Es gab einen einzigartigen Moment am Sonntag während des Spiels zwischen Arsenal und Manchester United: Beim Stand von 1:1 nach Ausgleich durch van Persie wechselte Arsène Wenger den jungen, sehr inspirierenden Flügelspieler Alex Oxlade-Chamberlain gegen den "Kapitän der russischen Nationalmannschaft" (wie Wenger hinterher zu betonen sich genötigt fand) Andrej Arshavin - der "russian assassin" wurde von den Fans mit wütenden Protesten empfangen, und von Robin van Persie existiert eine Großaufnahme aus diesen Sekunden, aus der abzulesen ist, dass auch er nicht einverstanden war. Wenig später setzte sich Valencia ohne Probleme gegen Arshavin durch, spielte zu Welbeck, und Arsenal hatte die dritte Niederlage in der Premier League in Folge im Kasten.
Spätestens jetzt beginnt die zweite Welle der Kommentare, in denen die Zukunft von Wenger bei Arsenal diskutiert wird - oder genauer: die Perspektiven von Arsenal unter diesem Trainer, der auch meiner Meinung nach nicht mehr der Richtige ist. Doch wir sehen am eigenen Beispiel, dem von Hertha, gut genug: der Richtige ist sehr schwer zu finden.
Für die Fans von Arsenal gibt es eine zentralen Satz aus den letzten 15 Jahren: "Arsène knows best". Ironischerweise ist das ein Glaubenssatz, der von der Empirie zunehmend nicht mehr bestätigt wird. In diesem Jahr und nach dem Verkauf von Fabregas und Nasri (der am Sonntag ein spektakuläres Tor in einem spektakulären Spiel zwischen Moneybags City und Spurs erzielte) hat Arsenal keinen Kader mehr, der für ernsthafte Ambitionen hinreicht. Zwar gibt es eine fähige erste Elf (Sczeszny - Sagna, Koscielby, Vermaelen, Santos - Song, Arteta, Ramsey - Walcott (Oxlade-Chamberlain), van Persie, Gervinho). Doch dahinter klafft eine Lücke, und das hat zur Folge, dass zum Beispiel Ramsey, der enorm viel läuft, während der Christmas Season zunehmend Zeichen von Erschöpfung zeigte, dass Arteta mangels vernünftiger Rotationsmöglichkeiten jetzt ein Muskelproblem hat, dass Song nicht mehr so stark ist wie noch im November usw.
Die Verletzungen aller Außenverteidiger bringen es auch mit sich, dass seit vielen Wochen eine improvisierte Viererkette aufläuft, mit der Konstante des "tall German" Per Mertesacker, der nach wie vor einen bedauernswerten Eindruck hinterlässt - sein Antritt ist beschämend, sein Aufbauspiel ängstlich, seine Präsenz wenig einschüchternd. Ich bin mir sicher, dass die Sache anders aussähe, hätte Wenger im Sommer den auch nicht teureren Christopher Samba von Blackburn geholt - aber dafür war er sich zu gut.
In den Pressekonferenzen verweist Wenger seit Monaten auf die vielen, vielen Jahre, die er diesen Job nun schon macht - ein klassisches Defensivargument, denn auch der größte Realitätsverweigerer wird doch in einem Winkel seines Bewusstseins noch begreifen, dass er 2012 nicht an dem Meistertitel 2004 gemessen wird, oder wenn, dann an der Differenz zu damals. 2012 ist Arsenal im Begriff, eine Mannschaft des Mittelfelds zu werden, Tabellenführer der grauen Zone außerhalb der vier CL-Plätze, zu denen nun nach Niederlagen gegen Fulham, Swansea und Manchester United schon fünf Punkte fehlen.
Augenscheinlichstes Zeichen der Verstocktheit Wengers ist die Position von van Persie. Er hat das ganze Jahr 2011 in grandioser Form gespielt - doch wer wäre da, würde er sich doch wieder einmal verletzen? Der völlig verunsicherte Marouane Chamakh, der gerade mit Marokko im Afrika-Cup spielt; und dann noch der indiskutable Koreaner Park. Mit dieser Besetzung will Wenger in die dichtesten Wochen des Jahres gehen (für uns Fans die besten, denn nun kommen sechs, sieben Spiele pro Monat), in ein CL-Achtelfinale gegen den AC Milan, in FA-Cup und in das Rennen um Platz 4.
Gleiches gilt für die Position von Song, für den im Krisenfall allenfalls der junge Coquelin einspringen könnte, der allerdings gerade verletzt ist. Das hat mit vernünftiger Planung nichts mehr zu tun, das ist blankes Vabanque zugunsten der Investoren Kroenke und Usmanow, die auch für 2011 wieder einen satten Gewinn einfahren werden, dafür aber in Kauf nehmen müssen, dass der sportliche Erfolg zunehmend ausbleibt. Insofern hat die Niederlage gegen United vielleicht etwas Gutes - eine Woche gibt es ja noch die Möglichkeit, einzukaufen.
Gibt es personelle Alternativen zu Wenger? Nach allem, was man so mitbekommen kann über einen globalen Großclub wie Arsenal, hat er alles perfekt auf seine Solo-Show zugeschnitten - niemand im Vorstand und im Stab scheint ihn wirklich zu fordern (der zunehmend staatsmännischer auftretende van Persie könnte da eine interessante Funktion übernehmen). Das würde also bedeuten, dass Arsenal im Zweifelsfall nicht einfach einen neuen Manager braucht, sondern einen gesamten Stab. Ob ein toller junger Trainer wie Brendan Rogers von Swansea das (schon) könnte? Daran mag man zweifeln, wie auch daran, ob der tolle, ruhige David Moyes von Everton sich in Colney und Islington gut zurechtfinden würde.
Das ist das Schicksal von Clubs, die "too big to fail" sind - sie müssen im Zweifelsfall das ganze Geschäftsmodell austauschen. Und bei Arsenal spricht alles dafür, dass Arsène Wenger bei allen seinen Defiziten trotzdem im Moment der beste Repräsentant ist, während im Hintergrund Ivan Gazidis für Stan Kroenke die Profite steigert. Bei Arsenal ist das Geschäftsmodell (sichere Gewinne) im Moment wichtiger als der sportliche Erfolg. Doch irgendwann wird sich an die Invincibles von 2004 niemand mehr erinnern können, und Alex Oxlade-Chamberlain wird dann wahrscheinlich ein Angebot von Real Madrid annehmen, die dann trotz eines Tores von van Persie in seinem letzten Spiel als Profi wieder einmal einen Clasico gegen Barcelona verloren haben werden. Das wäre 2017 oder so. Theo Walcott spielt dann übrigens bei Stoke City.
3 Kommentare:
du hast bei deiner ersten elf den besten spieler dieses kaders vergessen: das ist nicht van persie, sondern jack wilshere (statt arteta, if you ask me) - der ist märz wieder da
das mit wilshere stimmt natürlich der wird dann wie ein "new signing" sein, und wir müssen sehen, ob er die leistungen des ersten jahres bestätigen kann - statt arteta, klar, bzw. wird er es möglich machen, im mittelfeld zumindest ab und zu zu rotieren
der wird dann wie ein "new signing" sein
Da sieht man mal die tatsächliche Machtfülle von Wenger, selbst in Deine Gedanken- und Schreibwelt hat er sich schon geschlichen ;o)
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