Samstag, November 29, 2008

Sterne

Ich glaube ja nicht an das Horoskop, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die Hertha heuer auch gute Sterne hat. Gestern hat sie ein Match gewonnen, in dem sie vor eigenem Publikum langsam einzuschlafen drohte. Soll heißen, die neuen Grundlagen (intelligentes Pressing) funktionierten auch gegen den FC Köln über 90 Minuten sehr gut, nur der Drang zum Tor war abflauend. Es war irgendwie ein typisches Freitagspiel. Man freut sich drauf, ist dann aber doch noch mit manchen Gedanken anderswo (bei der liegengebliebenen Arbeit, ...). Hertha begann tastend, Köln war kompakt, aber völlig harmlos. Gelegentlich blitzte die Brillanz von Raffael, Voronin, Nicu und Kacar auf, aber es fügte sich nie zu einer richtigen Offensive. Über die Flügel geht die Hertha nur, wenn das Spiel schnell ist, gestern aber war das Tempo durchweg gemächlich. So blieb es ein Mittelfeldspiel mit Schleichwegen, aus dem Raffael mit einer Balleroberung das erste Tor einleitete - er startete einen seiner unverwechselbaren Läufe, um dann einen seiner unverwechselbaren Pässe zu spielen (die eher wie ein Put beim Golf funktionieren), den Voronin auf Kacar weiterleitete, der aus elf Metern souverän verwandelte. Kacar war auch für mich der Mann des Spiels, wie er in die freien Räume geht, ist famos und lässt tatsächlich Vergleiche mit Fabregas (in einer anderen Liga natürlich) zu. Kurz vor der Pause fiel nach einer Flanke von links, die nicht unterbunden wurde, der Ausgleich durch einen sehenswerten Kopfballtreffer von Novakovic. Und in der zweiten Hälfte erlahmte das Spiel. Die Ostkurve begann irgendwann Marko Pantelic zu feiern, der auf der Bank saß und in der 70. Minute für Cicero kam, der damit zum ersten Mal in dieser Saison ein Ligaspiel nicht vollständig absolvierte. Dieser Wechsel war aber nicht der entscheidende, erst als Ebert - für meine Begriffe sehr spät - für die letzten 10 Minuten kam, ging noch einmal ein Ruck durch die Mannschaft, und Pantelic schaffte mit einem enorm anspruchsvoll verwandelten Corner von Ebert noch die Entscheidung. Das 2:1 gegen Köln zeigte, dass Hertha zwar heute auf Position 2 steht, dass sie vom Mittelfeld aber nicht so viel trennt. Sie wird sich gegen Schalke 04 vermutlich wieder leichter tun. Ebert ist für meine Begriffe schon wieder sehr nahe an der ersten Mannschaft. Was noch auffiel: Zwar kamen nur 40000 Zuschauer, es war aber zumindest zu Beginn eine höhere Begeisterungsfähigkeit im Stadion, aber auch ein neues Anspruchsdenken. In unserem bürgerliche Sektor waren viele Fans zu sehen, die verwöhnt werden wollen und das Spiel nur von den Höhepunkten her sehen. Ich kann mich täuschen, aber da kann man schon ausnehmen, welche Leute zum Stammpublikum stoßen werden, wenn sich die Entwicklung der Hertha weiter noch oben bestätigt: hedonistische Fans. Da hat diese Dosis Alltag, die der ein wenig schnöde Sieg gegen Köln gestern brachte, sicher nicht geschadet.

Freitag, November 28, 2008

Edmar

Der brasilianische Mittelfeldspieler Edmar de Lacerda Aparecida hat gestern die Ausgangsposition für die Hertha in der Uefacup-Gruppenphase deutlich komplizierter gemacht. Er schoss in der 81. Minute den Siegestreffer für Metalist Charkow bei Galatasaray Istanbul. Dieser unerwartete Auswärtssieg wertet zwar einerseits das torlose Remis der Berliner in der Ukraine sportlich auf, die Tabelle der Gruppe B ist dadurch aber viel ausgeglichener, als es der Hertha lieb sein kann. Sie braucht jetzt aus den Spielen gegen Galatasaray (nächste Woche daheim) und Olmypiakos Piräus (kurz vor Weihnachten in Griechenland) mindestens vier Punkte. Piräus hat gestern Benfica mit 5:1 entsorgt, das wird also ein ganz schwerer Gang. Bleibt nur ein Sieg nächste Woche, um sich nicht von einem Weihnachtswunder abhängig zu machen. Ich habe aber ohnehin keine Lust auf ein würdeloses Weiterkommen wie beim letzten Mal, als nach vier Spielen ein halbes Eigentor und drei torlose Unentschieden zu Buche standen. Das war, nur zur Erinnerung, eine Hertha mit Marcelinho, Bastürk, Gilberto, Kevin-Prince Boateng und der "Identifikationsfigur" Andreas Neuendorf. Heute aber geht es erst noch gegen den FC Köln, in der Meisterschaft, die wir ebenso holen werden wie den Uefacup und den Pokal. So singt es zumindest die Ostkurve, und die hat immer das letzte Wort.

Donnerstag, November 27, 2008

Sonderweg

Am Dienstagabend war ich in Berchtesgaden im Hotel Vier Jahreszeiten. Eine Premiere-Sportbar haben wir dort nicht gefunden, einen Internet-Anschluss gab es auch nicht, sodass ich von Arsenals Heimspiel gegen Dynamo Kiew nur eine relativ ausführliche Zusammenfassung in ORF1 gesehen habe, mit entsprechend lustiger Aussprache der Spielernamen durch den kakanischen Kommentator. Es war das erste Match mit Cesc Fabregas als Kapitän, und nach allem, was ich ausnehmen konnte, hat er zumindest seinen Sinn für den langen Pass wieder gefunden - so kam auch das späte Tor durch Bendtner zustande, das zur Folge hat, dass Arsenal im letzten Gruppenspiel beim FC Porto ein Remis reichen würde, um den Gruppensieg sicherzustellen. Arsène Wenger hat am Dienstag ein Mittelfeld hinausgeschickt, das aus der Not, aber auch aus Chuzpe geboren war. Neben Fabregas spielten Denilson, Song und der 17jährige, äußerst vielversprechende Aaron Ramsey. Das sind eigentlich vier zentrale Akteure, es sah so aus, als hätten Ramsey und Denilson die Flügel besetzt, die wegen Verletzungen von Walcott, Nasri, Eboué und Rosicky verwaist waren. Irgendwie ist es gut gegangen, es war "der erste Schritt auf dem Weg der Gesundung", sagte Wenger über seine gebeutelte Truppe hinterher. Bis Weihnachten muss er den Sonderweg noch weitergehen, im Januar kann er dann vielleicht doch noch Verstärkung besorgen für seinen filigranen Kader, der hoffentlich aus lauter "Comeback Kids" besteht, die sich von den dunklen Stunden dieses Novembers nicht unterkriegen lassen.

Dienstag, November 25, 2008

Fabregas

Eine Bemerkung von Lucien Favre in dem RBB-Interview vom Sonntag möchte ich noch nachtragen. Er sprach bei den Transfers von einer Perspektive von vier bis fünf Jahren, die er die Entwicklung der Mannschaft (inklusive möglicher Verkäufe) antizipieren muss. Das Beispiel Bremen, wo man in den letzten Jahren eher auf sofortige (häufig dann ausbleibende) Wirkung (Sanogo) als auf Perspektive (Prödl) einkaufen musste, zeigt, wie schwierig es ist, in einer Situation permanenter Herausforderung durch nationalen und internationalen Bewerb langfristig zu arbeiten. Das Beispiel, das mich aber neben der Hertha am meisten beschäftigt, liefert der FC Arsenal. Eben hat Arsène Wenger seinen jungen Mittelfeldstar Fabregas zum Kapitän ernannt. Die Karriere des Spaniers ist ungefähr so alt wie dieser Blog, ich habe ihn von Beginn an begeistert verfolgt - er war 17, als er erstmals in der Premier League auflief. Damals war er umgeben von Stars wie Vieira und Henry, heute muss er fragile Könner wie Denilson oder Nasri stabilisieren, und soll trotzdem die genialen Pässe spielen. Arsenal hat in dieser Saison grundsätzlich das Gleichgewicht zwischen Erfahrung und Kunst verloren, das könnte dazu führen, dass die vielleicht begabteste Generation (Vela, Ramsey, Wilshere, ...) ohne die designierten Leader Fabregas oder van Persie auskommen muss, weil sie dem Club mangels Erfolgen abhanden kommen. Selten war eine Saison von Arsenal dramatischer. Unwillkürlich denke auch an die ersten Spiele der Hertha in dieser Saison, als Lucien Favre stark auf die Zukäufe setzte, die Mannschaft ständig neu formierte und erst allmählich und mit ein bisschen Glück zu dem Innenverteidigerduo Friedrich und Simunic zurückfand, dem ich, zugegeben, auch keine große Perspektive gegeben hatte. Jetzt sind diese beiden Veteranen echte Stützen für zwei keineswegs herausragende Außenverteidiger wie Chahed und Stein oder für einen Mann wie Kacar, der unser Fabregas werden kann, wenn er sein Passspiel noch entwickelt. Heute spielt Arsenal in der CL daheim gegen Dynamo Kiew. Ich werde mit Simon in Berchtesgaden sein, wir wollen ein Interview mit Thomas Harlan machen, und abends dann in eine Premiere-Bar.

Montag, November 24, 2008

Chapuisat

Gestern war Coach Favre zu Gast beim RBB-Sportplatz. Er ist, auch wenn sein Deutsch inzwischen zu stagnieren scheint, ein einnehmender Typ, dem allerdings deutlich anzusehen ist, dass er den Zuspitzungen des Journalismus wenig abgewinnen kann. Beim RBB kommen sie auch kaum über das Niveau der anderen deutschen Fußballjournalisten hinaus, es wird konsequent personalisiert und schematisiert, wobei Favre mit der ganzen Konsequenz eines Politikers auf das Thema Pantelic einfach nicht einging und mit positiven Nullphrasen zwei Anfragen des Moderators ins Leere laufen ließ. Er ließ mich eigentlich nur einmal aufhorchen, als er durchblicken ließ, wo die Hertha finanziell in der Liga steht - auf Platz 13 oder 14, sportlich auf Platz 4. So kann man sich auch diskret selbst ein Kompliment machen. Ist aber verdient. Weil es gestern auch um den Menschen Favre ging, ging es ein wenig um die Schweiz, und dann wurde das Foul eingespielt, das die Karriere des Spielers Favre beendete - ein "Attentat" von Chapuisat Vater, das mich an ein in Österreich seinerzeit berüchtigtes Foul an Sepp Stering erinnerte. Ob die Schweiz nun mehr Provinz ist als der RBB, muss ich hier nicht entscheiden - wenn Lucien Favre allerdings Lust hat, sich einmal ausführlich und nuanciert über Fußball zu unterhalten, dann würde ich sofort weiter an meinem Französisch arbeiten, und A. möchte unbedingt für ihn kochen. Wer schon einmal ihr Gast war, weiß, dass das ein ganz besonderer (und sicher nicht provinzieller) Luxus ist.

Sonntag, November 23, 2008

Janus

Der 3:2-Sieg der Hertha in Bochum gestern bot wieder einmal eine Menge Grundsatzmaterial zum Fußball. Zwei Halbzeiten, die mit dem Rücken zueinander standen und einen schönen Januskopf bildeten, also ein Spiel, das eigentlich zwei Spiele war. In der ersten Halbzeit konnte die Hertha ihr kühles, mit Recht immer häufiger als intelligent charakterisiertes, Kontrollspiel aufziehen, das dank einer zerstreuten gegnerischen Defensive zu drei Toren führte: Raffael, Kacar und Cicero machten bis zur Pause alles klar, was nach der Pause schnell wieder unklar wurde. Noch vor der 50. Minute kam von Bochum das dringend notwendige Lebenszeichen: ein scharfer, relativ niedriger Corner, den Stein hätte entsorgen müssen, den er aber haarscharf über seinen Blondschopf hinwegstreichen ließ, was alle anderen Verteidiger so verwirrte, dass Sestak aus kurzer Distanz einsenden konnte. Die dann folgende zweite Hälfte beruhte auf den Tugenden des Fußballs, über die Hertha nicht so stark verfügt und die Trainer manchmal verzweifelt suchen, indem sie der Mannschaft vorschlagen, den berühmten Schalter umzulegen: Leidenschaft, Flügelspiel, Pressing. Bochum machte das Spiel, Hertha bewies, wie schon in den letzten Spielen, dass sie das Kontern noch üben muss. In solchen Situationen ist Dardai keineswegs mehr der Anführer, als den er sich gern sieht, und Simunic war plötzlich wieder der alte Jo, er hatte es der Nachsicht von Referee Weiner zu verdanken, dass er nicht die gelb-rote Karte zu sehen bekam. Die mittelfristig relevanteste Szene aber kam gegen Schluss, als Pantelic schon für Voronin im Spiel war und den erfolgversprechendsten Konter nicht durch einen Querpass produktiv machte, sondern durch ein sinnloses und erfolgloses Dribbling versiebte. Die vielen tollen Pässe, die Pantelic schlägt, entwertet er mit solchen Szenen. Die Zeichen stehen auf Abschied, die Berliner Tabloids wissen sogar, dass er seine Wohnung in Berlin mit Ende Januar gekündigt hat. Wie auch immer, das Gebilde, das Favre errichtet hat, wackelte gestern, aber es fiel nicht um. Das ist die eigentlich gute Nachricht, denn gegen Bochum haben wir früher gern 2:2 gespielt, gestern wäre ein 3:3 wie eine Niederlage gewesen. So aber steht Hertha auf Platz 4 selbst nach einer Runde, in der Bayern, der BVB und Wolfsburg auch gewannen.

Samstag, November 22, 2008

Gallas

Sehr unterschiedliche Ausgangspositionen für meine beiden Mannschaften heute: Hertha fährt gelassen und selbstbewusst nach Bochum, mit einem intakten Team. Arsenal fährt im Zustand fortschreitender Auflösung zu Manchester City. Diese Woche hat William Gallas in einem Interview aus Anlass des Erscheinens seiner (französischen) Memoiren noch einmal kräftig Stunk gemacht, hat von wilden Streitereien zwischen den Spielern berichtet und den "young guns" generell Halbstärke vorgeworfen. Arsène Wenger blieb nichts anderes übrig, als ihn vom Amt des Kapitäns zu entkleiden, eine Maßnahme, die seriösen Kommentatoren wie James Lawton schon lange notwendig erschienen war. "Gallas may be a talented footballer but, plainly, he is not a serious man." In der SZ gab es in dieser Woche einen schönen Kommentar über die deutsche Faszination für Leit- und Zweitwölfe. Ich mag das Wort auch nicht, weiß aber, dass ein Team eine Struktur braucht, und dass unsichere Männlichkeit oder - in den Begriffen von Alfred Adler - "männlicher Protest" auf dem Platz für Probleme sorgt. Das zeigt sich bei Gallas, das war auch im Fall Simunic lange ein Thema. Der Kroate hat sich gefunden, wie es scheint. Gallas aber muss weitersuchen - nach seiner Identität, nach seiner Durchsetzungsfähigkeit und wohl auch bald nach einem anderen Verein. Es sei denn, er findet Pardon bei Arsène Wenger, dessen noch kompliziertere Psyche das weitere Gedeihen von Arsenal zu einer seltsam melodramatischen Sache werden lässt.

Freitag, November 21, 2008

England

Die Hertha hat tatsächlich ein Problem mit der öffentlichen Wahrnehmung. Als letztes Wochenende in der SZ ein großer Text über den neuen Trend zum Offensivfußball in der Bundesliga erschien, kam die Hertha mit keinem Wort vor - sie spielt ja auch tatsächlich eher ökonomisch und hat ein knapp positives Torverhältnis. Trotzdem kommt selbst Raphael Honigstein, der Deutschland-Korrespondent des Guardian (und England-Korrespondent vieler deutscher Tageszeitungen), um die Tatsache nicht herum, dass Berlin heuer schon die beiden Teams an der Tabellenspitze geschlagen hat. In seinem Bericht (Dank an Ludger für den Hinweis) beschreibt Honigstein die aktuelle Situation. Der Text ist die Spur herablassend, aber das sollte nicht überraschen bei einem Korrespondenten, der die Bundesliga im Fernsehen verfolgt. Für mich ist das natürlich trotzdem und trotz Honigstein der ultimative Ehrenerweis: ich ziehe den englischen Fußballjournalismus dem deutschen vor, ich halte die Premier League für das Maß aller Dinge im Fußball, ich möchte, dass Hertha so spielt wie Liverpool, Chelsea und Arsenal zusammen, vor allem aber so wie Aston Villa, dem englischen Team, mit dem sie sich aktuell am ehesten vergleichen könnte. Kacar wäre dann Gareth Barry, und Raffael sollte sich ein Beispiel an Ashley Young nehmen. Den kannte auch vor zwei Jahren noch kaum jemand.

Donnerstag, November 20, 2008

Downing

Für das Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und England im Olympiastadion hatten wir zum Glück keine Karten bekommen. Gestern war ein so unwirtlicher Tag, dass ich nur für ein Pflichtspiel ins Stadion gegangen wäre. Zudem hat sich Theo Walcott neuerlich an der Schulter verletzt und wird meiner krisengeschüttelten Lieblingsmannschaft Arsenal voraussichtlich länger fehlen. Englands Coach Fabio Capello musste gestern eine "zweite" Elf auf den Platz schicken, weil Gerrard, Lampard, zwei Coles und andere ausfielen. Trotzdem wurde es für Deutschland eine kleine Lehrstunde, und es überrascht nicht, dass Übungsleiter Löw anschließend bei Kerner auf den Unterschied zwischen Premier League und Bundesliga zu sprechen kam. Vor allem im zentralen Mittelfeld war da schon eine deutlich stärkere Präsenz auf der englischen Seite zu sehen: Gareth Barry von Aston Villa und Michael Carrick von ManU sind ganz anders erprobt als Simon Rolfes und Jermaine Jones. Arne Friedrich spielte auf der von ihm mit vielen guten Gründen ungeliebten rechten Außenverteidigerposition - er hat sich für diese Aufgabe geistig schon lange abgeschrieben, mit einer modernen Interpretation davon hat sein alibihaftes Offensivspiel nichts zu tun, defensiv hatte er gegen Downing und Agbonhlahor auch seine liebe Mühe. Er musste nach zwei Dritteln hinaus, und es bleibt gegen den Lokalpatriotismus der Berliner Medien festzuhalten, dass der Kapitän der Hertha im Nationalteam der Deutschen zwar hartnäckig dabei ist, aber außer "Solidität" (Löw) wenig anbietet. Deutschland verlor durch zwei Standardsituationen, die Upson und Terry nutzten, sowie einen Fauxpas zwischen Terry und Carson, den Helmes nutzte, mit 1:2. Dem ZDF-Reporter Béla Réthy blieb nur die Flucht in alte Klischees: Er machte sich über das englische "Torwartproblem" mehr lustig, als die Sache hergab.

Dienstag, November 18, 2008

Play Berlin

Heute ist der Tag, an dem die Tabloids ein wenig verrückt spielen und vor allem Storys über die Punkteprämien von Coach Favre und über Meisterträume haben. Zum Abkühlen habe ich hier eine Geschichte aus dem Alltag der Hertha, die einem Freund und dessen Sohn widerfahren ist:
"Die Hertha möchte ja nicht nur ein professionell geführter Metropolenclub sein, sie möchte bekanntlich auch die Herzen der Menschen erreichen, wie das so schön heißt, auch und vor allem die Herzen der jüngsten Fans. Zu diesem Zweck hat die Marketingabteilung in der Saison 2008/09 die Tradition der Vorspiele reanimiert. Jugendmannschaften aus Berlin und Brandenburg dürfen vor einem Bundesligamatch 20 Minuten auf dem Rasen des Olympiastadions spielen. Ein Highlight im Leben jedes kleinen Kickers. Der Trainer der 3. F-Jugend des 1. FC Schöneberg stieß in einem Fußball-Forum auf diese frohe Botschaft, bewarb sich per Mail – und bekam tatsächlich mit seinem Team den Zuschlag. Seit dem Sommer fieberten also zwölf Kinder (samt Eltern) dem großen Tag am 15. November entgegen. Am Dienstag vergangener Woche dann schaute der Mannschaftsbetreuer auf der Hertha-Homepage mal nach, wie der Verein das Ereignis wohl ankündigen würde. Viel fand er nicht – nur den Hinweis, dass sich Mannschaften der Jahrgänge 2000 und 2001 für die Vorspiele bewerben können. Das verwunderte ihn ein wenig, weil die Spieler der Schöneberger Mannschaft alle Jahrgang 1999 sind und seit der Saison 08/09 in der E-Jugend spielen – worauf der Trainer in seiner Mail an das Hertha-Marketing allerdings ausdrücklich hingewiesen hatte. Um die Sache zu klären, rief er bei Hertha an, weil es natürlich unsportlich wäre, eine E-Jugend einfach gegen eine F-Jugend antreten zu lassen. Die Abteilungsleiterin (und Freundin von Michael Preetz) war in einem sogenannten Meeting. Ihr Kollege hörte sich den Fall an, bestätigte auf Nachfrage, dass in der Mail des Schöneberger Trainers tatsächlich geschrieben stehe, dass seine Mannschaft nach dem Sommer in die E-Jugend aufrücken werde, um abschließend zu befinden, dann müsse der Verein halt eine F-Jugend schicken. Erklären konnte er den Fehler nicht. Auf die Frage, wie man diese Nachricht denn wohl den Kindern beibringen solle, die vor lauter Vorfreude kaum noch schlafen könnten, wusste er keine Antwort. Man kann auch nicht behaupten, er habe sich sonderlich um eine Antwort bemüht, obwohl es ja nicht ganz uninteressant wäre, welchen Eindruck der Verein mit einer solchen Aktion bei den Kindern hinterlässt. Auch auf die Frage, wie man denn die Kinder darüber hinwegtrösten könnte, gab es keine Antwort, obwohl da sicher eine Menge denkbar wäre – von Freikarten für ein Bundesligaspiel bis zum Trainingsbesuch bei den Profis und was dergleichen Maßnahmen mehr sind, mit denen sich eine Bindung zwischen Verein und Fans festigen lässt. Aus Gründen der sportlichen Fairness schickte Schöneberg am Samstag natürlich eine F-Jugend, die gegen ein Team aus Jüterbog kickte. Und der Trainer der Schöneberger E-Jugend hat bis heute auf mehrere Mails an die Marketingabteilung, wie der Verein seinen Fehler denn gut zu machen gedenke, noch immer keine Antwort bekommen."

Sonntag, November 16, 2008

Ramalamadingdong

Die Hertha arbeitet sich langsam nach oben. Nach dem 2:1-Heimsieg gegen den HSV gestern hat sie mit den Hamburgern die Plätze getauscht und steht jetzt auf Platz 4. Der Sieg war verdient, aber nicht souverän. Dazu war die erste Halbzeit zu dürftig, der Gegentreffer durch einen Rückzieher von Petric war ein typisches Pannentor, und wer die Hertha kennt, weiß inzwischen, dass sie nach der Pause meistens stärker ist. Eine taktische Umstellung war sicher auch wichtig: Der Coach nahm Raffael aus dem Spiel und brachte mit Domovchyiski einen richtigen Strafraumstürmer, wodurch der davor sehr allein herumwuselnde Voronin einen Mann an die Seite bekam, der die Hamburger Viererkette beschäftigte. Der Schlüssel zum Sieg war aber etwas, was die Hertha allmählich lernt: Breite, oder, wie die englischen Analytiker nicht müde werden zu fordern, "width". Klingt fast wie "Witz". Das Team spielte nach der Pause zweimal schön über den rechten Flügel, zuerst kam Chahed zu einer perfekten Flanke, die Cicero mit einem Kopfball circa dreißig Zentimeter über dem Grün verwertete; zwei Minuten später tankte Nicu sich wieder rechts durch, der Linienrichter riss die Fahne hoch, weil es ein Foul gab, winkte gleich darauf aber Vorteil, wodurch Bastian Reinhardt in Verwirrung geriet. Nicus eleganten Assist verwertete Valeri Domovchyiski, der damit nicht nur seine Aufstellung rechtfertigte, sondern auch die schon an ihm haftende Aura eines Chancentods kühl abstreifte. Ein sehr ökonomischer Sieg war das gestern, bedenkt man, dass der HSV sicher 75 Minuten das Spiel machte, dabei aber bis auf Pitroipa wenig zusammenbrachte. Die Hertha hat sich eine bemerkenswerte Kompaktheit erarbeitet, seit Coach Favre die Viererkette nicht mehr umstellt, und seit Gojko Kacar, dessen Balleroberungen und Vorstöße im Stadion schon gesondert bejubelt werden, wieder fit ist. Selbst Domovchyiski arbeitet inzwischen defensiv mit, so kam es in der ganzen letzten halben Stunde kaum zu Gefahr. Erst als der Coach mit zwei Auswechslungen in der letzten Minute den Sieg über die Zeit schaukeln wollte (und Kacar mit unnötig voreiliger Jubelgeste das Feld verließ), gab es noch einen kleinen Hinweis vom Schicksal: Pitroipas Schuss in der 92. Minute hätte die Jubilatio praecox fast noch der Lächerlichkeit preisgegeben. Er ging an die Latte, die Hertha ging in die Kurve und ließ sich feiern. Wie kam es zu der Steigerung in der zweiten Halbzeit? In der Pause lief ein wenig unmotiviert der Song "Ramalamadingdong", vielleicht war das ja eine Art Geheimcode.

Donnerstag, November 13, 2008

Zorn

Valdano schreibt mit Recht, dass ich Josip Simunic nicht mit der Landnahme, sondern mit dem Strafgericht in Verbindung bringen sollte. Er kann auch selten grimmig schauen, unsere Abwehrsäule (schon wieder ein biblisches Motiv!). So richtig zornig aber war Voronin mit dem wehenden Haar (unser Simson!) am vergangenen Sonntag auf den Bulgaren Valeri Domovchyiski, der ganz spät im Spiel einen kaum zu vergeigenden Konter zuerst vergeigte und dann den Rebound nicht zu Voronin mit dem wehenden Haar hinüberspielte, der sicher das 2:0 gegen Hoffenheim gemacht hätte. Die Begebenheit überschattete den großen Sieg ein wenig, inzwischen ist der Zwist ausgeräumt, er gibt mir aber eine gute Gelegenheit, zu den aktuellen Dingen überzuleiten. Denn der Mannschaftsarzt der Hertha hat heute Amine Chermiti und Patrick Ebert offiziell für fit erklärt, was die Optionen für das Heimspiel gegen den HSV am Samstag fast schon beunruhigend vermehrt. Erstes Opfer dürfte Valeri Domovchyiski werden, der am Ende der letzten Saison im Abschlussspiel von Oliver Kahn noch eine kleine unverfrorene Tat vollbracht hatte (ein Kitzeltor gegen den Titanen, ein Titel aus dem griechischen Referenzraum), seither aber nur noch glücklose Kurzeinsätze bekam. Pantelic wird wohl auch nicht sofort in die Mannschaft zurückkehren, rechnen wir mit einem Sturm Voronin-Raffael und vielleicht schon wieder mit Ebert auf dem rechten Flügel, im Wirbelwindwechsel mit Nicu, der links beginnen dürfte. Bleibt zentral der Dreikampf Cicero-Kacar-Dardai, es sei denn, Coach Favre lässt sich wieder einmal auf ein taktisches Experiment ein und opfert von Beginn an den mäßigen Marc Stein mit seiner Antikenmähne. Meinen Zorn würde er sich damit nicht einhandeln, obwohl ich ein prinzipieller Verfechter der Viererkette und des Flügelspiels bin.

Dienstag, November 11, 2008

Geschichte

Wie sich die Zeiten ändern: Vor drei Jahren stand Hertha auch auf dem fünften Platz nach 12 Spieltagen, sie hatte ebenfalls 21 Punkte, sechs Siege, drei Remis und drei Niederlagen, sie hatte sogar eine bessere Tordifferenz. Aber im Rest der Saison kamen dann nur noch 27 Punkte hinzu, am Ende war sie mit matten 48 Zählern und eine Tordifferenz von plus 4 auf Position 6. Im letzten Spiel gab es eine Niederlage beim 1. FNC, und Josip Simunic handelte sich eine rote Karte ein. Was spricht dafür, dass die Sache dieses Mal besser verläuft? Nun, damals handelte es sich um eine Mannschaft (und einen Trainer: Falko Götz) im Niedergang. Sie hatte im Jahr davor ganz knapp die CL-Qualifikation verpasst (viele erinnern sich noch an das torlose Remis gegen Hannover am letzten Spieltag), nun war Bastürk dauernd verletzt und Marcelinho musste, mit Nebenleuten wie Ellery Cairo (!), das Offensivspiel fast allein tragen. Niko Kovac dominierte das Mittelfeld, und "Zecke" Neuendorf machte den Joker. Dass das erst drei Jahre her ist, ist kaum zu glauben. Gestern präsentierte sich bei der Mitgliederversammlung, an der ich nicht teilnahm, eine ganz andere Mannschaft, mit Leuten wie Gojko Kacar und Andrej Voronin, und mit einem Josip Simunic, dessen Abgeklärtheit fast biblische Züge annimmt. Er macht den Moses, der gelegentlich sogar Vorstöße ins gelobte Land des Offensivspiels wagt, selbst aber nicht wirklich dort hin muss. Die Schulden sind auf 29 Millionen gesunken. In Tottenham haben sie den Sportdirektor Damien Comolli so lange fuhrwerken lassen, bis er zehn in Berlin hochwillkommene Millionen für zwei Spieler überwiesen hatte, die da wie dort nicht gebraucht werden (Boateng und Gilberto). Jetzt ist Comolli gefeuert, in der Jahresbilanz der Hertha, für die er doch gar nicht gearbeitet hat, hat er aber hat er noch einen dicken Posten hinterlassen: fünf Millionen Euro Gewinn. Comolli war, wenn man so will, der englische Vertreter der "Blase". Hertha aber macht derzeit in alter Ökonomie: Ernähre dich redlich, sei fleißig, und zähme deine Größenphantasien. Das macht den Unterschied zu 2005.

Montag, November 10, 2008

Limit

Famoser Abend gestern im Olympiastadion. 1:0 gegen den Tabellenführer TSG 1899 Hoffenheim, verdienter Sieg, Glück war natürlich auch dabei. Unter den 60000 Zuschauern waren zahlreiche Hype-Interessenten, die das Wunderteam aus Baden sehen wollten, am Ende aber waren viele von der Hertha mitgerissen und ganz in die Intensität dieses Duells hineingeraten. Ich glaube, Hoffenheim hatte gestern den falschen "game plan". Sie haben in der ersten Halbzeit nicht mit dem letzten Nachdruck gespielt, vermutlich hatten sie das Uefacup-Match der Hertha am Donnerstag in Charkow im Hinterkopf. Wir kriegen sie schon, dachten sie. Die zweite Halbzeit brachte dann auch eine ungefähr zehnminütige Drangperiode, in der ich mir um Berlin ein wenig Sorgen machte - dann kam Hertha aber mit Macht ins Spiel zurück. Vielleicht war die Verletzung von Pantelic und die Einwechslung von Gojko Kacar der entscheidende Moment. Damit veränderte sich die Spielanlage, sie wurde variabler, davor war unser Starstürmer meist allein vorn und konnte wenig bewirken. Dann aber ging mehr in die Breite, das Match wurde insgesamt offener, bald wurde auch der Topscorer Ibisevic aus dem Spiel genommen, womit Rangnick seinem Team mehr als nur symbolisch die Spitze nahm. Hertha hat sich den Sieg gestern mit jeder Faser erkämpft. Und selbst in großer Bedrängnis zeigten die meisten Spieler ganz neue Qualitäten in der Ballbehauptung, Foulvermeidung, Passkompetenz. Wer gestern nur eben mal vorbeschaute, hat ja keine Ahnung, welche Qual das in den vergangenen Jahren oft war. Hoffenheim hat zweifellos ein beeindruckendes Potential, das 4-3-3 wird intelligent gespielt, sie sind aber auch Meister des taktischen Fouls und zerstören das gegnerische Spiel gern ein wenig zynisch. Irgendwann hatten sie zehn Eckbälle gegen vier bei Hertha, aber alle wurden souverän verteidigt. Das Tor verdankt sich der Leidenschaft von Kacar, einem reaktionsschnellen Pass von Nicu und der Professionalität von Voronin, der allein vor Haas abschloss. Danach gab es noch ein paar wogende Konter, und unter den 20000, die gestern wegen der TSG gekommen waren, sollten mindestens ein paar Bekehrte zu Hertha sein. "Am Limit" sah Coach Favre gestern seine Mannschaft, nun hat er eine Woche Zeit, mit ihr in Ruhe zu arbeiten und auf die Grundlagen dieser bisher so interessanten Saison weiter aufzubauen. Die beiden defensiven Außenpositionen bleiben ein Thema, die Position Raffaels wird sich durch die Verletzung von Pantelic für eine Weile klären, das zentrale Mittelfeld mit dem engagierten, aber auch limitierten Dardai und dem immer leicht apathisch wirkenden Cicero lassen noch Potential. Als die meisten Zuschauer schon gegangen waren, gab es auf der Anzeigetafel noch einen kleinen Witz, mit dem Berlin sich als Hauptstadt stolz nach vorn stellte: "Stop Hoffenheim - yes, we can". Yo, yo, Hertha rules ok.

Samstag, November 08, 2008

Hybris

Gerade hat Howard Webb einen neuen Premier-League-Klassiker abgepfiffen. Arsenal schlägt Manchester United mit 2:1. Das ist ein mehr als bemerkenswertes Resultat, wenn man sich die Umstände vergegenwärtigt. Arsenal ging in dieses Spiel nicht nur ohne den ersten Sturm (Adebayor kam aus Stoke mit einer Verletzung zurück, van Persie holte sich dort vor einer Woche bei einem demütigenden und würdelosen 1:2 eine rote Karte), sondern mit der angeknacksten Psyche eines Teams von jammernden Genies. Das 4:4 gegen Tottenham, als in der letzten Minute der Ausgleich für die Spurs fiel und zwei wichtige Punkte verloren gingen, die Niederlage in Stoke und das torlose Remis im CL-Heimspiel am Mittwoch gegen Fenerbahce ließen die Aussichten auf das heutige Spitzenspiel düster wirken. Das Team, das antrat, war dann noch immer weitgehend erste Wahl (Almunia Sagna Gallas Silvestre Clichy Fabregas Denilson Nasri Walcott Diaby Bendtner), aber im Live-Blog des Guardian wurde provokant gefragt: Wieviele von diesen Spielern wären bei Manchester United in der Startelf? Eben. Das Geheimnis liegt also in der eigenen Mannschaft, und Arsenal hat es heute anders gelüftet, als es seinem Image entspricht, aber so, wie es einzig möglich war: das war eine brillante kämpferische Leistung, bei der die spielerischen Glanzmomente gerade ausreichten, um durch die beiden Tore von Nasri das erlösende positive Ergebnis zu schaffen. Das Team, das durch die Hybris von Arsène Wenger, der wichtige Verstärkungen vor allem im zentralen Mittelfeld und in der Innenverteidigung einfach nicht kaufte, in eine gefährliche Fallhöhe gebracht wurde, hat sich heute durch unglaubliche Leidenschaft in der dünnen Luft behauptet. Glück war auch dabei, United hatte zahllose Chancen. Vor vier Jahren endete der lange ungeschlagene Lauf der Generation um Henry und Vieira bei Manchester United in einem häßlichen Match, das sich als Wegscheide erwies. Für die nächste Generation, für Fabregas (der damals schon dabei war) und Walcott und Diaby, könnte das heutige Match eine ähnliche Qualität haben. Nächste Woche geht es allerdings auswärts gegen Aston Villa, und es sind diese Spiele, mit denen Arsenal so oft Probleme hat.

Donnerstag, November 06, 2008

Metallica

Die amerikanische Wahlnacht habe ich trotz einer schon deutlich spürbaren Erkältung bis in den frühen Morgen verfolgt, A. und ich waren also noch live auf Sendung, als Barack Obama in Chicago vor die Menge trat. Am Mittwoch war ich dann krank, und auch heute bin ich noch ein wenig matt. Ich trödle also durch den Tag und habe mir tatsächlich die erste Halbzeit des Hertha-Spiels in Bremen noch einmal angesehen. Das 1:5 hat durch die Werder-Blamage in der CL (0:3 gegen Pananthinaikos) eine zusätzliche bittere Note bekommen. Hertha hatte ganz offensichtlich einen "game plan" in Bremen - das Spiel gegen Leverkusen sollte die Vorlage für einen weiteren Auswärtssieg abgeben. Die ersten zehn Minuten wiesen auch darauf hin, dass das möglich gewesen wäre, denn beide Teams waren fahrig und es ging wenig nach vorn. Der Fehler von Christopher Gäng beim ersten Corner war also insofern wirklich vorentscheidend, weil Hertha nämlich keinen alternativen Plan hatte. Sie spielte auch nach dem Rückstand (und nach dem 0:2 durch Diego, bei dem Gäng auch eine Teilschuld trifft) zu teilnahmslos weiter. Strukturell fiel auf, dass die Abstimmung auf den Flügeln nicht funktioniert. Stein und Cicero waren wirkungslos, auch Nicu und Chahed brachten wenig zusammen. Cicero verliert für meinen Geschmack zu viele Bälle, und er findet sehr langsam in jedes Spiel (wenn überhaupt). Heute spielt die Hertha in der östlichen Ukraine gegen Metalist Charkow im Uefacup. Ich hoffe, sie zeigt sich kämpferisch.

Dienstag, November 04, 2008

Bonhof

Bis jetzt bin ich nicht dazu gekommen, mir das Match von Hertha in Bremen noch einmal in einer Aufzeichnung anzusehen. Deswegen unterbleibt vorerst eine eingehende Analyse, und auch der Krise bei Arsenal werde ich mich erst morgen widmen, wenn das CL-Heimspiel gegen Fenerbahce Istanbul ansteht. Heute habe ich Notiz genommen von einer Entlassung: Rainer Bonhof wird in Hinkunft nicht mehr als Scout für den FC Chelsea in Deutschland tätig sein. So konkret haben wir im Fußballgeschäft bisher noch selten die Auswirkungen der Finanzkrise mitbekommen. Chelsea ist stärker betroffen als andere Clubs, weil russische Oligarchen stärker betroffen sind als zum Beispiel arabische. So trifft es nun also auch einen Mann, der in meiner frühen Fußball-Sozialisation eine große Rolle gespielt hat. Denn 1974 und 1976, als ich die ersten Turniere wahrzunehmen begann (mehr gab's damals ja kaum zu sehen im Fernsehen), war ich ein Fan von Deutschland, und näherhin zuerst von Wolfgang Overath (wegen der Mähne, aber auch, weil ich immer schon Regisseure mochte), später von Rainer Bonhof, an dem mir auch dieser kühle deutsche Name gefiel, der - wie Ballack - auch in England funktionieren würde. Rainer Bonhof ist jetzt nicht mehr Scout, leider wird seine Stelle nicht frei, sondern ganz gestrichen. In meiner privaten Liste der Wunschberufe steht dieser nämlich ganz oben: Spielerspäher, Talentescout. Morgens würde ich Coach Favre ein kleines Dossier auf den Tisch legen, am Nachmittag würde Michael Preetz schon ins Flugzeug steigen und den Einkäufern von Hoffenheim eine lange Nase zeigen. Und Hertha würde die badischen Innovationskünstler überflügeln. Dazu gehören aber noch ganz andere Abteilungen reformiert als nur die von Rudi Wojtowicz.

Sonntag, November 02, 2008

Ehrenamt

Seit gestern weiß ich, was "Werder-Wetter" ist. Der Stadionsprecher Stoffi definierte es durch Temperaturen um die fünf Grad und eine Regenwahrscheinlichkeit von 80 Prozent, die sich bis zum Anpfiff des Matches zwischen Werder Bremen und Hertha bis auf 100 Prozent gesteigert hatte. Eine Stunde vor Anpfiff war Jaroslav Drobny zum Aufwärmen gekommen, tat dann aber nichts und verschwand wieder in der Kabine. Die Sache klärte sich, als der zwanzigjährige dritte Keeper Christopher Gäng herauskam - damit hatte der Nachmittag einen zusätzlichen Spannungsfaktor. Fußball ist keine elitäre Angelegenheit in Bremen. Gestern war der "Tag des Ehrenamts", alle möglichen Vereine wurden extra begrüßt, auch die Vertreter von "Ausländern", mit der Frage: "Seid ihr schon angekommen?" Ich war jedenfalls pünktlich angekommen in Bremen, und weil ich wusste, dass ein weiterer Auswärtssieg geradezu gegen jede Kurslogik gewesen wäre, hatte ich mich vor dem Spiel noch bildungsbürgerlich abgesichert und mir die Ausstellung von John Stezaker in der Gesellschaft für aktuelle Kunst angesehen. Der Kunstgewinn würde zwar eine Hertha-Niederlage nicht vollständig aufwiegen können, das war mir schon klar. Aber die kleine Schau war eine echte Entdeckung. Zum Weserstadion ging ich zu Fuß, an der Flusspromenade entlang, schon im Werder-Wetter. Das Stadion selbst ist ersichtlich alt und zusammengeflickt, es hat kein internationales Niveau. Ich saß ganz oben unter dem Dach. Zum Match werde ich später noch eigens was schreiben, richtig geärgert haben mich eigentlich nur die Gegentore vier und fünf, weil da einige Spieler (Voronin!) schon aufgegeben hatten und nicht einmal mehr für die Ehre spielten. Der Fanblock der Herthaner machte vieles gut, die ganze zweite Halbzeit hindurch wurde der großartige Chant "Hertha BSC, ist unser Verein, wird es immer sein" gesungen, der fast ein wenig nach Trance und Ritus klingt, der in seiner unbeirrten Monotonie aber natürlich auch vom Spielgeschehen abgekoppelt war. Simunic, Pantelic, Friedrich und Dardai kamen am Ende noch in die Kurve, sie wurden freundlich empfangen. Ich ging dann zu Fuß zurück zum Hauptbahnhof, irgendwann erreichte mich von Valdano die Nachricht von der Verschärfung der Arsenal-Krise (dazu auch demnächst mehr). Die DB hatte einen Sonderzug bereitgestellt, der die Hertha-Fans nach Lichtenberg (!) bringen sollte, sie also pfleglich von der City fernhielt. Dabei gab es, so weit ich sehen konnte, keine Zwischenfälle, es wurde ein wenig gesungen, aber nicht gekloppt. Ich nahm einen ICE via Hannover, in dem Wagen, in dem ich zu sitzen kam, waren noch sechs weitere Herthaner, die gleich nach dem Einsteigen ein deftiges Lied anstimmten ("Alle Bremer stinken, weil sie aus der Weser trinken"), dies aber unter dem zivilisierenden Einfluss des lesenden ICE-Publikums bald bleiben ließen. Über die ganze Strecke wurde dann Fußball quer durch Deutschland kommuniziert, in Hannover trafen wir H96-Fans (3:0 gegen den HSV!), und noch spätabends in der S-Bahn am Hackeschen Markt wurden Hertha-Fans angesprochen und mussten mit dem Ergebnis rausrücken: 1:5 bei Werder Bremen. "An uns hat's nicht jelegen." Wohl wahr.