Sonntag, März 04, 2012

Viererbande

Mit einem glücklichen, letztlich aber nicht unverdienten 1:0 konnte Hertha sich gestern ein wenig Luft im Kampf gegen den Abstieg verschaffen. Nach wie vor ist die Situation prekär, aber der außerplanmäßige Sieg gegen einen EL-Aspiranten konnte die definitiv außerplanmäßige Niederlage in Augsburg kompensieren, und für das Auswärtsspiel in Köln wird der Druck nun erträglicher. Das Getue um "König Otto" ist ein wenig abgeflaut, schon während der Woche konnte man in einem guten Bericht der MoPo lesen, wie sich da gerade drei Trainer und ein Manager in eine Aufgabenteilung zu finden suchen, deren Implikationen Manager Preetz allenfalls in Andeutungen bedacht haben kann. Nach wie vor wirken die Interviews von Rehhagel konfus und keineswegs überzeugend, aber was die Mannschaft gestern gegen Bremen auf den Platz bekam, reichte gegen einen Gegner, der eindeutig "in transition" ist, zu einem hoffentlich kathartischen Sieg.

Neuerlich wurde das Team ein wenig umgebaut. Für den gesperrten Niemeyer kam Perdedaj ins defensive Mittelfeld neben Kobiashvili, für Mijatovic, der auf die Bank musste, kam Janker, während rechts Lell zurückkam, und links Bastians seinen Platz behielt. Ramos spielte zentrale Spitze vor Raffael, Lasogga begann auf der Bank, die Winger waren Rukavytsya und Torun, während "Petrick" Ebert nicht einmal im Kader war.

Auffällig ist, wie Ante Covic sich um die Stimmung bemüht (er geht auf Tuchfühlung mit den Spielern), während Tretschok sich um eine eher strategische Aura bemüht. Und Rehhagel - er ist nicht einmal in der Lage, die Ballade vom Zauberlehrling richtig in Anschlag zu bringen, denn bei Goethe geht die Sache ja, wie man so schön sagt, nach hinten bzw. in alle, nur nicht die gewünschten, Richtungen los.

Zu den Aktivposten des Spiels würde ich vor allem Hubnik und Kobiashvili zählen, dazu mit Abstrichen Perdedaj, Rukavytsya und wegen seiner Flanke auch Bastians. Über Thomas Kraft müssen wir nicht mehr groß reden, er ist eindeutig Herthas bester Profi, schon seit einiger Zeit. Und er wächst an der Aufgabe. Perdedaj empfahl sich mit einer angemessen offensiven Interpretation seiner Rolle, es war aber vor allem Kobiashvili, der mit Aktionsradius und Intensität die Aufgabe eines Umschaltspielers zum ersten Mal in dieser Saison wirklich interessant definierte. Nach wie vor fehlt bei Spieleröffnung aus der eigenen Viererkette ein wenig das flexible Moment, dass einer der beiden Sechser sich fallen lässt und so einen variantenreicheren Aufbau ermöglicht. Aber unabhängig von der Besetzung (nächste Woche kehren ja Ottl und Niemeyer zurück) war das ein Spiel, das man unter diesen Aspekten noch einmal studieren kann.

Werder war zwar trotzdem spielbestimmend, aber Hertha konnte durch den Einsatz viel wettmachen (leider fehlen die Trackingdaten auf der Bundesliga-Seite). Und als Bastians nach einer Stunde eine schöne Flanke ins Zentrum brachte, war zum Glück schon der in diesem Fall wirkungsvollere Lasogga auf dem Platz - er ging so zum Ball, dass dieser zu dem hinter ihm stehenden Rukavytsya durchkam, der mit viel Dusel traf. Es war das zweite Hertha-Tor in diesem Jahr!

Beinahe hätten RTC noch einmal alles ruiniert, als sie in der 83. Minute Mijatovic für Raffael brachten. Der alte Recke hätte schon kurz darauf eigentlich eine rote Karte sehen können, als er als letzter Mann Pizarro foulte, und verursachte gleich noch einen weiteren Freistoß - wenn es personell irgendwie geht, sollte man auf ihn verzichten, perspektivisch sowieso. Das sah mir jedenfalls stark nach einem König Otto-Manöver aus, mit Janker als "Libero" zwischen Abwehr und Sechsern. Werder vermochte aber auch daraus nichts zu machen.

So steht Hertha nun wieder über dem Strich, selbst der HSV und Wolfsburg sind wieder in Sichtweite geraten. Es wird aber ganz wesentlich darauf ankommen, dass Köln mit dem Spiel heute und mit dem Spiel gegen Hertha nächste Woche so richtig in Schwierigkeiten gebracht wird, denn als Fünfkampf wäre die Sache deutlich besser zu spielen, nicht zuletzt angesichts der anhaltenden Stärke von Augsburg. Hertha hat sich gestern Luft erkämpft für die Fortsetzung einer Politik der kleinen Schritte - sogar Raffael, der lange Zeit grenzdepressiv wirkte, sah man nach dem Tor strahlen, und als er hinaus musste, wurde er von Ante Covic in die Mangel genommen. So werden aus Mängelwesen vielleicht wieder Führungsspieler.

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