Der Trainer wurde ziemlich grundsätzlich nach dem Sieg gegen Hamburg. Seine Einlassungen hatten dabei den Charakter von Orakelsprüchen. Denn man kann sie drehen und wenden, so richtig genau wird man nicht herausbekommen, ob er eher über die Berliner Boulevardzeitung erbost ist, die in tatsächlich letztklassiger Manier eine junge Frau vorgeführt hat, oder über seine Profis, die neben dem Beruf auch noch ein Privatleben (und innerhalb desselben ein nicht immer monogames Sexualleben haben). Luhukay sprach von den "Normen und Werten" des Lebens, der RBB schnitt wie zur Verdeutlichung eine Aufnahme von seiner Frau und seiner Tochter dazwischen - ein Familienmensch, der im Hotel wohnt, bekommt es zum ersten Mal so richtig mit den Konkurrenzgesetzen auf dem Berliner Aufmerksamkeitsmarkt zu tun. Dass es dabei wirklich "knallhart" zugeht, dass junge Leute für 5000 Euro der Meute zum Fraß vorgeworfen werden, ist wohl auch für ihn die schlimmere Seite dieser Angelegenheit; gleichzeitig wird er sich keine Illusionen darüber machen, dass die Spieler von ihrer Stellung in dieser knallharten Gesellschaft nicht immer wieder profitieren, und Sex ist nun einmal das, worauf alles hinausläuft. Ask Dieter Bohlen.
Die Sache ist nicht zuletzt deswegen von Interesse, weil sie uns erlaubt, ein wenig besser zu verstehen, wie Luhukays Autorität bei Hertha verfasst ist. Es ist eine natürliche Autorität, und das ist doch ein bisschen erstaunlich bei einem nicht allzu groß gewachsenen, dunkelhäutigen Mann mit Schnauzer. Luhukay ist einer jener Typen, die so uncool sind, dass sie schon wieder cool sind; nicht, dass er es in irgendeiner Form darauf anlegte.
Nach allem, was so aus der Mannschaft nach außen dringt, verfügt er über eine sehr gute Pädagogik. Das bedeutet eben, zum jeweiligen Zeitpunkt den richtigen Ton zu treffen. Mit der Autorität ist es ja eine Gratwanderung, wenn man sie einmal überreizt, oder es nicht versteht, seine Maßnahmen plausibel zu machen, dann ist die Sache schon aus dem Lot. Bei Luhukay ist die Sache aber im Augenblick so im Lot, dass man es ihm sogar abnimmt, wenn er über "Normen und Werte" spricht.
Nun zu dem konkreten Beispiel, das dieses Wochenende bot. Es ist ein wenig rätselhaft. Luhukay nahm nämlich schon in der 23. Minute Brooks vom Feld, brachte dafür Niemeyer, Lustenberger ging in die Viererkette. Ich ging von einer Verletzung aus, doch in der Pressekonferenz erläuterte der Trainer ziemlich genau, dass es eine taktische Maßnahme war: Lustenberger wäre besser im "Durchschieben", Langkamp bestünde in Einszueinssituationen auch ohne Absicherung. Dabei ging es wohl darum, dass Lustenberger gelegentlich auf van der Vaart gehen sollte, ohne dass dadurch ein ähnlicher Fehler zustandekäme wie neulich in Nürnberg, als Janker weiter vorn attackierte.
Ich habe mir das Spiel noch einmal angesehen, und konnte beim besten Willen nichts feststellen, worauf Luhukays Auffassung begründet gewesen wäre, dass Brooks "nicht gut ins Spiel" gefunden hätte. Van der Vaart war vollkommen wirkungslos, Hertha hatte nach 20 Minuten bereits angefangen, sich das Spiel zurechtzulegen. Brooks hatte ein, zweimal hinten eingegriffen, war einmal vorn neben Ramos aufgetaucht; er spielte diskret, wie eigentlich fast immer. Dass Langkamp ihn in irgendeiner Form "manndecken" musste, wie das bei Mijatovic vor zwei Jahren noch häufig notwendig war, konnte ich nicht sehen. Bleibt als Möglichkeit noch, dass Luhukay die Spieleröffnung variantenreicher machen wollte - doch warum hat er das dann in der PK nicht so gesagt?
Es kam also Niemeyer, und weil der ehemalige Kapitän gut spielte, wurde etwas über diesen Kader 2013/2014 erkennbar, das sich als wichtig erweisen dürfte. Er beruht auf flacher Hierarchie insofern, als es nur ganz wenige herausragende Spieler gibt (ich würde meinen: Kraft und Ramos), während ansonsten für fast jede Position zwei ordentliche Besetzungen vorhanden sind, zumal wenn man die Polyvalenten (Lustenberger, Ndjeng, nun auch Schulz) berücksichtigt. Luhukay muss also moderieren, er tut das mit großer Ruhe. Verständlicher wird die Auswechslung vom Samstag nicht. Sie hatte aber den Effekt, Niemeyer früh in der Saison aus der Ecke zu holen. Vielleicht war es ja sogar umgekehrt, und Luhukay hatte begriffen, dass der HSV es erlaubte, der alten "Drecksau" (Niemeyer in einem fußballrhetorisch unglücklichen Moment über sich selbst) ein wenig Auslauf zu geben.
Aber auch das gehört zu einer guten Autorität: dass sie Geheimnisse hat. Es dürfen nur keine Geheimnisse sein, für die sich die Schreizeitungen interessieren würden.
2 Kommentare:
Ich sass im Stadion recht nah am Spielfeld, und ich meinte zu sehen, dass Brooks gleichzeitig ein wenig unsicher und übermotiviert wirkte, er hatte eine merkwürdige Körperspannung. Ich meine mich zudem zu erinnern, dass ein Querpass von Brooks fast von Rudnevs erlaufen worden wäre.
Dieser Pass war haarscharf, das stimmt
Kommentar veröffentlichen