Um zehn Uhr beginnt bei Hertha heute das Training zur Vorbereitung auf die Rückrunde. Das wäre wohl auch unter Coach Babbel so gewesen, der in normalen Betriebswochen sonst gern erst am Dienstagnachmittag üben ließ, doch es gibt einen neuen Trainer: Michael Skibbe, verpflichtet aus der Türkei. Bevor er hier begrüßt werden soll, noch ein abschließendes Wort zu dem "Lügen-Zoff", der die kurze Ära Babbel in Berlin beendet hat.
Entscheidend ist, dass es um Wahrheit und Lüge gar nicht ging. Es gab nämlich in dieser Sache nur eine Wahrheit, und das ist die Wahrheit des Clubs (dass diese handwerklich anfechtbar war, weil sie, simpel gesprochen, angesichts der langen Vertröstung bis 21.1. wenig glaubwürdig war, bleibt den Verantwortlichen anzulasten). Dass Babbel schließlich mit seiner alternativen Wahrheit an die Öffentlichkeit ging, konnte Hertha nicht dulden, weil er sich damit einer klaren Verletzung der Spielregeln schuldig gemacht hat. (Dass ich insgesamt glaube, dass Babbels Version, wenn schon nicht im Detail, so doch in der Sache viel für sich hat, tut also gar nichts zur Sache. Im Sinne der Vereinbarung, dass der Club über die Wahrheit verfügt, hat er doch "gelogen".)
Wie so oft in Angelegenheiten, in denen es um "private Gründe" geht, hat sich auch hier allerdings eine höhere Wahrheit durchgesetzt: Es ist die Wahrheit der Wünsche. Die widersprüchlichen Wünsche, die Babbel bestimmt haben müssen, waren irgendwann nicht mehr zu vereinen - er konnte nicht in Berlin etwas aufbauen und sich zugleich jetzt schon für höhere Aufgaben in Stellung bringen, er konnte nicht in München leben und in Berlin einen Fulltimejob haben. Die Entscheidung, die er zu treffen hatte, hat er sich schließlich selbst abgenommen.
Für Hertha ist das eine gute Sache, denn sportlich hat Babbel nach gutem Beginn in der ersten Liga stagniert. Sein ödes Festhalten an der eingefahrenen Taktik tat der Mannschaft nicht gut, ob sich das im Frühjahr noch einmal geändert hatte, bezweifle ich eher. Nun also Michael Skibbe, zu dessen Bestellung ich von vielen verständigen Freunden regelrechte Beileidbekundungen bekommen habe. Ich sehe das nicht so eng.
Der Trainermarkt bietet wenig Möglichkeiten, nichts ist schwieriger als die Verstetigung von Erfolg (siehe Tuchel in Mainz, siehe Slomka in Hannover, siehe vielleicht bald auch Favre, der in Gladbach ja in seinem ersten Jahr ist - ihn hätte ich natürlich trotzdem lieber), und nach Babbel ist Hertha noch nicht reif für den nächsten innovativen personellen Schritt. Skibbe ist ein vertretbare, konventionelle Wahl, und ich traue ihm sogar zu, die falschen Automatismen des Babbel-Systems aufzubrechen. Das wird, genau genommen, seine erste Aufgabe sein.
Ein frischer Blick ist genau das, was dieser Kader jetzt braucht. Seit ein paar Minuten trainiert Hertha wieder, wahrscheinlich gibt es aber gerade noch Ansprachen. Dann aber muss es zur Sache gehen, und das bedeutet: jeder Spieler muss auf den Prüfstand, die Nachwuchsarbeit muss hinterfragt werden, die Hierarchien müssen neu gefunden werden. Das Jahr des Wiederaufstiegs ist Vergangenheit, nun ist wieder Alltag. Gut so.
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