Selten gab es für ein reguläres Ligaspiel größere globale Aufmerksamkeit als für das Manchester Derby, das gestern abend für eine Vorentscheidung über den Premier-League-Titel 2012 sorgen sollte. Der "decider" zwischen City und United hielt dem Hype stand, allerdings ein wenig anders, als man es vielleicht hätte erwarten wollen. Es war ein Spiel, das durch eine besondere Form von Spannung bestimmt wurde, und das Ergebnis von 1:0 durch einen Kopfballtreffer von Kompany war das einzig logische.
Von den Spitzenspielen in dieser Saison in England waren eine ganze Reihe ein wenig plem plem (United-Arsenal 8:2, United-City 1:6, Chelsea-Arsenal 3-5, Arsenal-Tottenham 5-2). Gestern aber zeigte City, in welcher Hinsicht es mit seinen Millionen tatsächlich zu einem definierenden Team werden kann. Denn nach einer Anfangsviertelstunde, in der beide Mannschaften noch nicht richtig bei der Sache waren und Paul Scholes im Mittelfeld locker die Organisation bestimmen konnte, bemächtigte sich City des Spiels, ohne dass deswegen viele Chancen entstanden wären. Es war nur einfach so, dass für United nichts mehr ging. City sorgte für einen Aggregatzustand auf dem Platz, der Zweikampfstärke in Nimbus umschlagen ließ. Es gab zwar mächtig Räume auf den Platz, aber sie waren irrelevant, weil es keine Möglichkeit gab, jemanden dorthin zu entsenden. United war einfach zu beschäftigt, und die berühmten diagonalen Bälle hatten weder einen Sender noch einen Empfänger.
Sicher war es kein genialer Schachzug, Park gegen Yaya Touré spielen zu lassen, aber der Koreaner gehört nun einmal zur Startformation von United, wann immer die Millionen aus Asien zuschalten, und mit der Ferguson-Taktik, die offensichtlich auf ein Remis abzielte, harmonierte die Entscheidung gut. Umgekehrt hatte auch City bei aller Dominanz nicht allzuviele Chancen, sodass die Art und Weise, wie das Tor fiel, sehr bezeichnend für das Match insgesamt ist: Bei einem Eckball kommt es ja auf Zentimeter an, es ist enorm eng in so einem Strafraum, und doch kam Kompany, wuchtig und mit super Timing, so perfekt in Alleinstellung im Zentrum in der Luft zu stehen, dass das Tor wie ein Urteil über das Spiel wirkte.
Es war ein "decider", der verdeutlichte, warum die EPL nach wie vor das Maß der Dinge im Fußball ist, auch wenn die europäische Bilanz der Clubs in diesem Jahr es anders erscheinen lässt. Nirgends wird den Spitzenteams im Lauf eines Jahres mehr abverlangt als auf der Insel, deswegen haben sie alle ihre Schwächephasen (eine Sondertabelle der drei Feiertagsspiele um Neujahr würde zeigen, dass man diese auch als Exhibition werten könnte, dann niemand kann sich in dieser Phase einen Vorteil verschaffen). Vor einem halben Jahr hat City schon in nahezu der gleichen Manier gegen Arsenal gewonnen, auch damals 1:0. Nach dem Sieg in Schlagerspiel ist die Position von Mancini wohl gesichert, auch dann, wenn sie den Titel noch verspielen sollten (auswärts in Newcastle zum Beispiel). Aber die Premier League weiß jetzt, worauf sie sich einstellen muss.
Und für Europa zeichnet sich eine interessante neue Grundkonstellation ab. Deutschland gegen England, das nimmt ja das CL-Finale schon einmal vorweg. Wie sich der BVB nächstes Jahr in Europa schlägt, welches Momentum der FCB mitnehmen wird können, das trifft auf die Frage, ob City im zweiten europäischen Topjahr sich noch einmal so kalt erwischen lässt wie heuer, ob United den notwendigen Umbruch schafft (mit Kagawa?), ob Arsenal die richtigen Schlüsse aus dieser Saison zielt. Deutschland gegen England, das könnte auf Clubebene ja schon im August beginnen, wenn Arsenal zum Beispiel CL-Qualifikation spielen muss - gegen Gladbach? Theoretisch ist das möglich.
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