Auf Spielverlagerung gibt es eine Analyse des Hertha-Siegs über Frankfurt, die wie immer äußerst detailliert ist, zum Teil eigentlich schon auf eine Weise, dass mir das Element Plan gegenüber dem Element Improvisation zu einseitig gewichtet scheint. Während des Bayern-Matches am Freitag gab es ja eine lustige Einspielung von Pep Guardiola, so weit ich sehen konnte, war sie ungeschnitten, während der der Meistercoach in wenigen Sekunden so viele Richtungen wies, das das dazugehörige Bewegungsbild seiner Mannschaft nur ein absolutes Chaos ergeben hätte können. Das bringt mich zurück zu dem Gedanken, den die Analyse bei Spielverlagerung bei mir ausgelöst hat. Denn ich habe mich später auch gefragt, wie weit die Hertha-Taktik eigentlich spezifisch auf Frankfurt abgestimmt war, wie genau sie auf die Formation des Gegners reagiert hat, die ja erst am Samstag bekannt wurde, und wie weit sie tatsächlich, wie Spielverlagerung es sieht, schon nach zehn Minuten bedeutsam variiert wurde.
Mein Laienblick, der immer noch unwillkürlich dazu tendiert, nur eine Mannschaft zu "sehen", konzentrierte sich in dieser Hinsicht früh auf Allagui. Ich hatte noch einige Spielsituationen aus dem Pokalspiel im Kopf, und umso klarer war es ersichtlich, dass der nominell rechte Flügelspieler eigentlich häufig viel weiter innen arbeitete, defensiv sowieso, aber im Resultat dann auch in der Umschaltbewegung. Bei seinem ersten Tor aber tauchte er am linken Pfosten auf, insgesamt tauschten die Offensivspieler vielfach die Position, und zwar nicht so, wie noch unter Babbel, wo man den Eindruck hatte, sie täten dies nach der Stechuhr im Viertelstundentakt.
Diese offensive Flexibilität muss wohl durch die vielen Passübungen erarbeitet werden, die man im Training bei Luhukay beobachten kann. Zugleich beruht das System aber defensiv auch auf einer Art Manndeckung. Und das verstärkt wiederum den Faktor Spielverlauf, denn nach dem noch etwas wackligen Beginn war Hertha die Mannschaft, der Frankfurt mehr hinterherlaufen musste, als umgekehrt. Nach dem 3:1 kam es dann eben zu so extrem ungeordneten Situationen wie der vor dem 4:1, das eigentlich ins Exempelbuch der Bewegungsdiagramme gehört - ein Tor auch aus Übermut, denn eigentlich geht Langkamp in keinem normalen Spiel so in die Offensivbewegung, wie er das in diesem Fall tat. Aber da waren eben schon die Räume.
Leider bietet die Bundesliga-Webseite in dieser Saison die Laufleistungen der Teams und auch der Spieler nicht mehr an (auch der Kicker hat die entsprechende Ziffer nicht mehr im ohnehin nicht allzu komplexen Statistikfeld). Es hätte mich doch sehr interessiert, welche Werte Hertha da individuell und kollektiv hatte. Ich vermute einmal, dass die Vereine mit ihrer Lobbyarbeit Erfolg hatten. Ihnen gefiel das ja nie, dass wir unbedarften Fans uns auch ein wenig mit den Zahlen beschäftigen wollten.
Während die Mannschaft längst auf den nächsten Sonntag ausgerichtet ist, werden die Fans von diesem Spiel so schnell nicht ablassen. Auch ich lese immer noch ein wenig weiter dazu, zum Beispiel den Bundesliga-Report von Raphael Honigstein im Guardian, der immerhin fast 300 Kommentare bekommen hat, von denen tatsächlich nicht wenige auch zu Hertha waren. Nehmen wir das einmal als Indiz der potentiellen Strahlkraft des Hauptstadt-Clubs.
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