Sonntag, Dezember 11, 2005

Im Gleichschritt

An einem Tag wie gestern, da Hertha nach Hamburg und Arsenal nach Newcastle mußte (beide Matches im Fernsehen gesehen), gibt es mehr Anschauungsmaterial zum Thema Auswärtsschwäche, als mir lieb sein kann: Die Hertha kassierte gegen den HSV in den ersten paar Minuten mehrere tödliche Pässe, zwei Tore und eine Demütigung durch eine Beinlich-Banane, die in den Strafraum zurückprallte und dort ein tolles Durcheinander hervorrief; Arsenal kassierte im St. James's Park nach bestimmender erster Halbzeit und einer sehr physischen zweiten ein spätes Tor durch Solano und hat nun das zweite Auswärtsmatch in Serie verloren. Zudem hat Rapid Wien in Salzburg nicht bestanden, aber das habe ich nicht gesehen. Die Niederlage der Hertha gegen den HSV ist schwer einzuordnen, weil sie nur durch eine epische Leistung abzuwenden gewesen wäre - immerhin hatte unsere Mannschaft achtzig Minuten Zeit, um da noch etwas zu machen. Sie hat aber wie so oft die erste Halbzeit hergeschenkt, und Pantelic hat dies mit seiner vergebenen Kopfballchance in der 44. Minute besiegelt. Was hole ich positiv heraus aus diesem Nachmittag, an dem alles gegen uns lief? Die gelb-rote Karte gegen Marcelinho und der Muskelfaserriß von van Burik treiben die Mannschaft weiter in Richtung Reform. Coach Götz muß jetzt noch mehr Vorgriffe auf die künftige Hertha machen. Boateng ist schon integriert, er war gestern vielleicht ein wenig zu ballverliebt, hat aber viel beigetragen. Die Einwechslung von Chahed in die Innenverteidigung habe ich nicht ganz verstanden, obwohl er seine Sache anständig gemacht hat - aber wäre das nicht die Position, für die Samba künftig vorgesehen ist? Ich hätte ihn gern einmal dort gesehen, wo er hingehört, und nicht als ungerichtete Allzweckwaffe, als die ihn der Coach gern bringt. Die Einwechslung von Neuendorf billige ich auch nicht, dieser "Joker" hat schon lange nichts mehr gebracht. Zu Beginn der Saison hatten wir gemeint, die Hertha könnte heuer mit einer konsolidierten, weitgehend beisammen gebliebenen Mannschaft das Spiel des Vorjahsr intensivieren und verbessern, könnte also vielleicht den einen Punkt, der damals gefehlt hat, heuer machen. Nun ist die Hinrunde beinahe vorbei, und mangelnde Konstanz ist die Signatur dieser Serie: Personell wird viel experimentiert, Schlüsselspieler haben anhaltend mässige Form, und den Unterschied zwischen Wichniarek und Pantelic sehe ich nicht. Wir führen jetzt auf Platz 5 die Reihe der Teams an, die heuer nicht so recht wollen oder können, die von Spiel zu Spiel taumeln und kaum einmal in der Lage sind, einen Schwung mitzunehmen. Daß Niko Kovac sich gestern nach dem Match wieder als Führungsspieler zu Wort gemeldet hat, um Marcelinho ein "unentschuldbar" nachzurufen, paßt zu unserer vermaledeiten Situation, wie auch der indiskutable Rasen in Hamburg. Hertha und Arsenal stolpern im Gleichschritt durch die Saison. Immerhin spielt der FC Liverpool, für den ich auch viel übrig habe, gerade eine Serie, die mich ein wenig tröstet. Am Hader mit meinen Teams ändert das nichts.

Sonntag, Dezember 04, 2005

Im Niemandsland

Den Besuch im Niemandsland der Tabelle hat die Hertha heute erfolgreich gestaltet: 2:1 bei Bayer Leverkusen, die damit hinter Wolfsburg im Zweistelligen hängen bleiben. Eine Entscheidung hat die Mannschaft dabei nicht getroffen, sie hat sie sich abnehmen lassen von einem matten Gegner, der nicht einmal die obligate Aufbauhilfe unserer Defensive, die Berbatow einen Cacau-Weitschuß zum 0:1 gestattete, annahm, sondern nach dem Führungstreffer allmählich abbaute. Ein schöner, schneller Konter auf Bastürk zum Ausgleich und eine typische Pantelic-Marcelinho-Arabeske zum Siegestreffer haben gereicht, um aus einem "Sechspunktespiel" die drei Punkte mitzunehmen, die verbucht werden. Jetzt kann die Hertha am kommenden Wochenede angstfrei zum HSV fahren, und die Woche bis dahin für ein paar Konsolidierungsmaßnahmen nützen. Gilberto wurde heute nach längerer Verletzungspause schon über 90 Minuten öffentlich an den Ball herangeführt. Marcelinho konnte sich selbst aus einem Formtief zwirbeln, das auch heute lange unübersehbar war. Bastürk kommt allmählich wieder in Schwung, das gibt Hoffnung. Besonders aber freut mich, daß Coach Götz im Mittelfeld nun echte Variationsmöglichkeiten hat: Boateng und Marx haben den Spielwitz, der uns von hinten heraus immer ein wenig fehlt. Pantelic, der sich bei seinem Debüt im Olympiastadion vor noch nicht langer Zeit ja als Opernstar eingeführt hat (inklusive Kotau vor der Ostkurve), wechselt ständig zwischem komischem und tragischem Fach - auch das hat heute keine Rolle gespielt, und nicht einmal die provokante Einwechslung von Neuendorf für den einzigen Angreifer Pantelic schon fünfzehn Minuten vor Ende hat die Leverkusener noch zu letztem Einsatz angespornt. Hertha hat gewonnen, wie man im Niemandsland gewinnt: durch Lichtblicke.

Auswärtsschwäche

Ein Phänomen, das ich nicht ganz verstehe: die Auswärtsschwäche. Hertha leidet darunter, Arsenal London ebenso (gestern 0:2 bei den Bolton Wanderers). Nur ganz wenige Teams spielen in fremden Stadien mit der selben Taktik wie daheim. Bei Hertha hatte ich heuer mehrmals den Eindruck, daß sie sich auswärts selbst ein wenig in die Tasche lügen. Sie glauben dann, das Spiel nicht machen zu müssen, sondern erst einmal abwarten zu können. So haben sie einige erste Halbzeiten verstreichen lassen, in denen sie dem Spiel eigentlich schon ihren Stempel aufdrücken hätten können: Stuttgart, Dortmund, etc Ich war noch nicht in der Allarena in München, auch nicht in der Schalker Biathlon-Halle, aber die Spieler waren schon dort, sie kennen die Umstände, es ist nicht so, als müßten sie sich mit Jetlag und fremder Kultur herumschlagen. Sie müssen nur das tun, was sie im Olympiastadion auch tun müssen - sich des Spiels bemächtigen. Gegen Sampdoria Genua am vergangenen Donnerstag im Uefacup hat man förmlich gesehen, wie die Hertha im Geiste mit sich zu Rate ging: der Gegner war durchaus schlagbar, aber Coach Götz hat zum Beispiel schon zehn Minuten vor dem Pausenpfiff diese beschwichtigenden Gesten gemacht - wir spielen ja auswärts! Diese Spiele zeigen nicht so sehr das Leistungsvermögen von Teams, sie zeigen deren Selbstverständnis. Das von Hertha liegt genau in der Grauzone. Heute abend gegen Leverkusen können sie sich entscheiden, in welche Richtung sie wollen.