid wird sportlich erst einlösen müssen, was die großen Namen versprechen (einen guten Trainer haben sie sich immerhin auch geholt: Pellegrini), und Barcelona wird auch nicht immer so einen perfekten Spielverlauf erwischen wie im CL-Finale. Die englische Liga bleibt für mich vorerst das Maß aller Dinge, aber ich bin natürlich gespannt, wie die große Plattentektonik sich weiterentwickelt, und ob die Bundesliga davon am Ende auch etwas mitbekommt.

Dienstag, Juni 09, 2009

Dinosaurier

Das war nicht ungeschickt, wie die Hertha das am Sonntag gelöst hat. Um 18h40 ging die Pressemitteilung über die einvernehmliche Trennung von Manager Hoeneß hinaus - gerade noch rechtzeitig, um die Nachricht am Montag überregional in den Printmedien zu haben, aber zu spät, um noch viel Recherche zuzulassen. Kurz vor Mitternacht ging Präsident Gegenbauer dann noch ins Sportstudio des RBB und gab dort - geschminkt wie eine Tonvase - auch nicht viel mehr preis, als dass es einen Handschlag mit Dieter Hoeneß gab, dass also ohne Skandal geschieden wurde.

Wer genau hinhörte, mochte auch noch einen Rest von dem Druck aus der Stimme heraushören, den Gegenbauer und Michael Preetz sich jetzt aufgeladen haben. Denn sie haben mit Dieter Hoeneß ja nicht nur eine übermächtige Figur entsorgt, sondern auch einen Prellbock. Jetzt stehen die sportlichen Macher der kommenden Hertha, der Coach und sein Sportdirektor, direkt in der Pflicht.

Idealerweise ist das ganze Manöver genau das, was es noch brauchte, um Lucien Favre eine Perspektive zu geben, die ihn über die wirtschaftliche Zwangslage hinausdenken lässt - sein Projekt ist nun für meine Begriffe neu zu justieren und sollte in einem längerfristigen Rahmen gesehen werden als die Vertragsfrist 2011, denn die nächsten beiden Jahre werden wohl weitere "Übergangsjahre".

Nebenbei bin ich gespannt, das das Revirement für die Scouting-Abteilung bedeutet, namentlich für Rudi Wojtowicz. Die Medien haben sich gestern und heute noch einmal weitgehend mit alten Geschichten über die dürre Nachrichtenlage hinweggeholfen. Lustig und neu war für mich der Insidername "Ufa", den Michael Jahn in der Berliner Zeitung enthüllte: Dieter Hoeneß galt den Journalisten als "Uli für Arme", und damit ist auch die größere Konjunktion angedeutet, in die der Abgang von Dieter Hoeneß gehört. Sein Bruder Uli tritt bei Bayern ja auch zurück, damit endet das Zeitalter der Dinosaurier in der Bundesliga. So sehen es zumindest die Kommentatoren. Ich sehe nach vorn, dass sich die Hertha neu aufgestellt hat. Besser - weil mutiger - hätte die Saisonvorbereitung nicht beginnen können.

Sonntag, Juni 07, 2009

Zuspitzung

Offiziell ist zwar noch nichts, aber alle einschlägigen Berichterstatter sind sich inzwischen darin einig, dass der Rücktritt von Manager Hoeneß nun wohl recht zügig vollzogen werden soll. Rücktritt dabei durchaus im "transitiven" Sinn des Wortes: Der starke Mann bei Hertha BSC seit 1997 wird zurückgetreten, und zwar von einer Koalition innerhalb des Vereins, die sich im letzten Jahr gebildet hat. Sie besteht aus Coach Favre, Leiter (der Lizenspielerabteilung) Preetz und Präsident Gegenbauer.

Als Beobachter, der weitgehend in der Mediendistanz verweilt, muss ich zuallererst das enorm disziplinierte Verhalten von Michael Preetz bemerken - er hat es geschafft, das ganze Jahr über an keine Bredouille so richtig anzustreifen, er hat kaum einmal den Mund aufgemacht, und ist dabei die ganze Zeit unverbrüchlich neben dem Trainer gesessen und gestanden. Das hat schon Züge von Kreml-Disziplin, wie er sich dabei niemals in irgendeiner Form gegen Hoeneß (Breschnew) aus der Reserve hat locken lassen.

Ich vermute einmal, dass die Zwistigkeiten über den wirtschaftlichen Kurs der Hertha eine mindestens so große Rolle spielen wie das Getöse wegen der Transferhoheit - Hoeneß steht auch jetzt noch für kreative Buchhaltung und "Sonderfinanzierungen", während die Hertha gut beraten ist, so viel Evidenz wie möglich in die Bücher zu bekommen. Dass Favre einen soliden Ausgabenkurs vom Temperament her mittragen würde, können wir annehmen.

Dass Gegenbauer den Verein kaputtsparen möchte, kann im Moment noch kein Thema sein, da erst einmal eine seinerzeit von Hoeneß in schwerer Stunden aus dem Ärmel gezauberte Millionenanleihe zurückgezahlt werden muss (ich erinnere mich noch an das damals doch tatsächlich gestreute Argument, dass die entsprechenden Dokumente für die Zeichner der Anleihe so hohen Fanwert hätten, dass viele sie lieber behalten könnten als schließlich die verzinste Einlage dafür zurückzufordern, ha ha).

Da haben die Medien also seit Donnerstag bei der Hertha eine Zuspitzung provoziert, für die jetzt tatsächlich der beste Zeitpunkt ist. Der Trainer kommt aus dem Urlaub zurück, und findet eine Situation mit neuen, klaren Zuständigkeiten vor - wenn das wirklich so ausgehen sollte (offizielle Aussagen fehlen wie gesagt noch völlig), dann könnten wir dahinter vielleicht sogar ein Meisterstück herthanischer Innenpolitik sehen, bei dem mich nur zu brennend interessieren würde, wer der "Kopf" hinter dieser Ranküne ist. Am Ende Lucien Favre selbst?

Freitag, Juni 05, 2009

Halensee

Während Lucien Favre noch auf den Malediven urlaubt, und der Hamburger SV dem Vernehmen nach die Trainersuche schon zum Abschluss bringen will, vollzieht sich im Westen Berlins ein Königsdrama im kleinen Milieu von Hertha BSC. Ich beziehe mich dabei auf die Zeitung, für die Philipp Lahm Werbung macht - exklusives Wissen habe ich nicht, das Bild mit den Vorstandmitgliedern, die ein Lokal am Halensee betreten und ominös von hinten fotografiert werden, aus dem Hinterhalt, aus dem sie ihren nächsten Schritt machen werden, ist der öffentlichen Sache des Clubs aber wieder einmal nicht dienlich.

Es lässt sich aber auch schwer verhindern, schließlich betreten alle Tage irgendwelche Anzug- und Lederjackenträger ein Lokal, um auf Spesen zu essen und dabei Pläne zu schmieden. Nun der Plan, den das Massenblatt enthüllt: Es soll ein Abberufungsantrag gegen Dieter Hoeneß gestellt werden, der damit ein Jahr vor seinem Vertragsende schon aus seiner umfangreichen Funktion bei der Hertha entlassen werden würde. Da müssen sich die Mitglieder des Präsidiums allerdings ihrer Sache (und des Trainers) sehr sicher sein, wenn sie gerade jetzt derlei besprechen (und Begriffe wie "Abberufungsantrag" durchsickern lassen).

In einer so volatilen Situation wie momentan, da der Trainermarkt in heftiger Bewegung ist, muss man nicht unbedingt öffentlich den Dolch gegen den Manager wetzen (oder, um im Bild des Namens der Halenseer Restaurants "La Forchetta" zu bleiben, die Gabel zu zücken). Vielleicht hat die Boulevardzeitung aber auch alles nur stark überinterpretiert, und es war tatsächlich nicht mehr als eine verspätete Geburtstagsfeier für Präsident Gegenbauer.

Zur Sache: Manager Hoeneß und Geschäftsführer Finanzen Schiller wären gut beraten, die wirtschaftliche Lage von Hertha noch einmal eingehender zu erläutern, als dies offensichtlich auf der Mitgliederversammlung vom Mai geschehen ist. Die Hertha muss im vergangenen Jahr eine Reihe von nicht budgetierten Mehreinnahmen gehabt haben, die nicht alle durch unvermutet hohe Punkteprämien aufgefressen worden sein können. Wo ist also der Rest des Geldes hin? Da reicht es nicht, einfach von "Finanzkrise" zu sprechen, da muss man schon die spezifischen Auswirkungen benennen - wo sind Kredite teurer geworden, wo sind Fernsehgelder unter Erwartungen geblieben, wo geht 2009/10 so viel Geld hin, dass man nur 28 Millionen für die Mannschaft übrig hat?

Schließlich der springende Punkt. Die Transferhoheit kann natürlich nur bei Trainer Favre liegen, der sich idealerweise mit Michael Preetz berät. Nun haben Transfers immer auch einen nichtsportlichen Aspekt, bei dem persönliche Kontakte und Männerfreundschaften, Netzwerke und alte Loyalitäten eine große Rolle spielen. Mein Eindruck aus der Ferne ist, dass die Hertha sich da zu lange auf die Beziehungen von Scout Wojtowicz und Manager Hoeneß verlassen hat. Es ist hoch an der Zeit, da neue Netzwerke zu suchen und entstehen zu lassen, ausgehend von der Intelligenz des Trainers, der einen ganz neuen Blick auf den Transfermarkt mitgebracht hat und nun eigentlich das ganze Hertha-Scouting neu ausrichten sollte. Wenn dies durch eine Abberufung des Managers beschleunigt werden kann oder muss, dann hätte die Sache einen Sinn - derzeit aber werden nur Dolchstoßlegenden vorbereitet.

Mittwoch, Juni 03, 2009

Malediven

Lucien Favre hat in der Schweiz die Hertha hässlich gerechnet. Er hat die finanzielle Situation auf einen Tabellenplatz umbilanziert und sieht die Mannschaft auf den Plätzen 11-13, neben Eintracht Frankfurt "etwa so". Dass er insgesamt eine Neigung zum Tiefstapeln hat, ist nach dieser Saison kein Geheimnis mehr. Er reizt aber, indem er die in der Tat unerfreulichen und spezifisch komplizierten Berliner Gebarungsumstände so stark auf die sportlichen Verhältnisse überträgt, seinen persönlichen Spielraum allzu stark aus. Denn natürlich will er damit ja nur noch deutlicher den Abstand herausstreichen, den er mit seiner Arbeit auf dem Platz zustande gebracht hat.

Er nimmt den Druck in erster Linie von sich, dabei könnte er doch auch Faktoren geltend machen, die in diesem Sommer für die Hertha sprechen: Der Kader muss nicht mehr radikal umgebaut werden, die Mannschaft hat einige grundlegende Lektionen schon gelernt, während der HSV oder Bayer 04 wieder mit einem neuen Coach von vorne anfangen müssen, Werder Bremen den Kader deutlich erneuern muss und Schalke einmal das erste Magath-Jahr überstehen muss. Zwischen Platz 3 und 9 liegen in der Bundesliga kaum Qualitätsunterschiede, und Favre sieht die Hertha mit Recht budgetär am unteren Ende dieser Gruppe. Aber es ist eben auch ein Bereich, im dem sich sportlich noch viel kompensieren lässt - nicht auf lange Frist, aber doch für den Moment, da Favres Transferpolitik erste Erfolge erkennen lässt.

Berlin hat viele Jahre aus seinen Standortfaktoren nicht viel gemacht, in diesem Jahr aber erkennen können, was möglich ist, wenn die Mannschaft attraktiv auftritt. Dazu gehört auch, der Situation, in der man steckt, nicht noch einen Trauerflor umzuhängen. Aber vielleicht ist das alles in der Zeitung "Blick" nur ein wenig wehleidig dargestellt worden, was Lucien Favre aus dem Urlaub in aller Nüchternheit vermeldet hat. Die Herausforderung hat er längst angenommen, das kann er durchaus auch öffentlich ein wenig mehr vermitteln. Es sei denn, er reflektiert wirklich auf den HSV. Das fände ich allerdings wenig intelligänt.

Dienstag, Juni 02, 2009

Domino

Im großen Personaldomino des europäischen Fußballs sind die ersten wichtigen Entscheidungen gefallen. Sie betreffen die Trainerfunktion bei Real Madrid, wo Manuel Pellegrini vom FC Villareal verpflichtet wurde, und dem FC Chelsea, der Carlo Ancelotti vom AC Mailand übernahm. Zwei Stars, aber mit ganz unterschiedlicher Signalwirkung. Pellegrini bedeutet für Madrid, dass man dort den Reformbedarf eingesehen hat - wer die Mannschaft in der CL gegen den FC Liverpool gesehen hat, weiß, wie sehr das "weiße Ballett" in den letzten Jahren zurückgefallen ist.

Ancelotti für Chelsea bedeutet, dass der Londoner Geldclub sich weiterhin an die Liga der extraordinären Gentlemen gebunden sieht, aus der allein man nach dem Zwischenspiel mit Avram Grant die Übungsleiter rekrutieren kann: Scolari, Hiddink, Ancelotti - bald werden die Bayern um van Gaal bangen müssen, wenn Chelsea, dessen Alterssschnitt nach dem Rücktritt von Maldini wohl schon über dem des AC Mailand liegen wird, zwischendurch in Schwierigkeiten geraten sollte. Ancelotti kann aber auch Pato aus Italien mitbringen, dann wird Chelsea gleich ein paar Jährchen jünger.

Ich weiß, das ist alles Sommertheater, die Alternative aber wäre, dass ich das Gerücht kommentiere, dass Arne Friedrich bei deutschen Großclubs angeboten wurde - von seinem Spielerberater Jörg Neubauer, muss man dabei wohl dazudenken, nicht offiziell von der Hertha, vielleicht aber von Favre heimlich so gewollt und provoziert? Das wäre dann ein Meisterstück der Ranküne, und würde unvermutet Spielräume schaffen, vorausgesetzt, dass Simunic bleibt. Spannend.