Heute morgen gibt es so viele Themen, dass ich gar nicht anders kann als antizyklisch zu verfahren. Ich werde also, zumal ich dies in einem Hotelzimmer in Iasi an der Grenze zu Moldawien schreibe, weder über das CL-Finale nachdenken (zwischen dem FCB und dem Chelsea FC vermag ich nicht so richtig Präferenzen zu entwickeln), noch über den Systemwettstreit (zwischen Festgeldmacht und Oligarchenohnmacht, zwischen Bundesliga und Premier League). Ich werde auch mit meinem Kommentar zu Jos Luhukay noch warten, obwohl der ja für beide Ligen unterschrieben hat und diese Personalie also von der Causa unabhängig ist, für deren Verhandlung die zuständigen DFB-Instanzen sich ein zusätzliches Wochenende Denkpause genommen haben. Ich lasse auch den Fall Robin van Persie noch außen vor, denn der gehört in eine generellere Einschätzung der Situation beim FC Arsenal, und für diese möchte ich mir ein wenig mehr Zeit nehmen.
Heute also eine kleine Geschichte dazu, warum ich Anhänger des FC Vaslui in der rumänischen Liga bin. Ich glaube mich zu erinnern, dass es zu meinen frühesten Fußballerlebnissen gehörte, in jeder Liga ein Team zu haben. Damals bestand Fußball ja im Wesentlichen aus Tabellen und Namen, abgedruckt in kleiner Schrift in der Zeitung, die der Vater am Sonntag aus den Plastikbeuteln nahm, in denen sie zur Entnahme standen, und sie uns in die Hand drückte.
Rumänien hatte ich damals kaum im Blick, erst später kam dieser große Sieg, den der AC Mailand einmal gegen Steaua Bukarest feierte. 4:0 am 24. Mai 1989, als kleiner Tribut an die Magie der Namen hier die beiden Aufstellungen: Galli; Baresi, Costacurta, Maldini, Tassotti; Ancelotti, Colombo, Donadoni; Gullit, Rijkaard; van Basten. - Lung; Bumbescu, Iovan, Petrescu, Stoica, Ungureanu; Hagi, Minea, Rotariu; Lacatus, Piturca.
Dass ich mich für Rumänien als Land so zu interessieren begann, dass ich nun schon zum zweiten Mal hierher gefahren bin, hat mit dem Kino zu tun, aber auch mit den Ereignissen von 1989, die sich mir so eingeprägt haben (und bei denen ich gleichzeitig den Eindruck hatte, sie nicht richtig mitzubekommen, weil damals soviel auf einmal passierte), dass ich noch heute versuche, da hinterherzukommen. Deswegen lese ich Mircea Cartarescu, deswegen interviewe ich Cristi Puiu, deswegen fahre ich quer durch das Land wie gestern von Cluj nach Iasi.
Unter den Filmregisseuren gibt es zwei, die ich besonders gut finde: neben Puiu noch Corneliu Porumboiu. Er stammt aus Vaslui, seine Filme spielen dort ("Police, Adjective"), und so wurde ich auf diese Kleinstadt aufmerksam, und irgendwann auf ihr Fußballteam. Als ich die momentane Reise plante, hatte ich auch im Auge, dass an diesem Wochenende in Rumänien die Liga endet. Eigentlich sollte heute der FC Vaslui (derzeit Tabellenzweiter) gegen Universitatea Cluj spielen, doch hier werden die Spieltermine häufig kurzfristig hin und her geschoben, und nun ist der Termin erst morgen, da muss ich aber schon in Bukarest sein.
Die eigentliche Pointe habe ich aber erst neulich herausgefunden. Der FC Vaslui gehört nämlich einem lokalen Magnaten namens Adrian Porumboiu, und das ist ausgerechnet der Vater des Filmemachers. In einem Hotelzimmer in Sibiu habe ich Vater Porumboiu neulich in einer TV-Quizshow mit dem Titel "Blonde Challenge" die Frage beantworten sehen, was der Begriff Philosophie bedeutet. Er wusste es.
Man wird verstehen, dass es nun einer meiner Träume ist, dass Hertha eines fernen Tages in der Qualifikationsrunde für eine von Michel Platini dann auf 128 Teams erweiterte Champion's League auf den FC Vaslui trifft. Doch wer das Chaos im rumänischen Fußball ein wenig mitbekommt, und wer Herthas Perspektiven nüchtern einschätzt, wird die Möglichkeit nicht ausschließen können, dass es dazu nie kommt. Auch gut, es gibt ja noch wichtigere Dinge. Und damit zurück nach München, zum "Hoamspiel", das ich mir in der Fremde ansehen werde.
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