Mittwoch, August 21, 2013

Beratungsresistenz

Ziemlich ramponiert ist der Arsenal FC gestern nach Istanbul gereist, wo heute das Qualifitkationsspiel für die Gruppenphase der Champion's League gegen Fenerbahce ansteht. Der türkische Verein spielt unter dem Vorbehalt einer Sperre wegen Spielmanipulation, gegen die noch ein Einspruch offen ist. Es kann also gut sein, dass Arsenal nächste Woche kampflos weiterkommt - da werden die beiden Matches aber schon gespielt sein. Am Wochenende gab es zur Eröffnung der EPL 2013/14 ein 1:3 gegen Aston Villa vor eigenem Publikum, ein Match so richtig zum Vergessen mit drei Verletzten (Gibbs, Oxlade-Chamberlain, Sagna), einem erratischen Schiedsrichter, einer gelb-roten Karte für Koscielny (während sein Gegenüber Vlaar aus absolut unerfindlichen Gründen geschon wurde) und einer Mannschaftsleistung, die so ungeordnet war, wie es der augenblicklich stark lückenhafte Kader nicht anders zuließ.

Arsenal hat in diesem Sommer noch keinen neuen Spieler verpflichtet, trotz einer deutlichen Ansage, dass finanziell bedeutende Möglichkeiten bestehen (Kenner sprechen von 80 bis 150 Millionen Euro). Die Verletzung von Arteta macht nur zu deutlich, dass besonders für seine Position kein Ersatz zur Verfügung steht. Gegen Villa spielte Ramsey auf der Sechserposition, Wilshere leicht versetzt neben ihm, beide fanden offensiv wenig Möglichkeiten, sich einzubringen. Dazu kam der von einem langen Sommer indisponierte Cazorla, der das wichtige zweite Gegentor einleitete. So blieben nach der Verletzung von Oxlade-Chamberlain nur noch Giroud und Rosicky, die etwas probierten. Der in der 94. Minute eingewechselte Lukas Podolski wurde von den Fans zum Man of the Match gewählt. Im Übrigen wurden sie mir ihren Gesängen deutlich: Spend some f***ing money.

Die Probleme von Arsenal sind aber grundsätzlicher, und ich war richtiggehend erleichtert, dass der Supporters Trust sie diese Woche in einer Stellungnahme endlich einmal so angesprochen hat. Arsène Wenger hat viel zu viele Kompetenzen, er ist im Grunde die einzige Person, die sportliche Entscheidungen trifft. Das Scouting funktioniert immer noch halbwegs gut (Giroud und Cazorla kamen letztes Jahr, beide sind ein Gewinn), aber das Team Building ist ungenügend, weil Wenger sich für Taktik nicht interessiert. Dazu kommt eine gewisse Naivität hinsichtlich der Stellung von Arsenal in Europa, die am besten in dem ganz offensichtlich schlecht vorbereiteten Gebot für Lars Bender zum Ausdruck kam. Es ist keineswegs so, dass man Topspieler leicht bekommen kann, es hat sich eben schon herumgesprochen, dass Arsenal eher im Niedergang als auf dem Weg nach oben ist. Jemand wie Lewandowski ist vollkommen außer Reichweite.

Auch deswegen war es ein Fehler, dass der bereits weit verhandelte Transfer von Gonzalo Higuain nicht vollzogen wurde. Arsenal wollte pokern, inzwischen ist der Argentinier längst bei Napoli, und nun gehen die plausiblen Transferziele aus. Dass man sich um Yohan Cabaye von Newcastle bemüht, wird allgemein als Panikmaßnahme gewertet. Ich sehe das auch so, denn der Franzose füllt keine der eklatanten Lücken im Kader (defensives Mittelfeld, Defensive zentral und außen, Angriffszentrum), sondern würde nur zu der Vielzahl von halbswegs guten Offensvivspielern zählen. (Oxlade-Chamberlain, der vielversprechend wirkte, wird einige Monate fehlen. Rosicky könnte ihn vermutlich vertreten, zur Not auch Podolski, dessen Standing allerdings schon stark beeinträchtigt scheint.)

Was wäre zu tun? Angesichts der Verdienste von Arsène Wenger um den Club, eines unfähigen Boards und eines extrem technokratischen Executives in Ivan Gazidis wird es schwer, einfach einen Neuanfang zu machen. Dazu sind die Leistungen unter Wenger immer noch nominell zu okay (letztes Jahr schon wieder Platz 4). Nun allerdings einfach abzuwarten, bis der "Boss", wie er allgemein intern genannt wird, seinen Kredit endgültig erschöpft hat, wäre fatal. Arsenal braucht Fußballkompetenz, einen Taktiktrainer, einen Sportdirektor, beide müssen mit Wenger gut zusammenarbeiten, was schwierig sein dürfte, denn der "Professor", wie er auch gern genannt wird, wirkt ziemlich beratungsresistent. So werden wir weiterhin gutes Beobachtungsmaterial für eine Studie haben, wie ein Fußballclub (noch dazu einer der größten Europas) nicht geführt werden sollte.

PS am Tag nach dem ersten Fenerbahce-Spiel: Das war kein seriöser Gegner.

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