Freitag, Juli 01, 2011

Verlorene Söhne

Hertha hat gestern schon das Mannschaftsfoto für die neue Saison gemacht, man kann beruhigt ins Trainingslager fahren. Ganz anders sieht die Sache bei meinem anderen Lieblingsclub aus, beim Arsenal FC, der nach massiv beunruhigendem Saisonabschluss eigentlich gute Gründe hätte, ein paar grundsätzliche Umbauten vorzunehmen. Doch bisher ist nichts passiert, während die unmittelbare Konkurrenz bereits groß investiert hat (MeanU allein hat für Phil Jones, Ashley Young und David de Gea schon 57 Millionen Euro ausgegeben).

An einer Stelle gibt es zwischen Hertha und Arsenal sogar einen Zusammenhang, denn ganz ausgeschlossen ist es noch nicht, dass Christopher Samba von Blackburn nach London wechseln könnte (ein Transfer, den ich nicht nur aus sentimentalen Gründen sehr begrüßen würde). Doch wie schon in den Jahren zuvor wartet Arsène Wenger ab.

Das kann nicht nur daran liegen, dass die Personalie Fabregas noch zu klären ist - niemand zweifelt seriös daran, dass es eine Einigung mit Barcelona geben wird und der verlorene Sohn der Katalanen heimkehren wird. Meiner Einschätzung nach war der Abschied seit der "Verletzung" klar, die Fabregas die letzten vier Spiele nach der peinlichen Niederlage gegen Bolton offiziell hatte - ich würde nur zu gern wissen, was in diesen Wochen intern vor sich ging, es hat auf jeden Fall die Mannschaft und deren Zusammenhalt deutlich erschüttert.

Nun steht aber nicht nur der Abgang von Fabregas bevor, sondern auch der von Gael Clichy (dem letzten derer, die schon 2004 dabei waren, als Arsenal mit den "Invincibles" Meister wurden), und möglicherweise der von Samir Nasri, um den MeanU und Moneybags City noch nicht offiziell bieten, um den aber zumindest so viel Gerede ist, dass Arsenal eigentlich allmählich ein Zeichen setzen sollte.

Das kann nur die eine oder andere Verpflichtung sein, die es einem Toptalent wie Nasri plausibel macht, dass Arsenal im kommenden Jahr überhaupt eine Chance haben wird, um die CL mitzuspielen - man darf dabei nicht vergessen, dass auch Liverpool kräftig investiert (und zudem in der zweiten Halbsaison schon deutliche Fortschritte nach der Depressionsära unter dem späten Benítez und Hodgson gemacht hat), dass Chelsea einen vielversprechenden neuen Trainer hat (André Villas-Boas vom FC Porto), dass ManCity einen proppenvollen Kader hat (und trotzdem Jerome Boateng noch nicht an den FCB herausrücken will).

Arsenal wird im Juli mindestens vier Dinge zu klären haben. Erstens die Torhüterfrage. Für meine Begriffe ist Wojciech Szeszcny ein guter erster Keeper, der allerdings bei der Spieleröffnung und beim "decision making" noch Erfahrung hinzugewinnen muss. Es ist aber nicht ganz ausgeschlossen, dass Wenger noch einen Routinier holen wird, und dann ist dann ja auch noch Lukasz Fabianski, den ich vor einem Jahr als absolut ungeeignet eingeschätzt habe, der aber während der Saison eine Reihe von höchst kompetenten Spielen gemacht hat, bevor ihn eine Verletzung zu einer langen Pause zwang.

Zweitens muss Arsenal eine defensive Ordnung finden. In der Viererkette ist bis auf Sagna momentan keine Position wirklich souverän besetzt. Djourou hatte eine interessante, aber keineswegs beständige Saison. Koscielny ist ein toller Spieler, dem ich eigentlich das Vertrauen aussprechen würde; ob Vermaelen zu alter Autorität zurückfinden wird nach einem Jahr Pause, ist unklar; und links will Wenger anscheinend Kieran Gibbs an die Stelle von Clichy stellen. Meine Konstellation sähe so aus: Vermaelen (Gibbs) - Samba (Gary Cahill) - Koscielny (Djourou) - Sagna (Jenkinson/Eboue). Das heißt, Wenger sollte Gary Cahill und Samba kaufen.

Drittens bedarf es einer Lösung für die Offensivformation, die bisher stark von der Position von Fabregas geprägt war, der eine 10 mit großem Aktionsradius spielte (abgesichert von dem defensiv aggressiveren Wilshere und dem Sechser Song). Wenger könnte das so belassen und einfach Nasri diese Position zuteilen, dazu müsste er ihn aber halten. Arshavin war auch nie besser als zentral hinter der Spitze, wo er bei Arsenal aber fast nie zum Einsatz kam. Die Frage wird dadurch komplizierter, dass van Persie eigentlich hinter einem zentralen Stürmer effektiver ist, was aber nur bei einem 4-4-2 ginge, einer Formation seligen Andenkens (Flamini-Fabregas 2006).

Viertens muss Wenger die Qualität seiner zweiten Garde hinterfragen. Bendtner, Denilson, Abou Diaby, Squillaci, Eboue, auch (mit Einschränkungen) Ramsey und Chamakh haben in der zweiten Saisonhälfte nicht überzeugt, das hat auch mit uneindeutigen positionellen Aufgaben zu tun. Es wird nicht ohne einen größeren Umbruch gehen, der Trainer ist angezählt ("In Arsène we rust"), nun sieht er sich auch vor dem Verlust zentraler Spieler. Die nächsten Wochen des Arsenal FC werden spannend.

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