Das heutige DFB-Pokalspiel zwischen Hertha und Gladbach gibt Anlass zu ein paar grundsätzlichen Betrachtungen über den "richtigen Moment" im Fußball. Denn es war der aus guten Gründen in der Versenkung verschwundene Dieter Hoeneß, der den Trainer der heute zu favorisierenden Mannschaft aus dem Westen auf den deutschen Trainermarkt geholt hat. Lucien Favre hat, wie wir alle wissen, in Berlin begonnen, aber er war damals der Aufgabe noch nicht gewachsen. Nun ist er, dem äußeren Anschein nach deutlich fitter und selbstbewusster, zum wichtigsten Konzepttrainer nach Jürgen Klopp geworden, während Hertha in das attraktivste Bewerbsspiel seiner jüngeren Geschichte mit einem Trainer geht, von dem derzeit noch offen ist, ob es sich hier um Funkel redivivus oder wenigstens um einen soliden Handwerker handelt, der dem Team aus Berlin gerade die Grundlagen des modernen Fußballs (schon wieder) neu beibringen muss.
Manager Preetz hat mit der damaligen Entscheidung für Funkel leider einen Präzedenzfall geschaffen, an der er wohl noch eine Weile gemessen werden wird: eine Entscheidung, mit der er auf Nummer sicher gehen wollte, die sich aber als dramatisch unproduktiv erwiesen hat. Michael Skibbe wird von vielen auf eine ähnliche Weise wahrgenommen, und tatsächlich kann er den Eindruck nicht leichthin zerstreuen, dass er schon jetzt ein Gelassenheitsdarsteller werden muss. Aber er spricht viel verständiger über das Spiel, als ich das von Funkel jemals gehört habe, mein Vertrauensvorschuss ist noch nicht aufgebraucht.
Max Eberl hat mit seiner Entscheidung für Favre in der vergangenen Rückrunde eine Entscheidung getroffen, die der von Preetz für Funkel diametral gegenübersteht. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Entscheidung war, die eigentlich den Abstieg schon einkalkuliert hatte - dass Favre das Wunder schaffte, hatte für meine Begriffe auch damit zu tun, dass er nicht als Feuerwehr und Gesundbeter kam, sondern als Stratege, dessen Arbeit gerade noch rechtzeitig zu greifen begann (ich erinnere mich, nebenbei, an grausame Gladbach-Spiele aus der vergangenen Saison noch unter Favre - aber es ging eben gut).
So kommt Gladbach nun als eine Mannschaft mit Perspektive nach Berlin, während Hertha als eine Mannschaft antritt, die auch weiterhin über Reagieren und Improvisieren nicht hinauskommt. Der Unterschied ist dabei im Prinzip so groß nicht - denn für Preetz war Babbel die langfristige Option, auf die er seine konzeptuellen Hoffnungen setzte. Nur deswegen konnte es wohl zu dem peinlichen Theater vor Weihnachten kommen, weil Preetz zu lange nicht einsehen wollte, dass er schon wieder von vorn beginnen muss.
Hertha hat es heute in der Hand, mit der zweiten Entzauberung von Lucien Favre zu beginnen. Es trifft sich gut, dass dieses Spiel mit der Aufgabe für Michael Skibbe einhergeht, eine Weichenstellung für die Mannschaft zu treffen. Denn mit der Rückkehr von Raffael muss er die Offensive neu aufstellen. Ich zähle dabei zu der Mehrheit der Fans, die Lustenberger statt Ottl sehen wollen. Wer auch weiterhin an der Mär von den Führungsqualitäten des gemächlichen Gestikers festhalten will, der sei auf die Statistiken verwiesen: 20 Spiele, ein (!) Assist. Das ist antimoderner Fußball par excellence, und mir ist es nebenbei gesagt auch ein Rätsel, wie Ottl sein Spiel vor sich selbst rechtfertigen kann. Irgendwo in dieser hochwertigen Bayern-DNA muss doch noch ein Rest Reflexion möglich sein, der ihm klar macht, dass das nicht reicht.
Adrian Ramos sieht man wenigstens an, dass er nicht zufrieden ist. Es spricht einiges dafür, ihm heute eine Pause zu gewähren, woraus sich folgende Aufstellung ergeben würde: Kraft. Kobiashvili - Mijatovic - Hubnik - Morales. Niemeyer. Lustenberger - Raffael. Rukavytsya - Lasogga - Ebert. Ich würde also die Barcelona-Variante vorschlagen, mit einem Sechser und mit Raffael und Lustenberger als pressenden Umschaltspielern, die mit Lasogga gemeinsam ein Tannenbaum-Pressing spielen würden, das als defensives 4-5-1 und offensives 4-1-4-1 vor allem Nordtveit (oder einen meiner Taufpaten, Thorben Marx, wer weiß!) unter Druck setzen sollte.
3 Kommentare:
Es ist zwar nachvollziehbar, daß Du immer wieder auf Ottl zu sprechen kommst - aber ich glaube, Du setzt da etwas voraus, was es nie gegeben hat. Ein Trainerveteran, der Ottl seit dessen Jugendfußballzeit kennt, hat mir das so erklärt: Ottl sei, schon in der U-16 oder U-17 ein Spieler gewesen, der gut gearbeitet und konstruktiv agiert habe, sofern er einen oder zwei Nebenleute gehabt habe, die die Verantwortung übernahmen und ein größeres kreatives Potential hatten. Was auch erklärt, warum seine besten Spiele für die Bayern diejenigen waren, in denen er unauffällig, aber effizient auftrat, weil er eine klare Aufgabenstellung hatte, die nichts von ihm verlangte, was er zu leisten nicht imstande war.
Der Fehler liegt also nicht bei Ottl, sondern in den Erwartungen, welche die Hertha-Verantwortlichen an den Transfer geknüpft haben.
Gruß von Valdano
@Valdano: Mag sein, aber das reicht nicht! Kontruktive Arbeit ist für mich selten sichtbar.
Daß er permanent aufgestellt wird, läßt nur den Schluß zu, eine entsprechende Vertragsklausel sichert seine Aufstellung - Einsatz möchte ich das nicht nennen.
Beste Grüße
Der Fehler liegt bei Ottl, der zu wenig Engagement zeigt, vor allem aber liegt er, da hat Valdano recht, bei den Trainern, die ihn unbeirrt durch das Offensichtliche für eine wichtige Figur im Mannschaftsgefüge halten - ich dagegen halte ihn für einen Hemmschuh, und plädiere deswegen hier schon seit längerer Zeit für die "systemische" Umstellung, den unproduktiven Ottl aus dem Team zu nehmen
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