Sonntag, Februar 12, 2012

Jausengegner

In Österreich spricht man von einem Jausengegner, wenn eine Mannschaft sich in einem Spiel ohne Gegenwehr verspeisen lässt - nicht einmal für eine richtige Mahlzeit reicht das dann, nur für eine kleine Stärkung zwischendurch. So sollte der VfB Stuttgart das 5:0 von gestern auch nehmen, denn zu einer tollen Mannschaft wird die Elf von Bruno Labbadia dadurch nicht gleich - zu einzigartig waren die Umstände. Wird Hertha, nach einer ja eigentlich sehr anständigen Vorstellung noch am Mittwoch im Pokal, nun gleich zur Pleitemannschaft? Diesen Eindruck erwecken natürlich nun die meisten Medien, und auch viele meiner Hertha-Freunde sind sehr deprimiert. Skibbe auf der Schibbe - die Reimer in den Redaktionen finden die Sache sehr ergötzlich, und der momentane Hertha-Coach ist mit seinem verkniffenen Gesichtsausdruck leider sehr nahe am Phänotyp Funkel, sodass einschlägige Parallelen nur allzu leicht gezogen werden können.

Was waren aber gestern die Probleme? Hertha begann das Spiel wieder einmal zu passiv. Die Passivität begann mit der Aufstellung, bei der Skibbe aus unerfindlichen Gründen den Verteidiger Bastians als Winger aufbot (weil der das angeblich als Jugendlicher schon einmal gespielt hat), Raffael wieder zentral, die Doppelmoppelsechs wie üblich in der dieses Mal von Beginn an nicht funktionierenden Sechserkette. Schon Raffaels Pressing war schlecht, Lasogga war wieder ganz allein, die ganze Arbeit gegen den Ball war auch schon vor dem ersten Gegentor insgesamt schlecht.

Dann kam aber alles zusammen: Zuerst schlägt Ibisevic mit einem irregulären Tor richtiggehend eine Bresche für Stuttgart, dann leitet Ottl gleich darauf mit einem Fehler den zweiten Gegentreffer ein, dann kommt der süddeutsche Führungsspieler bei einem Tackling so deutlich zu spät, dass die rote Karte kaum zu beanstanden ist. In nur sechs Minuten war Hertha aus dem Spiel, ein paar weitere Unzulänglichkeiten führten schließlich zu einem Endstand, der in der Sache schon nach einer halben Stunde klar war.

Das erinnert nicht von ungefähr an das Spiel in Hoffenheim, das Lucien Favre seinerzeit als seine Bankerotterklärung nahm. Da wir nicht davon ausgehen können, dass Manager Preetz jetzt schon zu dem drastischen Mittel einer weiteren Trainerentlassung greifen wird, spitzt sich nun alles auf das Auswärtsspiel in zwei Wochen in Augsburg zu - mit dem 1000. Hertha-Bundesligaspiel gegen den BVB nächsten Samstag als Übungsspiel, aus dem niemand wirklich Zählbares erwartet. Übungsspiel deswegen, weil die Sperre für Ottl nun endlich zu einem Experiment zwingt: Wie sieht diese Mannschaft ohne dieses schwarze Loch in der Mitte aus? Kann jemand dort auch ein Spiel aufziehen, das nicht auf Antimaterie beruht?

Zu dumm, dass Lustenberger verletzt ist - das Zusammentreffen der Sperre von Ottl und des Ausfalls des Schweizers ist wieder einmal einer dieser vermaledeiten Umstände, die daran glauben machen könnten, Hertha habe einfach ein schlechtes Horoskop - und zwar schon seit Jahren und wohl für immer. Die zehn Minuten von Stuttgart erinnerten jedenfalls fatal an die Abstiegssaison. Wenn man Pech hat, hat man Glück auch keins, sagt man dazu in Österreich gern. Und wenn dazu noch zu große taktische Feigheit kommt, wird daraus sogar noch ein verdientes Debakel. Nicht mehr und nicht weniger war das gestern, im Abstiegskampf hat das Team aber immer noch gute Karten. Bangemachen gilt nicht.

2 Kommentare:

p.selbst hat gesagt…

so schnell kanns gehen: http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,814753,00.html und ja, ich freue mich SEHR über diesen schritt.

hermann hat gesagt…

Skibbe ist schon weg. Ich hoffe für Marxelinho, dass sowas wie der Ottl zukünftig nie mehr für die Kampfmannschaft in Frage kommt. Denn wenn dem so wäre, dann wäre Hertha wohl in der 4. Liga angesiedelt. Besser ist der nicht. Oder es geht um ein Wettgeschäft - das war in meinen Augen kein Tackling, sondern das vorsätzliche Abholen der roten Karte.