Wer sich Pokalspiele wünscht, muss Drama ertragen: Mit diesem Gedanken ging ich gestern nach Hause, nachdem Hertha unglücklich und nach Verlängerung 0:2 gegen Gladbach verloren hatte. Es war eine Niederlage, die zugleich schwer und leicht zu ertragen - schwer aufgrund der Umstände, durch die sie zustande kam; leicht wegen der Qualität des Spiels der Mannschaft, mehr noch wegen ihrer großartigen Einstellung. Hertha wird mit schweren Beinen nach Stuttgart fahren, eigentlich aber gibt es Grund zum Optimismus.
Es war ein unangenehmer Abend, nach einem relativ normalen Wintertag wurde es während des Spiels im Olympiastadion noch einmal richtig kalt. 47000 waren gekommen, in unserem Sektor saßen zahlreiche "Eventfans", aus deren hervorgestoßenen Aussagen man schließen konnte, dass sie verwöhnt werden wollen. Es war dann aber ein Spiel, in dem es auf Kleinigkeiten ankam, bei schwierigem Boden und einem Gegner, der die beste Defensive der aktuellen Ligasaison vorzuweisen hat. Da wollte Skibbe nichts riskieren, und stellte seinerseits eine Mauerformation auf, mit Ottl und Niemeyer vor der erwarteten Abwehr. Der Preis dieser Konstellation war, dass Raffael auf links in die Mannschaft zurückkam, denn Lustenberger behielt seinen Platz auf der Zehn, er interpretiert ihn zunehmend interessant vor allem beim Pressing, bei dem Lasogga nun nicht mehr so isoliert ist. Und Hertha machte auch das Spiel, nicht berauschend, aber klug und leidenschaftlich - die Chancenverwertung ist im Moment allerdings nicht die beste, wie man bei einem wunderbaren Lochpass durch Ebert sah, den Lasogga auf den linken Fuß bekam, mit dem er eben nicht ganz so stark ist wie mit dem rechten.
Das erste wegweisende Ereignis in einem Spiel, das Hertha dominierte, kam mit der Verletzung von Fabian Lustenberger nach einer Stunde. Raffael konnte dadurch zwar wieder in die Zentrale, Skibbe brachte aber mit Bastians einen weiteren Defensiven, wodurch die Wahrscheinlichkeit auf eine Verlängerung wuchs. Nur ein Pfostenschuss von Niemeyer brachte einmal wirklich Gefahr. In der 70. Minute brachte Favre für Hermann den offensiven Igor de Camargo (Bild), der zur Schlüsselfigur wurde.
Denn durch Camargo fühlte sich, da lief schon die erste Halbzeit der Verlängerung, Roman Hubnik bei Ballbesitz Hertha im eigenen Strafraum so provoziert, dass er meinte, ihn stellen zu müssen - er kam ihm tatsächlich bedenklich nahe, er attackierte ihn aber nicht. De Camargo ließ sich dramatisch fallen (große Nummer Marke Salihovic im Dezember), und Schiedsrichter Felix Brych entschied auf Tätlichkeit Hubnik (tatsächlich war es nur eine Blödheit), rote Karte, Elfmeter, den Daems dann verwandelte.
Die Szene wird noch viel Gesprächsstoff bieten, hier also mein Senf: Entscheidend ist, dass der Referee sich in dieser Situation, in der er weiß, dass er gerade im Begriff ist, ein Spiel zu entscheiden, absolut sicher sein muss. Nun fiel mir in der natürlich sofort unübersichtlichen Situation auf, dass der Linienrichter, der die Situation im Profil sah, also am besten, kein Foul anzeigte. Brych ging also vom eigenen Augenschein aus, sah aber dafür nicht genug. Zweitens würde mich interessieren, was de Camargo da genau geäußert hat - er muss etwas gesagt haben, das sieht man an der Reaktion von Kraft, der währenddessen den Ball hat und sofort bemerkt, dass Hubnik auf etwas reagiert. In England gibt es inzwischen Präzedenzfälle dafür, dass Spieler wegen mündlicher Äußerungen auf dem Platz gesperrt werden. Das sollte in die Untersuchung eingehen.
Nun zum größeren Kontext dieser Entscheidung des Schiedsrichters. Hertha hatte nämlich an einer anderen Stelle auch Glück. Eine Schwalbe von de Camargo an der Strafraumgrenze war keine, sondern hätte im schlimmsten Fall auch mit einer roten Karte für Mijatovic geahndet werden können - allerdings hätte es keinen Elfmeter gegeben, sondern Freistoß. Die rote Karte gegen Hubnik hätte Hertha gestern wahrscheinlich auch noch verkraftet, es war der Elfmeter, durch den die Fehlentscheidung von Brych so dramatisch wurde.
Dass Hertha durch Ramos auch danach noch eine große Chance hatte, brachte das Doppelgesicht des Abends auf den Punkt. Der Kolumbianer, den Wolf-Dieter Poschmann später im Fernsehen zum "Kapitän der Nationalmannschaft von Venezuela" machte, traute sich einen Abschluss mit dem linken Fuß gleich gar nicht zu, und so konnte Gladbach in den "dying moments" des Spiels noch einen Konter abschließen, der dann wirklich wehtat. Der Trainer war noch waidwund, als er zu den Interviews musste - dabei kann er eigentlich etwas vorweisen: Eine Mannschaft, die sich gegen eines der gegenwärtigen Top Teams der Liga sehr beachtlich schlug und sich letztlich vor allem einem Schiedsrichter geschlagen geben musste, der sich seine einzige Gelegenheit zu einer dramatischen Geste an diesem Abend nicht entgehen lassen wollte.
1 Kommentar:
Wie gegen Bremen, ich hab's einfach richtig satt.
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