Sonntag, August 28, 2011

Chips Ahoi

Der Arsenal FC hat gerade 2:8 gegen Manchester United verloren und dabei in jeder Hinsicht ein Bild des Jammers dargeboten. Man kann sich gut vorstellen, was jetzt passiert: Der Transfermarkt ist noch drei Tage offen, und alle verkaufenden Clubs können Arsenal jetzt in Geiselhaft nehmen. Die Politik des zusammengehaltenen Gelds geht damit nach hinten los, denn nun wird man mutmaßlich überhöhte Preise für Spieler zahlen müssen, die vielleicht nur zweite Wahl sind.

Im derzeitigen Zustand ist der Kader allenfalls bei optimalsten Bedingungen (absolutes Verletzungs-und Ermüdungsverbot für Szczesny, Vermaelen, Koscielny, Wilshere, Song, Ramsey, van Persie, Walcott, Gibbs, Sagna, Gervinho) konkurrenzfähig, nicht zu reden von vier Wettbewerben.

Eine Bemerkung aus Arsène Wengers Pressekonferenz vor dem Spiel fiel mir auf. Er sprach über Borussia Dortmund, die bei der Auslosung für die Gruppenphase der CL in Topf 4 gesetzt waren. "They disappeared for a while", sagte Wenger, und für mich klang das wie ein Vorgriff auf das, was er Arsenal vielleicht gerade beschert: Der Club könnte für eine Weile verschwinden, bis wieder eine kompetente Konstellation zusammenkommt, wie sie im Moment nicht vorhanden ist.

Da in der aktuellen Situation ein Trainerwechsel nicht mehr völlig auszuschließen ist, hier eine kleine Aufstellung des Boards von Arsenal - nicht alle sind "executive members", aber in jedem Fall stellt man sich eine Gruppe, die das Schicksal eines der großen Fußballvereine der Welt entscheidet, ein wenig anders vor (but that's London): Peter Hill-Wood (Bild), Banker, hat das Arsenal-Amt in dritter Generation inne; Ivan Gazidis, aus der amerikanischen Soccer League abgeworbener Manager; Ken Friar, gebürtig aus Islington, kommt aus dem Innersten des Clubs, aber nicht aus altem Geld; und jetzt wird's lustig: Lord Harris of Peckkam, Tory-Abgeordneter und Warenhausbesitzer (ein Carpetright Store in Tottenham, der bei den Riots angezündet wurde, gehört ihm) und Chips Keswick, Geschäftsmann mit Verbindungen nach Hongkong; und dann noch: Stan Kroenke, der amerikanische Mehrheitseigentümer von Arsenal, Inhaber des MLS-Teams Colorado Rapids. De facto sind es also mit Hill-Wood, Gazidis, Friar und Kroenke vier Leute, die bei Arsenal bestimmen. Da bin ich ja gespannt. In 77 Stunden wissen wir mehr.

Samstag, August 27, 2011

Hurrafußball

Ein Freitagabendspiel in der Bundesliga hat etwas sehr Luxuriöses. Man hat das ganze Wochenende dann noch vor sich, die Stimmung ist gut, und wenn man danach heimkommt, kann man sich ansehen, was der Bezahlsender rund um dieses Topspiel so inszeniert - es gibt endlos Interviews, allerdings kaum (wir sind bei Sky!) Analyse.

Der 1:0-Sieg von Hertha gegen Stuttgart gibt allerdings eine Menge Material an die Hand, das die Verantwortlichen bei Hertha hoffentlich nicht ignorieren werden. Es war eines jener Spiele, das die vielen Komponenten deutlich machte, auf die es beim Fußball ankommt: Einstellung, Taktik, aber eben auch Wille, und Fortüne. Um es rundheraus zu sagen: Ich war sehr unzufrieden.

Das hat mit einem Umstand zu tun, der während der Woche auch ausdrücklich thematisiert wurde: Hertha besteht im Moment aus zwei Blöcken, die wenig voneinander wissen wollen. Einer braven Defensivformation, die aber doch eine Menge zulässt, und einer vorzüglichen Offensivformation, zu der gelegentlich Christian Lell stößt, der mich zuletzt mehrmals positiv überrascht hat. Er bringt von der Athletik her alles mit, um ein moderner, offensiver Außenverteidiger zu sein, und tatsächlich beginnt sich mit ihm und Ebert etwas anzudeuten, was mich optimistisch stimmt.

Das Problem ist die Doppelsechs, die gestern so konservativ interpretiert wurde, dass das Spiel von Hertha nur mühsam in die Gänge kam. Die Laufwege vor allem von Andreas Ottl bei Ballbesitz Hertha sind mir einfach ein Rätsel. Entweder will er nicht am Spiel teilnehmen, oder er bildet sich ein, dies von einem Feldherrenhügel aus tun zu müssen, aber seine Teilnahmslosigkeit am Angriffsspiel ist skandalös. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Coach Babbel tatsächlich die Anweisung gab, dass immer sechs Mann (plus Kraft) hinter dem Ball sein müssen, aber die Art und Weise, wie Ottl die gegnerische Hälfte höchstens im Trab betrat, wie er nicht einmal den Versuch unternahm, einmal einen Gegner aussteigen zu lassen, einen vertikalen Pass zu spielen, das verstehe ich nicht - zumal Niemeyer ja nur (ich spreche jeweils von Situationen, in denen Hertha den Ball hatte) unwesentlich offensiver auftrat.

Ich weiß, dass Ottl andere, diskrete Qualitäten hat, aber wir wünschen uns doch alle eine Mannschaft, in der die Teile zusammenarbeiten, und das war gestern ganz und gar nicht der Fall. Das tiefe Stehen von Hertha hat ja auch keineswegs den erhofften Effekt gebracht: Stuttgart hatte zahlreiche Chancen, hätte einen Elfmeter gegen Ende der ersten Halbzeit bekommen müssen, und noch nach dem späten Führungstreffer von Raffael gab es mehrere Großchancen.

Aber vermutlich braucht es so ein Spiel, um das Gerede vom "Heimkomplex" zum Verstummen zu bringen - einen glücklichen Sieg, der aber durch eine Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit auch verdient war. Patrick Ebert gab hinterher auch noch ein sehr professionelles Interview, damit hatte dieser Sieg endgültig Brief und Siegel.

Woran die Coaches aber eindeutig arbeiten müssen, ist die Spieleröffnung. Wir müssen ja annehmen, dass die Formation mit Ottl und Niemeyer uns noch eine Weile begleiten wird, also muss jemand den beiden erklären, dass ein wenig mehr Flexibilität und Engagement angebracht ist. Bei Niemeyer war dies ja auch zu sehen, der Vorteil dieser Formation ist allerdings vergeben, wenn die Gegner schon vor vornherein wissen, welcher der beiden "haltenden" Mittelfeldspieler sich nach vorn engagieren wird. Von Ottl muss also "mehr kommen", wie es so schön heißt, sonst fällt Hertha in die schlimmen Zeiten von Niko Kovac zurück. Aber die Saison ist ja noch jung, und mit fünf Punkten lässt sich besser an der Integration der Mannschaft arbeiten. Erwartet ja niemand einen Hurrafußball. Nur ein wenig mehr Gespür für Situationen und Möglichkeiten.

Freitag, August 26, 2011

Blößenwahn

Coach Babbel hat den Stuttgarter Nachrichten ein Interview gegeben, in dem er recht pauschal über "den Berliner an sich gesprochen" hat. Der Berliner an sich neige zum Größenwahn, während der Schwabe an sich zuerst einmal schaffe, bevor er groß tue.

Nun erwarten wir von einem Fußballtrainer nicht, dass er Mikrosoziologe ist, und über die Stimmungslage in jedem dritten Kiez von links im Wedding Bescheid weiß. Aber es ist eben ein untrügliches Zeichen für Neo- und Werktags-Berliner (wie Babbel einer ist), dass sie glauben, es gebe einen Berliner an sich. Das ist es ja gerade, was eine richtige Stadt wie Berlin von einer Provinzstadt wie Stuttgart oder einer Wohlfühlmetropole wie München unterscheidet - dass sie den Berliner an sich in ihrer Vielfalt zum Verschwinden bringt.

Das war ja auch lange das Schicksal von Hertha, der ein marginaler Club mit ausgegrenzter Fanbase war, der halt zufällig in der Bundesliga spielte. Was habe ich von Freunden hier nicht schon an Argumenten gehört, warum man eigentlich für TeBe oder Union sein müsste, wenn schon nicht für den westdeutschen Club aus den besseren Tagen!

Und wenn Babbel dann noch auf die Berliner Tabloiden zu sprechen kommt, dann übersieht er das nicht unwesentliche Faktum, dass ja gerade auch die Zeitung, mit der sich Philipp Lahm gerade ein wenig in die Bredouille gebracht hat, zugezogen ist. Wie so viele von uns, wobei ich Wert darauf lege, noch nie etwas für die Springer-Presse geschrieben zu haben.

Im Vergleich mit dem englischen Medienmarkt, den Babbel ja auch kennt, ist der Berliner ja geradezu geruhsam und hochseriös - wie sich Berlin ja auch mit London oder New York dann doch nicht vergleichen kann. Mit einem Wort: Der Coach von Hertha BSC hat ein wenig zur allgemeinen Heiterkeit beigetragen, weniger zur allgemeinen Weisheit. Er spielt ja auch in der Spielermotivation gern über die Bande der Zeitungen, jetzt hat er in der Provinz halt ein wenig philosophiert. Oder doch eher dramatisiert: "Nach meiner Zeit in Berlin kann mich wahrscheinlich nichts mehr schocken." Höchstens seine eigenen Tätowierungen, die ihn an diese Zeit für immer erinnern werden.

Donnerstag, August 25, 2011

Von Plzen nach Baryssau

Es war ein schwerer Gang für Arsenal in Udine, am Ende aber hatte mein zweites Lieblingsteam das Schlimmste verhindert: trotz teilweise konfuser Defensive und zahlreicher vergebener Chancen gab es einen 2:1-Auswärtssieg, was zur Folge hat, dass das Team von Arsène Wenger in Topf 1 an der Verlosung für Gruppenphase der CL 2011/12 teilnehmen wird.

Die wohl entscheidende Szene kam nach gut einer Stunde, als Udine einen Elfmeter zugesprochen bekam (zu dessen Entstehung die italienischen Regisseure vorsichtshalber keine Zeitlupe zeigten). Di Natale trat an, aber Wojciech Sczeszny (den der italienische Kommentator immer "Cessna" nannte) wehrte mit der linken Hand (und mit dem Nimbus eines offensichtlich enormen Selbstbewusstseins) nach oben ab.

Danach ging nicht mehr viel für Udine, die Arsenal mit ihren Kontern in Halbzeit eins ordentlich durcheinander gespielt hatten. Sczeszny ist 21 Jahre alt, er wirkt seit Beginn der Saison so, als wäre er jetzt da, um eine Ära zu prägen. Jetzt muss AW nur die Rahmenbedingungen schaffen, sonst prägt er die Ära eines Tages anderswo.

Die Töpfe für die CL sind in diesem Jahr so gut gefüllt wie selten. Bis ganz nach unten finden sich Topteams wie Manchester City oder der BVB, dazu aber auch Exoten wie Bate Borisov aus Weißrussland (setzte sich gegen Sturm Graz durch), Viktoria Pilsen oder FC Otelul aus Rumänien. Für mein kleines Steckenpferd, gelegentlich ein Fußballspiel an abgelegenen Orten zu besuchen, könnte sich also die eine oder andere Versuchung ergeben.

Mittwoch, August 24, 2011

Sukzessionsprobleme

In meinem Leben als Fußballfan ist gerade ein gravierender Umbruch zu verzeichnen. Lange war ich in der relativ komfortablen Position, dass ich am Wochenende meistens die Chance hatte, mich bei Arsenal von Hertha zu erholen. So war es zumindest in den Jahren mit Niko Kovac oder Falko Götz, von denen ich zu Thierry Henry und Arsène Wenger schalten konnte. Ich bin Fan von Hertha, und Fan von Arsenal, und mit zweiterer Vorliebe hatte ich doch irgendwie Anschluss an den Weltfußball.

Nun geht mir dieser Anschluss gerade verloren. Heute spielt der Arsenal FC einen CL-Qualifier in Udine (meinerseits verfolgt in der Bar dello Sport in Schöneberg). Und wenn die Chancen, dort zu bestehen, auch durchaus realistisches Ausmaß haben, so sind doch die Krisenzeichen unübersehbar. Arsène Wenger ist, so scheint es, in den Spätherbst seiner Arbeit in London gekommen.

Er vermag es nicht mehr, die richtigen Schlüsse zu ziehen, er scheint nicht einmal mehr zu sehen, wo die Probleme liegen, und so geht er nach dem Abgang von Fabregas (schon durch) und Nasri (so gut wie) sowie Clichy mit einem nicht mehr konkurrenzfähigen Kader und zahllosen Verletzten in die nächsten Wochen. Am Wochenende gegen Liverpool konnte man geradezu dabei zusehen, wie sich die Probleme auftürmten: Zuerst schied Koscielny mit einer bisher öffentlich unaufgeklärten Rückenverletzung aus (die Zahl der Blessuren wirft ein schlechtes Licht auf die Trainingsarbeit, das räumen inzwischen immer mehr Kommentatoren ein, und Arsenal hatte jahrelang eine sehr wohlwollende Presse), dann musste der begabte, aber unbändige DM Frimpong mit gelb-roter Karte vom Platz, am Ende schickte Kenny Dalglish Suarez auf den Platz, während Wenger Bendtner einwechselte, einen Stürmer, den im Emirates nur Wenige mögen und der auch verkauft werden soll.

Mann des Spiels war die meisten Beobachter der Linksverteidiger Enrique, der für acht Millionen zu haben gewesen wäre, aber eben nach Anfield ging, wo die neuen amerikanischen Besitzer in diesem Sommer bereits 57 Millionen Euro investiert haben. Bei Arsenal versprach Wenger, in der Transferperiode "sehr aktiv" zu sein, bisher war man hauptsächlich damit beschäftigt, die beiden Königsabgänge zu moderieren.

Entscheidend scheinen mir aber taktische Fragen zu sein. Das ganz auf Fabregas zugeschnittene 4-3-3 mit einem offensiv hinter van Persie "hängenden" Spielgestalter hat sich schon seit längerer Zeit abgenützt, weil es außer den überraschenden Überbrückungspässen von Fabregas wenig Produktionsmittel hervorbrachte. Solide pressende Mannschaften konnten Arsenal locker immer wieder nach außen abdrängen, es gab endlosen, sinnlosen Ballbesitz, zu wenig Laufarbeit in der Offensive, viel zu wenig Spiel gegen den Ball, und große Probleme in der Rückwärtsbewegung.

Heute ist ein richtungweisender Tag für den Arsenal FC, denn das Ergebnis wird auch die Aktivitäten der kommenden Woche bestimmen, in der wir nicht so sehr beim Auswärtsspiel im Old Trafford (das ich nicht als Einziger schon abgeschrieben habe), als bei den Transfers sehen werden, ob sich da ein großer Club gerade aus der Weltspitze verabschiedet (nicht für immer, notwendigerweise, die Standortbedingungen sind ja gut), ober ob es ein Comeback gibt.

Wenn ein Trainer aber über Wochen die Moral so den Bach hinuntergehen lässt wie AW, dann sind Zweifel angebracht. Nur die Mannschaft kann sie heute zerstreuen, die damit aber für einen Trainer spielen würde, um dessen Nachfolge man sich bei Arsenal auf jeden Fall schon einmal Gedanken machen sollte.

Montag, August 22, 2011

Fuchs im Kasten

Nach drei Spielen und zwei Punkten kann man eine erste Zwischenbilanz über Hertha in Liga uno ziehen. Erstens und wichtigstens: Die Mannschaft ist konkurrenzfähig, es sollte machbar sein, einen neuerlichen Abstieg zu verhindern. Zweitens: Hertha muss aufhören, im Konjunktiv zu spielen.

Das 1:1 im Sonntagabendspiel in Hannover war das zweite Duselergebnis in zwei Wochen - das Spiel wäre zu gewinnen gewesen, hätte aber wohl verloren gehen müssen, da der Freistoßtreffer von H96 fast schon in der Schlussminute regulär war. Wenn wir wohlwollend sind, rechnen wir es der Akklimatisierung in der ersten Liga zu, dass die Leistungen nach wie vor insgesamt verhalten sind, dass die Mannschaft meist erst nach einer Stunde so richtig aus sich herausgeht (gegen den schwachen HSV war dies ein wenig anders).

Dass die Innenverteidigung anfällig ist, solange Hubnik nicht zurück ist, bleibt ein Faktum. Slomka hatte seine Mannschaft ganz eindeutig speziell auf Franz eingeschworen, eine rote Karte gegen Rausch wegen Ellbogencheck, wie sie im "Sportplatz" gefordert wurde, unterblieb. Immerhin behielt Franz in den Reibereien und Provokationen der ersten halben Stunde und auch danach die Nerven. Es bleibt aber ein Faktum: Mijatovic und Franz (und Ebert, ...) brauchten zu viele Fouls, der Gegentreffer durch Pinto war eine fast logische Konsequenz aus einer ganzen Reihe von Freistößen aus aussichtsreichen Positionen.

Mit dieser ungeschickten Aggressivität bringen sie Hertha in Schwierigkeiten. Dass Hertha spät doch noch den Ausgleich schaffte, hatte auch mit dem Coach zu tun: Er wechselte in der 75. Minute nicht konservativ, sondern ließ Ebert auf dem Feld, als er Rukavytsya (für Niemeyer) brachte, und der Potsdamer Junge eröffnete mit einem anspruchsvollen Doppelpass mit Lell den besten Berliner Spielzug des Abends, den Lasogga im Stil eines Weltklassestürmers abschloss - seine Bewegung im Strafraum war des englischen Ehrentitels "fox in the box" würdig.

Er machte damit die Konstruktionsfehler in der "Berliner Mauer" (kein Kommentator kam wohl um dieses Bonmot herum) wieder wett, die zum Gegentreffer geführt hatten. Dann gab es aber spät noch einen Freistoß (insgesamt eindeutig: zu viele Fouls), den Pander am ein wenig perplex aussehenden Kraft und Freund und Feind vorbei direkt aus großer Distanz versenkte - der Linienrichter aber hob die Fahne, und so kann man von einem Saisonstart sprechen, der zumindest Hoffnung auf mehr macht: mehr konkrete Ergebnisse, weniger Möglichkeitssinn. Die taktische Variabilität, die der Coach andeutet, könnte dazu beitragen. Und der gute Stern über Lasogga scheint weiterhin zu leuchten.

Sonntag, August 21, 2011

Zehn Sekunden

Vor dem Auswärtsspiel von Hertha BSC bei Hannover 96 deuten die Kommentatoren an, dass es auf eine ähnliche Taktik wie gegen Nürnberg hinauslaufen könnte: eher tief stehen und den Gegner kommen lassen. Das unterstellt, dass die Mannschaft von Mirko Slomka nicht in der Lage ist, das Spiel zu machen, weil deren Konzept nämlich auf den berühmten zehn Sekunden beruht - länger soll ein Angriff nicht dauern.

Dahinter verbirgt sich eine besondere Risikokalkulation, die darin liegt, dass man durch Tempo kompensiert, was man an personellem Engagement nicht zu leisten gewillt ist. Hannover bleibt also auch in offensiven Situationen eine defensiv orientierte Mannschaft, die es in Kauf nimmt, wenn ein schneller Angriff nichts wird. Hauptsache, die Grundordnung des Pressings wird nicht verloren. Danach geht es eben sofort und auch weiter vorn an die Balleroberung.

Slomka hat ausdrücklich gesagt, dass große Fitness und Laufbereitschaft (Bild: Manuel Schmiedebach, als er noch Herthaner war) die Grundlage dieses Spiels ist. Das Problem ist, dagegen eine Taktik zu finden, denn diese müsste im Grunde auf denselben Prinzipien beruhen - auch Hertha müsste den Weg zum Abschluss verkürzen, müsste früher attackieren, also auch höher stehen, wogegen der eher langsame Abwehrchef sicher Vorbehalte hat.

Coach Babbel wird vermutlich bei seiner Aufstellung von Hamburg bleiben. Lasogga wird das inzwischen auch nicht mehr überraschen, obwohl es meinem Verständnis von Personalführung entspricht, das einem Spieler auch zu erklären. Aber da hat Babbel eben eine ander Auffassung davon, man wird sehen, ob sich seine Horuck-Psychologie auf Dauer bewährt. Bei Raffael mag er jetzt ja durchaus den Eindruck haben, dass er den Brasilianer wieder auf Kurs gebracht hat - entscheidender war aber sicher die klügere Taktik mit Ramos als vorderster Spitze.

Technisch haben die vier Offensiv-Herthaner die Kompetenz, etwas aus riskanteren Zuspielen zu machen, nun müssen nur Ottl und Niemeyer etwas mit eroberten Bällen anfangen. Die vergleichsweise niedrigen Passquoten eines Schmiedebach, von denen in dem Text aus dem Tagesspiegel auch die Rede ist (70 % kommen an), zeugen von einem Konzept stark eingehegten Hasards, das eigentlich nachmachbar sein müsste, ohne deswegen das Spiel völlig von sich zu weisen. So war es nämlich gegen Nürnberg, das sollte sich in Hannover nicht wiederholen.

Samstag, August 20, 2011

British Sounds

Ich habe einen Verlust zu beklagen. Nein, ich meine nicht den von Cesc Fabregas, der von Arsenal zu Barcelona gewechselt ist. Damit war ich einverstanden, ich wünsche ihm alles Gute. Mir fehlt etwas Grundsätzlicheres, Unmittelbareres. Wenn heute der FC Liverpool ins Emirates Stadium kommt, um gegen Arsenal zu spielen, dann werde ich in der Übertragung von Sky den englischen Kommentar vermissen.

Die Zwei-Kanal-Option mit Wahlfreiheit wird seit der neuen Saison nicht mehr angeboten, "zu den genauen rechtliche Hintergründen dürfen wir keine Auskunft geben". Kommentiert werden die Premier-League-Spiele nun von mäßig kundigen, fernab des Geschehens in einer Kabine mutmaßlich in Unterföhring sitzenden Sky-Mitarbeitern des zweiten Aufgebots.

Für mich bedeutet dies einen Verlust an Lebensqualität, der schwer zu beschreiben und sicher nicht für alle nachvollziehbar ist: denn der Sound der Premier League hat bei uns ganze Wochenende und Jahreszeiten (Weihnachten und Neujahr) geprägt. Auch die Spiele, die ich nicht genau beobachtet habe, liefen zumindest mit, und diese sonore Melodie im Hintergrund, die brillante Feinabstimmung von immer zwei Stimmen, die Leidenschaft und zugleich Gelassenheit in der Spielbeobachtung, das wird nun fehlen. No more Martin Tyler. No more David Pleat.

Stattdessen Toni Tomic. Ich habe in der Angelegenheit sogar eine Mail an die Premier League geschrieben, auf die ich überraschenderweise Antwort bekam, allerdings keine, die in der Sache etwas geändert hätte (hatte ich auch nicht erwartet, es ging um's Prinzip).

Was für mich nicht zuletzt eine Frage der unmittelbaren Teilhabe am englischen Spiel ist, ist für den deutschen Fußball-Journalismus aber auch ein weiterer Schritt in die Provinzialisierung. Sky hat ja nicht nur den englischen Kommentar gestrichen, sondern auch Spiele (es gibt nur drei aus der PL pro Wochenende), das heißt, dass der internationale Fußball in den vergangenen Jahren enorm reduziert wurde.

Ausgebaut wurden stattdessen "Shows" mit Prominenten, die nicht einmal für das Dschungelcamp in Frage kämen, und "Expertenrunden", in denen gefühlt jeden Tag viermal Franz Beckenbauer auf Fritz von Thurn und Taxis trifft. Man kann es also so sagen: Der deutsche Bezahlsender mit dem größten Fußballangebot marschiert ausgerechnet zu einer Zeit, da der deutsche Fußball sich wieder Weltniveau annähert, in die innere Emigration der eigenen Beschränktheit auf das ewige "das Tor können wir uns ja noch einmal anschauen".

Selbst das ZDF weiß mehr von Spielanalyse als das ganze Sky-Prekariat, das sich hinter den paar "Stars" verdingen muss, um nicht ausschließlich bei Sport 1 Gewinnspiele in Europa-League-Matches hineinzumoderieren. Aber Sky unterscheidet sich ja auch auf dieser Ebene kaum noch von einem Privatsender: Werbung sickert durch alle Fugen in die Übertragungen. Wer da noch von einem "Premium Produkt" sprechen will, macht sich lächerlich. Allerdings ist die Sache nicht zum Lachen. Es ist eine große Verarschung, wie so vieles in unserer gegenwärtigen Welt.

Sonntag, August 14, 2011

Luftstandpunkt

Patrick Ebert hat dann doch gespielt gegen den HSV, denn Coach Babbel hat sich zu einer anderen Maßnahme entschlossen, die sich als klug erwies: Er ließ Lasogga auf der Bank, dafür spielte Ramos im Sturmzentrum, er war der beste Herthaner bei einem 2:2, das gerade noch so zustande kam. Was die Statistik mit dem zweifachen Rückstand und dem späten Ausgleich nicht verrät ist, dass Hertha das Spiel hätte gewinnen können. Dem standen zwei eklatante Selbstschädigungen gegenüber (zuerst Mijatovic, später Franz), und eine suboptimale Chancenauswertung.

Immerhin sieht es nach der zweiten Runde schon so aus, dass der HSV das größere Stückwerk darstellt, während Hertha eine deutlich produktivere Kompaktheit an den Tag legte. Mit Raffael allein kann das nicht zu tun haben, auch Ottl nahm mehr am Spiel teil, und Lell war sehr häufig offensiv tätig (wenngleich seine Flanken in der Mehrzahl der Fälle grotesk waren). Die Fehleranfälligkeit beider Mannschaften ist für mich der Grund, dass ich den Fortschritt nicht überbewerten möchte.

Beim Herausspielen aus einer Situation tiefen Ballgewinns erinnerte mich Hertha häufig an die Favre-Elf von 2009, die auch fast alles mit "one touch" machen wollte, und dabei selten die nötige Präzision fand. Patrick Ebert (bei dem ich den Eindruck nicht los werde, dass ihn die blöde Frisur eben doch auch auf dem Feld beschäftigt) fiel besonders auf mit ungünstig nicht in den Lauf gespielten Pässen. Und auch seine Schüsse auch aus Standards waren gestern schon wieder halbherzig und unkonzentriert - er schwankt doch sehr in seinen Leistungen.

Was wir als den eigentlichen Gewinn aus dem Spiel mitnehmen können, ist die "Auswärtsformation", die Babbel gewählt hat: Sie beruht eben auf dem Umstand, dass Ramos erfahrungsgemäß seine besten Spiele als vorderster Stürmer macht. Sein Tempo, seine Passintelligenz, sein Aktionsradius, sein Kopfballspiel sprechen dafür, und Lasogga ist jung genug, um einen kleinen Schritt zurück zu verkraften. Mit Ramos als häufiger Anspielstation im Halbfeld funktioniert das Nachrücken besser, so kam Ottl mehr ins Spiel, und Hertha konnte richtiggehend Phasen dominieren.

Auf der Sollseite steht der Umstand, dass die beiden Innenverteidiger Mijatovic und Franz zwei weitere Gegentreffer zu verbuchen haben, und dies gegen einen stark verunsicherten Gegner. Es war letztendlich eine knappe Sache, denn Mijatovics Kopfball gegen Drobny drei Minuten vor Schluss hatte zwar etwas Majestätisches mit seinem extremen Luftstand, beruhte aber eben auch auf einem schweren individuellen Fehler des gegnerischen Torwarts.

Es fehlte nicht viel, und Hertha hätte das Muster von 2009 übernommen, mit ansehnlichen Leistungen ohne Punktgewinn. So aber steht der HSV sogar hinter Berlin, und in Hannover geht es nächste Woche gegen eine Mannschaft, die einen echten Maßstab bilden wird.

Samstag, August 13, 2011

Nebenhöhlen

Patrick Ebert kann derzeit nicht so gut atmen. Er leidet an einer Nebenhöhlen-Entzündung, deswegen wird er wahrscheinlich heute beim HSV (Ben Hatira, Bild, wird derweil mit Hertha in Verbindung gebracht) nicht dabei sein. Für ihn wird Raffael in die Mannschaft kommen, auf dem "Mega-Druck" (das Medium, das auch in Nebensätzen nur Schlagzeilen kennt) lastet.

Damit hat Coach Babbel sich schon in der zweiten Woche die erste Sache eingehandelt: Er hat den eher sensiblen Raffael so in die Auslage gestellt, dass die Mannschaft darüber hoffentlich nicht vergisst, dass es nur im Verbund geht. Gegen Nürnberg war das ganze Team schwach, gegen Hamburg muss die ganze Mannschaft arbeiten, und zwar nach einem Plan, den Babbel hoffentlich ein wenig erläutert hat.

Viel wird davon abhängen, wo Hertha zu pressen beginnt. Gegen Nürnberg geschah dies weit in der eigenen Hälfte, entsprechend unüberwindbar erwies sich dann der weite Weg zum gegnerischen Tor bei einer Gastmannschaft, die klug strukturiert und niemals in Vollzahl aufrückte. Hertha muss früher und geordnet attackieren, nur so hat sie Chancen auf sinnvolle Konter.

Raffael selbst hat schon verschiedentlich bewiesen, dass er defensiv mitarbeitet, man muss ihm nur stärker klarmachen, dass Fußball ein frustrierendes Spiel ist. Er neigt nach kleinen Missgeschicken, nach einem verlorenen Ball, einem gescheiterten Dribbling, häufig dazu, für eine Weile den Kopf hängen zu lassen. Der "Mega-Druck" könnte das verstärken.

Insofern war die vergangene Woche, in der Babbel öffentlich sein Verhältnis zu Raffael bearbeitet hat, nicht sehr professionell. Denn weder ist der Brasilianer ein so außergewöhnlicher Fußballer, dass er Hertha allein torgefährlich machen kann, und deswegen über den Umweg der Medien extra heiß gemacht werden muss, noch ist er defensiv so schwach, dass man unbedingt eine so konservative Konstellation hinter ihm aufbauen muss, wie es Ottl-Niemeyer zumindest gegen Nürnberg war.

Schon heute wäre für meine Begriffe Gelegenheit, die mehrfach diskutierte, interessantere Variante auszuprobieren, in der Lustenberger neben Raffael (geringfügig und flexibel) vor Ottl oder Niemeyer spielt. Wie auch immer, Hertha insgesamt steht schon unter Druck, und wird sich nur durch intensive, gemeinsam Arbeit befreien können. Tief stehen wird nicht reichen.

Dienstag, August 09, 2011

Anlaufstelle

Heute erst wurde ich auf eine Seite aufmerksam, die es noch nicht so lang gibt, die aber äußerst interessant ist: Spielverlagerung ist ein Taktikblog, deutlich orientiert an dem kanonischen englischen Zonal Marking, aber eben mit beiden Augen fest auf Deutschland gerichtet. Das heißt, dass auch Hertha dort besprochen wird, schon das erste Ligaspiel fand eine einleuchtende Analyse (toll wäre, wenn dort auch noch ein Link zu den Performancedaten von Impire eingebaut werden könnte; zumindest die gelaufenen Kilometer tauchen aber als eine allgemeine Kennzahl ohnehin jetzt schon in zahlreichen Sonntags- und Montagsberichten auf).

Interessanterweise hat Hertha selbst in der zweiten Liga ein besseres Pressing gespielt als gegen Nürnberg. Von Coach Babbel habe ich bisher eher Sätze im Ohr, die Lasogga einbremsen, der tatsächlich häufig sehr intensiv vorne "anläuft", was aber nur Sinn macht, wenn er dabei systematisch unterstützt wird. Taktisch bleibt er Trainer der Hertha bisher ein Rätsel - immerhin aber ist nun eine Situation, in der er auch in dieser Hinsicht aus der Reserve kommen muss. Zu Raffael, an dem sich die ganze Sache bei Hertha derzeit festmachen lässt, im nächsten Eintrag mehr.

Montag, August 08, 2011

Öffentlichkeitsarbeit

Die Sendung Sportplatz im RBB ist ein für Regionaljournalismus nicht untypisches gemischtes Ding: Ein bisschen Berichterstattung trifft auf sehr viel Öffentlichkeitsarbeit der betroffenen Institutionen. Selten war das schöner zu sehen als gestern, als Hertha klug genug war, Andreas Ottl zu einem Live-Gespräch zu entsenden, was sich gut mit den Interessen des Senders traf, der den prominentesten Neuzugang gern präsentierte.

Mit einem Gespräch, das sportliche Belange nur streifte, wurde jede eventuelle Kritik an der Transferpolitik sanft vertagt. Tatsächlich ist dafür ja auch nicht die Zeit, denn es ist ohnehin kein Geld da, um möglicherweise wichtige Verstärkungen zum Beispiel auf den Außenverteidigerpositionen noch in Angriff nehmen. BP haben sich dafür entschieden, die Zentrale überzubevölkern, und gerade dort lief am Samstag gar nichts.

Ottls Besuch beim RBB diente im Grunde einer Schonfrist, die sehr kurz werden könnte, wenn die nächsten Resultate auch nicht stimmen. Für diese Woche gilt also die Sprachregelung von Coach Babbel, der zuviel "Respekt" gesehen haben wollte. Am Samstag sollte dann aber auch eine Taktik zu Gebote stehen, die der Respektlosigkeit eine intelligente Form gibt. Denn beim Blick auf die erste Tabelle fällt nämlich auf, dass es kaum noch Mannschaften gibt, die sozusagen nur mit alten Tugenden ins Spiel gehen. Hertha braucht auch einen Plan.

Samstag, August 06, 2011

Kompetenzschub

Neun Punkte wollte Markus Babbel aus den ersten drei Spielen in Liga eins 2011/2012. Sechs können es jetzt maximal noch werden, und nach dem 0:1 gegen den 1. FC Nürnberg muss man begründete Zweifel daran haben, dass das auch machbar ist. Es war eine verdiente Heimniederlage, die eine ganze Reihe von Tatsachen deutlich gemacht hat.

Die wichtigste ist die grundsätzlichste: Hertha hat ein Jahr in Liga zwee verbracht, die Bundesliga war in dieser Zeit aber nicht untätig, im Gegenteil, sie hat sich gerade in der abgelaufenen Saison merklich weiterentwickelt, es gab einen Kompetenzschub, dem Hertha heute ganz buchstäblich hinterhergelaufen ist. Nicht sehr eifrig, das muss ich gleich dazusagen.

Nürnberg war ein interessanter Auftaktgegner, denn nun muss es Markus Babbel doch auffallen, dass es avanciertere Formen von "Einstellung" gibt, als er Hertha zumindest für den heutigen Tag vermitteln konnte. Er entschied sich für die absehbare Formation mit einem 4-4-2, in dem Franz für Hubnik in der Stammviererkette spielte, Ottl neben Niemeyer im Mittelfeld, Torun und Ebert auf den Flügeln, Lasogga und Ramos vorn.

Hertha hatte gegen aggressive, aber auch geschickt im Raum agierende Nürnberger von Beginn an keine Idee, wie sie das Spiel machen sollte. Das begann ganz hinten: Kraft macht das Spiel langsam, er scheint (bisher) nicht über die Intuition schneller, präziser Abschläge oder gar Abwürfe zu verfügen, ein paar Abschläge missrieten ihm, dann riskierte er gar nichts mehr, und so begann mit ihm das Übel von Mutlosigkeit, Ratlosigkeit und Langsamkeit.

Über die Viererkette will ich heute nicht groß schreiben, da habe ich meiner Skepsis schon öfter Ausdruck verliehen, die nächsten Spiele werden mehr Aufschlüsse geben. Das nächste Problem war für mich Ottl. Er gefiel sich zwar bei Ballbesitz Hertha in gestenreichem Auftritt, gab also alle möglichen Anleitungen, dass er sich aber konstruktiv freigelaufen hätte oder gar selber intensiver ins Spiel hineingewollt hätte, habe ich nicht gesehen. (Seine Laufleistung, die ich leider nicht in Zahlen vorliegen habe, lag unter neun Kilometer, da bin ich mir fast sicher. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der BVB gestern den HSV in Grund und Boden rannte - zehn Kilometer mehr, so glaube ich es zumindest gehört zu haben in der Nachberichterstattung.)

Nimmt man Ottls Trägheit mit dem mangelnden Potential von Lell und Kobiashvili zusammen, dann lastet die Spieleröffnung schon vollständig auf Niemeyer, der sich bemühte, aber auch nicht die großen Ideen hatte. Das lag daran, dass insgesamt wenig Bewegung im Spiel war - sicher auch so gewollt von Nürnberg (die übrigens, dies nur nebenbei, einen guten Support haben).

Und so kam es, wie es Nürnberg im Vorjahr mehrfach kommen ließ: ein spätes Tor brachte ihnen einen zwar unattraktiven, aber irgendwie folgerichtigen Sieg gegen einen ratlosen Gegner. Babbel hat mit seinen Auswechslungen auch nicht viel weitergebracht, er tauschte beide Winger (gegen Raffael und Rukavytsya), im sterilen Zentrum ließ er alles über 90 Minuten gleich (eine dritte Einwechslung - Lustenberger? - unterließ er).

Manche werden sich über den Schiedsrichter beklagen, der in der Zweikampfbewertung und in der Vorteilsgebung tatsächlich nicht gerade brillant war, und der in der Vorgeschichte des Gegentors ein Foul gegen Hertha, das die Spieler reklamierten, nicht gab - Hegeler und Pekhart nützten die Ablenkung aus. Aber das kann nur ein Randaspekt sein. Dass Gagelmann schon vor dem Spiel ausgepfiffen wurde, war aber sicher auch nicht dienlich.

Es bleiben viele Fragen nach diesem frustrierenden Auftritt, die wichtigste aber ist, ob Babbel überhaupt in der Lage ist, die richtigen zu stellen. Er wird dies mit der nächsten Aufstellung zu erkennen geben.

PS Wenn jemand über die Impire-Performancedaten des Spiels verfügt - ich wäre sehr neugierig: ebolusyon@web.de

Freitag, August 05, 2011

Stadio Friuli

Bevor morgen die Erstligasaison für Hertha losgeht, muss ich noch einen Exkurs zum Arsenal FC machen. Dort ist die Lage nämlich ein wenig prekär, nicht nur meiner Einschätzung nach. Prekär auf hohem Niveau zwar, aber doch so, dass viele Beobachter sich fragen, ob heuer nicht der große Abstieg des englischen Traditionsclubs aus den Top 4 ansteht.

Gerade wurde ausgelost, dass Arsenal in der CL-Qualifikation gegen Udinese Calcio spielen muss, kein ganz leichter Gegner, wenigstens aber kein ewiglanger Flug wie nach Kasan, das auch im Topf war. Im Kalender ergibt das für das Team von Arséne Wenger einen harten Auftakt: Innerhalb von zwei Wochen gibt es fünf Spiele, zuerst Newcastle auswärt, dann Udinese und Liverpool daheim, dann Udinese auswärts, und dann schon in Runde 3 der EPL den Besuch im Old Trafford. Make or break, kann man da sagen. Und das alles mit einem Kader, von dem noch nicht klar ist, wie er in zwei Wochen aussehen wird.

Erstens zieht sich die Sache mit Fabregas endlos hin, was allem Augenschein nach doch damit zu tun hat, dass Wenger wie ein verschmähter Liebhaber die Trennung in die Länge zieht. Zweitens will er Nasri angeblich noch ein Jahr behalten, um ihn dann 2012 ablösefrei ziehen zu lassen - das ist, wenn man das Gesicht anschaut, das der Hoffnungsträger von 2010 derzeit macht, keine gute Idee. Man sollte die 20 Millionen nehmen, die Manchester City zahlen will.

Bleibt die Frage, wo denn noch Bedarf besteht bei Arsenal. Übereinstimmend sprechen alle von einem, vielleicht zwei Innenverteidigern, doch genau so wichtig ist vielleicht, das Defensivkonzept insgesamt zu überdenken. Arsenal ist extrem verwundbar durch kluge Läufe, weil die Viererkette gern sehr hoch steht und im Zweifelsfall immer auf Abseits spielt, anstatt lieber einen Sicherheitsschritt auf den gefährlichen Gegner und dessen Einholbarkeit hin zu machen. In allen Testspielen erwies sich die Defensivformation als äußerst löchrig. Das mag auch daran liegen, dass bei dem Überangebot an begabten Spielern bei Arsenal doch so etwas wie eine integrierte Spielanlage "gegen den Ball" fehlt - mich würden brennend die Laufkilometer von Arsenal in 2010/2011 interessieren, ich bin sicher (und bin dabei keineswegs ein Verfechter der bedingungslos heraushängenden Zunge), dass das ein relativ durchschnittlicher Wert ist.

Nun konkret zum Personal. Denkbar wäre folgende erste Elf (Stand heute, ohne extrapolierte Neuzugänge, doch Fabregas und Nasri sind schon herausgerechnet), plus Understudies: Szczesny (Fabianski). Sagna (Jenkinson) - Koscielny (Djourou) - Vermaelen (fehlt) - Gibbs (Traore). Song (Frimpong). Ramsey (Abou Diaby) - Wilshere (Rosicky). Gervinho (Arshavin) - van Persie (Chamakh) - Walcott (fehlt). Eindeutig braucht es einen zweiten Abwehrchef, der so wie Vermaelen auch Autorität mitbringt, die dem ansatzweise exzellenten Koscielny fehlt.

Ebenso wichtig aber ist ein Mann für die Position neben bzw. leicht vor Song (auf den Frimpong gut Druck macht zum Glück). Derzeit ist das am ehesten Ramsey, der jedoch noch mehr Einfluss auf das Spiel nehmen muss - auf seine Entwicklung bin ich extrem gespannt, er gefällt mir sogar teilweise besser als Fabregas. Abou Diaby als sein Ersatz ist hingegen schon ein zu großes Risiko, hier bräuchte es also einen interessanten Spieler, vielleicht jemand wie Charlie Adam, den der FC Liverpool geholt hat, in einer Transaktion, die von Beobachtern jetzt schon als die vielleicht intelligenteste dieses englischen Sommers bezeichnet wird.

Arsenal bräuchte zwei universale, defensiv starke, offensiv wirkungsvolle zentrale "box-to-box"-Mittelfeldspieler, die noch dazu bereit wären, eher von der Bank zu kommen und eventuell auch alles dafür zu geben, nur den Carling Cup zu holen (die "six trophyless years" machen Arsenal schon ziemlich zu schaffen). Gesprochen wird hingegen eher von typischen Feingeistern wie Juan Mata vom FC Valencia.

Ein Wort noch zu Cesc Fabregas, mit dem ich derzeit fast ein wenig Mitleid habe. Er sitzt in London fest, muss eine Verletzung vorschützen, und dabei zusehen, wie der FC Barcelona nicht so richtig mit dem Geld für ihn herausrücken will. Zudem kann ihm nicht entgangen sein, dass mittlerweile mit dem drei Jahre jüngeren Thiago Alcántara ein Spieler aufgetaucht ist, der mit gleichem Recht direkt auf die Xavi-Nachfolge aspirieren wird. Gar nicht so leicht, die Situation eines Weltstars, für den eigentlich nur noch ein, zwei Clubs ein Frage kommen.

Hertha zählt da nicht dazu, aber das kann ja noch werden. Im Idealfall beginnt morgen der lange Weg zu einem sportlichen Status, der endlich den Standortbedingungen gerecht wird, ohne dabei die eigene Zukunft verkaufen zu müssen.

Montag, August 01, 2011

Meuselwitz

Sehr professionell hat Hertha die Aufgabe in Meuselwitz gemeistert. Erstes Pflichtspiel der neuen Saison, erste gegen vierte Liga. Erste Positionsbestimmung des Trainers: Im zentralen Mittelfeld Ottl und Niemeyer, Viererkette wie im Vorjahr (nur Hubnik musste verletzungsbedingt durch Janker ersetzt werden), Flügelspiel mit Torun, Ebert und sehr häufig auch Ramos, der es Torun dadurch ermöglichte, viel zu kreuzen; vorne Lasogga. Burchert im Tor, weil Kraft nicht fit war.

Nicht in der Startformation: Raffael wegen Sperre, der Trainer hatte dadurch weniger zu knobeln. Eingewechselt wurden Ronny (für Ebert, also als Offensivmann) und Morales (der das zentrale Mittelfeld massierte). Der Sieg kam ohne Probleme zustande, weil die Mannschaft sehr gut arbeitete, und der Gegner keine unlösbaren Probleme stellte.

Hervorzuheben wäre, dass Lasogga, in einem Spiel, in dem er selbst nicht traf, eine sehr reife Leistung zeigte, sein Spiel ist variantenreich und deutet, ich will nichts verschreien, auf große Möglichkeiten hin. Patrick Ebert hat offensichtlich (weiter) an seiner Schusstechnik gearbeitet, er könnte die jahrelange Vernachlässigung dieses Spielaspekts bei Hertha beenden. Torun zeigte sich konsistenter als gegen Real und wirkt vielversprechend.

Mein Mann des Tages aber war Peter Niemeyer. Der Held aus Liga zwee hat körperlich ja nicht die besten Voraussetzungen für den anstrengenden Job, den er da im "Maschinenraum" verrichtet. Man sieht ihm bei jedem Antritt an, dass das bei ihm nicht ganz leicht geht wie bei anderen Spielern. Und doch ist er geradezu unermüdlich unterwegs, hatte gestern signifikante Ballgewinne, und erwies sich als echter Führungsspieler.

Generell sah das alles schon nach bemerkenswert guter Abstimmung und Integration der Mannschaftsteile aus. Jetzt nur noch sechs Tage bis zur Rückkehr in Liga uno.