Sonntag, Juni 13, 2010

Stehrummännchen

Heute greift Deutschland zum ersten Mal in die WM ein. Gegen Australien wird allgemein Arne Friedrich neben Per Mertesacker in der Innenverteidigung erwartet. Es sind schon zahlreiche Artikel über den Umstand geschrieben worden, dass ausgerechnet der Kapitän des Absteigers aus Berlin im Nationalteam ein veritables Comeback erlebt - nicht unbedingt als unumstrittener Topkandidat für seine Position, sondern als "verlässlicher" Kandidat für eine Rolle, die bessere Fußballer manchmal unverlässlicher gespielt haben (Tasci), während ein verlässlich besserer Fußballer wie Westermann nicht zur Verfügung steht oder der andere Friedrich (Manuel von Bayer 04) nicht mehr zum Kader gehört.

Arne Friedrich ist nach dieser Saison irgendwie wieder fein heraus, er wird ablösefrei und mit sattem Handgeld zu einem Erstligaklub wechseln, und muss dabei nicht einmal die Anmutung eines Comebacks verbreiten: er ist kein Stehaufmännchen, sondern ein Stehrummännchen, auf das dann doch immer wieder jemand zurückgreift. Nur Lucien Favre wollte das nicht tun seinerzeit im Saisonfinale 2009, aber das ist eine alte Geschichte.

Noch älter ist die Geschichte, dass Arne Friedrich 2002 für 1,8 Millionen Euro von Arminia Bielefeld zu Hertha wechselte, einer der frühen strategischen Transfers von Manager Hoeneß (im selben Jahr wechselte Sebastian Deisler für neun Millionen zum FCB). Friedrich war schon bald für die Position eines Führungsspielers designiert, sein Karriereverlauf zeigt aber auch, dass er dafür nur bedingt geeignet war - er hat einfach zu wenig Persönlichkeit (Arsène Wenger würde sagen: zu wenig "desire"), er will (nach außen) zu wenig von sich und dem Sport, er hat überwiegend Angestelltenfußball gespielt.

Es gab Momente, in denen er andeutete, dass es anders auch ginge (ich erinnere mich an zwei Pässe im schönen Jahr 2008/2009, einmal auf Voronin, einmal auf Kacar, die zu zwei wertvollen 1:0-Siegen geführt haben), aber insgesamt war er für einen modernen Verteidiger vor allem in der Spieleröffnung immer zu konservativ. Er geht eben nicht leicht aus sich heraus, auch seinem Spiel eignet etwas Knauseriges, Versicherungsmathematisches.

Und auf die zentrale Kränkung bei der WM 2006, als er so offensichtlich als Notnagel durch das Turnier schlich, hat er mit einer Verhärtung seiner Selbstdefinition reagiert - er wollte fortan nur noch innen spielen, und dort spielt er heute auch gegen Australien: ein meist verlässlicher Defensivmann, von dem man kein großes Aufheben machen müsste, wenn er sich nicht immer wieder auf eine seltsame Weise unentbehrlich zu machen wüsste. Das ist ja auch ein Talent.

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