Sonntag, Januar 08, 2012

Implosivität

Im Zusammenhang mit dem interborussischen Transfer von Marco Reus kommt auch Hertha BSC immer wieder zur Sprache. Das hat damit zu tun, dass Coach Favre in Mönchengladbach sich präventiv absichert, indem er an die Situation in Berlin im Sommer 2009 erinnert. Damals verließen Simunic, Voronin und Pantelic den Verein, wurden nicht adäquat ersetzt, und es folgte die Abstiegssaison. Ähnliches will er nun mit Gladbach vermeiden, deswegen will er die 17 Millionen Euro, die aus dem Verkauf von Marco Reus lukriert werden, gut angelegt sehen. Das wird vor allem deswegen schwierig, weil Reus so jung ist - man müsste ja nun jemand finden, der ähnliches Potenzial, ähnliche Auswirkungen auf die Mannschaftsstruktur und ähnliche Renditehoffnungen in sich vereinen kann - stattdessen wird es wohl jemand werden müssen, der schon ein wenig erfahrener ist, deswegen mehr verdienen will, und vielleicht nicht mehr so spektakulär weiterverkaufbar ist.

Die Unterschiede zur Situation bei Hertha 2009 sind allerdings zu deutlich, als dass hier ein brauchbarer Vergleich zu finden wäre. In Berlin fanden sich nach dem Abgang von Dieter Hoeneß ein unerfahrener Manager und ein unentschlossener Trainer vor der Situation, mit wenig Geld die gestiegenen Ansprüche nach einer Saison zu moderieren, die fast in die CL geführt hätte. Die finanziellen Möglichkeiten, die in den letzten beiden Spielen im Frühjahr 2009 verspielt wurden (auch aufgrund von Coaching-Fehlern von Favre), hätten es erlaubt, Voronin zu verpflichten, der inzwischen in der Versenkung der russischen Liga verschwunden ist.

Die naheliegendere Möglichkeit, Marko Pantelic zu akzeptablen Bedingungen zu verlängern, scheiterte an Favre, der den Serben für meine Begriffe immer völlig falsch eingeschätzt und behandelt hat. Und auch an Simunic hat er, abgesehen von der starken Saison 2008/2009, immer ein wenig gesägt.

Im Gegensatz dazu hat Favre es nun in Gladbach mit einem Manager Max Eberl zu tun, der viele Meriten vorzuweisen hat, und er findet solideste Standortfaktoren vor. Persönlich und beruflich ist er auch gereift, seine Berliner Traumatisierung ist aber immer noch durchzuhören, wenn man hört, wie er auf den Verkauf von Reus reagiert. So sieht es jedenfall die SZ in einem aktuellen Bericht: "Die Entlassung von damals nagt noch immer an ihm." Sie nagt auch an uns. Umso mehr können wir uns auf das DFB-Pokalspiel gegen Gladbach freuen - immerhin gibt es dazu eine Blaupause aus dem Herbst, von der Hertha sich positiv abheben kann.

Das würde dann das Trauma zumindest auf Berliner Seite wohl therapieren, während Lucien Favre trotz aller Verdienste in Gladbach immer noch auf die Bewährung arbeitet, die seine (wie wir nun allerdings wissen: auch gesundheitlich bedingte) Berliner Implosion vergessen machen kann.

Keine Kommentare: