Constanta ist nicht nur eine Hafenstadt, sondern auch ein ziemlich beliebter Badeort, das Caorle des Schwarzen Meers, wenn man so will. Gestern war allerdings noch deutlich verspürbar Vorsaison, und die meisten Gäste in dem Hotel, in dem ich mich für eine Nacht eingemietet hatte, waren wegen des Fußballspiels gekommen.
Ich wollte also unbedingt hinein, um Rumänien gegen Serbien zu sehen, meine Neugierde stieg nur noch, als ich am späten Nachmittag das Stadion in seiner ganzen kommunistischen Monumentaltristesse von außen daliegen sah. Bald stellte ich allerdings fest, dass es bei so einem Spiel nicht so leicht wie vor dem Olympiastadion an einem durchschnittlichen Samstag ist, jemand eine Karte "abzukaufen". Es waren tatsächlich sehr viele Polizisten da, und die eigentliche Transaktion erinnerte mich dann eher an "The Wire" als an das, was ich bisher so kannte: Ein Mann mit rumänischen Fahnen sprach mich an, murmelte zwischendurch das Wort "Change", worauf ich instinktiv nickte, das nächste Wort war dann schon "bilet", und die Summe nannte er, nachdem er begriffen hatte, dass ich kein Landsmann war, auf Deutsch: "Hundert". Gemeint waren Lei, ungefähr 30 Euro. Ich ließ dezent zwei Fünfziger aus meiner Jackentasche lugen, da trat auch schon der Chef auf mich zu, nahm mir das Geld ab, reichte es an einen Jungen weiter und bedeutete mir, ein paar Schritte weiterzugehen. Er kam dann aber selbst hinter mir her und drückte mir ein sehr oft gefaltetes weißes Stück Papier in die Hand, das ich erst überprüfen konnte, als ich schon fünfzig Meter weiter war.
Ich habe mich also vielleicht nicht so dämlich angestellt wie Larry David, als er in "Curb Your Enthusiasm" Dope kaufen will, aber letztlich war ich doch sehr abzockbar. Davor hatte es schon einen wirklich heiklen Moment gegeben, als ein Bulgare (als solcher deklarierte er sich) mich zum Stadion "bringen" wollte und dazu einen Weg vorschlug, der mir (noch nicht ganz ortskundig, aber mit einer Idee von der richtigen Richtung) umständlich vorkam. Ich versuchte wieder, meiner Wege zu gehen, da trat plötzlich ein Mann in schwarzer Lederjacke an uns heran, zückte einen Ausweis und gab sich als "Zivilpolizist" zu erkennen. Er ließ mich alle Taschen leeren, sagte zwischendurch mehrmals fragend "Kokain" und wurde erst, als ich mich als Österreicher zu erkennen gab, ruhiger. Mich durchzuckte da aber gerade der Gedanke, die beiden Männer könnten ein Team sein, und mich gerade trickbetrügerisch ausnehmen. Es stellte sich aber heraus, dass er mir alles wiedergegeben hatte: das Telefon (das ausgeschaltet war), alle Karten, den Pass, die Kamera, das Bargeld.
Das "bilet", das ich von dem lokalen Pusher erworben hatte, erwies sich als seit dem letzten Regenguss nicht gereinigter Plastikschalensitzplatz im Sektor der Serbien-Fans, zum Glück im dünn besetzten "bürgerlichen" Teil neben den Hardcore-Supportern, die nach dem Führungstreffer für ihre Mannschaft so stark das bengalische Feuer eröffneten, dass die Einsatzpolizisten ihre Masken aufsetzten und anrückten (während ich mich an einen "Jandarmen" wandte, der mich diskret in den Sektor der Rumänen ließ, nachdem ich als Österreicher meine immerwährende Neutralität glaubhaft gemacht hatte).
Für ein paar Minuten war es eine mulmige Situation, und ich begriff jetzt erst so richtig, dass man allerlei Unsicherheiten gewärtigt, wenn man eine Eintrittskarte "blind" kauft. Ich kam schließlich vom Krimwind ordentlich durchgefroren, aber wohlbehalten wieder ins Hotel, nach einem faszinierenden, schnellen, chaotischen Spiel, das Serbien mit 3:2 gewann. Marko Pantelic leitete den Führungstreffer ein (mit einem Handspiel, wie es später im Fernsehen aussah), blieb aber weitgehend wirkungslos. Maximilian Nicu hätte in der Mannschaft von Rumänien, die rasant, aber auch planlos spielte, keinen Auftrag gehabt, er kam auch nicht zum Einsatz. Gojko Kacar habe ich auch nicht gesehen, aber wie es eben so ist, wenn der Stadionsprecher eine fremde Sprache spricht und das Match vertikal vor dir hin- und herfetzt: Vieles habe ich gar nicht mitbekommen.
Zum Glück habe ich zwischendurch gesehen, wie Fans sich vor der Kulisse des Stadions von Constanta fotografieren ließen. Dieser Gedanke, auf den ich von allein nicht gekommen wäre, erschien mir plausibel, und so kann ich mein bisher interessantestes "ground hopping" sogar dokumentieren.
1 Kommentar:
Klingt nach spannendem Groundhopping. Da kann man ein bisschen neidisch werden...
Kommentar veröffentlichen