Mittwoch, April 30, 2008

Kabeljau

Das erste Halbfinale der CL habe ich gestern in einer Bar in Lissabon gesehen, neben einigen portugiesischen Herren gesetzten Alters, die Fleisch aßen, während ich das Nationalgericht Bacalhau (Kabeljau) probierte - es stank gut nach Knoblauch und Öl, war aber vielleicht ein wenig zu lange in der Pfanne gewesen. Ich kaute also ungefähr so geduldig, aber viel langsamer auf dem Fisch herum, wie Barca an MeanU. Ich biss mir aber am Ende nicht die Zähne aus, während Messi, Bojan und Henry schließlich tor- und zahnlos dastanden. Der Kommentar war leise gestellt, sodass meistens der Wirt sprach. Er konnte sich nicht so recht entscheiden, ob er die Mannschaft mit Nani und Cristian Ronaldo oder die Mannschaft von "Decu" (Fritz "Kolumbus" von Thurn und Taxis) lieber haben sollte - ich war auf der Seite des FC Barcelona, weil sie gestern doch mehr Positives zu einem (der Schein ohne Ton kann trügen) großen Match beitrugen. Mussten sie auch, schließlich spielten sie schon früh hinter dem Moment her, in dem Paul Scholes (Scholes-ey!, der schon im allerersten Eintrag zu diesem inzwischen ja schon recht bejahrten Blog Erwähnung fand) in die Geschichte einging. Was danach kam, war enorm. Die Schnelligkeit auf kleinstem Raum, die Barcelona an den Tag legte, macht mir manchmal genauso viel Spaß wie ein fettes Tor. Über die 180 Minuten gab es aber eben keines für Barca, und sie hatten nicht einmal allzuviele richtige Chancen. Soll heißen, dass MeanU das gestern auf eine vielleicht nicht berauschend konstruktive, aber doch ungeheuer nachdrückliche Weise dominierte. Zwei Beispiele, die mir besonders gefielen. Owen Hargreaves wurde vermutlich in all seinen Jahren in der Bundesliga einfach nie so gefordert, um das zu zeigen, was er gestern zeigte. Und Park, eigentlich ein Einwechselspieler, war ebenfalls ein Exempel an Leidenschaft, Technik, Wendigkeit, Ballkontrolle, Zweikampfverhalten, Passgenauigkeit. Jo Simunic, der heute in einem Interview Niko Kovac nachtrauert, hat gestern wahrscheinlich wieder Billard gespielt, während das Match lief - würde er sich für internationalen Spitzenfußball interessieren, hätte er geschwiegen.

Sonntag, April 27, 2008

One Touch

Es ist das Wochenende, an dem A. Geburtstag hat. Wir waren deswegen gestern im Fläming, während Chelsea gegen MeanU gewann und Hertha bei Hannover antrat. Auf der Rückfahrt kam ich auf diese Weise in den seltenen Genuss der Radio-Konferenz. Das glückliche 2:2 habe ich mir heute morgen in Hertha TV angesehen, wieder einmal ein Remis, das als moralischer Sieg durchgehen mag, der auf anfänglicher Blödheit beruht. (Cottbus hat es anders gemacht, sie haben gegen Rostock einen Rückstand in Unterzahl in einen späten Sieg verwandelt, der als moralischer Triumph zu werten ist.) Lucien Favres erste Saison neigt sich dem Ende zu, es wird reichen für eine Weiterbeschäftigung, nun gibt es aber doch allmählich geballte Indizien für grundsätzlichere Skepsis. Denn das Spiel der Hertha entwickelt sich in die falsche Richtung. Ich bin auch ein Anhänger des sogenannten One-Touch-Fußballs. Aber man muss wissen, wofür man ihn braucht. Den Ball nur einmal zu berühren, also die Ballannahme gleich als Pass zu spielen, soll das Spiel nicht bedingungslos schnell machen. Das Kombinationsspiel dient in erster Linie einmal dazu, Ballbesitz zu haben, den Gegner laufen zu lassen, und Situationen zu erzeugen, in denen ein interessanter Pass (und ein interessanter Lauf) möglich werden. Erstes Ziel müssen Pässe sein, die verarbeitbar sind. Die Hertha spielt ihr kurioses One-Touch-System ohne Geduld, die Spieler verlangen ständig zu viel voneinander, gestern waren es zum Beispiel die indiskutablen vertikalen Pässe von Arne Friedrich, die dafür das Symptom darstellten. Favre muss an Ballkontrolle, Spielkontrolle, Fehlerreduktion arbeiten - stattdessen häufen sich die Unzulänglichkeiten, auch bei Kacar zum Beispiel, dessen Ansätze mir so gut gefallen. Hannover hätte gestern in der zweiten Halbzeit allein bei Freistößen aus dem Halbfeld weiter scoren können. Friedrich und Simunic wirken lethargisch, vielleicht sind sie ja Pollenallergiker. Oder aber Jo war am Freitag wieder zu lange in seiner Sportbar. Die seltsame Übergangsstimmung in der Mannschaft nützt einzig Pisczek. Er arbeitet, weil er muss - alle anderen sind Stammspieler auch in der kommenden Saison, weil die Personaldecke dünn ist und Friedrich oder Simunic als umumstritten gelten, ohne dies durch beständige Leistung zu decken. Pisczek ist auf dem Flügel besser als im Sturmzentrum, wenn Favre sich einmal für ein System entscheiden würde (wofür er noch zwei Stürmer und einen weiteren Außenverteidiger bräuchte, gesetzt, dass Stein sich bewähren wird), könnte Pisczek sich gegen Ebert und Skacel durchsetzen.

Freitag, April 25, 2008

Flamuso

Die Gazzetta dello Sport will nun plötzlich wissen, dass Mathieu Flamini, einer der heißesten Transferkandidaten dieses Sommers, kurz davor ist, beim AC Milan zu unterschreiben. Ausgerechnet. Das Angebot von Arsenal war gut, aber im Rahmen, während die italienischen Vereine schon wieder kräftig mitbieten. Passenderweise hat Berlusconi, frisch zurück in das Regierungsamt gewählt, eine Eliteliga vorgeschlagen, eine Serie A, in der die großen Klubs nicht mehr in die Provinz fahren müssen. Cagliari, Catania, Empoli - zu abgelegen. Der AC Milan wird in der nächsten Saison aller Voraussicht nach keine Champion's League spielen, trotzdem soll Flamini sich überzeugen haben lassen. Ich warte einmal noch das Wochenende ab, die strategische Idee hinter dem Transfer ist aber schon erkennbar: Flamini und Gattuso sollen Kaka den Aktionsradius schaffen. In ein, zwei Jahren wird Flamini dann Gattuso beerben. Was ihn daran interessiert? Beats me. Ich bin ein großer Fan, wenn er wirklich unterschreibt, war es das dann aber.

Donnerstag, April 24, 2008

Halbfinale

Am Dienstag waren wir in der American Academy, um einem alten Mann aus New York bei einem Abgesang auf das Kino zuzuhören. Kein wichtiger Beitrag, aber ein schöner Abend, dessentwegen wir Liverpool-Chelsea versäumt haben, das bessere der beiden CL-Halbfinals. Besser, weil Liverpool, wie ich in der Nacht gesehen habe, doch deutliche Vorteile über Chelsea herausspielen konnte. Geholfen hat es nicht viel, Riise egalisierte in der letzten Minute mit einem unbeholfenen Defensivkopfball aus dem eigenen Fünfmeterraum über Reina hinweg unter die Latte die Führung durch Kuyt aus der ersten Halbzeit. Wird trotzdem ein offenes Spiel an der Stamford Bridge. Chelsea ist einfach nicht stark heuer, kann aber trotzdem u.U. sogar das große Double schaffen. Gestern spielte dann Barcelona gegen MeanU, wieder einmal eine Lehrstunde, die auf die ganze Saison ausstrahlte. Denn das Spiel wurde auf den Flügeln entschieden, nicht so sehr durch das, was dort geschah, als das, was unterblieb. Rooney und Park spielten gestern Assistenten für Hargreaves und Evra, die beiden Außendecker. Zambrotta und Abidal waren wegen der potentiellen Konter so nervös, dass sie kaum einmal nach vorn kamen. Dadurch fehlten die Anspielstationen für schnelle Kombinationen abseits des dicht zugestellten Zentralraums. MeanU spielte im Grunde das perfektionierte Chelsea-System aus den letzten Jahren, ein 4-6-0 (Tevez war gestern ständig vor dem eigenen Sechzehner), das in den seltenen Fällen eines Gegenangriffs natürlich weit nach vorne geschoben wurde. Gegen diese Perfektionierung des Western-Schemas von Wagenburg und kurzen strategischen Ausbrüchen gibt es nur dann ein Mittel, wenn die Außenbahnen und das Zentrum gut harmonieren. Arsenal konnte heuer deswegen so lange den Takt vorgeben, weil sie in Clichy und Sagna zwei Ausnahmekönner haben, und nicht zufällig war es auch in diesem Fall eine Verletzung (Sagna gegen Chelsea) und ein taktischer Irrtum von Wenger (er stellte Touré nach rechts, anstatt den dort versierten, weiter vorne ratlosen Eboué spielen zu lassen), der das Gefüge auseinanderfallen ließ. Gerrard bereitete in dieser neuralgischen Zone das erste Tor für Liverpool im CL-Match vor, Touré verursachte eine Woche später den Elfmeter an Babel, weil er es nicht gewohnt ist, einen schnellen Flügelspieler zu verfolgen. Barcelona spielte gestern schleppenden Fußball, perfekt im Detail, uninteressant in der gesamten Anlage. MeanU gab eine Demonstration der Stärke, die sich nur noch selbst schädigen kann: Ronaldos Elfmeter in der zweiten Minute war so überheblich geschosssen, dass die Nachwirkungen noch nächste Woche zu verspüren sein werden. Denn der FC Barcelona kann nun noch ein Auswärtstor schaffen. MeanU aber nicht mehr. Tevez muss dann raus aus der Wagenburg, auf das offene Terrain, das sie gestern weitgehend preisgegeben hatten.

Donnerstag, April 17, 2008

808 State

Ich sitze im Zimmer 808 des Savoy Hotels in Istanbul, komme gerade aus dem Kino, verfolge im Guardian-Blog die letzten Minuten von Everton-Chelsea (Essien hat getroffen, was meiner Mannschaft in der Fantasy Premier League einen kleinen Auftrieb gibt, sie torkelt aber insgesamt analog zu Arsenal dem Saisonfinale entgegen), und lese im Kicker, dass Coach (to be) Klinsmann den Mittelfeldmann Mathieu Flamini von Arsenal im Auge hat. Wenn da was geht, bricht für mich eine kleine Welt zusammen. Denn der Franzose war für mich der Spieler der Saison bei meinem Lieblingsteam. Er hat seine Position nachgerade neu definiert, als Abräumer, Aufbauer, als Adjutant von Fabregas und eigener Herr, als Laufwunder, als heimlicher Kapitän, als Mann - dabei war er ohne Stammplatzgarantie in die Saison gegangen, und der endgültige Kollaps von Arsenal in diesem Frühling kam nicht zufällig beim CL-Rückspiel in Liverpool, nachdem Flamini mit einer Verletzung hinaus musste und der nicht mehr ganz taufrische Gilberto Silva kam. Es spricht für Klinsmann, dass er an Flamini denkt (ich hatte ihn im Vorjahr, als man ihm nachsagte, dass er bei Arsenal unzufrieden sei, nicht ganz ernsthaft auch für Hertha ins Gespräch gebracht, als Dardai-Überwinder) - wenn es aber tatsächlich an der Sache etwas dran wäre (eine Unterschrift), wäre die Signalwirkung nicht zu überschätzen. Wenger verlöre dann einen seiner Musterschüler, zum ersten Mal wäre der Akademiegedanke von Arsenal durch schnöd finanzielle (und unter Umständen sogar spekulativ sportliche) Hintergedanken aufgebrochen worden. Arsenal wird sicher mitbieten, Flamini aber wird sich von der Verletztenbank aus das Saisonfinale ansehen und dann - urteilen. Über Arsenal.

Typen

Sieht so aus, als hätte Coach Favre die Geduld der meisten Beobachter aufgebraucht. Nach dem 0:0 gegen den HSV gibt es jetzt heftigen Unmut. Fußball zum Abgewöhnen, das ist die Formel. Die Tabloids mobilisieren sogar individuell Fans, die sich das nicht länger anschauen wollen. Ein Anhänger von Ipswich Town war anscheinend am Dienstag im Stadion und erschrak wegen der geringen Qualität des Spiels. Und im Fanforum regt sich der Zweifel, ob der Umbau der Mannschaft jemals zu einem schlagkräftigen Team führen wird. Bin ich mir auch nicht so sicher, aus Gründen, die ich schon mehrmals versucht habe, zu formulieren: In die ganze, eindeutige Qualitätssteigerung auf technischer und konzeptioneller Ebene mischen sich viele Laschheiten. Ich bin nun aber lange genug Hertha-Fan, um mich noch an Zeiten zu erinnern, in denen die Hertha nur mit äußerster Mühe aus der Abwehr herausgespielt hat, das immerhin ist jetzt anders. Sie lässt den Ball laufen, und braucht jetzt vor allem Optionen vorn. Deswegen vor allem bleibt mir so grandios unverständlich, warum Favre in einem gewinnbaren Match wie am Dienstag plötzlich Dardai für Lustenberger brachte - einen Zerstörer für einen (fragilen) Aufbauer. Da hätte er Ede bringen müssen! Der Berliner Boulevard ruft inzwischen aber schon wieder nach genau jenen "Typen", die Hertha so lange in der Pomade hielten: van Burik, Kovac, Bobic. Interessanter Moment jedenfalls: Favre und die Bundesliga, das steht jetzt bald auf der Kippe. Dabei hat das Team, in bester Besetzung, das Zeug, alle ausstehenden Spiele zu gewinnen. Der neue Typ ist schon da: er heißt Kacar, er braucht nur andere Anspielstationen als Lima. Und keinen Dardai neben sich.

Mittwoch, April 16, 2008

Letzter Pass

Ein wenig hämisch war der Bericht, den DSF gestern von Hertha gegen den HSV brachte. Das ganz schwache Spiel habe ich nicht gesehen, im Gegenteil hätte die Hertha gestern einen jämmerlichen HSV locker beherrschen können, wenn sie mit einem Sturm angetreten wäre. Dort spielten aber Lima und Ebert, auch Pisczek links und Lustenberger rechts waren im "final third", wie Arsène Wenger so gern sagt, im letzten Drittel harmlos. Skacel eröffnete das Match mit einem gefährlichen Rückpass auf Drobny, er ließ später um die 70. Minute auch Demel laufen, was zu einem Elfer für den HSV führte (Simunic hüftsteif), den Olic verschoss. Ich will aber das Positive nicht verschweigen: Kombinationsspiel und Passgeschwindigkeit, Wendigkeit und Spielkontrolle sind viel, viel besser als noch vor wenigen Monaten. Es fehlt nur an der letzten Konsequenz. Pisczek zum Beispiel entwickelt sich langsam zu einem echten Flügelstürmer, sowohl rechts wie links einsetzbar, er muss nur noch die Durchschlagskraft finden, die auch einmal einen Abschluss zulässt. Patrick Ebert agierte gestern unglücklich in seiner Rolle als zweiter Stürmer, er hatte nicht den Mumm, wirklich das Tor zu suchen. Sein Arbeitspensum hätte ihm aber die Piffe ersparen sollen, die er bei einem früh steckenbleibenden Konter bekam. Knackpunkt des Spiels war für mich der Wechsel, der wegen Lustenbergers Verletzung notwendig wurde: Coach Favre brachte Dardai, obwohl er mit Mineiro und Kacar schon zwei zentrale Leute auf dem Platz hatte. Danach ging nicht mehr viel, dieser Akt der Mut- und Phantasielosigkeit blieb mir völlig unverständlich, denn Hamburg lag weichgespielt auf dem Teller. Mit Raffael und einem fitten Pantelic könnte dieses Team noch alle fünf ausstehenden Matches gewinnen, es könnte aber genau so gut weiter tändeln, mit ansprechenden, aber unverbindlichen Staffetten, bei denen der letzte Pass immer ein vorletzter bleibt.

Montag, April 14, 2008

Aida

Am Wochenende saß ich, nach einem Vortrag bei einer Konferenz, bei der häufig das Wort "ästhetisches Regime" fiel, in einem der 26 Aida-Cafés von Wien. Im stillen 9. Bezirk war ich in Richtung des Franz-Josephs-Bahnhofs gestreunt, weil ich dachte, dort könnte es ein Wettlokal mit Live-Fußball geben. War aber nichts, über Herthas Auftritt in Bochum erfuhr ich nur aus Textnachrichten. Am Sonntag saß ich dann in der vertrauten, aber ungeliebten Sportbar im Hotel Marriott, und sah Arsenal dabei zu, wie sie auf einem Screen unter vielen, flankiert von der österreichischen Liga und Dortmunds Debakel gegen Bayern, versuchten, bei Manchester United den vollständigen Kollaps dieser Saison abzuwenden. Das Bild war stumm, deswegen wurden wir von den Ereignissen gelegentlich genau so kalt erwischt, wie Gallas von dem Ball an seine Hand (oder war es doch Absicht?). Egal, dieses Wochenende war nicht dem Fußball gewidmet, ich werde nachholen, was möglich ist bei der kurzen Regenerationszeit - morgen schon kommt der HSV ins Olympiastadion.

Donnerstag, April 10, 2008

Theologie

Der indirekte Freistoß, der Fußball-Newsletter von Oliver Fritsch, hat einen arabischen Kommentar zu Theo Walcotts großem Lauf über das ganze Feld im Spiel Arsenals gegen Liverpool vorgestern aufgetan. Er soll hier in der deutschen Übersetzung dokumentiert werden, als Monument für eine Einzelleistung: "Wie er sie umspielt, Walcott, Walcott, Theo Walcott! Junge, Junge, Junge, Junge! Allah! Allah! Allah! Wie er ausweicht! Wie er sie umspielt! Erst einen, dann den zweiten! Wie ein englischer Maradona! Er kämpft sich den Weg frei, englischer Diego Maradona! Ein wunderbarerer Pass! Hyypiä wollte foulen, Hyypiä! Unglaublich Sami, unglaublich Sami!"

Mittwoch, April 09, 2008

Fortbildung

Nicht überall wurde der CL-Abend gestern so intensiv verfolgt wie in unserem Wohnzimmer. Der verlässlichste Korrespondent dieser Seite, Valdano, zeigt in dem folgenden Bericht, wie Josip Simunic es mit der Konkurrenz- oder Vorbildbeobachtung hält: "Es ist ein zähes Vorurteil, Fußballer interessierten sich auch in ihrer Freizeit nur für Fußball. Sie interessieren sich auch für Spielautomaten und Billiard. Als Jo Simunic am Dienstagabend die Sportsbar meines Vertrauens betrat, stand es 1:0 an der Stamford Bridge und 0:1 an der Anfield Road. Simunic, das Mobiltelefon lässig befestigt am Reißverschluß seines Kapuzenshirts, schüttelte viele Hände, schaute beiläufig auf den Plasmaschirm, trank ein Wasser und verschwand im Nebenraum, wo der Billiardtisch steht. Als ein Raunen durchs Lokal ging, erschien er kurz, nicht ohne schnell noch die Taste am zuvor gefütterten Spielautomaten zu drücken, und nahm den phänomenalen Kopfball des aufgerückten Hypiä stoisch zur Kenntnis. Wie Liverpool durch Aggressivität und Positionsspiel Arsenals Paßfolgen fehlerhaft werden ließ und daraus die Kraft zog, die Gunners unter Druck zu setzen, wie effizient Chelseas Vierer-Mittelfeld siebzig Minuten lang die Aufbauversuche von Fenerbahce unterband, das ist ihm alles entgangen. Er ließ sich noch zwei, drei Mal vom Pooltisch vors Gerät locken, weil der Geräuschpegel stieg, doch was er da sah, schien ihm keine Erkenntnisse zu vermitteln. Kurz nach Torres’ 2:1 verließ er die Sportsbar, aber auch das Tor nahm er nur flüchtig zur Kenntnis, weil er sich kurz noch in ein Gespräch mit seinen Landsleuten über die Titelschlagzeile der frisch gelieferten B.Z.-Schlagzeile hatte verwickeln lassen: „Die Pante-Posse“."

Dienstag, April 08, 2008

Gleichungen

Die Spieler von Arsenal werden wohl noch eine Weile brauchen, ich bin schon halbwegs darüber hinweg, dass Liverpool das Rückspiel in der CL gerade mit 4:2 gewonnen hat. Über die beiden Partien hinweg waren beide Teams für mich exakt gleich gut, es musste also etwas Entscheidendes geschehen, das mit spielerischen und kämpferischen Qualitäten nicht direkt zu tun hat. Die Elfmeterfrage wird gestellt werden, sie führt aber zu keiner Antwort. Wäre das Foul von Kuyt im Hinspiel gegeben worden, hätte Arsenal mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einen 2:1-Vorsprung an die Anfield Road gebracht. Wäre das sehr vergleichbare Foul von Touré heute nicht gegeben worden, hätte Arsenal vermutlich mit 2:2 das Rennen gemacht. Dazwischen liegen mehr als hundert Minuten Fussball mit allen Eventualitäten. Deswegen vielleicht doch zwei Unterschiede zwischen Liverpool und Arsenal, die heute eine Rolle gespielt haben: Senderos und Hyppyä sowie Adebayor und Torres. Der Innenverteidiger aus der Schweiz hat nicht die Weltklasse, die es in so einem Spiel braucht; dass Arsène Wenger an ihm festhält, ist Starrsinn (nicht die unwichtigste Eigenschaft bei diesem Trainer). Adebayor hat ein Tor geschossen (nach einem Weltklasselauf von Walcott), und war auch am Führungstreffer durch Abou Diaby maßgeblich beteiligt - er strahlt aber nie diese umittelbare, direkte Gefahr aus, die Torres vor allem in Situationen direkt gegen den Mann an den Tag legt. Deswegen hat vermutlich von zwei Mannschaften, die über zwei Spiele hinweg exakt gleich gut waren, doch die gewonnen, die in der Unschärfe dieser Gleichung noch etwas zuzulegen hatte. Das wiederum aber nur unter der Voraussetzung, dass Liverpool das Unentschieden aus dem Hinspiel hatte, was, wenn der Schiedsrichter den Elfmeter gegegeben hätte, möglicherweise anders gewesen wäre, woraufhin Arsenal aber wohl abwartender aufgetreten wäre, als sie es unter der Voraussetzung des 1:1 taten. Das war heute ein Match, das ich um nichts würde missen wollen. Auch nicht mit diesem Ergebnis.

Montag, April 07, 2008

Riverside

Manchester United hat gestern nur 2:2 gespielt bei Middlesbrough im Riverside Stadium. Wird sich nun bewahrheiten, was Simon noch am Samstag vermutete: Chelsea wird Meister in der Premier League? Es war ein großartiges Match, typisch für die englische Liga, umkämpft auf hohem technischen Niveau, zwischendurch Schneetreiben, kaum Pausen und Leerläufe. Arsenal hat weiter sechs Punkte Rückstand, weil es am Samstag nur zu einem weiteren 1:1 gegen Liverpool reichte. Meine Favoriten gehen schon seit einigen Wochen am Zahnfleisch. Zahlreiche Verletzte (Rosicky, van Persie, Sagna), dazu wichtige Spieler (Toure, Eboué, ...) nicht auf der Höhe, Hleb wirkt auch unkonzentriert, Adebayor verschleißt sich und zeigt dabei weder die Durchsetzungskraft eines Rooney noch die Technik eines Torres. Morgen muss Arsenal an die Anfield Road, und muss irgendwo aus den mentalen Reserven einen Klassiker herausholen: mindestens ein Tor ist notwendig, dazu hinten die Null, in einem Stadion, in dem die Fans - anders als in The Emirates - nicht in jeder Sekunde Virtuosität erwarten, sondern ihr Team wirklich unterstützen. Fabregas hat in einem Interview mit einer spanischen Zeitung angedeutet, dass ihm ein Auswärtsspiel gar nicht so unrecht ist - er ist die kritischen Privilegierten leid, die bei Arsenal-Heimspielen dabei sind und nur dann gut mitgehen, wenn die Sache ohnehin gut läuft. Hat Arsenal möglicherweise ein Problem mit seinem Superstadion, in dem alles stimmt, nur die Stimmung nicht?

Samstag, April 05, 2008

Niemandsland

Der Berliner Kurier hatte der Hertha heute Morgen schon einmal vorgerechnet, dass sie im Begriff ist, die schlechteste Saison seit dem Aufstieg 1997 zu spielen. Für das Heimspiel gegen Werder Bremen war auch nicht viel Gutes zu erwarten. Pantelic verletzt, Lima im Sturm, na ja. Die Schlangen vor den Einlasstoren waren lang, deswegen mussten in der ersten Minute viele Leute noch auf ihre Plätze, und den schon Sitzenden war die Sicht auf das Führungstor für Bremen durch Rosenberg nach 39 Sekunden versperrt. Gerade habe ich im Fernsehen nachprüfen können, was los war. Outeinwurf rechts, Skacel lässt einen flachen Pass auf das kurze Eck zu, Simunic reagiert nicht schnell genug, Rosenberg spitzelt den Ball unter dem rechten Arm von Drobny ins Tor. Neun Minuten später: Hertha hat eine Freistoß von rechts aus dem Halbfeld, Skacel zirkelt relativ scharf auf den Elfmeterpunkt, Naldo steht knapp unter dem Ball in der Luft, Lima dagegen gerade richtig, um mit dem Hinterkopf den Ausgleich zu erzielen. Zur Pause blieb Raffael in der Kabine, für ihn kam Okoronkwo. Hertha hatte nun mehr vom Spiel, war aber rechts (Piszczek) und links (Skacel) weitgehend neutralisiert, nur zentral ging etwas, weil Kacar sich immer mehr als die beste Investitition seit langer Zeit erweist. Er kann beim Spiel nach vorn das Tempo und die Richtung variieren, Lustenberger kann das auch, der junge Spund war aber heute in vielen Zweikämpfen schon in der eigenen Hälfte unglücklich, verlor Bälle in engen Dribblings. Okoronkwo erwies sich als untauglich, er verlor auch den allerdings nicht gerade sauber vorgetragenen Ball, der dann zu Frings kam, der aufsah und Borowski loslaufen sah. Skacel ließ ihn laufen, Friedrich erklärte Skacel für zuständig, zwischen diese doppelte Passivität lief der Gegner, nahm den Pass, der sich präzise senkte, perfekt auf und verwertete. Da waren wir alle ein wenig perplex. Es hatte nicht schlecht ausgesehen für die Hertha, da war ja noch der Lattenschuss von Lima gewesen, die Stimmung stieg ständig, nämlich unter den gut 40.000 Fans von Hertha - die restlichen 20.000 waren für Bremen, auch ein seltsames Gefühl, das es wohl nur in Berlin so gibt in der deutschen Liga, dass es bei Schlagerspielen gegen die Bayern, gegen Bremen und auch den HSV nicht wirklich eine Heimdominanz im Stadion gibt. Es blieb einer Viertelstunde. Coach Favre brachte Dardai und Grahn, damit war die Sache klar - da ging nichts mehr. Was er sich dabei gedacht hat? It's a mystery to me. Die Hertha macht kleine Fortschritte, der Rest der Liga macht größere, oder hat mehr Potential, oder will einfach mehr, oder, oder, oder. Lima war heute nicht ganz schlecht, Okoronkwo war ganz schlecht, das Spiel war ansehnlich, aber es fehlt noch eine ganze Menge. Ich frage mich, wie man für neun Millionen Euro die vielen Lücken schließen will, die in diesem Kader noch klaffen. Trotzdem: ich bin guten Mutes. Wegen Gojko Kacar.

Donnerstag, April 03, 2008

Kuchenecken

Werner Gegenbauer, Vorsitzender des Aufsichtsrats von Hertha BSC, und Bernd Schiphorst, Präsident, planen auf der kommenden Mitgliederversammlung einen Ämtertausch. Sie enthüllen mit dieser offen eingefädelten Rochade, wie es um Kontrolle und Geschäftsführung bei der Hertha bestellt ist - man macht das unter sich aus. Tolle Formulierung von Gegenbauer: "Neue Besen kehren gut, alte kennen die Ecken." Er empfiehlt sich als alter Besen in neuer Funktion, will nun zusehen, wie Schiphorst in die Ecken geht. Gegenbauer, ein Spezi von Manager Hoeneß, verspricht auch, dass es kein "Backe-Backe-Kuchen" geben wird, wenn 2010 ein neuer Mann als Geschäftsführer bestellt werden soll. Die Hertha ist ein Kuchen mit Ecken, aber ohne Kanten. Zwei, drei Männer schneiden ihn sich gerade neu zu. Nicht alle Mitglieder wollen das einfach so hinnehmen. Zum Thema Fredi Bobic, der angeblich gefragt wurde, ob er für das Präsidentenamt kandidieren würde, kann ich nur sagen: Als Stürmer hat er nicht überzeugt, als Auftretender im Fernsehen ist er dagegen eine Wohltat - da klingt deutlich mehr Sachverstand durch, als ich von den alten Herthanern jemals gehört habe. Eine andere Entscheidungsgrundlage habe ich noch nicht, ich würde aber auf jeden Fall schon einmal sagen: Go for it, Fredi!