Lucien Favre, seit der beruflichen Trennung von Hertha BSC Privatier in Wilmersdorf, war gestern zu Gast im alten Hebbel-Theater, auch HAU1 genannt. Es ging um das neue Buch des auch von mir sehr geschätzten Christoph Biermann, es heißt "Die Fußball-Matrix" und beschäftigt sich mit der "Suche nach dem perfekten Spiel", also mit vielen Formen der Verwissenschaftlichung, der parametrischen Optimierung, der Eliminierung von Fehlerquellen etc. Zu diesem Buch demnächst mehr.
Natürlich war nicht zu erwarten, dass Favre an diesem Abend Klartext reden würde, man musste also schon sehr genau aufpassen, um ein wenig herauszuhören, wie sich seine Philosophie des "richtigen Spiels" zu den Katasterstrategien des modernen Fußballs verhält. Abgesehen davon, dass Hertha nicht über das Budget verfügt, um sich mit einem dieser hochwertigen Spielbeobachtungssysteme einzudecken, wie es etwas der HSV hat, hat Favre nämlich durchaus recht, wenn er andeutet, dass eine genaue Spielbeobachtung mit freiem (erhöhtem) Auge das Wesentliche schon erkennen kann - wieviel und wie klug läuft die Mannschaft, wie gut setzt sie sich durch, wieviele Chancen spielt sie heraus, und wieviele lässt sie zu?
"Das ist klar", sagt Favre immer noch gern. Er ließ durchklingen, dass er nur bedingt auf Gegneranalyse setzt, insgesamt hinterließ er den Eindruck eines soliden Handwerkers, der auf keinem Gebiet der "Optimierung" des Spiels besondere Begeisterung entwickelt hat, sondern im Grunde "old school" arbeiten möchte, mit dem Ball und mit den Spielern. Er hat ja auch keineswegs eine Revolution bei der Hertha in die Wege geleitet, in seinem dritten Jahr war der Stab weitgehend der alte von vor seiner Zeit, Fragen nach der richtigen Dramaturgie zum Beispiel im Bereich der Grundlagenfitness bleiben aus diesem Sommer zumindest als Andeutungen offen.
Christoph Biermann brachte an einer Stelle den Begriff des "Genscherismus" ins Spiel, die alte Schule der deutschen Außenpolitik, die eine hohe Kunst des Nichtssagens beinhaltet. Favre war gestern natürlich Genscherist. Nichts anderes konnte man erwarten von einem Profi "between jobs".
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